an des Lebens Niederlagen
lässt der Dichter Lieder nagen
Schon klar, kann ich auch in einem gewissen Maße unterschreiben. Wer soll auch sonst diese Lieder schreiben, wenn nicht der Dichter/Komponist. Mir geht es nur um die Grenze zwischen dem Leid, das das Leben für jeden Menschen- Künstler, wie Nichtkünstler- bereithält (Sonnen- und Schattenseiten des Lebens) und z.B. therapiebedürftigen psychischen Krankheiten andererseits. Ein leidloses Leben gibt es ohnehin nicht, und so wird auch ein Großteil künstlerischen Schaffens immer aus der Auseinandersetzung mit diesem Leid bestehen. Wenn man allerdings das persönliche Leid zur
Bedingung für künstlerische Arbeit macht, gerät man gerade in Punkto Krankheit auf eine gefährliche schiefe Ebene, an deren Ende nur noch die Missachtung der Person stehen kann.
Als Beispiel für eine unvermeidbare Schattenseite: "Tears in Heaven", um ein bekanntes Lied zu nehmen, wäre wohl nicht entstanden, wenn Claptons Kind nicht verunglückt wäre. Ohne darüber zu spekulieren, ob der Unfall
an sich vermeidbar gewesen wäre: Es lässt sich nicht verhindern, dass das Leben solche schlimmen Dinge für einen bereithält. Passiert so etwas einem Liedermacher, schreibt er vielleicht ein Lied darüber. Passiert es einem Konditor, macht er für eine Zeit seinen Laden zu.
Dass Krankheit (manche nennen es "Wahnsinn") das "Genie" beflügle, hört man oft. Genauso, wie man oft hört, dass Armut "kreatiiiiev" macht. (Soviele Unworte auf einem Haufen, ich weiß.) Die darin enthaltene Anspruchshaltung lässt sich genaugenommen aber ohne Missachtung der Person des Künstlers nicht aufrechterhalten. Abgesehen davon, dass die Thesen natürilch nicht wirklich belegt sind. Der arme Künstler, der von seiner Kunst nicht leben kann, wird, wenn er schlau ist, damit aufhören und stattdessen Taxifahren. Oder er hungert sich zugrunde, wie der Valentin. Der depressive oder suchtkranke Künstler ballert sich am Ende die Rübe weg, wie der Cobain, oder er stopft sich mit irgendwelchem Zeug voll, bis zum Organversagen.
Die letzteren Fälle haben alle etwas gemeinsam: sie sind prinzipiell vermeidbar. In all diesen Fällen hat das beinahe panoptische Vergnügen der Zuhörerschaft allerdings ein Ende. Das Leid, dem man die schöpferische Kraft zugeschrieben hat, hat seinen Preis eingefordert. Der Künstler, dem wir die tiefgehenden Werke
tatsächlich verdanken ist aber hinüber. Und wenn die Quantität auf 0 sinkt, kann man über die Qualität des Ungeschriebenen auch nur noch spekulieren.
(Das alles ist in den Einzelheiten weniger eine Replik auf Deinen Beitrag, Heiko. Vielmehr ein Weiterspinnen meiner Gedanken, anhand des einladenden Zitats

)