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"Musik als Waffe"

Begonnen von Bastian, 20. November 2012, 10:50:48

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Bastian

Die Doku "Musik als Waffe" ist mit einer Emmy ausgezeichnet worden:

ZitatEine deutsche Fernsehproduktion von ZDF und Arte hat in New York einen International Emmy erhalten: Die Dokumentation Musik als Waffe ist in der Kategorie Kunst ausgezeichnet worden. Er setzte sich gegen drei andere Beiträge aus Japan, Brasilien und Großbritannien durch.
Der Film beschäftigt sich damit, wie Musik im Krieg eingesetzt werden kann. Unter anderem zeigen die Filmemacher, wie Musik in US-Gefängnissen wie jenem in Guantánamo als Foltermethode eingesetzt wurde.
http://www.zeit.de/kultur/film/2012-11/internationaler-emmy-musik-als-waffe

Liest sich interessant an. Auf kann man sich die Doku ansehen.
Wie mögen Komponisten sich fühlen, wenn sie erfahren, dass ihre Werke andere Menschen fertigmachen?

Grüße
Bastian


Burkhard Ihme

Wieder mal der Text verschwunden.

Also nochmal:

Das mußte ja auch der arme Beethoven nach "Clockwork Orange" durchmachen.

Und es drängt sich die Frage auf: Bieten sich die Werke von Neutönern besonders zu diesem Zweck an? Oder eher Metallica (sehr laut – kam übrigens grad in einer Folge von "Leverage" vor, wo skrupellose Leute Experimente mit Obdachlosen machen)?

Heiko

Al Kaida hilf! Gute Doku, sehr beängstigend, aber auch etwas naiv. Denn es können natürlich alle schönen Dinge zur Folter werden, wenn sie der eigenen Kontrolle entzogen sind.
Bestürzend ist die Kaltblütigkeit. Z.B. das Interview mit dieser Band, die witzelt, dass sie doch jeden Abend ihr Publikum foltert. Oder der bescheuerte Hinweis des CIA-lers, dass die USA erst durch den Korea-Krieg auf die Idee kamen, die Chinesen und Koreaner gewissermaßen angefangen haben.
Sehr wichtig auch die, obgleich zu kurz gekommene, Erwähnung, dass dergleichen auch schon bei Demonstrationen eingesetzt wurde (Pittsburgh, G20-Gipfel). Vor einer Militarisierung der Innenpolitik kann gar nicht laut und häufig genug gewarnt werden.

Ob Kreisler sich eigentlich auch für all diese Dinge eignen würde? Und wie würde die GEMA dazu stehen, wenn das in Deutschland passierte? Kritiklos kassieren?

Der Hinweis auf Clockwork Orange passt sehr gut. Mir fällt gerade noch die erwünschte Vertreibungsfunktion durch klassische Musik am Hbf  ein, als ob nur Obdachlos und Junkies keine Zwangsbeschallung mögen würden bzw. grundsätzlich nicht auch genießen könnten.

"I would prefer not to."

Heiko

Die skrupellose Haifischmade Phistomefel Smeik über die Macht der (Trompaunen-)Musik:
ZitatDie Musik ist die besitzergreifendste aller Künste - das mußte ich mir einfach zunutze machen. Versuchen Sie einmal, ein Publikum mit einem Gedicht zum Tanzen zu bringen! Oder zum Marschieren. Unmöglich! Nur Musik kann das.
(...) ist es mir gelungen, Musik in Macht zu verwandeln. Noten in Kommandos. Instrumente in Waffen. Zuhörer in Sklaven! Ihr habt gedacht, ihr hört Musik, aber es waren posthypnotische Befehle.
(Walter Moers: Die Stadt der Träumenden Bücher, S. 145.)
"I would prefer not to."

Katinka Koschka

Für mich regelrecht old news. Mir kam anno 2009 fast das Kotzen, als ich die klammheimlich zustimmende Reaktion von Metallica hörte. Hab damals auf meiner Fansite entsprechend reagiert:
http://www.katrins-elbow-fansite.com/zerodb.html

Allerdings ist die zero-db-Website nicht mehr erreichbar (ob das dieser Effekt ist mit der "Halbwertzeit", die nur "so weit" geht bis "kein Hahn mehr danach schreit"?) daher ist diese Sendung natürlich nach wie vor wichtig. Und bei Fratzenbuch sind die Protestierenden zum Glück noch...

http://www.facebook.com/photo.php?fbid=216068660651&set=a.10150306543740652.548841.216063655651&type=1&theater
Apripi -das heißt- apropos, Halli halli hallo

Weichler

Kenne die Doku noch gar nicht, danke für den Hinweis
Der Mensch kann wohl die höchsten Gipfel erreichen, aber verweilen kann er dort nicht lange.

Burkhard Ihme


Passend zum Thema ein Lied von 1978:



Mach doch Musik

Mein Freund, was du da singst, ist mit Verlaub nur kalter Kaffee
und weder witzig noch besonders schön,
denn du benutzt Musik nur als Vehikel und als Waffe.
Du solltest das nicht so verbissen sehn.

Das Leben ist oft grausam, doch nur einer kann gewinnen,
der Starke ist am Mächtigsten allein.
Das ist nun einmal so, man kann dem Schicksal nicht entrinnen –
doch solche Lieder, muß das wirklich sein?

Denn schließlich, mal bei Licht besehen, geht es den Konzernen
doch nur um unser aller Wohlergehn.
Zwar gibt es Härtefälle, doch da muß man einfach lernen
die Sache nicht so einseitig zu sehn.

Es gibt für einen Sänger doch so viele schöne Themen,
wozu brauchst du denn da noch Politik?
Mein Freund, sing doch von Liebe und nicht immer von Problenen
oder besser noch: Mach einfach nur Musik!

Heiko

TonSteineScherben leiten 1970 ihre erste Selbstdarstellung mit "Musik ist eine Waffe" ein. Hier zu finden auf Seite 5:

http://plakat.nadir.org/883/ausgaben/agit883_73_24_12_1970.pdf
"I would prefer not to."

Burkhard Ihme

Zitat von: Heiko am 21. November 2012, 23:52:23
Sehr wichtig auch die, obgleich zu kurz gekommene, Erwähnung, dass dergleichen auch schon bei Demonstrationen eingesetzt wurde (Pittsburgh, G20-Gipfel). Vor einer Militarisierung der Innenpolitik kann gar nicht laut und häufig genug gewarnt werden.

Ob Kreisler sich eigentlich auch für all diese Dinge eignen würde? Und wie würde die GEMA dazu stehen, wenn das in Deutschland passierte? Kritiklos kassieren?
Natürlich würde die GEMA kritiklos kassieren. Das ist ja der Sinn der GEMA: Jedem ohne große Hindernisse den Zugang zur Nutzung ermöglichen. Sie darf das gar nicht verhindern.

Heiko

#9
Das heißt, du würdest auch Geld annehmen, das durch Folter mit deinen Liedern generiert wird?
"I would prefer not to."

Burkhard Ihme

Man erfährt eh nie, wo, von wem und unter welchen Umständen Lieder aufgeführt werden. Aber wenn man Lieder wie ich schreibt, muss man natürlich damit rechnen, dass sie auch zu Folterzwecken taugen.

Heiko

Zitat von: Heiko am 08. Februar 2022, 18:49:14TonSteineScherben leiten 1970 ihre erste Selbstdarstellung mit "Musik ist eine Waffe" ein.

Und auch ein frisch angelaufener Podcast zu TSS nennt sich eben so:

https://www.ardaudiothek.de/sendung/musik-ist-eine-waffe-die-geschichte-von-ton-steine-scherben/13224183/
"I would prefer not to."

Heiko

Zitat(...) Dann merkte ich in all meinen Schmerzen und meiner Übelkeit, was für eine Musik es war, die da aus den Lautsprechern krachte und dröhnte, und es war Ludwig van, der letzte Satz aus der fünften Sinfonie, und darauf kreischte ich wie bezumnie los.
"Aufhören!" schrie ich. "Aufhören, ihr graznigen Bratschnis! Es ist eine Sünde, das ist es, eine schmutzige, unverzeihliche Sünde, ihre stinkenden Teufel!"
Sie hörten nicht auf, weil der Film nur noch eine oder zwei Minuten zu laufen hatte - (...)
"Was war das eben, mit Sünde und so, eh?"
"Ludwig van so zu mißbrauchen", sagte ich, sehr elend und sehr razdraz. "Er hat niemandem Böses getan. Beethoven hat einfach Musik geschrieben." Und dann mußte ich wirklich kotzen, und sie mußten schnell eine Schüssel holen, die eine Form wie eine Niere hatte. (...)
"Es läßt sich nicht ändern", sagte Dr. Branom. "Jeder bringt das um, was er liebt, wie dieser Dichter und Häftling sagte. Vielleicht haben wir hier das bestrafende Element. Der Direktor würde sich freuen."

(Uhrwerk Orange, Heyne 1994, S. 131f.)
"I would prefer not to."

Bastian

Hach, der alte Ludwig van.
Denke öfters mal, dass ich Clockwork Orange doch mal wieder sehen müsste. Und dann stellt sich heraus, dass ich das doch nicht muss. Es reicht meistens, dass ich ihn mir denke. Danke! :)