es geht auch nicht nur darum, was der KÜNSTLER für ein Mensch war, und was seine Zeit für eine Zeit war, sondern man sollte auch überlegen, was der Künstler mit seinem WERK sagen wollte.
Richtig, aber wenn selbiges Werk nicht aus sich heraus in der Lage ist, im Sinne des Künstlers zu uns zu "sprechen", ist es vermutlich tatsächlich keine "große Kunst".
Der Anspruch muss doch sein, ob es dem Künstler gelingt, jenseits seiner unmittelbaren Intention etwas zu schaffen, was über den eigenen Erfahrungshorizont hinaus weist, folglich auch unabhängig davon relevant ist und Bestand hat.
Mögen wir Bach, weil seine Musik selbst uns Heutige noch zu berühren vermag, oder weil er "in seiner Zeit" ein großer Erneuerer der Tonkunst war?
Und was kann ein brillianter Gassenhauer wie "Ein Freund, ein guter Freund" dafür, dass er seine Popularität u.a. dem späteren Mitläufer Rühmann verdankt?
Welche Rolle spielt es für das Lied, dass sein jüdischer Komponist trotzdem 1933 aus Deutschland emigrieren musste?
Sind "Die 3 von der Tankstelle" allein deshalb schon ein größerer Meilenstein der Filmgeschichte als das Nazi-Auftragswerk "Münchhausen"?
Vielleicht wird der Song in einem heiteren Ufa-Schlager-Programm anders funktionieren als in einem Abend über vertriebene Künstler, wenn man ihn wirkungsvoll mit Biographischem in Beziehung setzt, das Lied selbst wird dadurch nicht besser oder schlechter.
Anders verhält sich der Fall, wenn (wie oben von whoknows demonstriert) durch Eingriffe in das "Werk" seine Kernaussage geopfert wird, um es einem bestimmten programmatischen Kontext anzupassen.
Im konkreten Fall ging es wohl um weinselige "Wiener Lieder" einerseits und eine beißend sarkastische Parodie darauf andererseits.
Beides kommentarlos nebeneinander zu stellen, könnte ungeheuer wirkungsvoll sein, auch ganz unabhängig von den Verfassern oder früheren Interpreten und ihren jeweiligen Lebensgeschichten.
Wenn aber die Parodie dann so weit entschärft wird, dass sie vom Original kaum noch zu unterscheiden ist, wird die ursprüngliche Absicht des Autoren in ihr genaues Gegenteil verkehrt, und das kann nun wirklich nicht legitim sein.
Wer darüber in Wut gerät und diese auch entsprechend emotional - also naturgemäß unsachlich - formuliert (wie im auslösenden Thread zu diesem Thema geschehen), hat nebenbei bemerkt meine volle Sympathie.