Ein provokantes Werk des italienischen Künstlers Maurizio Cattelan schockt Italien. Drei lebensgroße Figuren gehenkter Kinder, die drei Tage lang an einem großen Baum auf einem Mailänder Platz baumelten, sorgen für Entrüstung und einen handfesten Kunstskandal.
Die drei Kinderfiguren aus Stoff und Plastik baumelten mit einem Strick um den Hals vom Ast des ältesten Baums von Mailand, einer alten Eiche auf der zentralen Piazza XXIV Maggio unweit des Lokalviertels Navigli - bis am Donnerstag ein erzürnter Mailänder zwei der drei Figuren entfernte.
Das Werk Cattelans, der in Italien als "Erbe Andy Warhols" gilt, wurde von der Kunststiftung Nicola Trussardi beauftragt und finanziert. Die Stadtverwaltung hatte Cattelan die Genehmigung gegeben, seine Kinderfiguren an den Baum zu hängen.
Die Installation löste jedoch hitzige Reaktionen aus. "Das Werk ist von einem schockierenden Zynismus und vermittelt eine destruktive Botschaft", protestierte Aldo Brandirali, Mitglied des Mailänder Gemeinderats.
Auch die rechte Alleanza Nazionale protestierte in Mailand gegen die "gehenkten Kinder". "Es ist das Werk einer kranken Fantasie", sagte ein Parteisprecher. Kinderschutzverbände mobilisierten gegen die Kinderfiguren, die ihrer Ansicht nach schockierend und morbid sind.
Auf die Polemik reagierte der Mailänder Bürgermeister Gabriele Albertini gelassen. "Cattelans Kinderfiguren sind Ausdruck einer antikonformistischen Kultur, die zur Debatte anregt", meinte er.
"Die Kinder sehen lebendig aus, sie betrachten uns von oben nach unten, als wären sie Richter oder Propheten. In ihrem Blick gibt es etwas Verurteilendes. Das ist die Lage, in die wir die Kindheit gedrängt haben. Mein Werk repräsentiert die Art, wie wir mit unseren Träumen umgehen", verteidigte Cattelan selbst das Projekt.
Die Stiftung Nicola Trussardi sieht in dem Werk den "Epilog eines makabren Märchens, eines altertümlichen Volksrituals und einer neuen 'urban legend'." Dass die drei Kinderfiguren auf der monumentalen Piazza XXIV Maggio hängen, auf der sich grausame Kapitel von Napoleons Feldzügen bis zu den beiden Weltkriegen ereignet haben, verstärke die Wirkung.
Cattelans Installation reflektiere außerdem die Rolle des Künstlers als Direktor eines "Zirkus, in dem sich Grausamkeit und Unterhaltung treffen und überschneiden", so die Stiftung.
Die Erklärungen genügten jedoch nicht, um den Protest zu dämpfen. Die hyperrealistischen Kinderfiguren wurden am Donnerstag von einem erzürnten Mailänder "befreit".
Ein abgestellter Sicherheitsbeamter konnte den 42-jährigen Franco D. B. nicht davon abhalten, auf den Baum zu klettern, bei zwei der drei Figuren den Strick zu zerschneiden und sie so zu Boden fallen zu lassen. D. B. stürzte dabei sieben Meter in die Tiefe und verletzte sich schwer.
Die Aktion wurde vom ehemaligen italienischen Vizekulturminister Vittorio Sgarbi als "kultureller Vandalismus" angeprangert. "Wer so etwas tut, sollte verhaftet werden. Es ist, als ob man Michelangelos Pieta zerstören würde", meinte Sgarbi.
Der 44-jährige Cattelan ist für seinen bissigen, provokanten Humor bekannt und hat in den letzten Jahren mehrfach mit seinen Aktionen für Wirbel gesorgt.
Vor fünf Jahren stellte er einen lebensgroßen Papst Johannes Paul II. aus Wachs dar, wie er von einem Meteoriten getroffen auf dem Boden liegt.
Quelle: ORF online