Sehr interssant ist der Umgang des der CDU-Bundestagsabgeordneten
Detlef Seif mit dem Gedicht. Auch er trägt es im Rahmen eines längeren Beitrags vor, in dem er einerseits den Gesetzesentwurf der Grünen bewertet, aber auch zum Ausdruck bringt, daß das Gedicht beleidigend ist. Der deutsche Medienanwalt des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, Ralf Höcker, hat an dieser im Bundestag vorgetragenen Version des "Schmähgedichts" von Böhmermann nichts auszusetzen: "Die Rede ist rechtlich vollkommen in Ordnung und ein gutes Beispiel dafür, wie man schlimme Inhalte wiederholen kann, ohne selbst zu beleidigen." Allerdings hat Böhmermann das Gedicht ebenfalls im Rahmen eines (nicht ganz so langen) Beitrags vorgetragen und dabei deutlich gemacht, daß das Gedicht beleidigend ist. Vielleicht hat Seif ja einen besonderes raffinierten satirischen Vortrag gehalten?
Worum es Seif genau ging, wird nicht so richtig klar. Hätte er bei einer Bundestagsanhörung zu Sebastian Edathy die Bilder von dessen Computer vorgeführt Wenn es ihm nur um ein Beispiel für Majestätsbeleidigung ging, hätte er ja das schöne Gedicht "
Im Heiligen Land" von Frank Wedekind zitieren können, das dem Autor eine Festungshaft von sechs Monaten einbrachte, und nicht Teile aus Böhmermanns Beitrag aus dem Zusammenhang reißen. Aber bei der Abschaffung von § 103 geht es nicht um Satire, insofern ist Böhmermann da eh das falsche Beispiel. Der § 103 ist sowieso eine seltsame Chymäre. Denn was ist nun der Straftatbestand: Die Beleidigung oder die Störung der diplomatischen Beziehungen?
Und à propos Schmähgedicht, hier eins, das quasi noch auf der Werkbank liegt, um zum Sonett zu reifen:
Dieses Schmähgedicht ist für Frau Doktor Merkel,
die dralle Dirne hat von Dichtung keinen Dunst.
Schon allein wie ich den Reim auf Merkel werkel
erhebt die Strophe in das Reich der hehren Kunst.