Jetzt habe ich mich mal so weit wie möglich über die ganze Sache informiert (Dank an alle, die hier diesbezügliche links hinein gestellt haben). Mir geht zu der Angelegenheit folgendes durch den Kopf:
Ich habe viele Jahre interaktives Theater gespielt und beabsichtige ja auch, das in Zukunft wieder verstärkt zu tun. In unseren Vorstellungen an der Kölner Playback-Bühne haben wir seinerzeit IMMER bei der Plakatierung usw. deutlich darauf hingewiesen, dass es sich um interaktives Theater handelte. Die Leute wussten also, worauf sie sich einlassen, wenn sie in die Vorstellung kamen, bzw. haben durch die Vorankündigung "gewarnt", die Möglichkeit gehabt, sich in ein kleines hinteres Eckchen zurück zu ziehen, wenn sie lieber nicht involviert werden wollten. Außerdem - und das war ein großer und aufwendiger Schwerpunkt meiner diesbezüglichen Ausbildung: Wir sind sehr trainiert worden darin, bereits mit Beginn der Vorstellung permanent die Reaktionen möglichst vieler Menschen im Publikum genau wahrzunehmen und richtig zu deuten. Es gilt im Bereich des Stegreif-Schauspiels eigentlich als unerlässlich für einen professionellen Anspruch, nur Leute zu involvieren, deren latente Bereitschaft man dafür auch wahrnimmt. Klar, man kann daneben hauen - das passiert. Aber in der Regel gilt doch: Wer dieses Genre vernünftig beherrscht, involviert nicht Leute aus dem Publikum, von denen zu erwarten ist, dass sie anschliessend schreiend das Theater verlassen. Ich spreche da aus vielen Jahren Theatererfahrung: Es kann passieren, dass man bei der Auswahl eines Menschen aus dem Publikum daneben greift, nobody is perfect. Eigentlich aber sollte da jeder Profi, der sich an diese doch eher schwierige Kunst interaktiven Theaters wagt, soviel Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitzen, dass er nicht jemanden in das Stück involviert, der anschließend deshalb ohnmächtig zusammen bricht. Dann finde ich, sollte man besser als Schauspieler diese sehr spezielle Theaterform nicht spielen. Aus Sicht derjenigen, die auf der Bühne stehen und die Vorstellung spielen, kann ich sagen: Das lernt man bei dieser Theaterform - eine vernünftige Ausbildung voraus gesetzt - : Genau und überwiegend richtig wahrzunehmen, wer im Publikum wie drauf ist (kleine und von diesem Thema völlig unabhängige Randbemerkung: DIESE Fähigkeit ist dann anschliessend sehr hinderlich, wenn man Chansons singen will - was ganz anderes - und bei jedem Augenzucken eines Menschen im Publikum dessen persönliche Reaktion auf die Nummer abschätzt

- kI-) Selbst wenn ein "Eklat" im Stück geplant war, ist das im interaktiven Theater immer ein GEPLANTE Aktion - womit wir wieder bei geschulter Wahrnehmung der Schauspieler auf der Bühne für dies Art von Theater wären.
Fazit für mich: Ich frage mich schon, was der Schauspieler sich denn dabei gedacht hat, ausgerechnet diesen Stadelmaier auszuwählen, und ob er sich überhaupt etwas gedacht hat. Er müsste ihn erkannt haben - Stadelmaier gilt als sehr bekannter Kritiker, der alles in Grund und Boden schreibt, als arroganter, höchst narzisstischer Mensch, dessen eigene Profilierung sein einziges Interesse ist. Das muss der Schauspieler eigentlich gewusst haben. Unabhängig davon und egal ob er das gewusst hat oder nicht: Er hätte dessen persönliche Energie, Reaktion und Ausstrahlung WAHRNEHMEN müssen während der Vorstellung als guter interaktiver Schauspieler. Da ist ihm eine eklatante Fehleinschätzung unterlaufen, was mich zu der Frage bringt, ob er oder wahrscheinlich der Regisseur sich vielleicht ein wenig verhoben hat mit der ganzen Aktion (was generell meine Erfahrung ist *ärger

: Interaktives Theater traut sich jeder Provinz - Schauspieler und jeder Dorf-Regisseur zu, egal ob er je dazu was gelernt und trainiert hat. Das ist aber oft eine völlige Selbstüberschätzung, vor allem Regisseure inbegriffen!!!) Der Regisseur hat für mich schon die Verantwortung dafür, darüber nachzudenken, ob seine Schauspieler die geforderte Leistung überhaupt bringen können, und das auch professionell abschätzen zu können. An dieser Stelle frage ich mich also: Wenn überhaupt Entlassung, wieso hat man denn nicht den Regisseur entlassen???
Was die Intendantin betrifft: Ich bin nahezu entsetzt über ihre Statements dazu und frage mich, ob sie das Stück überhaupt je gesehen hat während der Proben? In ihren Statements findet sich keinerlei Bezug auf das Stück, auf die Intention, auf gar nichts diesbezüglich. Entweder kümmert sie sich nicht um die Stücke an ihrem Theater, oder aber ihre Amtszeit läuft aus und demnächst steht eine Wiederwahl an (ich vermute Letzteres). Dann braucht sie die Politik, um ihren Job zu behalten - es erklärt sich damit ihre Reaktion.
Fazit für mich: Als Intendantin ist sie allerdings damit eine Totalkatastrophe!
Was den Kritiker bertifft: Der Stadelmaier schreibt unsäglich seit Jahren. ich weiß nicht, wie oft ich mich über den schon geärgert habe. Als ich so seine Statements zu der ganzen Angelegenheit auf mich habe wirken lassen, dachte ich spontan und ehrlich erstaunt: "Sieh mal an, der hat das ganze Stück tatsächlich nullkommanull begriffen." Ich glaube ernsthaft, der hat einfach gar nichts verstanden. Der hat nicht kapiert, was das für ein Stück ist, den interaktiven Ansatz nicht, nix eben. Vor DEM Hintergrund ist ein Mensch natürlich schwer beleidigt, wenn er beschimpft wird. Ich habe immer mal wieder in der Vergangenheit beim Lesen irgendwelcher Stadelmaier-Kritiken gedacht: "Na, das hört sich aber komisch an. Ob der das verstanden hat, um was es da wirklich ging?" Ich dachte dann immer, dass ich ja nicht da war und mir kein wirkliches Urteil erlauben kann.
Fazit für mich: Der Stadelmaier hat weniger Ahnung als es scheint. Vielleicht ist er sogar ein Volltrottel, der nirgendwo nix kapiert und sich nur bislang äußerst geschickt verkauft hat.
Was die CDU - Tante betrifft: Ich verstehe ernsthaft nicht, wieso die sich da eingemischt hat. Es wäre nicht zu einem solchen Eklat gekommen, wenn die sich nicht ganz offiziell da in allen Medien zu geäußert hätte. Es wäre normaler Theaterdonner geblieben, ein wenig Presse hier und da, und das wäre es gewesen.
Also Fazit: Was war denn deren Interesse (normalerweise interessieren sich Oberbürgermeister null für Kultur)? Eine mögliche Antwort auf die Frage fällt mir nicht ein.
Dann noch: Es ist auch nicht auszuschliessen, dass die ganze Geschichte mit dem interaktiven Theater eine NACHTRÄGLICHE Erfindung ist, um eine emotionale Entgleisung eines Menschen auf der Bühne zu rechtfertigen. Es gibt nicht genügend Informationen über die Hintergründe für mich, um erkennen zu können, ob diese Vermutung auch eine Option oder völlig abstrus ist.
Insgesamt denke ich: Viel Fehlreaktionen und viel Profilierungsbemühen und viel Eigeninteressen und viel Unprofessionalität auf allen Seiten. Aber DAS ist nach meiner Erfahrung an Theatern so etwas von super - normal... :-?