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Aus der Amazon.de-Redaktion
Von all den Dokumentar- und Spielfilmen der letzten Jahre, die sich dem deutschen Terrorismus der 70er-Jahre und dem Mythos RAF so ziemlich von allen erdenklichen Seiten genähert haben, ist Christopher Roths Baader der radikalste. Roth und sein Koautor Moritz von Uslar erzählen die Geschichte dieses charismatischen "Mannes der Tat", der selbst als Anführer der ersten Generation der RAF noch ein Außenseiter in ihrem Kreis war, nicht nach, sie halten sich nicht einmal an die elementarsten historischen Fakten wie seinen Tod im Untersuchungsgefängnis Stuttgart-Stammheim; stattdessen erfinden sie den Mythos Baader als fiktionale Figur noch einmal neu.
Im Laufe der Jahre, die seit dem deutschen Herbst von 1977 vergangen sind, hat sich neben der Geschichtsschreibung vor allem die Pop-Kultur die Geschichten und Legenden rund um den "Baader-Meinhof-Komplex" angeeignet. Sie hat in ihnen ein schier unerschöpfliches Reservoir an immer wieder verwertbaren und neu zu besetzenden Zeichen gefunden und somit zu einer steten Fiktionalisierung der historischen Ereignisse und Personen beigetragen. Diesen Prozess, den Filme wie Reinhard Hauffs Stammheim mit seinen dokumentarischen Passagen zu leugnen scheinen, führen Christopher Roth und Moritz von Uslar nun konsequent zu Ende.
Statt der Fakten bedient sich Baader klassischer Genreelemente des Westerns wie des Gangsterfilms und der überlieferten Pop-Mythen, die sich um den echten Baader stricken. So kommentiert er unsere Pop-Kultur mit den Mitteln der Pop-Kultur. Wie in Oliver Stones großen historischen Epen JFK und Nixon führt auch hier der Weg zu Wahrheit und Erkenntnis, die uns den tragischen Kern von Geschichte wahrnehmen lassen, über den Umweg der Fiktion.
Das Tempo, in dem Roth sein Pop-Universum vor unseren Augen entfaltet und in dem er zwischen den Materialen und den Stilen, den Emotionen und den Ereignissen hin und her springt, ist wahrhaft atemberaubend. Kaum ein deutscher Film der letzten zehn oder 20 Jahre war derart rasant. Das Stakkato der Bilder und Töne überwältigt, ohne zu erdrücken. In seinem Zentrum offenbart sich eine tiefe Melancholie, die uns einen anderen Blick auf den Terrorismus der 70er-Jahre ermöglicht.
So wie Frank Giering ihn spielt, ist Baader in seinem Innersten ein kleiner, zutiefst unsicherer Junge, der seine Unzulänglichkeiten, seine Angst vor Frauen hinter Macho-Attitüden und wildem Aktionismus verbirgt. Und wenn man ihn dann in der vielleicht schönsten Szene des Films zusammen mit dem von Vadim Glowna verkörperten BKA-Chef Kurt Krone sieht, ahnt man, dass hinter seinem Amoklauf gegen den Status quo der bundesrepublikanischen Gesellschaft nichts als die Sehnsucht nach Erkennung einer Vaterfigur steht.