Nehme die Auseinandersetzung gerne auf. Bin jetzt bei Kap 5 und hab einen durchwachsenen Eindruck.
Ich muss das Ding erst mal ganz durchlesen, bevor ich was Robustes dazu schreibe. Einfach, weil ich weiß, dass ich mich ansonsten nur auf die irritanten Stellen stürze und anderes, möglicherweise gar Unterschreibenswertes, vernachlässige.
Bis jetzt: Ich lese blitzgescheite Gedanken und schöne sprachliche Wendungen, wie diese, die Du erwähnt hast. Aber auch einige harsche Urteile, deren Begründungen entweder völlig inkonsistent sind, oder durch Themenwechsel einfach umgangen werden. Nicht zwingend nur Urteile über Menschen. Beispielsweise zeichnet er auch in
diesem Buch ein abstruses Bild von den Wissenschaften, denen er alles Mögliche andichtet- nur nicht die Neugier...
Und sie- der Fortschritt allgemein- scheinen für vieles herhalten zu müssen, was er anderweitig nicht begründen kann, beziehungsweise ihm wahrscheinlich schlicht mangels Interesse durch die Lappen gegangen ist. Ein Beispiel für ein harsches, aber logisch vollkommen inkonsistentes Urteil, siehe S.34, Abs.1:
das Fazit des Absatzes lautet (frei zitiert): "der technische Fortschritt hat den Künstlern mehr geschadet als genützt."
Begründung: Künstler gab es schon vorher. Lokomotiven kamen erst später. Schriftsteller haben Schreibmaschinen erfunden, aus den Schreibmaschinen wurden Computer, und deshalb gibt es jetzt mehr schlechte Schriftsteller.
Vor einer solchen Beweisführung zünde ich meinen Hut.
Ich meine übrigens, das gleiche schon einmal gelesen zu haben, und zwar
hier.
Georg Kreisler ist bekennender Schreibmaschinenschreiber:
http://www.tagesspiegel.de/zeitung/Sonntag-Sonntag-Interview-Kreisler-Hitler-Jude-Kabarett-Humor;art2566,2930961Ein Meisterwerk der Technik, das vielen Schriftstellern und -Setzern die Arbeit erleichtert hat. Er nutzt sie gern, schließlich gebar der Fortschritt dieses Klapperteil
vor seiner Geburt, also war es nie "neu".
Gegen diesen Bias ist natürlich nichts einzuwenden, noch halte ich ihn überhaupt für ein Thema. Nur frage ich mich: Wozu dann der immer wiederkehrende, aufgesetzte Anti- Fortschritts- Kokolores?
Nebenbei (Stichwort "böse Wissenschaft"): Die Nierenkolik, die in dem obigen Interview so nebenbei amüsant erwähnt wird, wäre vor 200 Jahren wahrscheinlich tödlich verlaufen.