Zitat(...) Dann merkte ich in all meinen Schmerzen und meiner Übelkeit, was für eine Musik es war, die da aus den Lautsprechern krachte und dröhnte, und es war Ludwig van, der letzte Satz aus der fünften Sinfonie, und darauf kreischte ich wie bezumnie los.
"Aufhören!" schrie ich. "Aufhören, ihr graznigen Bratschnis! Es ist eine Sünde, das ist es, eine schmutzige, unverzeihliche Sünde, ihre stinkenden Teufel!"
Sie hörten nicht auf, weil der Film nur noch eine oder zwei Minuten zu laufen hatte - (...)
"Was war das eben, mit Sünde und so, eh?"
"Ludwig van so zu mißbrauchen", sagte ich, sehr elend und sehr razdraz. "Er hat niemandem Böses getan. Beethoven hat einfach Musik geschrieben." Und dann mußte ich wirklich kotzen, und sie mußten schnell eine Schüssel holen, die eine Form wie eine Niere hatte. (...)
"Es läßt sich nicht ändern", sagte Dr. Branom. "Jeder bringt das um, was er liebt, wie dieser Dichter und Häftling sagte. Vielleicht haben wir hier das bestrafende Element. Der Direktor würde sich freuen."
Zitat von: Heiko am 08. Februar 2022, 18:49:14TonSteineScherben leiten 1970 ihre erste Selbstdarstellung mit "Musik ist eine Waffe" ein.
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ZitatEr war ein Vorbild für die Kabarettisten, Filmstar für die Zuschauer, Skandalnudel für die Boulevardpresse, Genosse für die 68er, Guru für die Alternativen und anerkanntes Genie für alle: Wolfgang Neuss. Seine Lebensgeschichte spiegelt auch die Geschichte der Bundesrepublik wieder. Als junger Mann begann er nach dem Weltkrieg Witze zu machen für das gebeutelte Publikum der Nachkriegszeit. In den 50ern tingelt er als Spaßmacher durch Deutschland, erlebt Wirtschaftswunder und Fresswelle. Wolfgang Müller, Dieter Hildebrandt, Wolfgang Gruner sind Wegbegleiter seiner frühen Jahre. Das Programm: unterhaltend - und politisch.
Er stellt sich quer - zur Bundesrepublik Deutschland und zur DDR. Zur gleichen Zeit beginnt er für den Film zu arbeiten, 'Das Wirtshaus im Spessart' wird ein Riesenerfolg. In den 60ern ist Neuss Deutschlands populärster Kabarettist. Er politisiert sich, verlässt den Kleinkunstkeller und geht mit den Studenten auf die Straße. Die Einigkeit der Kabarettfamilie erhält erste Brüche. Die Studentenbewegung spaltet die Linke im Wirtschaftswunderland.
Dann will er plötzlich nicht mehr. Rückzug ins Private, in den Drogenkonsum. Als Wolfgang Neuss Anfang der 80er Jahre wieder stärker in der Öffentlichkeit auftaucht, ist aus dem prächtigen Wohlstandsmacho ein dünner, zahnloser Mann mit langen Haaren geworden. 'Vom Mann mit der Pauke zum Kellerkind', schreibt die Presse höhnisch. Doch der Geist des 'Großstadtindianers' sprüht wie eh und je: Ohne Zähne, aber noch immer mit Biss.
1989 stirbt er, kurz von dem Fall der Mauer und dem Ende seiner Republik. Der Film sucht den Künstler und den Menschen Wolfgang Neuss. Zeitzeugen und Gefährten, Freunde und Kollegen bringen uns Neuss näher und erzählen dabei ein Stück deutsche Nachkriegsgeschichte
Porträt von Julia Oelkers und Peter Scholl