Hilfe Improvisation

Begonnen von Zyankalifreund, 05. Juni 2006, 17:29:27

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Zyankalifreund

Hallo allerseits,
ich hätt' da mal ne Frage: Ich stehe 3 Wochen vor meiner Premiere als Brindsley Miller in Peter Shaffers "Komödie im Dunkeln". Nun haben mir meine Mitspieler gesagt, dass sie nicht damit klarkommen, dass ich zu viel improvisiere. Will heißen: Ich sage nicht immer wortwörtlich was im Text steht, sondern manchmal zwar inhaltlich das was da steht, aber eben nicht wortwörtlich.
Damit kommen meine "Kollegen" nicht klar...

Nun gibt es zwei Seiten: Meine Mitspieler kommen alle ins Schwitzen wenn sie mich als Brindsley (Hauptrolle) haben, statt die Zweitbesetzung - eben deswegen. Die finden es nicht so toll, wenn ich mal vom Text leicht abweiche, weil sie dann meist den Ablauf nicht SO gut wissen oder es einfach nicht gebacken bekommen zu reagieren.
Der Regisseur andererseits findet das total toll was ich mache und meint das würde das Stück erst lebendig machen und den anderen fehlen...

Irgendwie kann ich nicht anders... was denkt ihr, ist das unprofessionell ? Ich kann einfach den Text nicht wortwörtlich lernen und nach dem Stichwort- Entgegnungs-Prinzip alles abspulen. Stattdessen lerne ich das Stück in seinem Ablauf und lerne meine Rolle. das heißt: Ich kenne den Ablauf und kann das Stück lenken, falle auch wenn ich mal ne Runde improvisiere nicht aus der Rolle, sondern bleib' schon drinnen. Die anderen aber sitzen dann doof rum und warten darauf, dass exakt ihr Stichwort kommt und wenn's eben nicht kommt, entweder aus Irrtum oder weil ich's bissel anders gesagt habe, dann reagieren's nicht und alles steht und stockt...

Was tun ? Gegen meine Veranlagung nochmal hinsetzen und den Spaß Wort für Wort lernen um den anderen einen Gefallen zu tun oder drauf hoffen, dass sie's lernen zu reagieren ? Vielleicht weiß ja jemand was, der da ein bisschen erfahren ist.

:-*

Maexl

ZitatGegen meine Veranlagung nochmal hinsetzen und den Spaß Wort für Wort lernen um den anderen einen Gefallen zu tun

Zyankalifreund

Ich bin dagegen. Ich kenne den Text sehr genau, aber ich kenne auch mich und weiß, dass ich mich hundert pro NIE zu 100% dran halten kann. Schon allein weil ich wenn's mal bei jemandem hängt oder sonstwie die Situation es erfordert, REAGIERE und dann auch mal Dinge sage die so nicht im Text stehen

Maexl

na ist denn bei euch wirklich immer alles so statisch?

unsere theater-AG improvisiert auch immer einiges - vor allem in den letzten aufführungen... aber eigentlich ist das ein dauerzustand... bei stücken von 3 bis 4 stunden ist es auch mit korrepetitor nicht immer zu schaffen alles ganz genau wörtlich griffbereit zu haben, für die hauptrollen jedenfalls nicht.

versuche deine impros vll. nicht länger als den eigentlichen text und nicht apprupt kürzer werden zu lassen - dann müsste es berechenbarer werden.

Zyankalifreund

#4
Manchmal habe ich den Eindruck, dass die sich gar keine Mühe geben, mal zu reagieren. Vermutlich weil sie den Ablauf und die Zusammenhänge im Stück noch nciht genau "verdaut" haben. - In diesem Falle ist es Schultheater, nicht Jugendtheater. Ist also nicht immer so rasend motiviert, denk' ich mal sondern eher bissel "Muss ja sein"-Mentalität. -
Ansonsten: Guter Tip

Bastian

Ich hab mit Theaterschauspiel nie sehr viel anfangen können, daher meine Greyhorn- Frage:

Ist Theater nicht etwas, das man gemeinsam macht?

(Mal von der Realität abgesehen...)

Dagmar

#6
Ich denke folgendes dazu:

Die zentrale Frage ist für mich: Kannst Du den Text komplett und im Schlaf auswendig?? Frage Dich das kritisch, Eric, und lüge Dir dabei nicht in die Tasche!!! Kannst Du ihn nämlich komplett auswendig, bist Du frei für jede Improvisation, weil die Impro nicht aus der Not geboren wurde (= "Scheisse, wie geht bloß die Zeile weiter?????, Erfinden wir halt frei was"). Ich weiss da echt von was ich rede!!!

Kannst Du den Text nicht im Schlaf auswendig, handelt es sich nicht wirklich um eine Impro sondern um eine Vertuschung eigener Unfähigkeit, bzw. eigener Genauigkeit, bzw. eigener Disziplin, getarnt als "Improvisation"

Das ist aus meiner Sicht völlig legitim  :) - nur muss und sollte man sich dann nicht echauffieren, wenn andere aus dem Team, die einfach besser oder disziplinierter sind im auswendig lernen, sich mokieren über die eigenen Textschwächen.

Ehrlich gesagt, sollte man dann ehrlich sein und sagen: "Tja Leute, war eine gute Impro, das müsst Ihr mir schon zugestehen - war genial in der Wirkung. Recht habt Ihr allerdings: Die Impro war eine Folge meiner Textschwäche! Tja, was soll man machen? Die Impro war trotzdem genial *kicher*

Meine persönliche Erfahrung: Ich bin super textschwach. Mir mangelt es nicht an Disziplin zum Auswendiglernen (mag man jetzt glauben oder es lassen), ich bin einfach ziemlich vergesslich blöderweise. Ich bin zum Glück aber ziemlich begabt im improvisieren. Ich stecke in fast jeder Nummer irgendwo fest... ---- .... und komme aus jeder Nummer irgendwo wieder raus, und das nicht zum Nachteil der Nummer, meist zum Vorteil:

"Und  das Schiff mit acht Segeln, und mit 50 Kanonen an Bord, war so alt fast verschimmelt, alten Wein packt nicht immer sein Kork"  ::)

Spontaneität in maximal 2 Sekunden Zeit auf der Bühne ist auch eine Kunst - das muss man können, können viele nicht. Nur sollte man das nicht verbrämen als "Habe aus künstlerischen Überlegungen den Text verändert", sondern ehrlich bleiben und sagen "habe wegen meiner Textschwäche improvisiert - macht mir das mal nach Leute!"
Je fester dir einer die Wahrheit verspricht, in Programmen und Predigten, glaube ihm nicht. Und geh' zu den Gauklern, den Clowns und den Narr'n: Dort wirst du zwar nix, doch das in Wahrheit erfahr'n.

Andrea

Zitat:
"Und  das Schiff mit acht Segeln, und mit 50 Kanonen an Bord, war so alt fast verschimmelt, alten Wein packt nicht immer sein Kork"
Hätte ich in der Vorstellung gesessen, dann hätte ich wahrscheinlich genauso laut und hemmungslos gelacht wie gerade eben. ;D
Zum Licht gehört der Schatten, zum Tag die Nacht. Das musst du dir so oft sagen, bis du es weißt und für selbstverständlich hältst. Dann kannst du nicht enttäuscht darüber sein. Denn leben heißt: Das

Andrea

Wenn der Regisseur zufrieden ist mit deiner lebendigen Improvisation, wo ist das Problem? Wenn die Impro nicht zu sehr ausufert... Du hast das Stück verstanden und das ist das wichtigste. Und wenn du dich selbst prüfst, indem du dir Dagmars Fragen beantwortest, wird es klappen.
Ich z.B. hab eher das Problem, dass ich, wenn ein Mikro an ist, zu viel denke. D.h., durch ein MMikro singen: Kein Problem. Durch ein Mikro sprechen: Ich denke den Satz, während ich ihn spreche, obwohl ich ihn mir voher anders gedacht habe. Das ist bei Radiomoderationen so und auch, wenn ich mein eigenes Programm moderiere. In meinem Kopf steht die Moderation, aber ich bin mir selbst zu langsam und zu eingekrampft während der Moderation. Und wenn ich die Moderationen im Nachhinein höre, denke ich jedesmal: "Auweia!" Sie ablesen geht nicht, weil man in Braille nicht schnell genug liest, sie auswendig zu machen funktioniert mal, und ein aderesmal funktioniert es nicht. Deshalb muss ich mir Stichworte notieren, um nicht ins Stocken zu kommen und um nicht was falsches zu sagen. Und dabei soll die Moderation frei und unbefangen klingen... Wenn ich einen Beitrag einlese, komme ich zwar auch ins Stocken, aber dann kann man das noch schneiden. Aber sooo richtig zufrieden bin ich damit auch nicht.
Zum Licht gehört der Schatten, zum Tag die Nacht. Das musst du dir so oft sagen, bis du es weißt und für selbstverständlich hältst. Dann kannst du nicht enttäuscht darüber sein. Denn leben heißt: Das

Zyankalifreund

Nun, ich habe das Stück ud eine Rolle sehr gut und mit viel Aufwand gelernt. Will heißen: Ich kenne den Text wie meine Westentasche und fühle mich in ihm zu Hause.
Natürich hängt es trotzem auch mal irgenwo, aberwnndas mal passiet, dn weiß ich wenigstens WAS inhaltlich jetzt kommt. Das wäre z.B. einFall in dem ich aus Textschwäche improvisiere.
Der zweite Fall und häufigere: Andere stellen etwas falsch ab, machen irgendwelche Fehler weswegen irgendwas dann nicht mehr aufgeht  oder lustige Situationen entstehen - dann weiß ich der Situaion gemäß zu reagieren, auch wenn's nicht im Textbuch steht, kann es dabei aber genau so lenken, dass wir wieder da hin kommen wo wir hinwollen - zum richtigen Ablauf des Stückes. Und den Ablauf und alle Zusammenhänge zu kenne erachte ich als wichtiger, als den Tex Wort für Wort zu kennen, aber nicht mehr reagieren zu können.

Also es ist beide: Geniales Textvergessen ud geniale Impro.

- Und die Batterien meeeiner Tastatu werdenalle, sorry -

whoknows

Ich denke, wenn die anderen nicht mit DIR spielen, sondern mit sich selbst, und nur auf ein ibestimmtesWort warten, dann kannst du das leicht entlarven - und wie Du sagst: Das hat mit theater nix zu tun. (Spiel doch mal den original-Text, aber mit völlig anderem Gefühl dahinter - dann fällt schnell auf, was die tun...)
Andererseits: Wenn Du einen Shakespeare oder Schiller spielen musst, kannst du auch nciht Text ändern, wie's Dir passt - also wäre es ganz praktisch, das mal geübt zu haben. Und natürlich: Wenn sie in ihrem Text wortwörtlich was übernehmen müssen von Dir, oder Du sonst irgendwie sprachlich einen bestimmten Aufbau hast für sie, dann ist es unkollegial, ihnen die Leiter nicht zu halten.

Zyankalifreund

ZitatAndererseits: Wenn Du einen Shakespeare oder Schiller spielen musst, kannst du auch nciht Text ändern, wie's Dir passt
Ich ÄNDERE den Text nicht wie es MIR passt, sondern modifiziere ihn lediglich manchmal, damit er besser in die Situation passt. Vor allem baue ich gern mal so kleine Sachen ein wie "Lass das... (du bringst das durcheinander)"... solche kleinen Dinge. Oder wenn die alte besoffene Oma den nahenden Deal mit dem Millionär bedrohen könnte, so sehr wie sie sich reinsteigert, dann füg' ich auch mal die Frage ein, ob Carol (meine Bühnenparnerin) sich nicht um sie kümmern und vom Verhandlungstisch fernhalten kann - auch wenn's nicht da steht.

Satzstrukturen übernehmen muss keiner von mir, da gibts keine Leiter zu halten.
ZitatWenn sie in ihrem Text wortwörtlich was übernehmen müssen von Dir, oder Du sonst irgendwie sprachlich einen bestimmten Aufbau hast für sie, dann ist es unkollegial, ihnen die Leiter nicht zu halten.

whoknows

#12
Trotzdem: Shakespeare oder Goethe oder Schiller wirst Du wortwörtlich machen MÜSSEN - und manchmal ist es schon recht lehrreich, einen Text, der einem garnicht "in's Maul will" trotzdem unberührt zu lassen - da kommt dann der Subtext zum Tragen. Man muss nicht alles aussprechen, und trotzdem "hören" es die Leute. Warum machst Du es Dir leicht? mach es Dir doch lieber schwerer, und lerne dabei. Das "Lass das" kannst Du SPÜREN, und DENKEN - man muss es nicht aussprechen.
Ich will nicht sagen, dass es nicht doof ist, wenn Kollegen nicht mit einem spielen, sondern neben einem - aber Du bist ja Anfänger, also kann es Dir nur gut tun, wenn Du Dich mal zwingst, wirklich textgetreu zu sein, und trotzdem lebensecht wirkst. Da geht's weniger um die unfähigen Kollegen, als darum, dass Du dadurch Deine Fähigkeiten steigern kannst.

Ausserdem: wie hältst Du es denn, wenn Du einen Text singen musst? Wie verkaufst Du dann den Inhalt, wenn der Text Dir nicht ausreicht?

Zyankalifreund

Ist ja unbestritten, dass man beim Text bleiben soll und das bei Goethe, Schiller, Lessing und Kleist nicht anders machen kann, aber manchmal geht's nicht anders. Manchmal braucht's das um, wenn etwas schief gegangen ist, es zu lenken.
Trotzdem: Beim Text zu bleiben und es alles via "Gefühl" trotzdem zu sagen ist ein interessanter Ansatz. Ich probier's, vielleicht mach ich's mir sonst wirklich bloß zu leicht.   8-)