Kreisler-Biographie / alte Songs von 1947

Begonnen von nilpferd, 02. August 2005, 19:40:02

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Guntram

#25
Ich habe jetzt auch die Stelle gefunden, an der wir schon mal über die Aufnahme von 1947 diskutiert haben. Sie ist es.

http://www.georgkreisler.net/cgi-bin/yabb/YaBB.cgi?board=gk_songs;action=display;num=1078965294

Folgende Lieder sind auf der CD:

It´s Great To Lead An Antiseptic Life
My Psychoanalyst Is An Idiot
Please, Shoot Your Husband
I Hate You
Frikashtasni
What Are Little Girls Made Of?

Rechte liegen jetzt bei SONY BMG
Träume sind nicht Schäume, sind nicht Schall und Rauch,
sondern unser Leben so wie wache Stunden auch.
Wirklichkeit heißt Spesen, Träume sind Ertrag. Träume sind uns sicher schwarz auf weiß wie Nac

Bastian

#26
Ähem... ::)

Bastian

#27
...Heißt es nicht "Frikastasny"?



 ;D ;D :P ;D

Guntram

#28
Buchstabe für Buchstabe abgeschrieben  :-*
Träume sind nicht Schäume, sind nicht Schall und Rauch,
sondern unser Leben so wie wache Stunden auch.
Wirklichkeit heißt Spesen, Träume sind Ertrag. Träume sind uns sicher schwarz auf weiß wie Nac

Sandra

Englische und deutsche Schreibweise - so wie Shostakovich und Schostakovitsch

Bastian

#30
Oder wie Gershwin und Brahms?

Guntram

Träume sind nicht Schäume, sind nicht Schall und Rauch,
sondern unser Leben so wie wache Stunden auch.
Wirklichkeit heißt Spesen, Träume sind Ertrag. Träume sind uns sicher schwarz auf weiß wie Nac

angel

Hier noch ein Artikel zur Kreisler-Biografie, die am 10. November 2005 in der "Berliner Zeitung" erschien:

[size=20]Wir sind doch alle Terroristen[/size]
[size=15]Eine Biografie über den großen alten Mann des Kabaretts behauptet:
Georg Kreisler gibt es gar nicht[/size]
von Christian Buckard

Im Frühjahr 1945 erhält Georg Kreisler, Verhörspezialist der US-Armee in Wiesbaden, den Auftrag Julius Streicher zu vernehmen. Streicher, in Hitler-Deutschland Herausgeber des antisemitischen Hetzblattes "Der Stürmer", macht auf den jungen Soldaten einen völlig vertrottelten Eindruck. Auf die Frage nach seinem Beruf antwortet Streicher: "Volksschullehrer." Kreisler: "War da nicht noch etwas?" Streicher druckst herum. Schließlich gesteht er: "Gauleiter." Nach dem Verhör bedankt sich Streicher bei Kreisler: "Sie waren ja nett zu mir. Aber die Juden haben mir sehr zugesetzt." Darauf Kreisler trocken: "Na, vielleicht haben Sie angefangen."

Kann man nach Erlebnissen wie diesen etwas anderes als Kabarettist werden? Georg Kreisler, der 1938 mit 16 Jahren als Jude aus Wien fliehen musste, ist bis heute der genialste und radikalste Kabarettist des deutschen Sprachraums. Lieder wie "Taubenvergiften", "Der Tod, das muss ein Wiener sein" und "Gelsenkirchen" haben ihm den Ruf eingebracht, Meister des schwarzen Humors zu sein.

Doch wer Kreislers "Everblacks" nur als wunderschön vertonte makabre Witze begreift, der macht es sich zu leicht. Geradeso wie seine Liebeslieder, "Frühlingsmärchen" und die "nichtarischen Arien" sind Kreislers Geschichten von Serienmördern und gesellschaftlich respektierten Alt-Nazis unnachahmliche Beschreibungen der Wirklichkeit. Die Trauer des aus Wien Vertriebenen maskiert sich mit Spott und Zorn, wenn Kreisler mit kräftiger Stimme von einem neuen und besseren Wien singt:

"Wie schön wäre Wien ohne Wiener! / So schön wie a schlafende Frau! / Die Ringstraße wär noch viel grüner, / Und die Donau wär endlich so blau."

Über das "Wien ohne Wiener" lachten die Österreicher noch, doch beim "Taubenvergiften" hörte der Spaß auf. Kreislers Lied über das Liebespaar, das im Park gutgelaunt mit Arsen und Zyankali Tauben mordet, war in Funk und Fernsehen verboten.

Die nun von den Journalisten Hans-Juergen Fink und Michael Seufert vorgelegte Lebensgeschichte Kreislers ist die erste Biografie über den Kabarettisten, Dichter, Komponisten, Dramaturgen und Dirigenten. Die Tatsache, dass Kreisler erst jetzt, rund 60 Jahre nach Beginn seiner Bühnenkarriere im amerikanischen Exil, die Aufmerksamkeit der Biografen fand, ist symptomatisch für die öffentliche Wahrnehmung des stets Unbequemen: Obwohl das Publikum Kreisler bei seinen Live-Auftritten stets begeistert feierte, wurde er von den Radio- und Fernsehanstalten in Deutschland und Österreich weitestgehend ignoriert. Dies gilt auch für die 80er-Jahre, als Kreisler mit seiner Frau und Kollegin Barbara Peters in West-Berlin lebte.

"In den zwölf Jahren", so erinnert sich Kreisler, "die ich dort gelebt hatte, hatte ich keinerlei Angebot eines Berliner Theaters, kein Angebot eines Berliner Verlegers, kaum Fernsehen oder Rundfunk bekommen. Ich hatte immer auf eigenes Risiko gespielt. Die Hausherren waren weder zu einer meiner Vorstellungen gekommen noch hatten sie sonst Kontakt gesucht, ich hatte lediglich mit Bürodamen zu tun."

So verpasste man in West-Berlin die Chance, Kreisler einen seinem Können angemessenen Wirkungsraum zu geben. Vielleicht hatte man ja auch nur Angst davor, dass Kreisler live im Fernsehen singen würde:

"Wir sind doch alle, alle, alle Terroristen. / Es lebt in ganz Deutschland kein Demokrat. / Wir sind Terroristen gegen die Frauen, / gegen die Kinder, die uns vertrauen, / aber nicht einer gegen den Staat."

Der heute 83jährige Kreisler war und ist ein Anarchist, ein Unangepasster, ein Unberechenbarer, der Albtraum politisch korrekter Intendanten.

"Georg Kreisler gibt es gar nicht" ist eine längst überfällige Hommage an den großen alten Mann des Kabaretts. Finks und Seuferts Buch ist dabei keine jener Biografien, die mit Blick auf die Auflage das Privatleben ihres "Sujets" durchforsten. Es ist auch kein Buch, das nur für verschworene Kreisler-Fans interessant wäre, denn es erzählt auf jeder Seite vom exemplarischen und doch einzigartigen Leben eines Exilanten und Weltbürgers im finsteren 20. Jahrhundert: Von Kreislers gefährlicher Jugend im antisemitisch verseuchten Wien der 30er Jahre, der Flucht nach Hollywood, seiner Zusammenarbeit mit Hollywood-Drehbuchautor Walter Reisch und Charlie Chaplin, Begegnungen mit Marlene Dietrich, Billy Wilder und Friedrich Hollaender, mit dessen Tochter Philine Kreisler eine kurze und stürmische Ehe führte.

Einen Plattenerfolg hatte der Österreicher mit amerikanischem Pass in den USA nicht. Schon die Privatvorstellung des Soldaten Kreisler vor Dwight D. Eisenhower, dem Oberbefehlshaber der US-Truppen in Europa, hatte in einem Fiasko geendet. Die Generäle hatten offensichtlich eine andere Art von Humor. Keine amerikanischen Plattenfirmen wollte Kreislers 1947 auf Vinyl gepressten Songs vertreiben. Schon deren Titel ("Please, shoot your husband", "I hate you", "It's great to lead an antiseptic life") riefen bei den Produzenten nacktes Entsetzen hervor.

Fink und Seufert holen das amerikanische Plattendebüt Kreislers jetzt nach: Dem Buch liegt eine CD mit sechs großartigen Songs bei, mit denen Kreisler in einem New Yorker Club Erfolge gefeiert hatte. "Georg Kreisler gibt es gar nicht"? Oh doch. Und wie!

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Foto: Hans-Juergen Fink, Michael Seufert:

Georg Kreisler gibt es gar nicht. Die Biografie. Scherz, Frankfurt am Main 2005. 319 S. mit Audio- CD, 24,90 Euro.

Choirgirl

Zitatder Österreicher mit amerikanischem Pass
das hört sich so an, als hätte er die doppelte Staatsbürgerschaft.  ::)

Ansonsten danke für den Artikel. Die Biographie bekomme ich zum Geburtstag. Bis dahin muss ich mich gedulden.  :-/

Computer says no.

Bastian

#34
Ralph Giordano über die Biographie:

Der dunkle Mann im Taubenschwarm
Hans-Jürgen Fink und Michael Seufert zeichnen das Leben des großen Kabarettisten Georg Kreisler nach
von Ralph Giordano

Hans-Jürgen Fink und Michael Seufert sind mit ihrer Georg Kreisler-Biographie einem Unikum nachgegangen, einem wahren Unikat. Eine große Fleißarbeit, was die Fakten betrifft, aber auf gleicher Höhe mit Intuition für diesen unverwechselbaren Lebenslauf.


Ich war mit diesem 1922 in Wien von jüdischen Eltern Geborenen einmal zusammen in einer Berliner Talkshow. Das ist lange her, aber eins habe ich nicht vergessen: daß Georg Kreisler vor Energie förmlich vibrierte. Was nicht etwa meint, daß er im physischen Sinne geschüttelt wurde - diese Energie kam vielmehr von der Kraft des Wortes. Seine Stimme war präsent - da gab es, wenn sie sprach, keine anderen Geräusche.


Natürlich hatte ich ihn schon vorher gekannt, wie denn nicht? Aber erst jetzt, bei der Lektüre dieses Buches, spürte ich, daß ich nur die Erscheinung wahrgenommen hatte, nicht das Wesen dahinter. Für mich war Kreisler von einem bestimmten Zeitpunkt an "gleich da". Ich kannte nichts von seiner österreichisch geprägten Vertreibungsgeschichte durch die Nazis - seine Katapultierung in die USA und seinen Weg dort. Die erfahre ich nun, durch die beiden Aufspürer und ihre Neugierde.


Ein über eine lange Periode amerikanisch geprägtes Dasein. Was für Kummer-, ja, Hungerjahre! Welches Hanteln von Dollar zu Dollar, welche Ausdauer dahinter, nicht zu verzweifeln, bei soviel Hürden, Fehlschlägen, Hindernissen - die eigenen Amouren eingeschlossen. Dann schließlich doch Karriere in Amerika. 1945, wieder in Europa und Österreich, springt ihn nicht nur das materielle, sondern mehr noch das moralische Elend zweier in ihren Lebenslügen verkommenen Nationen förmlich an. Das darf man sagen, ohne in den Verdacht der Pauschalisierung zu geraten: Die überwältigende Mehrheit beider Völker hatte durch die Liaison mit der NS-Herrschaft einen so überwältigenden Verlust an humaner Orientierung erlitten, daß bei vielen aus der Tätergeneration eine Rehumanisierung nicht möglich war.


Kreisler, der homo seismographicus, begegnet ihnen überall - die mögen ihn nicht. Und dann macht er doch Karriere, das Potential reicht, eine neue Generation wächst heran, mit einem anderen Lebensgefühl, wenn auch durch die elterlich und großelterliche Verdrängungsunkultur mit teilweise immer noch verstellter politischer und historischer Klarsicht. Ja, Georg Kreisler macht Karriere, spät, aber flächendeckend. Das weiß man natürlich, aber es so dargelegt zu bekommen, wie es hier geschieht, löst ein Gefühl ungeheurer Genugtuung aus. Leichter Umgang war und ist der Porträtierte nicht, auch nie gewesen. Georg Kreisler muß den Begriff "Chaos" erfunden haben. Und doch waltet in diesem künstlerischen Dasein eine nicht aus der Fasson zu bringende Disziplin.


Deshalb dann jede Bewegung auf der Bühne exakt, jede Silbe an ihrem Platz, und die richtige Betonung dazu. So beherrscht Kreisler sein Publikum. Ich hatte in Erinnerung seine Häme über den "General", der zu nichts nütze ist, und "Gehen wir Tauben vergiften im Park" - ein schwarzer, von mir genüßlich registrierter und den vereinigten Tierschutz aller Länder tief beunruhigender Humor.


Es ist gerade die untergründige Provokation, die seine Gesänge und Klänge so kostbar macht. Weiß man doch genau: Georg Kreisler geht nicht "Tauben vergiften im Park". Er appelliert nur an unterschwellige Gelüste, mit der Aufforderung, sich ihrer bewußt zu werden, um sich selbst besser kennenzulernen. Aber Kreisler "in front of him" einen Humanisten zu nennen, könnte risikoreich für den Laudator sein. Ich wage es dennoch.

Es gibt Fotos in dem Buch. Das für mich charakteristischste: Georg Kreisler auf dem Markusplatz, umgeben, umschwirrt, umwirbelt von den Tauben Venedigs. Da steht er denn, dunkelgewandet, inmitten all des Gefieders, und mit diesem Kreislerschen Grinsen, das eine spezifische Mischung ist zwischen berechtigter Bosheit und unverbergbarer Hilflosigkeit. Hinter allem aber: eine gewaltige Begabung.


Also masel tov, lieber Georg Kreisler, masel tov - und ein langes Leben noch!

Quelle: welt.de