Für was bist Du gekommen?
Genau am fünfundzwanzigsten Dezember
ein Jüngl ward geborn auf unserm Stern.
Drei Könige erschienen, es zu sehen,
und hatten es, sobald sie´s sahn, sehr gern.
Das warn der Mojsche König, ein Vertreter,
Sein Bruder Jakob aus der Slovakei
und dessen Sohn Emanuel, ein Trompeter.
Und ich war selbstverständlich auch dabei.
Die Eltern warn der alte Josef Pollak
und seine Gattin, a geborne Schmock.
Wir alle standen zärtlich an der Wiege
am Schillerplatz Tür elf im dritten Stock
und wären dort gestanden viele Wochen.
Doch mir war schon nach drei Minuten fad.
Drum trat ich vor und hielt a kleine Rede,
man kann fast sagen, es war ein Referat - ich sagt:
Für was bist Du gekommen und machst der Mutter Müh?
Wie stellst Du Dir Dein weiteres Leben vor?
Die Welt wird dich nicht frommen. Du bist doch kein Genie.
Genies gibt´s höchstens alle hundert Johr.
Du wirst doch werden ein schlechter Mensch,
genau wie dein Papa,
verfressen und auf´s Geld bedacht,
wie deine Frau Mama.
Also für was bist Du gekommen? Für was brauchst Du die Welt?
Und wer, du Untertan, hat dich hier her bestellt?
Was wirst Du erreichen?
Du wirst sein ein Falott,
wirst Dich zehn mal vergleichen
und wirst machen Bankrott.
Du wirst alle bestehlen,
weil Dich jeder betrügt.
Und die Leut werdn krakeelen,
weil die Leut sind verrückt.
Erst wird man dich impfen,
dass du nicht wirst marod,
und dann auf dich schimpfen
und dir wünschen den Tod.
Man wird dich verprügeln
schon als winziges Kind
und dann wird man klüngeln,
dass wir alle so sind.
Für was bist Du gekommen? Für was machst Du Station?
Für was soll mann den Eltern gratuliern?
Weil du imstande sein wirst etwas zu kaufen
und dann zu verkaufen für einen Profit?
Weil deine Hände und Füße sich vergrößern werdn,
aber das Hirn wächst doch nebbich nicht mit?
Oder für was bist du Armer gekommen in unsere Mitte, bitte?
Sicherlich bereust Du diesen Schritt.
Der Vater sprach: Was brauchst Du ihn vermiesen?
Das arme Kind ist jetzt schon mies genug.
Die Mutter sprach: Ich werd dich nicht mehr grüßen,
und wenn, dann hoff ich, dass ich mich verschluck.
Was brauchst du meinem Kind etwas prophezeien?
Wie weißt du, was er später einmal ist?
Vielleicht wird er ein Anwalt oder Doktor,
ein Wissenschaftler oder ein Dentist.
Was störst du einer Mutter süße Träume?
Vielleicht hat er als Künstler ein Talent.
Auch weise könnt er werdn, wie König Schlojme.
Vielleicht wird er einmal ein Präsident.
Er wird vielleicht, wer kann das heut schon wissen,
ein mächtiger und großer, guter Mann -
Da hielt ich ihr so rasch es ging den Mund zu
und fing noch einmal selbst zu reden an. - Ich sagte:
Für was bist du gekommen? Für was liegst du jetzt da?
Wer soll dir diesen Fehler je verzeihn?
Mann hat zwar angenommen, vor allem deine Mama,
du wirst von andre Leut a Ausnahm sein.
Man glaubt, du wirst ein Doktor sein, ein Künstler, ein Jurist,
ein weiser Mann wie Salomo - no und?
Wenn es so ist,
für was bist du gekommen? Für was machst du dich breit?
Denn grad wenn du wer bist, tust du mir leid.
Wirst du sein ein Professor,
der erforscht unsre Welt,
wird man sagen, du bist weltfremd,
daher brauchst du kein Geld.
Wirst du werden ein Künstler
und der Kunst bleiben treu,
wird man sagen, man kauft nichts,
weil du bist noch zu neu.
No und bist du ein Weiser
mit ein´hoh´n Ideal,
der den Menschen will helfen,
dann wird´s katastrophal.
Denn dann wird man dich einsperrn
und dich schlagen auf´s Haupt,
weil man einem Propheten
prinzipiell niemals glaubt.
Also für was bist du gekommen? Für was dieser Besuch,
an Fünfundzwanzigsten Zwöften noch dazu?
Bist du gekommen, damit du dasselbe
wie so viele andere Leute erfahrst?
Oder damit du dir für deine Kinder,
die leider ja auch kommen, etwas ersparst?
Glaubst du, die Leute sind heute empfänglich
für Liebe und Wohrheit? Torheit!
Wärst du doch geblieben wo du warst!