Ein Interview zu "Adam Schaf" in der Hamburger Oktober-Ausgabe von "Hinz&Kuntz":
„Künstler sind immer negativ“
Georg Kreisler und Tim Fischer über Freundschaft, Alter und falsche Gratulanten
Kabarett-Legende Georg Kreisler inszeniert sein Stück „Adam Schaf hat Angst“ im Schmidt Theater. Die Rolle des alternden Schauspielers übernimmt Tim Fischer - glühender Kreisler-Bewunderer. Wir haben die beiden Freunde und Kollegen im Hotel Atlantic getroffen.
Hinz&Kunzt: Herr Fischer, wie wird man zum Georg-Kreisler-Jünger?
GEORG KREISLER: Also jünger als ich ist er sowieso.
TIM FISCHER: Wenn es Gott Georg gibt, dann kann man natürlich auch sein Jünger werden ... Ich bin Georg-Kreisler-Fan, singe seine Lieder, wir sind befreundet - da kommen Zeitungen eben auf so blumige Beschreibungen.
H&K. Gibt es sonst Parallelen zwischen Ihnen?
KREISLER: Nicht die geringsten. Ich bin gelernter Musiker, das ist er nicht. Ich bin Jude, das ist er nicht. Ich bin Österreicher, das ist er nicht. Ich bin 84, das ist er nicht - so wenig Parallelen wie wir zu haben ist selten.
H&K. Wie sind Sie dann zusammengekommen?
KREISLER: Na, wie ist die Merkel zum Müntefering gekommen? Über die Arbeit. Wir sind mal gleichzeitig in einer Stadt aufgetreten, dann waren wir zusammen bei einem Kabarettfestival in Stuttgart - und dann habe ich
ihm gesagt, ich habe ein Stück geschrieben
- das könntest du vielleicht spielen?
FISCHER: Die Älteren konnten Georg Kreisler noch selbst singen hören. Leider hat er ja vor fünf Jahren aufgehört zu singen. Bei mir haben seine Texte immer einen Nerv getroffen, mich berührt. Das hat einen Sinn, es ist wichtig, dass die weiter gehört werden, die müssen am Leben bleiben.
H&K. Sie stehen jetzt im Schmidt Theater im Stück „Adam Schaf hat Angst“ auf der Bühne. Regisseur und Autor ist Georg Kreisler. Wie ist es denn, mit dem Regisseur befreundet zu sein?
FISCHER: Ich habe mir von Frau Kreisler sagen lassen, es ist einfacher, als mit ihm verheiratet zu sein.
KREISLER: Die Arbeit mit Tim ist wunderbar. Er holt mich jeden Tag ab. Ich bin an der Reeperbahn untergebracht. Dann fahren wir mit der S-Bahn zum Probenraum.
H&K. Sie spielen im Stück einen alten Schauspieler. Ist das schwierig?
FISCHER: Gar nicht. In meinem ersten Bühnenprogramm habe ich die alternde Zarah Leander gespielt, der dauernd das Gebiss rausrutschte und die sich - völlig betrunken - kaum auf der Bühne halten konnte. Außerdem erinnert sich Adam Schaf an seine Zeit als junger Schauspieler. Und da passe ich natürlich wie die Faust aufs Auge - wer ist schon jünger als ich? (lacht)
H&K. Das Stück wurde schon mal in Berlin inszeniert, auch mit Tim Fischer, aber mit einem anderen Regisseur.
FISCHER. Und nicht sehr werkgetreu! Statt im Theater spielte es in einem Boxring. Jetzt haben wir die Chance, das richtig zu stellen.
KREISLER: Die Inszenierung hat mich schon geärgert. Ich hätte es zwar stoppen können, aber da waren schon zu viele Menschen involviert, das wäre mir unangenehm gewesen.
H&K.- So viel Skrupel traut man Georg Kreisler mit seinen bösen Liedern kaum zu.
KREISLER: ich bin kein böser Mensch. Ich schaue mir nur die Welt an. Und die Welt ist böse, oder nicht? Kriege, Vorurteile... Ich glaube, es gibt keinen Künstler auf der Welt, der positiv ist. Die Leute, die positive Lieder singen, sind für mich keine Künstler. Kunst soll nicht trösten. Die Künstler der Vergangenheit waren alle negativ, Mozarts Figaro war eine revolutionäre Oper. Gute Menschen zu zeigen ist nicht sehr interessant. Man freut sich, dass sie gut sind - aber das ist auch schon alles.
H&K.- Stimmt es, dass Sie dem österreichischen Staat verboten haben, Ihnen Geburtstagsglückwünsche zu schicken?
KREISLER-. Ja, seit meinem 50. Geburtstag haben die mir zu jedem runden Geburtstag geschrieben. „Machen Sie weiter mit Ihrer erfolgreichen Arbeit“ und so. Irgendwann habe ich in einem offenen Brief geschrieben, dass ich mir solche Scheinheiligkeiten verbitte. Schließlich haben die meine Lieder sowieso nie verstanden.
H&K: Mittlerweile werden Sie aber von allen Seiten verehrt. KREISLER: Das versuche ich zu igriorieren, so gut es geht.
FISCHER: Und natürlich sind die Lieder immer noch umstritten. Ich sollLe mal im NDR ein Kreisler-Lied singen. Ich habe „Der Staatsbeamte" ausgesucht da gibt es die Zeile „Ich krieche so gern in den Arsch, in den Arsch, in den Arsch“. Der Aufnahmeleiter hat mir dann gesagt: Das geht gar nicht, Arsch darf man bei uns nicht sagen. Dann habe ich in der Probe ein anderes Lied gesungen und bei der Übertragung dann doch „Der Staatsbeamte“. Das war ein Skandal – und das mit einem Lied aus den 50er Jahren. Unglaublich, dass es noch so eine Brennkraft haben kann.
KREISLER. Vielleicht hängt das auch mit meinem Alter zusammen. Ich merke schon, dass sich die Menschen vorsichtig nähern. Ehrfürchtig, wie bei einem weisen Greis.
H&K. Sind Sie weiser geworden?
KREISLER: Na ja, man sammelt Erfahrung, macht womöglich den gleichen Fehler nicht zweimal. Sonst hat Weisheit nichts mit Alter zu tun. Ein dummer Mensch bleibt auch im Alter dumm.
H&K. Und milder? Sind Sie weiterhin politisch?
KREISLER: Natürlich bin ich tief politisch. Ich lese drei Zeitungen täglich. Das gehört zum Beruf. Und es geht politisch eher bergab: Es scheint kein Friede eintreten zu wollen. Der Iran will Atomwaffen, Terroristen denken sich in ihren kranken Hirnen Leute mit kranken Hirnen. Und Amerika verschmutzt weiter die Umwelt, um Profite zu machen. Was wäre gewesen, wenn man die 20 Millionen, die der Papstbesuch gekostet hat, zur Bekämpfung der Armut in Hamburg benutzen würde? Aber das Problem an der Armut ist, dass man damit keinen Profit machen kann.
FISCHER: Gegen Armut tun meistens Leute was, die selbst nicht viel haben. Das habe ich gemerkt, als ich eine Benefizveranstaltung für ein Hospiz in Südafrika organisiert habe. Dort werden Aidskranke im Endstadium behandelt. Und es haben sich unheimlich viele Menschen gemeldet, die sich irgendwie engagieren wollten, die selbst nicht viel haben.
KREISLER: Man könnte ohne Probleme Nahrungsmittel und Medikamente nach Afrika schicken, aber was bringt es? Man macht keinen Profit damit. Es kostet. Davon, alles dem Profit unterzuordnen, müssen wir wegkommen.
FISCHER: Und dafür brauchen wir einen Georg Kreisler, der mit seinen Liedern an der Fassade kratzt.
INTERVIEW: MARC-ANDRE RÜSSAU