Burkhard Ihme schrieb am: 25.02.2008 um 17:32:06
Ich frage mich immer, ob Kreisler seine Vorbilder nur im amerikanischen Musikschaffen sah (Cole Porter, Abe Burrows, Tom Lehrer – dessen "I hold Your Hand in Mine" er ja neu vertont hat) oder auch die deutsche Tradition kannte (Tucholsky, Kästner, Mehring, Weinert, Mühsam, Brecht).
Nach wie vor eine interessante Frage!
Kreislers Texte besitzen zweifellos literarische Qualität. Darum muss natürlich auch nach den literarischen Vorbildern, neben den musikalischen, gefragt werden.
Ich beschäftige mich nun schon seit einigen Jahren etwas mit Erich Mühsam und kann (leider) nur wenige Schnittpunkte zu GK feststellen:
Da wäre zum einen natürlich das Jüdischsein in einem relativ assimilierten Milleu im deutschsprachigen Raums; zu anderen eine politische Zielrichtung (antibürgerlich), die die Beiden eher eint als trennt; und zuguterletzt haben beide für sich eine Synthese von Kunst, Politik und Leben geschaffen. Textliche Schnittstellen, die eine explizite Vorbildsfunktion zeigen würden, haben sich mir bisher nicht offenbart.
Eine wichtige und informative Seite:
http://www.erich-muehsam.de/index.htmldie leider eine nur unsortierte und somit willkürliche Textauswahl anbietet.
Mühsams Lyrik kann einem literarischen Radikal-Individualismus mit hedonistischen, bzw. existenzialistischen Tendenzen, zugeordnet werden.
Jeden Abend werfe ich
eine Zukunft hinter mich,
die sich niemals mehr erhebt,
denn sie hat im Geist gelebt.
Neue Bilder werden wachsen;
Welten drehn um neue Achsen,
werden, sterben, lieben, schaffen.
Die Vergangenheiten klaffen.
Tobend wirbelnd stürzt die Zeit
in die Gruft. Das Leben schreit
(E. Mühsam)
Aber er konnte auch politisch:
Zum Beginn(...)
Und doch sehnt sich der Mensch nach Glück,
und sehnt sich nach Freiheit und sehnt sich nach Leben,
und möchte als Freund zum Menschen zurück,
und möchte den Geist zur Freude erheben! -
Möchtet ihr, Menschen? Wohl! Reckt eure Köpfe!
Öffnet die Augen! Dehnt eure Brust!
Fühlt euch als freie, als eigne Geschöpfe!
Wollet die Freiheit! Wollet die Lust!
(...)