Hallo, nun reizt es mich natürlich, auch hierzu etwas zu schreiben. Generell geht es doch nicht darum, ob man etwas "darf" oder ob es "legitim" ist, natürlich "darf" man alles möglich und auch Frau Fuchs hatte ein Recht darauf, einen solchen Abend zu machen: niemand verbietet es ihr oder würde sie deswegen bestrafen - zum Glück leben wir hier in einer Region der Welt, in der für alles mögliche Platz ist, und das großartige daran ist, daß man dahergehen kann, und sie dafür kritsieren kann. Ich halte dies alles deswegen für wichtig, weil man sonst rasch in eine seltsame "Tabu"- Diskussion gerät, und "Tabu" bedeutet ja , daß man etwas nicht tut, obwohl einem genau danach ist.
Ich nehme nun noch einmal das Lied" Weg zur Arbeit" (deine Umdichtung, Whoknows, wäre meiner Ansicht nach halt einfach ein komplett anderes Lied, und ich fände es grauenhaft, aber dies schreibst Du ja selber.) In einem anderem Thread schrieb ein Werner ( ich schreibe "ein" weil ich es nach wie vor ungewohnt finde, Menschen zu erwähnen, die man gar nicht kennt, es soll nicht als Beleidigung gemeint sein....) "Nazi-Wendehälse machen nach dem Krieg mit einem frischen demokratischen Anstrich weiter als ob nichts gewesen wäre? Genau so war das", es ging darum, daß dies niemanden mehr aufregt und stört, und ich denke, daß er damit Recht hat. Aber ist nicht genau dies furchtbar? Und muß oder will man ich damit abfinden? Gewiß, Friseurgehilfe Navratil ist längst im Ruhestand oder lebt nicht mehr, aber an dem Problem - das Fortbestehen des Nationalsozialismus in Deutschland und auch in Österreich - hat sich bis heute gar nichts geändert - im Gegenteil, wenn man nur mal an die peinlichen Verhandlungen um die fast- nicht- Entschädigung von Ehemaligen Zwangarbeitern denkt (und an die vielen, vielen anderen Dinge, die man im Alltag täglich sehen und hören kann, und von dieser Alltäglichkeit handelt das Lied ja eben auch...).
Beim Lesen der letzten Beiträge hier hatte ich den Eindruck, es werden zwei Dinge vermischt, die wohl an einigen Punkten auch zusammenhängen, aber doch nicht identisch sind: Auf der einen Seite geht es um die wahllose (und meiner Ansicht nach sinnlose) Aneinanderreihung von Werken von Moser und Kreisler (also zum Beispiel), also um eine Gleichmachung von Opfern und Tätern, wie es ja nicht nur in der Kunst, sondern überall hier geschieht und auf der anderen Seite geht es um die genaue "werktreue" wiedergabe von Liedern, und die Frage läßt sich natürlich auf anderes (Theater, Oper usw) ausweiten. Zur zweiten Frage tendiere ich sehr dazu, auf die interpretation des Originals zu bestehen: wenn ich ein Stück inszeniere, (also, nur theoretisch, ich inszeniere nicht wirklich) muß ich mir überlegen, ob es heute noch etwas sagt, wenn es das tut, ist es auch nicht nötig, Texte abzuändern. Als ich vor einem guten Jahr zum Beispiel einmal wieder den Othello las, war ich beeidruckt, wie genau hier die Psyche eines Menschen beschreiben wurde.
Zur der anderen Frage habe ich mich ja schon deutlich geäußert. Ich erwarte von Kunst (nicht nur von ihr) eine Reflexion auf das Unaussprechliche und auch eine Erkenntnis darüber, daß es kein Entrinnen aus der Tatsache gibt, daß einst Auschwitz möglich gewesen ist
Obwohl ich es selber nicht mag, wenn mir Leute einfach Zitate um die Ohren knallen, möchte ich hier einmal Adorno zitieren, nicht als ein Glaubensbekenntnis, es drückt das aus, was ich hier auch nicht besser sagen könnte:
"Auf keine andere Weise jedoch, als in jener Auseinandersetzung mit Tradition, die im Stil sich niederschlägt, findet Kunst Ausdruck für das Leiden. Das Moment am Kunstwerk, durch das es über die Wirklichkeit hinausgeht, ist in der Tat vom Stil nicht abzulösen; doch es besteht nicht in der geleisteten Harmonie, der fargwürdigen Einheit von Form und Inhalt, Innen und Außen, Individuum und Gesellschaft, sondern in jenen Zügen, in denen die Diskrepanz scheint, im notwendigen Scheitern der leidenschaftlichen Anstrengung zur Identität" (Horkheimer/Adorno: Dialektik der Aufklärung; 1997, Seite 155