Also, gestern waren wir in der Philharmonie, Konstantin Wecker & die Münchner Symphoniker. Alexander hat uns eingeladen.
Gleich vorneweg: es war ein memorabiler Abend. Harmonisch und spannend, interessant und heiter, berührend und bereichernd. Und zwar während, vor und nach des Konzertes.
Das Konzert.
Das ist alles natürlich sehr subjektiv - und Ihr wisst auch alle: Wenn man gerade selber mit einem Projekt beschäftigt ist, dann sieht man alles andere nur durch das Okular des eigenen Dings - das macht es natürlich schwer, auch nur ansatzweise objektiv zu sein.
Dann: ich kann bei Wecker sowieso nicht objektiv sein, dazu hat mich dieser Künstler schon zu lange bewegt. Er ist Vorbild, Lebensbegleiter - und umgekehrt: auch ich habe dieses Künstlerleben mitbegleitet - soll heissen: wenn man jemanden jahrelang kennt und dessen künstlerischen Weg beobachtet hat, und sei es nur aus der Ferne, dann hat man ein anderes Gefühl zu dessen Arbeit, als wenn man sie das erste oder zweite Mal sieht.
Okay.
Das Konzert war mutig, Weckerisch, eitel, kitschig, trivial und irgendwie entlarvend, vielleicht sogar entzaubernd - nicht zerstörerisch entzaubernd, aber er hat sich selbst doch - ich meine, zumindest halbbewusst- von einem Podest runtergeholt .
Am besten "kam er an" wenn er einfach Wecker war, das "Viech" auf der Bühne, schwitzend, sich windend, voller Emotionen, brüllend&knödelnd und mit zwei seiner "uralt-Getreuen" jammend. Und das konnte ich natürlich verstehen - dass es so am besten ankam: da ist er stark, da ist er zu Hause - und es "gibt dem Affen Zucker". Diese Lieder - obwohl er von seiner Hitplatte "Genug ist nicht Genug" nur ganz sparsam Lieder anspielte - diese Lieder geben Kraft und DAS ist es, was unverwechselbar ist. Grossartig gebracht.
Weniger konnten die Leute damit anfangen, dass die Münchner Symphoniker zB ein Medley aus seinen Filmmusiken spielten - da applaudierten sie mehr aus Liebe zu Wecker als aus Anerkennung der Leistung.
Aber: Die Filmmusiken sind sowohl musikalisch ...äh... als auch eminent uninteressant intrumentiert, und von den Symphonikern auch überraschend gleichgültig gespielt. Wecker will Strauss sein gemischt mit Bregovic und ab und zu a bissel Wagner - dazu reicht's aber leider nicht, und wenn man so eine Musik dann (und auch noch ganz brav) für ein "normales Orchester" intrumentiert, dann merkt man das viel mehr, als wenn es unkonventionell und mit irgendwelchen Jazz- oder Rockinstrumenten gespielt wird. Und klassische Musiker sind ja auch ziemlich herablassend: die wissen sofort, was wo schlecht geklaut wurde, und versuchen dann nicht, das zu kaschieren. Und stellenweise haben sie's auch einfach nciht gebacken gekriegt: der "Sologeiger", ein Engländer, hat vergeblich versucht, so etwas wie "das ungarische Viech" auf der Geige zu sein... ein Engländer. So klang es auch.
Überhaupt: Ich kann SEHR gut verstehen, wie sehr einen das lockt, mit einem ganzen klassischen Orchester aufzutreten, und ich kann sehr gut verstehen, wie sehr einen das auf der Bühne "wegblasen" kann im schönsten Sinn. Schon mit Streichquartett kommt eine Kraft von hinter einem, das ist fulminant.
Es muss ein IRRE TOLLES Gefühl sein, für Wecker, mit seiner Geschichte, mit seiner Musikversessenheit.
(Und die hat er unbestritten, sowas hat ja nix damit zu tun, wie ANDERE die Musik die man macht finden: er ist versessen besessen von Musik) Das muss einfach extrem schön sein. Und das gönne ich ihm natürlich von Herzen, und es freut mich ohne jeglichen Vorbehalt - gerade weil ich mich so gut in das Gefühl hineinversetzen kann - dass er das verwirklichen kann.
Aber ich sitze eben auch unten, und bin Rezipient. Und trotz meiner Bewunderung, Liebe, Treue, meinem Interesse für den Menschen& Künstler Wecker: ich höre auch einfach so zu. Und das war leider not so great. Bestenfalls: okay.
Alle Instrumentierungen - mit kleinem Orchester, mit gesamtem Orchester, alle waren wirklcih überraschend simpel, ja geradezu uninspiriert. Alle in der gleichen Lage, Klavier und Harfe - nichts kommt aneinander vorbei, es war ein Simpelbrei, alle Streicher spielen dasselbe, bei rythmischen Sachen ist der Kontrabassist nicht mal auf der Bühne. Überhaupt waren die rythmischen Sachen schwierig, weil es da immer auseinander lief: Wecker hält die Time nicht gut - klar, wann muss er das schon so genau? - rennt den Musikern davon, die können aber nicht so "frei begleiten" (woher auch?) es schwimmt alles. Und wenn man dann nciht einen Bassisten hat, der zusammen mit einem Percussionisten die Time ANGIBT und durchhält, dann wissen die armen Musiker nicht, wohin: gehen sie dem percussionisten nach? oder doch dem Wecker? Oder vielleicht dem Keyboarder? Ergebnis: Waber.....
Das sind Dinge, die ich sehr gut durch die Arbeit mit dem Quartett gelernt habe: die Lieder, die rythmisch frei sind, die ich so "brauche" - mal schneller, dann wieder langsamer - da muss man sich SEHR genau ausmachen, wowaswann. Das kann man einfach nicht so machen wie nur mit Klavier, Bass, Sax. Bei Streichern, bei Klassikern rennt das einfach anders. Und dieser "Gap" zwischen den Jazzigen Musikern und den Klassikern war sehr stark spürbar. Das war einfach nicht genau gearbeitet - was auch erklärbar ist: mit einem Orchester hat man zwei, bestenfalls drei Proben. Und die sind jeweils zwei, soll sein drei Stunden - mehr ist nicht drin. Wenn aber nun Musiker aufeinander treffen, die aus zwei so verschiedenen Ecken kommen, die so unterschiedliche "Fixpunkte" brauchen, dann ist das einfach zu wenig. Und zwar für beide Seiten. Aber: seine Musiker, sein Dirigent (der offenbar beide "Seiten" kennt) die hätten dieses Problem kennen, erkennen und durch die Arrangements minimieren können, oder? Fixpunkte einbauen, wo man sich wieder findet, klar erkennen müssen, wo es die Gefahr des "Schwimmens" gibt.
Und dann diese Arrangements. Einem Tim Fischer (bzw seinen Arrangeuren) traue ich das zu, von einem Wecker hätte ich mehr erwartet, ganz ehrlich.
Er erzähle von seinen "Flops", spielte also die berühmten Nummern bestenfalls an, und eher die Lieder, die es nicht zu was "gebracht" haben. Vor allem: die dazwischen. Das war irgendwie nicht konsequent durchgehalten. Er SAGTE zwar immer wieder, das Konzept sei, von seinen Flops im Leben zu erzählen - aber das kam nicht so richtig durch, fand ich. Er erzählte halt von früher. Er hatte den Mut, eine kleine Arie von Band spielen zu lassen, die er als Junge vor dem Stimmbruch gemeinsam mit seinem Vater, einem glücklosen Opernsänger gesungen hatte. Und man hörte(abgesehen davon, dass es extrem nachbearbeitet war) : a.) der kleine Wecker hatte eine Sängerknabenstimme, b.) der Vater Wecker war mit Recht glücklos, denn seine Stimme war soo interessant nicht, und c.) Wecker ist in sich selbst einen kleinen Tic ZU verliebt. (Irgendwas aus Traviata? Ich hab's vergessen) Es schrammte sehr hart an der Grenze des Kitsch vorbei, oft darüber hinweg. Es war auch berührend - aber nicht so stark, wie er das erdacht hatte (und wie es durchaus hätte sein können) dazu war es mit dem Riesen Orchester nachher zu wenig intim, dazu war es gerade den kleinen Strich zu eitel. Es war keineswegs Peinlich, das nicht. Aber es war auch nicht so grandios, wie es gelingen hätte können.
Letztlich war das der ganze Abend. Getragen von der Liebe des Publikums zu einem wirklich grossen Könner und spannenden Künstler, der leider einen ganz kleinen Tic ZU eitel ist. Der ein Konzept zu einem Abend hat, wo man sich denkt: soll das ein "fulminanter Abschied" sein? Er ist doch keine 60? Das ist ein bisschen früh. Und er sagt witzige und ironische Sätze wie: "Ich hab mein ganzes Leben lang gekämpft, um die Welt zu verändern (mega-applaus) und dann musste ich feststellen: die Welt HAT sich verändert, aber durch ganz andere Leute" Und auch wenn er dann dranhängt: "aber ich kämpfe weiter" klingt das für mich nur noch wie: das sage ich, weil die Leute das hören wollen, aber eigentlich ist das hier mein Karrierehöhepunkt und eben: Mein "fulminantes Abschiedskonzert" - und was sagt mir das dann: Entweder er ist so eitel, dass er das glaubt, oder so ängstlich, dass er das braucht, oder so hoffnungslos, dass er vor dem Ertrinken kämpft. Und dann bleibt mir als Publikum nur noch eben die Liebe zu der Vergangenheit, und ich applaudiere und lebe mit aus dieser Liebe heraus - er kann mir aber nicht mehr das geben, was er einst gab: die Kraft, um in die Zukunft zu kämpfen.
Das publikum, kam mir vor, fühlte ebenso: bumvoll die Philharmonie, und am Schluss gingen manche schon vor den letzten Zugaben, weil: 'leiderleider, aber sonst müssen wir ewig an den Garderoben stehen", ganz am Schluss versuchen einige, eine "standing Ovation" zusammenzubekommen, aber die meisten standen nur noch, weil sie auf dem Weg hinaus aufgehalten wurden - es hat dem "Affen nicht genug Zucker gegeben" - er hat Rück-geblickt, und es war eigentlich zu früh, und er hat etwas von "der grosse alte mann noch mal auf der Bühne" gehabt, ohne der grosse alte Mann zu sein, und ohne dass das irgendwer von ihm erwartet hätte. Er war nicht, wie er es wohl geplant hatte: ein gereifter, ein anderer Wecker, ein "neuer Wecker", ein Familienvater - er war ein sich Verabschiedender vor der Zeit.