So was, ein Interview bei meinem Arbeitgeber, und seh es nicht ...
Aus den Lübecker Nachrichten (22.4.07):
"Die Kunst weicht dem Kommerz"
Lübeck - Ein Gespräch mit Georg Kreisler, dem Kabarett-Altstar aus Wien. Am Dienstag ist sein Ein-Personen-Stück "Adam Schaf hat Angst" am Theater Lübeck zu sehen: Tim Fischer spielt und singt die Rolle.
Lübecker Nachrichten: Was machen Sie gerade?
Georg Kreisler: Ich bin mit dem Übersiedeln beschäftigt. Ich werde die Schweiz verlassen und wieder nach Österreich ziehen.
LN: Das ist eine Überraschung. Wie kommt das?
Kreisler: Meine Frau und ich sind jetzt 15 Jahre in der Schweiz, und das ist lang genug. Es gibt den Spruch, dass es schön ist, in der Schweiz geboren zu werden, und dass es schön ist, dort zu sterben. Aber was macht man dazwischen? Wir sind jetzt dazwischen. Wir ziehen nach Salzburg. Dort haben wir eine Menge Freunde und freuen uns drauf.
LN: Sie haben sich mit Ihren Landsleuten versöhnt?
Kreisler: Ich war nie böse mit Österreich. Ich habe einige Österreich-kritische Lieder geschrieben, aber das ist lange her und gehört zum Brot des Kabarettisten.
LN: Haben Sie noch die amerikanische Staatsbürgerschaft?
Kreisler: Ja.
LN: Und Sie behalten sie?
Kreisler: Ja. So lange man mich lässt.
LN: Die österreichische anzunehmen, ist für Sie kein Thema?
Kreisler: Momentan nicht. Es gibt keinen Grund dazu. Ich müsste vor einem Magistrat erscheinen und erklären, warum ich das will. Da ich in Österreich geboren wurde, widerstrebt es mir, das zu tun. Und so bin ich zufrieden mit der amerikanischen.
LN: Arbeiten Sie an etwas Neuem?
Kreisler: Ich arbeite immer. Ich habe meine zweite Oper fertig geschrieben. Jetzt fische ich nach Ideen und weiß nicht, was das Nächste wird.
LN: Ihre erste Oper ist kaum aufgeführt worden. Was wird mit der zweiten?
Kreisler: So wie ich den Opernbetrieb kenne, werde ich sie nicht mehr hören. Die erste ist fünf Mal in Wien gespielt worden. Danach gab es kein Interesse mehr.
LN: Aus welchem Grund?
Kreisler: Das müssen Sie die Opernintendanten fragen. Es war eine komische Oper, die beim Publikum sehr gut angekommen ist. Die zweite ist auch eine komische Oper, und so viele moderne gibt es ja nicht.
LN: Heute gibt es kaum noch Kabarett. Bedauern Sie dies?
Kreisler: Nicht nur das Kabarett ist zurückgegangen. Alles ist zurückgegangen. Das Künstlerische durch den Kommerz, durch den Zwang, Geld zu verdienen. Außerdem wird meiner Meinung nach von jungen Regisseuren viel zerstört. Weil sie nur auf der Vergangenheit rumtrampeln und nichts Neues zu bieten haben. Das Theater ist ein bisschen tot geworden. Aber ich glaube, es wird sich wieder berappeln.
LN: Wie denn?
Kreisler: Ich glaube, man hat zu viel Gewicht auf das Regietheater gelegt. Man wird davon wieder abkommen. Modernisieren heißt doch nicht, alles Alte zu zerstören. Shakespeare oder Goethe waren schon alt, als ich ein Kind war. Damals gab es aber kein Regietheater. Aber wenn ich an die damaligen Inszenierungen denke: Man hatte das Gefühl, dass man in einem modernen Stück sitzt. Dass man ein Stück aus dem 18. Jahrhundert ins 21. Jahrhundert verlegt, dass man die Kostüme weglässt, alles nach Brooklyn verlegt oder Romeo eine Frau sein lässt - dadurch modernisiert man nichts. Ein Stück zu modernisieren heißt, ein Stück so zu spielen, dass das Publikum das Gefühl hat, ein modernes Stück zu sehen. Das ist natürlich viel schwieriger, als Regieeinfälle zu haben.
LN: Damit dürften Sie einer hiesigen Schulklasse aus der Seele sprechen, die eine moderne Inszenierung von "Kabale und Liebe" in Lübeck heftigst kritisiert hat.
Kreisler: Das Gemeine, das wirklich Böse daran ist, dass ein junger Mensch heute nicht mehr "Hamlet" sehen kann, überhaupt keinen Shakespeare oder Schiller. Es werden Ideen des Regisseurs gespielt und nicht das Stück. Meine Generation konnte noch begeistert sein von "Romeo und Julia" und das Gefühl haben, dass eine moderne Liebesgeschichte gespielt wird. Auch wenn sie vor 200 Jahren war, kann man doch Parallelen ziehen. Aber das Regietheater traut dem Publikum überhaupt nicht mehr zu denken. Die wollen nur irgendeinen Krach machen.
LN: Glauben Sie an die Zukunft des Theaters?
Kreisler: Es gibt ein paar positive Anzeichen, zum Beispiel die Schulklasse, die Sie erwähnen. Und es gibt Anzeichen, dass auch ein paar Kritiker allmählich umdenken.
LN: Was gibt es an Theaterkritikern auszusetzen?
Kreisler: Dass die mitmachen beim Regietheater, weil ihnen langweilig ist. Ich kann ja verstehen, dass einer, der jeden Abend ins Theater muss, etwas erleben möchte. Der findet es dann wunderbar, wenn er nackte Leute auf der Bühne sieht.
LN: Was macht einen guten Kritiker aus?
Kreisler: Ich kenne keinen einzigen. Die tun immer so, als wenn sie alles wissen. Wer wirklich am Theater ist, weiß, dass er nichts weiß, und versucht, dieses Nichtwissen möglichst gut umzusetzen.
LN: Negative Kritiken sind Ihnen egal?
Kreisler: Ziemlich. Ich lebe damit, das gehört zum Beruf. Künstlerisch hat es aber überhaupt keinen Einfluss auf mich. "Adam Schaf hat Angst" hat allerdings gute Kritiken bekommen, nicht nur nach der Uraufführung in Hamburg, sondern auch jetzt unterwegs. Darüber freue ich mich. Denn wenn andere Theaterintendanten das lesen, wollen sie das Stück auch spielen.
Interview: Liliane Jolitz