So. Kurzbericht von der heutigen Lesung "Letzte Lieder", Savoy Theater Düsseldorf. Bitte verzeiht, wenn ich das kurz und unvorbereitet "runterschreibe", ich hab in den nächsten Tagen nicht die Zeit, es schön auszuformulieren, außerdem vergesse ich schnell:
Spontan hingegangen, weil bis zum Hals in Arbeit. Aber um halb acht dachte ich, ich halt einfach die Uhr an, und geh mal rüber zum Theater. Wenig Leute vor der Tür, Abendkasse noch offen, also kurzerhand die günstigste Karte zu 14,- Euro gekauft (Reihe 21, Platz 7). Ich erfahre, dass es keine Pause geben wird. Letzte Kippe vor der Tür geraucht, kurz vor acht die Treppen hoch, rein in den Saal, kaum Leute da, da such ich doch nicht die im Dunkeln versteckte Reihe 21. Ich setze mich also weiter vorne in die Reihe wasweißich und strecke die Beine aus. Auf der Bühne steht ein Tisch, ich hingegen sitze, und zwar gut.
20:00: Kreisler betritt die Bühne, setzt sich hin und beginnt zu lesen. Er beginnt in einem Tempo, dass es mir schwer fällt ihm zu folgen. Er ratscht es runter. Da ich die Passagen aus dem Buch aber bereits kenne, kann ich das überbrücken. Mein Sitznachbar beugt sich etwas vor, wahrscheinlich weil er meint, dann etwas deutlicher nichts verstehen zu können. Recht bald ist Georg Kreisler etwas besser im Text und beginnt wirklich vorzulesen. Er erzählt von der Zeit in Amerika, dem Antisemitismus und den Konzessionen, die er seinerzeit an die Hörgewohnheiten des Publikums machte. Er spricht von verschiedenen Wirklichkeiten und der Wahrheit. Von Berlinern, die er immer sofort fragen wollte "Was haben sie gegen mich?" und von den verschiedenen herangehensweisen kreativer Künstler und reproduzierender Künstler. Kurzum: er liest aus dem Buch. Wer inhaltlich mehr erfahren möchte, möge es sich kaufen. Ist ja uninteressant, wenn ich das abtippe.
Zur dem, was nicht im Buch steht, nämlich der Lesung: Mir scheint, dass das Publikum noch immer den unterhaltsamen Kreisler mit den lustigen Liedern erwartet. Selbst, wenn er nicht singt und nicht ins Publikum grinst, sondern aus einem Buch vorliest. Für einige ist halt immer noch Kreislerabend. Und es ist wirklich so: Wann immer er eine auflockernd launige Passage zum Besten gibt, antwortet das Publikum mit dem leisen Summen das ein kollektives Schmunzeln kollateral mit sich bringt. Berührt er hingegen den Kern einer bitteren Erkenntnis, brechen einige in Gelächter aus. (Unter "kollektiv" und "einige" ist ein nur zu einem Drittel besetztes Savoy zu verstehen, bzw einige eines Drittels). Besonders sei hier eine Dame erwähnt, die irgendwo links im Unsichtbaren sitzt. Ihr gelingt es bisweilen, bereits zu Beginn eines Satzes loszuprusten. Ihrem sportlichen Ehrgeiz, im Prusten die Erste sein zu wollen, verdanke ich, dass mir die Herleitungen einiger Satzenden fehlen, weil ich sie schlicht nicht verstehe. Dass ich auf meinem Lacherkonto dadurch in den Dispo rutsche, ist mir aber völlig egal. Ich bin ja nicht gekommen um zu lachen, sondern um zuzuhören. Aber zum Zuhören komme ich nunmal nur, wenn man mir nicht praecox dazwischenprustet.
Georg Kreisler tut, das muss man zugeben, auch sein Übriges dazu, dass das Publikum an den falschen Stellen lacht. Er liest gerade die "gewichtigeren" Stellen des Buches mit dieser ihm eigenen Beiläufigkeit, mit der er bereits Adelheid in die Donau geworfen, und dem Staatsanwalt sein Erdbeereis gebracht hat. Als Zirkuspferd hat er seine Art des Pointensatzes, seinen Duktus, eben verinnerlicht. Dass das Publikum dann natürlich sofort eine Pointe wittert, wenn er lapidarer und schneller spricht und dabei mit der Hand durch die Luft wischt, kann man verstehen. Ich frage mich: wer hat da wen dressiert?
Kreisler singt auszugsweise die ehemalige Österreichische Bundeshymne und die USA Nationalhymne und liest danach weiter. Gegen Ende der Lesung spricht er ein paar liebe Worte an Barbara Peters und bedankt sich. Das Publikum applaudiert, er geht zum Vorhang, ich stehe auf. Er schaut wieder hinterm Vorhang vor, ich bleibe stehen. Er verschwindet wieder, ich verschwinde beinahe, dann schaut er wieder hinterm Vorhang vor, ich schaue noch einmal durch die Tür rein, und um viertel nach neun stehe ich wieder vor dem Savoy und rauche.
Es war ziemlich kurz. Nicht schlimm kurz, aber kurz. Wahrscheinlich einfach dem Rahmen einer Buchvorstellung angemessen. Ich bin davon überzeugt, dass er locker noch eine Stunde länger hätte lesen können, die Kraft dazu war allemal da. Aber es ist ein Anfüttern für den Verkauf des Buches, ein unterhaltsames Intermezzo, das niemanden erschöpft entlassen möchte, sondern beschwingt.
Noch etwas Unsinniges: Sowohl Georg Kreisler, als auch ich, sollten im Theater immer ein Glas Wasser- oder Ähnliches- in Reichweite haben. Heute hatten wir das beide nicht, was dazu führte, dass wir sicher sieben- achtmal synchron husteten, oder uns lautstark räusperten. Er an seinem Tisch, und ich in Reihe wasweißich. Da hat natürlich keiner gelacht, und diejenigen, die hätten lachen können, konnten es nicht, weil sie gerade husteten.
Soweit der Abriss meiner Eindrücke. Einen Bücherstand habe ich nicht gesehen, was mich ein wenig wundert. Vielleicht habe ich ihn auch übersehen. Auch weiß ich nicht, ob er noch signiert hat. Vielleicht kann das ja jemand ergänzen, der auch dabei gewesen ist.
Grüße
Bastian