Vor welchem Mann hattest du denn in den achtzigern Angst?
Das kann man nicht vergleichen. Die Angst der Männer vor den Frauen ist eine andere - und hat eine wesentlich erotischere (und damit verkaufbare) Konnotation als andersrum.
Grace Jones hat allerdings nicht männliche Spiele gespielt, sondern sehr offensiv ihre Weiblichkeit eingesetzt.
Klar, diese Managerin-Schiene, die ebenfalls vor der Jahrhundertwende von der Werbebranche gespielt wurde, hat sehr klar Frauen diverse männliche Eigenschaften zugeordnet und vorgegeben, das sei Emanzipation.
(Und sehr oft war diese Art auch die Einzige, sich freizuspielen und im Beruf voranzukommen - ist es bis heute.)
Allerdings kannst du nicht mit gutem Gewissen behaupten, in der Emanzipation habe es zwischen den 80ern und heute einen Fortschritt gegeben, weil Frauen diese männliche Seite in sich heute wieder mehr weglassen.
Im Gegenteil, es hat einen ziemlcihen Rückschritt gegeben - zumindest in Österreich ist der deutlich zu belegen, an Arbeitnehmerinnen-Zahlen, erstarken der politischen Rechten, der konservativen Werte etc
Die Girlies und Aquileras unserer Zeit punkten sehr wohl wieder mit "Schwäche" mit "Sex ohne Verantwortung" mit "Unterlegenheit".
Mit Hirn und starker Persönlichkeit ohne Sex kannst du so grossartige Lieder singen wie du willst, es geht in der Industrie nix weiter - siehe das Alter der Beteiligten. Auch nicht mit Sex&aggressivität, offenbar. Nämlich: als Frau.
Ich sage ja auch nicht, dass es keine Ausnahmen gibt - aber die grossen pop-Erfolge legen schon sehr nahe, dass ein Bild "starke, eigenständige Frau" nicht mehr punktet.
Übrigens, wie ich oben sagte - auch das Klischee "starker, eigenständiger Mann" ist am Untergehen: Naidoo, Fanta 4, die diversen Stars im TV-Himmel sind alle eher weiche, oft hyperreligiöse in jedem Fall aber nicht unorthodox selbstbestimmte Typen. Als Bild, wohlgemerkt.
Obwohl es da auch die HipHop Ästhetik gibt, da ist Härte schon ein gewolltes Attribut - allerdings nicht gesellschaftspolitisch sondern eher gerade im Gegenteil: Am Arsch vorbei, nur in der Selbstbeschau lebend - und gerade hier zeigt sich überdies, was das "idealbild" der Frau wieder wird: Auswechselbare Tussi, die sich dem Mann an den Hals schmeisst.
Also wieder nix mit Emanzipation und Ernst genommen werden.
Rebellion, die noch in den 80ern ein Merkmal war, das die Popindustrie gefördert hat (und also einen Markt dafür erhoffte, baute, förderte, sah) ist heute eher einer Form desinteressierter Kritik gewichen.
Ich spreche vom Bild-Typus in der Pop-kultur, in TV&Film & Mainstream. Ich spreche von dem, was ich im Moment als "idealtypus" des zeitgeist empfinde.
Rebellion in jeder Form ist out. Sei es dass man emanzipatorische Schritte setzt, sei es, dass man sich offensiv gegen herrschende Zustände richtet, sei es auch nur dass man aktiv eine neue Mode anreisst - was immer offensiv auffällt (eben zB Marilyn Manson) ist nicht gefragt.