Wer ist eigentlich Georg Kreisler

Begonnen von Maexl, 28. Mai 2004, 01:46:09

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Maexl

wundernswerterweise ist der Interpret "Georg Kreisler" nirgens erwähnt. Dabei kennen wir ihn ja alle etwas.

Sandra

??
Was meinst du mir: Nirgends erwähnt?
Wobei: Er Interpetiert ja strenggenommen auch nicht. Das sind ja bis auf wenige Aufnahmen alles SEINE Werke - dann gilt man nicht als Interpret.
Interpret ist er nur bei den Gulda-Nummern,
und irgendwie teilweise bei "Sonntagsspazier" oder "Heut will ich mich besaufen" (Hat ER das überhaupt je gesungen?) Oder bei "Mitten im Mai", dem Geidcht - denn die Texte sind nicht von ihm. (Bei letzteren allerdings die Musik)
Achja, und bei den alten Cabaret-Nummern, die von Bronner/Wehle sind.

Maexl

Zitat
Wobei: Er Interpetiert ja strenggenommen auch nicht. Das sind ja bis auf wenige Aufnahmen alles SEINE Werke - dann gilt man nicht als Interpret.

Naja, er hat ja auch verschiedene Versionen seinen Liedchen, was eigentlich dafürspricht, dass er sie auch interpretiert. Und eben die alten nichteigenen lieder.

Sandra

Sag ich ja.
Aber: Bach zB hat auch jedesmal anders gespielt - strenggenommen (STRENG genommen!) gilt das eben nicht als interpretation.
Aber vor allem erstaunt mich: nirgends erwähnt? Wo hast Du denn diesbez geschaut?
Ich kenn eigentlich immer nur "GK - Autor und Interpret eigener Werke" mir kommt der KOMPONIST oft zu kurz.

Maexl

meinte hier im forum unter interpreten. Ich meine vertreten sollte er wenigstens sein.

Achja, ich geh in 6 Wochen zu nem Konstantin Schmidt Konzert. Hat ihn schon mal jemand live gesehn?

Bastian

#5
Interpretation, Komponist. Das sind zwei schöne Stichworte. Ich erinner mich an einen Beitrag von Wolf (A. Fröhling?). Er schrieb, damals zum Thema "Tim Fischer":
Zitat...Ich finde übrigens, dass man Solo-InterpretInnen von Kreisler-Liedern nicht in einen Topf werfen kann mit Leuten, die sich am Klavier begleiten lassen...
Ogott, sorry, Sandra & Dagmar & Andrea... :D  :-* Ist ja nix Schlimmes. Im Zweifelsfall bekommt jeder einen eigenen Topf...
Aber ich glaube, ich weiß was er meint...
Im Folgenden über T. F.:
Zitat...aber von vornherein für meine Begriffe eher zu schauspielerisch angelegt,..
Das hat er nett gesagt...

Wenn ich mir ein neues Stück draufziehe, merke ich oft, dass ich an meine Grenzen stoße, was das Klavierspiel + das Singen angeht. Herr Kreisler ist ein feinsinniger Komponist und ein wirklich sehr versierter Pianist. Da fällt es mir bisweilen schwer, Passagen, wie beispielsweise "Baumlang raffen die Giraffen..." (der Mensch muss weg) exakt so zu spielen wie er es tut. Wenn ich dabei noch ins Publikum schauen will, muss ich teilweise Kompromisse machen, die mir zwar nicht so recht passen, aber bei meinem heutigen "Spielstand" noch unausweichlich sind. Sonst singe ich zwar höchst selbstsicher ins Publikum hinein, ramme aber im selben Moment untenrum einen furchterregenden Sch..ß in die Tasten... und das überzeugt keinen.

Würde ich jetzt jemanden am Klavier "begleiten", sähe die Sache anders aus. Da könnt ich mir ein komplexeres Pianieren erlauben. Da ist es keine Schande, wenn man mal länger auf die Tasten glotzt und das Publikum ignoriert. Schließlich steht da eine phantastisch aussehende Sängerin, die- im Gegensatz zu mir- ihre Arme bewegen und mit dem Ärschlein wackeln kann...

... oh, jetzt schweife ich ab. Was will ich damit sagen? Ich glaube, gleich mehrere Dinge auf einmal  :). Ich habe in meinem Lebchen viele "Interpreten" gesehen (Niemanden aus diesem Forum!! Ich hab ja bis jetzt nur dich gesehen, Sandra. und ich weiß, dass du sehr hinter guten Arrangements her bist! Und du interpretierst sehr pointiert und "sachdienlich"), die mir nicht das Gefühl vermittelt haben, dass sie wissen, was da musikalisch passiert. Im Gegenzug "interpretieren" sie, als Ersatzhandlung, oder durch Tatendrang beseelt,  teilweise derart unkontrolliert in der Landschaft herum, dass das Lied unterwegs verloren geht (siehe TF, BP oder all diese Transvestiten, die Tag für Tag die Dietrich oder die Leander missbrauchen). Sie schauen sozusagen winkend oben aus einer großen Komposition heraus. Und das alles nur, weil sie nicht verstehen, was die Musik tut. Weil sie sie nicht machen.

Und das alles nur, weil sich nicht Klavier spielen können, hehe!

Bastian

Ich war mir zuerst nicht sicher, ob ich das so "abschicken" sollte. Aber ich meinte ja niemanden von hier. Und wozu mach ich mir denn die ganze Arbeit, wenn ich dann nicht auf den Knopf drücke...
Mal schauen was passiert, genug "Anstoß" wär's ja...
lg,
Basti

Maexl

^^gut inszeniert ist bei musik eben nicht gleich imponiert. teile die meinung bei manchen sehr dürftigen vorstellungen

Maexl

Zyankalifreund

#8
Man sollte vielleicht nicht behaupten, diese Künstler (wie Tim Fischer z.B.) verstünden Kreislers Werke nicht. Wenn dem so wäre, dann hätten sie nicht solchen Erfolg.

Der Punkt ist der, weshalb ich immer für den Tim Courage zeige, dass dieser Typ mich mit einem einzigen Programm (Yesterday Once More im September 2004 - 3satfestival Mainz) so sehr an Kreislers Musik gefesselt hat, dass ich ohne dieses Programm von ihm niemals jetzt hier im Forum wäre und euch alle nie kennen gelernt hätte.

Kurz und gut: Durch die außergewöhnliche Inszenesetzung polarisiert Fischer zwar, bedient aber auf der anderen Seite für Kleinkunst doch einen recht großen Markt. Kreislers Musik ist heute nicht mehr allgegenwärtig, war sie vielleicht früher auch nie? Aber durch dieses Künstler treten die Kreislerlieder einem ganz neuen Publikum in's Bewusstsein.

Dieser eine Tim Fischer-Abend hat mein Leben sehr stark verändert, das muss ich sagen. Die Veränderung an sich liegt weniger an Fischer selbst, als an den Kreislerchansons. Zu eben jenen hat mich aber Fischer geführt, nicht Kreisler selbst, denn er war mir vorher vollkommen unbekannt.

PS: Das soll nicht heißen, dass ich Fischer nicht ebenso kritisch gegenüberstünde, wie ihr. Ich bin überhaupt furchtbar kritisch. Deshalb muss ich auch sagen, dass bei genauer Betrachtung die Fischer-"Interpretationen" tatsächlich nicht 100%ig original sind. Für einen "Massenmarkt" im Kleinkunstbereich reicht es allerdings. (Auch wenn dieser sicher nicht im Interesse Kreislers wäre.)

Eric.

Sandra

#9
ZitatMan sollte vielleicht nicht behaupten, diese Künstler (wie Tim Fischer z.B.) verstünden Kreislers Werke nicht. Wenn dem so wäre, dann hätten sie nicht solchen Erfolg.

Das halte ich für einen Trugschluss. Es gibt auch tolle Schauspieler, die eine Rolle unglaublich berührend hinkriegen - aber selber strunzdumm sind, und überhaupt nicht kapieren, wieso.
Es gibt auch tolle Sprecher, die die schwierigsten Texte gut verständlich rüberbringen, und keine Ahnung haben ,was sie da lesen.
und es gibt - abgesehen von tollen Sängern, die zu blöd sind um sich Butter auf's Brot zu streichen - zB in der Oper - auch grossartige Chansons, die ein Publikum berühren, ganz egal wie schlecht sie gemacht sind.

Oder die doppelconferencen Farkas/Waldbrunn: die sind so hervorragend, die KANN man nicht kaputt machen. Ich hab sie schon so RICHTIG GANZ SCHLECHT gesehen, und die Leute haben sich trotzdem zerkugelt.
Dann kommt halt nicht jede Feinheit, nicht jede Pointe - aber manches trifft doch.

Ausserdem: Publikum ist auch oft von Sachen berührt, die sie garnicht verstehen. Einfach so. Irgendwas trifft, aber wenn man sie fragt, wovon das Lied gehandelt hat, kommen die wirrsten Sachen.

Unvergessen, der Mensch, der mich überschwenglich gelobt hat, wegen dem Lied über die Wanduhr.
Ich hab lange nachdenken müssen, bis ich draufgekommen bin, welches Lied der gemeint hat: Mein Mann will mich verlassen.

Überdies: ich finde, MANCHE der Kreislerschen Lieder macht Tim Fischer ausgesprochen gut. Die Zickigen, wo er keinen Hintergrund braucht. Aber ich glaube, das liegt zum Teil nicht so sehr daran, dass er es nicht KÖNNTE, sondern daran, dass er die Tiefe und den Hintergrund nicht ermisst. Beim Tigerfest zum Beispiel. Er könnte es vielleicht - aber er tut es nicht: die Gefährlichkeit, die Grausamkeit rausholen. Ich glaube, er ist schlecht geführt.
Ich glaube auch, dass er - so seine Geschichte stimmt - auch Lieder mit mehr Tiefgang machen könnte - aber er wird schlecht geführt, er vertraut sich nciht, er blickt nicht hinein, wasauchimmer. Es kommt nie tief raus.

Zyankalifreund

Tim Fischer KANN auch tiefgründig sein. Am stärksten habe ich das mitbekommen am 04. April 2005 in der Komödie Dresden. Beim französischsprachigen Chanson "Je Suis Malade" (Nein nein, nicht von Kreisler) war er so tief drinnen, dass sich lange nachdem er fertig gesungen hatte, sich niemand so recht traute, zu klatschen.

In solchen Momenten verarbeitet Fischer seine Vergangenheit, eine bewegte Geschichte hat er ja hinter sich, so denke ich. Und so merkt man ihm an, was ihn selbst auch sehr bewegt.

Kennt ihn jemand von euch privat? Ich fände es sehr interessant, für wie tiefgründig er sich selber hält, oder ob er das alles sehr auf die leichte Schulter nimmt.

Burkhard Ihme

Von Tim Fischer erscheint gerade eine neue CD, zusammen mit seinem langjährigen Panisten Rainer Bielfeldt (mit dem ich gerade vier Tage in Springe beim Jubiläumstreffen der Celler Schule verbracht habe).
Hier ein Making-of eines Edith-Jeske-Rainer-Bielfeldt-Liedes.
https://www.facebook.com/rainer.bielfeldt?fref=ts

Das ist nun auch fast 25 Jahre alt und auch auf einer CD von Rainer erschienen. Edith hat es auf dem Jubiläumstreffen der Celler Schule selber gesungen. Der Anfang klingt sehr nach "Du hast Diamanten und Perlen"/"Mein Liebchen, was willst du mehr?" (Heinrich Heine, vertont von Konstantin Julius Becker, 1811–1859) bzw. "Mein Michel, was willst du noch mehr" (bekannt u.a. durch Zupfgeigenhansel).

Burkhard Ihme



Zitat von: Zyankalifreund am 22. Juni 2005, 22:48:18
Kennt ihn jemand von euch privat? Ich fände es sehr interessant, für wie tiefgründig er sich selber hält, oder ob er das alles sehr auf die leichte Schulter nimmt.

Edith Jeske hat mir vor vielen Jahren mal ein Treffen mit Tim Fischer nach einem Konzert im Stuttgarter Renitenztheater vermittelt. Wie saßen dann ein paar Stunden beim Essen und Tim beeindruckte mich mit seinem umfassenden Wissen über Chansons und seiner Textsicherheit. Ich kannte zwar viele der Lieder, über die wir sprachen, könnte aber keines davon komplett zitieren.

Wenn er die Tiefe in Kreislers Liedern nicht erkannt hätte, hätte ihn dieser wohl kaum zu seinen Hausinterpreten erkoren.