Ungelesene Bücher

Begonnen von Stroganoff, 11. August 2005, 20:44:51

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Stroganoff

Hallo Kreisler,

der bekanntlich ebenso wunderbare Bücher schrieb. Hat sie hier irgendeiner gelesen? Ich jedenfalls nicht - einschließlich:

Mein Heldentod

"Paul Jandl zeigt sich amüsiert. "Querbeet" habe der österreichische Kabarettist, Chansonnier und Dichter Georg Kreisler alles versammelt, was in seinem Leben und Werk eine Rolle gespielt habe. Und das ganze bildet eine Art Nachruf auf sich selbst. Zu finden seien da "Gedichte und Chansons, Prosastücke und Autobiografisches", ebenso Kreislers Leben als Wiener und Jude. Der Ernst werde durch Morbides und schwarzen Humor verdrängt, was nach Ansicht des Rezensenten zu einer überaus erfreulichen Mischung führt."


Wenn ihr lachen wollt...

"Erst in der stummen Buchform bewiesen sich die Texte als das, was sie auch seien "ein bedeutendes lyrisches Werk"." ;)

und Alles hat kein Ende, Der Schattenspringer etc.pp!

Falls die Bücher dann doch nicht so lesenswert sind, empfehle ich euch dies hier:

http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/0061054887/028-2838763-2718929

Kaufen, lesen. Ich bin zwar erst bei Kapitel 2, aber jetzt schon gebrochen und deprimiert, hehe.

Nase

Also ich hab von ihm gelesen:
Ein Prophet ohne Zukunft - sehr ungewöhnlich, grotesk, hochspannend, er beschreibt das Leben eines Mannes der in den 30er/40ern in Wien aufwächst und seine schräge und abgründige Lebensgeschichte.

Der Schattenspringer - philosophischer Krimi, liest sich ausgezeichnet. Ich hab mal ein Referat drüber gehalten.

Mutter kocht Vater u. andere Gemälde der Weltliteratur ( Illustr. v. Künstler selbst ) - süß

Lola und das Blaue vom Himmel. Eine Erinnerung  - Lohnend, weil der ganze Lola-Text abgedruckt ist, sonst ein paar Hollywood-Anekdoten und Gift und Galle gegen Bronner und Topsy Küppers. Die Beschreibung des Küppers-Prozesses abwechselnd mit Szenen des aufkeimenden Nationalsozialismus und Juden-Folterungen, was ich schlicht unpassend finde.

Heldentod - Kurzgeschichten- und Gedichtsammlung, teils alte Lieder, teilweise witzige, neue Sachen. SUper Gedichte, zum Beispiel der "Abschied", mein Liebling:

Ja, man muss Abschied nehmen könne, wenn die Sonne scheint.
Man muss die Tränen schlucken, wenn der Frühling blüht.
Man muss sich trennen können,
und so lang rennen können,
bis man die Heißgeliebte endlich nicht mehr sieht.

Man muss zur Freiheit gehen, solang sie noch zu sehen ist,
auch wenn man ohne Freiheit recht zufrieden war.
Man muss sich Beine machen,
wie beim Großreinemachen,
und seinen Freunden sagen: Jetzt erst seh ich klar.

Wenn´s schön war, fand ich´s fürchterlich
Wenn´s warm war, habe ich gefroren.
Wenn ein Wort wahr war,
was ziemlich rar war,
hab ich den Boden unterm Schaukelpferd verloren.

Denn eure Zärtlichkeit galt nur euch selber,
und eure Zungenfertigkeit war mir ein Graus.
Fresst eure Schrippen!
Ich spitz die Lippen
Und blas das Flämmchen unserer Liebe aus.

Ja, man muss Abschied nehmen können, wenn´s gemütlich ist.
Das nächste Bier am Horizont, ach, lass es stehen!
Man muss durchs Leben hechten
Mit andern Ungerechten,
denn die Gerechten kaufen alles, was sie sehen.

Und wenn dein Herz dabei zerbricht, schenk´s einer Wanderin,
die, so wie du, die Reste sammelt auf dem Feld.
Man muss entbehren können
Und stolz erklären können:
Mein Ziel ist weit, und meine Heimat ist die Welt.

Nur leider – wenn sie schön ist, find ich sie fürchterlich,
und ist sie logisch, find ich sie verkehrt.
Nur das Verzwickte,
das tief Geknickte,
find ich erhaben. Das ist wert, dass man es ehrt.

Dass ich nicht besser bin als ihr, das ist mein Unglück.
Dass ich nicht schlechter bin als ihr, ist mein Zuhaus.
Ich zieh mein Hütchen
Und kühl mein Mütchen
Und stampf den letzten Funken unserer Liebe aus.


Er hat´s auch bei der Pantheon-Verleihung vorgelesen.

meine Meinung: Kreisler-Prosa gehört zum Haushalt wie der Rabe am Küchenofen.
Nur eins, mein Bester; in der Welt ist es selten mit einem Entweder-Oder getan; die Empfindungen und Handlungsweisen schattieren sich so mannigfaltiglich, als Abfälle zwischen einer Habichts- und eine

Sandra

Ich fand gerade dieses Gedicht immer ziemlich entlarvend. Schön, aber eiseskalt.

Danke übrigens, flo, dafür:
ZitatDie Beschreibung des Küppers-Prozesses abwechselnd mit Szenen des aufkeimenden Nationalsozialismus und Juden-Folterungen, was ich schlicht unpassend finde.
fällt erstaunlicher Weise den Wenigsten auf.

Alexander

#3
Es tut sehr weh das Buch zu lesen. Es ist für den Leser sehr unangenehm. Aus zumindest zwei Gründen: Einerseits die Konfrontation mit der für jeden Nachgeborenen einmal mehr schrecklich zu lesenden schrecklichen Zeit ab 1933, andererseits eine persönliche Abrechnung, die - so in das andere geflochten - wohl Parallelen assoziieren möchte.
Es tut weh, diese Verbitterung - ob berechtigt oder nicht sei dahingestellt - in Buchform vorzufinden.
 Schön süffisant ist allerdings die Weiterspinnung der "Lola"-Handlung.
,,Die Kunst ist eben keine hübsche Zuwaage – sie ist die Nabelschnur, die uns mit dem Göttlichen verbindet, sie garantiert unser Mensch-Sein." (Nikolaus Harnoncourt)

Sandra

Ich finde es weniger weh-tuend als peinlich. Es ist mir peinlich - egal von welchem Künstler - derart offensichtlich private Verstimmungen öffentlich zu lesen, aus keinem anderen Grund als persönlicher Rachsucht und weil der Künstler nciht imstande ist, seine eigenen Seelischen Verkwulzungen auch privat zu bearbeiten. Es ist, kurz gesagt, zu voyeuristisch. privat ist privat. Topsy hat auch ein Buch geschrieben, wo sie über alle möglichen Leute aus persönlciher Verletztheit herzieht. Das ist auch peinlich. (und noch nicht mal gut geschrieben.) ich finde, wenn man sauer ist als Künstler und das unbedingt ausleben will, hat man das so zu verpacken, dass die private Geschichte dahinter nicht so klar merkbar ist.  Man kann bissige Nebensätze verlieren - oder, wie der bronner, den Kreisler in einem Buch über das wiener Cabaret der Nachkriegszeit einfach überhaupt nicht zunennen - das ist auch gemein, aber nciht peinlich. einfach nur Waschweibartig über das objekt des Ärgers herzuziehen - sorry, da erwarte ich einfach von einem Künstler mehr.

Stroganoff

Ich habe zwar besagte Kapitel nicht gelesen, jedoch glaube ich nicht, dass ich einem Künstler in einer derartigen Rigerosität etwas Bestimmtes zu schreiben verbieten könnte.
- Sandras Hobby no.1 ~ Kreisler-Bashing! :D

Sandra

#6
Ich kann niemandem etwas zu schreiben verbieten. Aber ich kann eine sehr dezidierte Meinung dazu haben - und da geht es überhaupt nicht drum, ob es Kreisler schreibt oder sonst wer. Ich nehme es dem Bronner auch genauso übel, wenn er sich über den Qualtinger ausschleimt, oder sonst irgendwem. Ich finde, das Private hat in der Kunscht nix verloren - jedenfalls nicht eins zu eins. Künstlerisch verarbeiten kann man vieles, was man privat empfindet. Aber die Tatsache, dass man künstlerisch arbeitet dafür auszunützen, seine privaten Knitterfalten auszuleben, das finde ich billig. Und das darf ich genauso kritisieren, wie jeder andere mich dafür kritisieren kann, dass ich es kritisiere. ;D

Aber ich verstehe nicht, warum Du das als ausgerechnet kreisler-Bashing bezeichnest. Ich habe ihn hier genau so oft in Schutz genommen - ich bemühe mich SEHR darum, ihn als Künstler objektiv zu bewerten.
Ujnd auch hier sagte ich deutlich:
ZitatEs ist mir peinlich - egal von welchem Künstler - derart offensichtlich private Verstimmungen öffentlich zu lesen

Dorian

ZitatIch nehme es dem Bronner auch genauso übel, wenn er sich über den Qualtinger ausschleimt ...

Scheinbar hat auch dieses Wort in Ö eine andere Bedeutung als in D. Zumindest verstehe ich jetzt deine Erklärung auf meine Frage zum Bronner-Buch:

ZitatIn Kreislers Biographie  über die Zeit des Wiener Kabaretts wird über den Bronner nur geschleimt - und der Bronner schafft es, ein Buch über die goldene Zeit des Wiener kabaretts zu schreiben, und den Kreisler einfach auszulassen.

Sandra

Hihi - stimmt, da gibt es den feinen aber deutlichen Unterschied zwischen  jemanden anschleimen - (Ihm in den Arsch kriechen) und sich über jemanden ausschleimen (ihn mit Dreck bewerfen).