Wörterbuch

Begonnen von Guntram, 29. Oktober 2003, 07:33:59

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Johannes

Ich habe mich bei der Bedeutung von (politischem) "zensieren" geirrt. Ich habe dabei weniger den Vorgang des Prüfens, als vielmehr das Verbieten und Unterdrücken darunter verstanden. "Zensieren" und "zensurieren" sind gleichbedeutend, werden aber im Duden nur als "prüfen, beurteilen" umschrieben, während "Zensur" als Prüfen UND Verbieten definiert wird. Irrtümlicherweise hatte ich gedacht, die Variante mit "ur" sei so eine Art Lightversion von "zensieren". Sorry.

In Deutschland bzw. den deutschen Medien werden das Verb "zensieren" und als Substantiv "Zensur" verwendet.
Eine nicht unbedingt repräsentative Umfrage in meinem sozialen Umfeld in Berlin hat ergeben, daß niemand das Wort "zensurieren" je gehört habe, es aber ähnlich klinge wie "zensieren". Teilgenommen haben Leute aus Berlin, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Bayern und Ex-Ostpreußen. Aus Ö kam der Hinweis, daß das Verb von "Konkurrenz" in D "konkurrieren" und in Ö "konkurrenzieren" heiße, was ich bisher nicht wußte.

Wurde in den ORF-Sendungen damals viel herausgeschnitten oder bepiepst?
Heimat bist Du großer Söhne - auch die Töchter man erwähne.

Guntram

Wenn man den Ausführen GK auf dem Album Everblacks  zu den Aufnahmen der "Heißen Viertelstunde" folgt, so komme ich zu der Ansicht, es wurde gleich gar nicht gespielt. Aber ich glaube auch, das das damals kein Ö-spezifisches Verhalten war.

Bis zum Aufkommen der Privaten bei uns (was eigentlich noch nicht lange her ist) war auch vieles Undenkbar was heute gesendet wird.

Dieter Hildebrand hat es vorher ja geschafft vom BR im der laufenden Sendung abgeschaltet zu werden.
Träume sind nicht Schäume, sind nicht Schall und Rauch,
sondern unser Leben so wie wache Stunden auch.
Wirklichkeit heißt Spesen, Träume sind Ertrag. Träume sind uns sicher schwarz auf weiß wie Nac

Sandra

Naja, zu Zeiten der "Heissen Viertelstunde" wurde alles seeehr genau unter die Lupe genommen, was er gemacht hat, und musste erst vom Hauptabteilungsleiter erlaubt werden. (das ist zT heute noch so - der ORF hat eine unglaubliche Schere im Kopf), ausserdem wurde er natürlich von den Medien zerfetzt. "Gelsenkirchen" hat in Deutschland und der "Max" in der Schweiz zu den übelsten Anwürfen bis hin zum Auftrittsverbot geführt - aber sogar Reinhard Mey hatte mal Radiospielverbot, nämlich soweit ich mich erinnern kann war das 91 als  ein Antikriegslied gegen die irak-krieg rauskam - da wurden überhaupt Friedenslieder nicht gespielt.
Zensieren ist immer schon und bis heute gängige Form der Mächtigen, Denkvarianten zu unterdrücken, vor allem in den Künsten.

Und Konkurrenzieren würde ich nicht so richtig als Austriazismus definieren, es wird wohl verwendet, aber es ist eher auf mangelnde Bildung zurückzuführen. Ähnlich wie die Leute, die Inter-Esse sagen, oder die notWENDIGKEIT (anstatt die NOTwendigkeit) um intelligenter zu wirken, hihi, und damit nur zeigen, dass sie ihre Sprache nicht kennen.
(Ich hab schon mal jemand im Radio sagen hören:"Lassen Sie sich Über-Aschen" ::))
Was allerdings zu meinem grossen Ärger inzwischen ein richtiger Austriazismus geworden ist, ist der "WissenschafTER", da man allgemein das -ler als pejorativ empfindet...

Martin

ZitatDieter Hildebrand hat es vorher ja geschafft vom BR im der laufenden Sendung abgeschaltet zu werden.

Indem er was gemacht hat?

Johannes

Was heißt denn bitte "antschechern" bzw. "sich antschechern" aus dem Lola-Blau-Lied "Heut werd ich mich besaufen"? Kommt das von "Tschecherl"? Dann könnte man es vielleicht mit "kneipen" (in die Kneipe gehen) übersetzen (nicht zu verwechseln mit "kneippen").
Heimat bist Du großer Söhne - auch die Töchter man erwähne.

Peter Silie


Wie die Titelzeile des Liedes bereits verraet, bedeutet "sich antschechern" soviel wie "sich besaufen".
"Tschechern" sei, habe ich gerade gelesen, dem Jiddischen entlehnt (schochar).

Sandra

#31
Genau. Das dazugehörige Hauptwort: der Tschecherant. hat aber nichts mit den Tschechen zu tun :-)) Ein Trinker. Muss allerdings nicht unbedingt ein Alkoholiker sein, sondern auch einfach jemand, der jetzt gerade trinkt - zuviel allerdings, und der anmutet wie ein Gewohnheitstrinker.
Es gibt auch das sogenannte Tschoch. Das ist ein dunkles, verrauchtes, eher niveauloses Trinklokal. Angeblich kommt das interessanterweise aber nicht vom jiddischen Scheijcher (schochar, hebr. trinken, wie Silie schon sagte) sondern von einem alten Gasthausnamen, "Zum Schächer", der verwienerischt  DER Schächer, also "d'Schecher" wurde...alles laut Wienerischlexikon.

Antritschkerln kommt  übrigens auch noch vor in dem Lied - gleiche Bedeutung. Das steht allerdings nicht mal im Wienerischlexikon und kommt meiner Meinung nach von Tropfen - ohne Gewähr.

Jaja, für's Saufen und für's Sterben und für's Bumsen gibts im Wienerischen zahllose Ausdrücke....

Und noch was Wichtiges: Dieser Text ist NICHT von Kreisler, sondern von Tamar Radzyner, einer (leider schon gestorbenen) Freundin,  gebürtige Tschechin und KZ-überlebende, die sehr viel tolle Texte schrieb, und leider nichts veröffentlichte. Kreisler hat ein paar Ihrer Texte vertont.

Guntram

Leider ist das mit Dieter Hildebrand schon sehr lange her. Die bayerischen Politiker wollten der Sendung Scheibenwischer ein paar mal ans Leder.

Vielleicht kann sich jemand anders noch daran erinnern warum man ihn beim BR abgeschaltet hat. Es gab damals einen ziemlichen Presserummel. Von wegen Zensur und Bevormundung der Zuschauer.

Seitdem ist der BR da auch etwas ruhiger geworden oder man ist von Privaten inzwischen härteres gewöhnt.

Komischerweise sind gerade die Privaten in Bayern ziemlich verhätschelt worden. Vermutlich hat das mit Kirch zu tun der seit Franz-Josef beste Kontakte zu unserer Regierung hat.
Träume sind nicht Schäume, sind nicht Schall und Rauch,
sondern unser Leben so wie wache Stunden auch.
Wirklichkeit heißt Spesen, Träume sind Ertrag. Träume sind uns sicher schwarz auf weiß wie Nac

Sandra

Also, vielleicht ist das ein Vorurteil - aber ich habe den Eindruck, dass man beim BR schon das erz-katholische, nachgerade kleinbürgerlich verklemmte des Landes merkt - ich finde BR gemahnt viel mehr an Ösifernsehen, als der Rest der Dritten bei Euch...

Peter Silie


@ Tamar Radzyner

Danke, Sandra! Ich habe mich immer schon gefragt, wer das eigentlich ist.

Das waer ein feiner Thread!
Dialekt-Ausdruecke fuer SHAGGING!
 ;D

Meine liebsten sind ja

drucken, pempern und pudern -

versteht niemand jenseits der Donau  :D

Johannes

@ Silie, Sandra: Aha, aus dem Jiddischen ist das Wort. Wieder was gelernt. Wie man sich irren kann bzw. wie schnell man unzutreffende Zusammenhänge herstellen kann: Ich hätte ohne diesen Hinweis eine Art K.u.k.-Zusammenhang mit den Tschechen unterstellt (so nach dem Motto Pilsen=Bier=Riesenkneipe=usw.).
Mein Ö-Duden unterscheidet zwischen Tschoch (=Mühe, Anstrengung) und Tschocherl (=einfaches, gemütliches Café). Welche Bedeutung ist up to date? (Ich finde, Tschoch hört sich eher wie das letzte Loch an, also wie eine Spelunke und nicht wie ein gemütliches Café.)

@Silie: Ist pempern was anderes als pimpern?
Heimat bist Du großer Söhne - auch die Töchter man erwähne.

Johannes

@Guntram: Das erste Ausscheren des BR aus dem gemeinsamen Abendprogramm der ARD wegen einer Scheibenwischer-Sendung war Anfang/Mitte der 80er Jahre. Anlaß war die Ankündigung von Hildebrandt/vom SFB, die Sendung würde sich ausführlich mit dem (damals noch fertigzustellenden) Rhein-Main-Donau-Kanal befassen. Der Kanal war eines der großen Umwelt-Themen in der BRD (neben der WAA Wackersdorf, Startbahn West, AKWs+Gorleben - ach, das waren noch Zeiten...) und wurde als Milliardengrab bezeichnet.
Wie der BR das Ausscheren begründet hatte und was stattdessen gesendet wurde, weiß ich nicht mehr. Dahinter steckte natürlich die sog. Staatsregierung unter F. "J." Strauß, die sich und der Welt viel vom Kanal versprach. Die Sendung war eine der besten und erfolgreichsten Scheibenwischer-Ausgaben, auch Gerhard Polt und Gisela (?) Schneeberger traten auf. Für Polt war das wohl der kabarettistische Durchbruch auf Bundesebene gewesen.
Von einem Ausscheren des BR während einer Live-Sendung hab ich mal was gehört, kann das aber nicht zuordnen.
Heimat bist Du großer Söhne - auch die Töchter man erwähne.

Sandra

Ja, Tschoch ...ich kann mich erinnern, dass das auch für schwere Arbeit verwendet wird. Aber ich höre es meist im Zusammenhang mit Lokal. Ich glaube, das mit der Arbeit ist nicht mehr en vogue, seit das Wort Job gang und gäbe ist. Unterschied kenne ich allerdings keinen: er hat ein schweres Tschoch - oder: das ist ein echtes Tschoch - da merkt man schon den Unterschied durch das Drumherum. Aber vielleicht weiss Silie mehr - er ist ein ECHTER Wiener, ich nur eine angelernte.

Und Pimpern heisst pinkeln.
Pempern ist: bumsen, schnackseln, ditschkerln, nagln,stessen (hat allerdings auch die Bedeutung: stossen)...wer weiss noch welche? :D

Peter Silie


ditschkerln - *rofl* das ist ja herzig
 
"stessen" bedeutet uebrigens auch "stehlen".

Bei "Tschoch" bin ich leider ueberfragt.

Sandra

ditschkerln kommt von tschechisch: Dicka (mit Hacek auf dem c) Degenspitze...

Johannes

...und kann jemand was zum Ausdruck "g'schert" (=dumm) sagen? Ich habe mal gehört, das sei eine Anspielung auf die kurzgeschorenen, also gescherten Haare der Bauern im Ständestaat. Stimmt das?
Heimat bist Du großer Söhne - auch die Töchter man erwähne.

joelli

Der Ständestaat ist ja an vielem schuld, aber für die G'scherten kann er nichts.
Das ist ein Begriff, der in Wien für die angeblich ungebildete Dorfbevölkerung verwendet wird, auf dem Land in Umkehrung aber für die Grossstädter (die grosskopfaten Weana).
Ob das Abscheren der Kopfhaare hygienische (Lausbekämpfung), oder finanzielle Gründe hatte, weiss ích auch nicht. Aber auf Fotografien meiner Grosseltern habe ich gesehen, dass immer einige Glatzerte auf den Klassenfotos sind.

Sandra

Exactamente! Die "G'scherten" also die Geschorenen vom Land sind auch nicht notwendigerweise dumm - aber primitiv, low-classy, würde man heute wohl sagen, proletenhaft. (Wir wissen, dass das nicht stimmt, aber daher kommt der Ausdruck Gschert. "red nicht so gschert daher!" - Sprich nicht so schmutzig....

Johannes

Das finde ich aber nett, wenn der gscherte Ausdruck reziprok in/für Stadt und Land verwendet wird. Da kann man dann nichts falsch oder richtig und oder auch umgekehrt machen.  ;D

Jiddische Wörter:
Im Feuilleton der NZZ vom 18.11.2003, S. 37, wird ein neues Jiddisch-Wörterbuch sehr gelobt: Hans Peter Althaus: Kleines Lexikon deutscher Wörter jiddischer Herkunft. München 2003 (C.H.Beck). 216 S., 17,40 CH-Franken. Der Autor, ein Germanist, erkläre die Etymologie der Wörter, nenne dialektale und soziolektale Unterschiede und gebe literarische Quellenhinweise an. Es würden in dem Lexikon 1100 Wörter erschlossen.
Hört sich gut an.
Heimat bist Du großer Söhne - auch die Töchter man erwähne.

Sandra

Was mich vor allem interessieren würde, sind die schweizerischen Ausdrücke, die aus dem jiddischen kommen, und umgekehrt, die jiddischen Worte, die es nur im (hihi) schwyzerisch-jiddisch gibt.

Es gibt ja zB newyorker jiddische,  oder zB wiener jiddische Ausdrücke, die ganz spezifisch für diese Stadt (und Umfeld) gelten, die woanders aber seltener verstanden werden.  (in NY zB Tschatschkes- in Wien wäre das eher tinnef, also Glumpert, wenn wir rein wienerisch reden = Tand, Nippes in Germanien.)
Und natürlich umgekehrt ebenso wie im wienerischen jiddische Worte verwendet werden, im newyorker-ischen auch. "I had to schlepp all the stuff home", "we had a wonderful Blick"
Wieso haben wir eigentlich keine Schwyzer unter uns??? ::)

Johannes

@Sandra
Vielleicht bist DU ja in Wirklichkeit die Schweizerin unter uns: "Blick" (s.o.) ist doch ein richtiges Schweizerwort - zumindest als Name im dortigen Printmedienbereich. ;D
Nein, ich finde solche Sprachenüberlagerungen wie Du sie oben nennst wunderbar. Immer her damit! :D Sind das Deine Beobachtungen oder kann man das irgendwo nachlesen? *neugier*
Was anderes: woher stammt Dein Kraus-Zitat (vom 29.10.2003) zur deutsch-österreichischen Sprache? Ich kann leider keinen solchen Aphorismus finden, würde aber seeehr gerne die Quelle wissen.
Heimat bist Du großer Söhne - auch die Töchter man erwähne.

Sandra

Boh, was du alles wissen willst...ich weiss diesen Spruch von meinem Pappi, und DER hat immer behauptet, es sei vom Kraus - der geht schon so lange um in unserer Famile - eigentlich in ganz Wien, JEDER kennt den hier. So wie der von von dem Land wo auch Zwerge lange Schatten werfen...
Und mit dem Schwyzertum hast Du irgendwie sogar Recht - mein Liebster isch nämlich us dr Schwyz...

Bastian

#47
Was säh ich als ich neulich durch das forum gäh? Gopfridschtutz, en Uusländer!!! Ja Heilandsack nochemal!! Das hätti jetz nöd 'tänkt!!! Nein, Sandra ist hier nicht die Schweizerin.

Apropos (s.o.) Der BR hat sich ebenfalls aus einer Scheibenwischersendung ausgeklinkt, als Lisa Fitz einen Sketch zu Tschernobyl brachte. Sie rief dort bei irgendeinem Amt an, um zu fragen, ob sie jetzt den Großvater endlagern müsse, da sie ihn über Nacht draußen im Regen vergessen hatte. Außerdem ging es da, glaub ich, noch um Heimaterde, die mit deutschem Blut getränkt sei- guter Humus, oder so. Ich habs nicht mehr genau im Kopf.

Sandra

Das ist aber ZIEMLICH gut, das mit dem Grossvater! Geile Idee!

Johannes

@Bastian
Nuklearer Bayernwischer: Ich erinnere mich jetzt blaß daran, wäre nicht mehr darauf gekommen.
Herzlich willkommen übrigens im GKDF, ein wenig verspätet bei dieser Gelegenheit nachgereicht. ;)
Heimat bist Du großer Söhne - auch die Töchter man erwähne.