Georg Kreisler Forum

Diskussionen => Politik => Thema gestartet von: Bastian am 22. August 2012, 00:01:17

Titel: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Bastian am 22. August 2012, 00:01:17
Ein Suchbild: Finde die Unterschiede!

Heinz-Christian Strache stellte am Samstag eine Karikatur auf seine Facebook-Seite. Dazu schrieb er: "So sieht die Umverteilung von Rot-Schwarz mit ihren grünen Helferleins in Wahrheit aus! Sie verteilen unser hart erarbeitetes und erwirtschaftetes österreichisches Steuergeld in Richtung der EU-Bankspekulanten mittels ESM-Diktat und Österreich-Verrat!"

Hier das Bild:
http://lindwurm.files.wordpress.com/2012/08/stracheantisemitismus.jpg (http://lindwurm.files.wordpress.com/2012/08/stracheantisemitismus.jpg)

Tags drauf, nachdem die ersten kritischen Stimmen laut geworden waren, versuchte er sich im Verwischen. Er hielt es für angebracht und schlau, zur Entlastung noch eine andere "Version" zu posten- diesmal das Original- und schrieb dazu:
"Ich habe von dem Cartoon noch zwei Versionen gefunden, eine mit italienischer Sprache auf einer Seite der SPD, eine auf englisch. Antisemitisch ist keiner für mich."

Hier das besagte Original von Jude Potvin:
(https://www.georgkreisler.net/Banking-system.jpg)
© Jude Potvin http://michaeljournal.org/juvdm/caricatures.html (http://michaeljournal.org/juvdm/caricatures.html)

Nunja, wenn Strache selbst sagt, dass er es nicht erkennt: Auf welchem Auge muss man wohl blind sein, um die Unterschiede der oberen Strache-Variante zum Original nicht zu sehen?

Grüße
Bastian

[Edit: Überschrift allgemeiner gefasst.
bas]
Titel: Re: Strache, der niemals antisemitisch ist...
Beitrag von: h-j-urmel am 22. August 2012, 11:20:54
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Nur ein böser (oder böse denkender) Mensch wird daran etwas Anstößiges finden.  Es gibt laut Stadtrat Lasar "Zum Glück keine rassistischen Denkweisen bei der FPÖ!"
Was ist an sternförmigen Brillanten auszusetzen?
Titel: Re: Strache, der niemals antisemitisch ist...
Beitrag von: Heiko am 24. August 2012, 13:50:05
Na  sowas! Antisemiten in der FPÖ kommen in etwa so überraschend wie Sozialdarwinisten in der FDP, Rassisten bei der Polizei bzw. Polizisten im Ku-Klux-Klan oder die rechtsextreme Unterwanderung des Verfassungsschutzes, - stop, das war umgekehrt, oder? Egal, kommt eh aufs gleiche raus.

Tiefere Nasenanalysen mal unbeachtend: was genau hindert people oder Volk in der Karikatur eigentlich daran sich was vom Kuchen zu nehmen?

Seyfried hat mal ne ähnliche, ebenfalls dreipersonige, dabei aber gleichnasige Kritik gezeichnet, die noch stärker Gewalt und Privilegien als Unterdrücksinstrument in den Blick nimmt.

http://gerhardseyfried.de/das-system-der-ausbeutung/
Titel: Re: Strache, der niemals antisemitisch ist...
Beitrag von: h-j-urmel am 24. August 2012, 18:02:31
Hallo Heiko!
Das ist es, was mir an Deinen Beträgen gefällt, was ich an Dir schätze. Kein Hauch von Ironie, sachlich und tadellos.
Der Vergleich der beiden Bilder hinkt allerdings, was das Gefahrenpotential betrifft. Niemals würde ich mich als Pilot oder Passagier in dieses Flugzeug setzen. Was passiert, wenn die Person am Propeller einen Schwächeanfall oder mehr erleidet? (Nebenbei ein Grund, weshalb ich nie in ein Flugzeug einsteigen würde, das nur einen Motor hat.) -
Wenn dagegen am Tisch der etwas hagere Mann vom Stuhl kippen sollte, was nicht ganz von der Hand zu weisen ist, hat der gewichtige Herr auf der linken Seite keinen direkten Nachteil  und der Kellner ebenso.
Herzliche Grüße,
h-j-urmel
PS.
In "The Intelligence" ist zu lesen:
"Herr Strache hat nicht nur eine unpassende Form der Nase gewählt, er hat nicht bloß aus Missgeschick die Form von Diamanten sechszackig erscheinen lassen, er hat provoziert, dass fachliche und seriöse Analysen des Bankenwesen falsch ausgelegt werden könnten. Und damit hat er gewiss mehr Schaden angerichtet, als er sich vermutlich bewusst ist"
Titel: Re: Strache, der niemals antisemitisch ist...
Beitrag von: Heiko am 25. August 2012, 13:28:37
Hallo Urmel,
vielen Dank, doch zu viel des Lobes, zumal ich die Themen ja meist nur schramme.

Was das Flugzeug betrifft, hast du/ haben wir gar keine Wahl. Wir sitzen ungefragt mit drin. Zunächst müsste gelandet oder abgestürzt werden, um zu entscheiden, ob man erneut einsteigen würde.

Bei der Wir-sitzen-am-selben-Tisch-Karikatur gibt es bei der linkssitzenden Person neben der Veränderung von Nase und Knöpfen auch noch eine der Augen. Während bei dem Original es aussieht, als gäbe es keine Pupille, wurde sie bei Straches Version eingefügt.
Was auf den ersten Blick relativ bedeutungslos scheint, wirkt bei näherer Betrachtung ziemlich perfide. Denn: im Original ist der Banker ganz auf sich und nur auf seinen gierigen Konsum konzentriert, der quasi zum Selbstzweck wird. Durch die Veränderung aber beobachtet er nun sein hungriges Gegenüber. Nicht mehr nur das Schlingen alleine, sondern das Leiden des Anderen verschafft ihnen einen zusätzlichen, einen sadistischen Lustgewinn.

Grüße Heiko
Titel: Re: Strache, der niemals antisemitisch ist...
Beitrag von: Burkhard Ihme am 06. August 2013, 16:38:31
Wegen dieser Zeichnung (http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.luff-mohr-die-karikatur-des-tages.1993ae12-f275-4427-808b-9371cebc6781.html) hat Sandra Kreisler einen Protestbrief (http://www.facebook.com/wortfront?hc_location=stream) an die STUTTGARTER ZEITUNG geschrieben.
Titel: Re: Strache, der niemals antisemitisch ist...
Beitrag von: h-j-urmel am 06. August 2013, 20:51:45
Um diese Karikatur entfacht sich ein bitterböses, giftiger Wortgefecht. Die wenigen Personen , die für die Karikatur Stellung beziehen und diese Karikatur nicht mit Antisemitismus in Verbindung bringen, werden bitterböse niedergemacht. Sandra Kreisler bezeichnet die Verantwortlichen von der Stuttgarter Zeitung als "Arschlöcher". Georg Kreisler berichtet, Sandra habe ihn öffentlich ebenfalls als "Arschloch" beschimpft. Wenn sich Sandra Kreisler über die Karikaturen aufregt, ist das ihr gutes Recht. Ich meine, Sandra hat allerdings nicht die Befugnis, sich bei ihrer Empörung auf Georg Kreisler und seinen Ansichten zu beziehen. Auch nicht, sich zu beschweren, man tanze auf dem Grabe Ihres Vaters rum. Sie sollte überlegen, weshalb Georg Kreisler angeordnet hatte, dass seine Tochter nicht bei seiner Beerdigung dabei sein darf.
Georg Kreisler sagte dem Magazin "Zeit" zum Thema Israel übrigens, er finde der Staat Israel sei keine gute Idee. Da er aber nun mal da ist, muss man ihn auch verteidigen. Er sagte, die Juden haben jahrtausendelang inmitten anderer Völker gelebt. Was brauchen sie jetzt unbedingt ein eigenes Land?  Man muss den Antisemitismus bekämpfen, einen Staat zu gründen hielf den Juden wenig.
Alleine die Art und Weise, wie die Diskusion jetzt über diese Karikatur geführt wird, lässt wenig Raum für Hoffnung auf eine baldige, friedliche Lösung.
Und zur Karikatur bin ich der Ansicht, die Siedlungsbauten sind alsolutes Gift für Friedensverhandlungen und um Verhandlungen für den ersehnten Freiden geht es ja mal wieder ganz aktuell.


Titel: Re: Strache, der niemals antisemitisch ist...
Beitrag von: h-j-urmel am 06. August 2013, 21:54:13
Der Link im Textfeld von Burkhard führt nicht mehr direkt zur Karikatur. Bis zur Seite der Karikatur mit den entsprechenden Kommentaren, ist ein weiter Weg. Das Ganze führt bis zu facebook, siehe den Link unten:

https://www.facebook.com/photo.php?fbid=10151620396818261&set=a.10150271410438261.336536.129349103260&type=3&theater
Titel: Re: Strache, der niemals antisemitisch ist...
Beitrag von: Anke am 07. August 2013, 02:37:43
Zitat von: h-j-urmel am 06. August 2013, 21:54:13
Der Link im Textfeld von Burkhard führt nicht mehr direkt zur Karikatur. Bis zur Seite der Karikatur mit den entsprechenden Kommentaren, ist ein weiter Weg. Das Ganze führt bis zu facebook, siehe den Link unten:

https://www.facebook.com/photo.php?fbid=10151620396818261&set=a.10150271410438261.336536.129349103260&type=3&theater (https://www.facebook.com/photo.php?fbid=10151620396818261&set=a.10150271410438261.336536.129349103260&type=3&theater)
Ja, danke für den neuen Link. Ich habe mir schon den Kopf zerbrochen, was die andere zu sehende Zeichnung überhaupt mit Israel zu tun haben sollte.  :)

Aber, mein Kommentar zu der hitzigen Debatte, v.a. in Facebook:

1) Mein Eindruck ist, dass der Zeichner G.Kreisler da nur aufgeführt hat, damit dem Urheberrecht Genüge getan wird und damit die unbedarfteren Leser erfahren, dass es sich bei den zu vergiftenden Tauben um ein Lied handelt. Bei weitem nicht jeder Leser kennt dieses Lied, auch wenn das den Usern dieses Forums sowie den Sympathisanten von Juden im allgemeinen und Kreisler im besonderen nicht real erscheint.  8)

2) Man sollte nicht übersehen, dass es Kreisler selbst war, der diese Vergiftungsthematik aufgebracht hat. Dann müsste man IHM die Bedienung der alten Klischees und Antisemitismus vorwerfen.  ::)   Deswegen kann ich da nur sehr wenig bis keine antisemitische Schuld beim Karikaturisten sehen.

3) Der Mann vergiftet doch ganz offensichtlich BROT und keine Brunnen. So vergiftet man nunmal Tauben (sofern man es tut), mit Brotstückchen. Ich finde, man sollte nicht bei jeder nur irgendwie denkbaren Assoziation gleich Antisemitismus unterstellen und sich fürchterlich darüber aufregen. M.E. schürt man damit selbigen anstatt ihn zu bekämpfen.

Und Ausdrücke wie "Arschlöcher", "Miststück" u.ä. - sorry, aber die gehören m.E. nicht in Briefe, erst recht nicht in die Öffentlichkeit, und wer so "argumentiert", tut der Sache, für die er oder sie kämpft, m.E. absolut keinen Gefallen.

Auch wenn ich dafür jetzt hier verstoßen werden sollte.  :-\
Titel: Re: Strache, der niemals antisemitisch ist...
Beitrag von: Clas am 07. August 2013, 02:48:07
Moin, moin,

warum darf Sandra sich nicht auf ihren Vater beziehen? Nur weil sie verkracht waren? Ich finde: sie darf das.

-

Und wenn es so eine Anordnung gab, musste sie sich vielleicht danach richten, aber ob sie über das warum nachdenken möchte oder sollte oder nicht, ist doch in diesem Zusammenhang völlig irrelevant. Und überdies ihre Sache. Auch wann sie das womöglich täte, geht uns nichts an. Hier geht es um einen Textbezug und um eine Vereinnahmung, von ich mir auch nicht vorstellen kann, dass das in seinem Sinne gewesen wäre...

Gruß Clas
Titel: Re: Strache, der niemals antisemitisch ist...
Beitrag von: Burkhard Ihme am 07. August 2013, 02:51:23
Zitat von: h-j-urmel am 06. August 2013, 20:51:45Georg Kreisler berichtet, Sandra habe ihn öffentlich ebenfalls als "Arschloch" beschimpft. Wenn sich Sandra Kreisler über die Karikaturen aufregt, ist das ihr gutes Recht. Ich meine, Sandra hat allerdings nicht die Befugnis, sich bei ihrer Empörung auf Georg Kreisler und seinen Ansichten zu beziehen. Auch nicht, sich zu beschweren, man tanze auf dem Grabe Ihres Vaters rum. Sie sollte überlegen, weshalb Georg Kreisler angeordnet hatte, dass seine Tochter nicht bei seiner Beerdigung dabei sein darf.
Ob Kreisler in dieser Angelegemheit ein verläßlicher Zeuge ist? Er hat schließlich den Kontakt zu ALLEN seinen Kindern abgebrochen. Und auch wenn mir Sandra mit ihren ständigen Antisemitusmus-Belegen auf den Zeiger geht, in der Darstellung des kreislerschen Familiendramas (hier im Forum) glaube ich ihr und nicht ihrem Vater.
Titel: Re: Strache, der niemals antisemitisch ist...
Beitrag von: Clas am 07. August 2013, 03:00:51
Moin Anke,

mir liegt das fäkalische auch nicht so, aber das Wort Arschloch gehört für mein Gefühl nicht zu den unverzeihlichen Flüchen...

Das Taubenvergiften bezieht sich aber bei Kreisler genau nicht auf Friedenstauben, schon gar nicht im Nahen Osten. Und ich denke nicht, dass es irgendwie zu den Nichtarischen Liedern gehört.

Gruß Clas
Titel: Re: Strache, der niemals antisemitisch ist...
Beitrag von: Anke am 07. August 2013, 03:23:30
Zitat von: Clas am 07. August 2013, 03:00:51
Moin Anke,

mir liegt das fäkalische auch nicht so, aber das Wort Arschloch gehört für mein Gefühl nicht zu den unverzeihlichen Flüchen...
Es ist ja auch kein "Fluch", sondern eine "Beleidigung", und die kann sogar strafrechtlich verfolgt werden.
http://www.strafverteidiger-berlin.info/strafrecht/beleidigung/ (http://www.strafverteidiger-berlin.info/strafrecht/beleidigung/)

Gerade wenn man sich über echte oder vermeintliche Beleidigungen aufregt, sollte man selber nicht mit ebensolchen werfen.  :o

ZitatDas Taubenvergiften bezieht sich aber bei Kreisler genau nicht auf Friedenstauben, schon gar nicht im Nahen Osten. Und ich denke nicht, dass es irgendwie zu den Nichtarischen Liedern gehört.
Also nach meinem arglosen Verständnis bezieht es sich auf Tauben im Park. Nicht mehr und nicht weniger. Und dabei singt er hingebungsvoll vom "Vergiften".

Wenn das Wort "vergiften" wirklich dermaßen absolut antisemitisch befrachtet wäre, hätte GK es wohl kaum für ein Lied verwendet.

Abgesehen davon ist der amerikanische Tom-Lehrer-Text ja fast identisch und der "vergiftet" ebenfalls. Tom Lehrer unterstellt aber doch wohl niemand Antisemitismus, oder?  ;)

Ich finde, man kann sich auch künstlich-klischeehaft aufregen. Eine sachliche Klarstellung der Haltung GKs zu dem Nahost-Thema wäre m.E. besser gewesen.
Titel: Re: Strache, der niemals antisemitisch ist...
Beitrag von: Burkhard Ihme am 07. August 2013, 05:16:30
Wäre ja lustig gewesen, wenn Luff sich auf Lehrer bezogen hätte. Wie dann wohl die Diskussion ausgefallen wäre?
Titel: Re: Strache, der niemals antisemitisch ist...
Beitrag von: Clas am 07. August 2013, 07:58:12
Moin, moin,

"vergiften" ist natürlich nirgendswo und nirgendswie absolut antisemitisch befrachtet. Positiv besetzt ist es aber auch nicht...

Und Kreisler singt von Tauben im Park. Ironisch ins Makabre gebrochen? Provokant mit süßlichen Schlagerhaftigkeiten und der unverbindlichen Tierliebe spielend? Tretend im Walzertakt mit den Füßen auf die Gefühle der Leut, die sie normalerweise bei solchen Schlagerhaftigkeiten und Frühlingswalzeritäten entwickeln? Der Leut, die sich also empören, und doch, vielleicht nicht jeder einzelne, aber insgeamt banal mit böse waren und es nun nicht gewesen sein wollten und Anspruch auf Unterhaltung , harmlose, heitere Unterhaltung erhoben? Und im banalen Ernst des Lebens schon wieder...? Oder, damals, immer noch...?

Vergleiche "Der Schlager".

Die Karikatur ginge an, wenn da eben nicht nur Herr Netanjahu dargestellt wäre, sondern, auf zwei anderen Bänken, mindestens noch Herr Abbas und jemand von der Hisbollah, die sich auf ihre Weise mindestens ebenso deutlich  um das Nichtzustandekommen eines Friedens bemühen... So aber wird sie dem Wirkungsgefüge dort nicht ansatzweise gerecht.  Ob man dann den Rekurs auf Kreisler hätte machen können und dürfen? Von Deutschland aus, mit letztem Bleistiftstummel, sozusagen? Ich weiß das nicht. Ich zweifle aber.

-

Natürlich ist Arschloch klagbar; andererseits gibt es wenig Möglichkeiten, den Kern der Ansage besser zu betätigen. Leute, die ihre Zeit mit Beleidigungprozessen vertun... Man kann auch so reagieren: http://www.youtube.com/watch?v=NXI25UbPOAY (http://www.youtube.com/watch?v=NXI25UbPOAY) , nur als Beispiel. Oder freundlich lächelnd: "Angenehm! Sehr erfreut! Lehmann, mein Name!"

Soll heißen: klagen, gegen  das eine, wie das andere, vertut viel Zeit und bringt nicht furchtbar viel, fürchte und vermute ich.

Gruß Clas



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Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: h-j-urmel am 07. August 2013, 11:16:24
Die Karikatur ist, wie bei Tageszeitungen üblich, den aktuellen politischen Aktivitäten angepasst. Wenige Tage nach dem Beginn der Friedensgespräche beschloss das Kabinett in Jerusalem eine Ausweitung der Subventionen für israelische Siedlungen im Westjordanland. Dass durch diese Maßnahme Gespräche über eine Friedenslösung drastisch negativ belastet werden, muss man niemanden erklären. Das kann auch beschrieben werden mit vergiften der Gesprächsatmosphäre. Bei Gedanken zu Frieden taucht die Taube auf und schon ist man beim Taubenvergiften.
Durch die beschriebene Handlungsweise gehört daher nur Netanjahu auf die Bank.

Wenn die Auseinandersetzungen zwischen Vater und Tochter in der Öffentlichkeit ausgetragen werden, also wenn sie ihre Aussagen gezielt für ihre Hörer und Leser verbreiten, kann die Öffentlichkeit reagieren, wenn sie mag. Wenn Sandra Kreisler von der Bühne im Rahmen ihres Programms wiederholt die Aussage bringt, ihr Vater sei ein Arschloch, dann ist die Familienangelegenheit  gewollt für das Publikum ausgebreitet. Sandra tat dies vermutlich, um Zustimmung zu bekommen. Die Zustimmung blieb aus und sie hörte damit auf.

Die Auseinandersetzungen mit dem Thema Friedensprozeß im Nahen Osten bringen eben weder hier noch in anderen Diskussionsrunden furchtbar viel, Clas. Eher verletzen die bitterbösen Beleidigungen etlicher Schreiber zusätzlich und nehmen jegliche Hoffnung. Wegschauen bringt aber noch weniger und jeder Versuch, miteinander einen besseren Weg einzuschlagen ist zu begrüßen. Von ernst gemeinten guten Ratschlägen und Argumenten kann man lernen und evtl. Ansichten korrigieren. Viele, die hier ihre Meinung offen legten, haben mir interessante Aspekte und Anregungen gebracht. An erster Stelle steht für mich von Anfang an Heiko.

Zu Georg Kreisler ist noch anzumerken, dass er einmal sagte, mit der Zweistaaten-Lösung, Israel und Palästina wird es keine friedliche Lösung geben können. Er sehe die Zukunft nur in einem gemeinsamen Staat, in dem Juden und Araber zusammen und friedvoll leben können.
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Clas am 07. August 2013, 12:51:25
Moin, moin,

natürlich kann die Öffentlichkeit sich zu öffentlich getanen Äußerungen äußern, aber doch eben auch dahingehend, dass das nicht vertieft öffentlich ausgebreitet gehört, dass sie, also ich jetzt das Aufwärmen lange vergangenen Häbäbähs nicht nützlich findet... Natürlich kann sie auch, also Du jetzt, anderer Meinung sein und überhaupt die Bewertung als Häbäbäh nicht teilen.

Ich meine nur: Arschlöcher, alt, und wieder aufgewärmt, sind nicht zu goutieren. Frisch und im Zorn geäußert auch nicht; man sollte sowas möglichst rasch vergessen und am Kern bleiben.

Die Situation dort scheint mir, wie viele Konflikte, so geordnet zu sein, dass beide Konfliktparteien sich bemühen, den Konflikt aufrecht zu erhalten, mit verteilten Rollen. Die Summe gegenseitiger Provokation bleibt, wie in einem guten Ehekrieg, konstant... Freundinnen der Frau bemerken die Bosheit des Mannes, dessen Freunde die Niedertracht des Weibes und alle Beteiligten erhalten den Knatsch aufrecht... und beweisen die Unmöglichkeit, miteinander auszukommen, sich zu vertragen.
Das Kabinett beschließt, Siedlungssubventionen zu erhöhen. Hisbollahaktivisten schießen mit Raketen, jedenfalls doch auch auf die Gespräche, wenn schon sonst meist vorbei, zum Glück... Die Koexistenzbereitschaft aber treffen sie.

Im israelischen politischen Diskurs wäre die Karikatur vielleicht in Ordnung; von Deutschland aus... Für mein Empfinden geht das nicht. Ich hör da immer Hannes Wader:

"...möchten schon, möchten schon
endlich wieder als Nation,
wie die Franzosen und die Briten
als Deutsche und Antisemiten
frei und unbefangen sein..."

Und offenbar lösen derartige Beiträge aus Deutschland auch eher Allergien aus, als dass sie als konstruktiv-wohlgemeint und weiterführend erlebt werden...

Gruß Clas
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: h-j-urmel am 07. August 2013, 23:23:02
Wie sollen sich die direkt Beteiligten einigen, wenn die Außenstehenden sehr weit auseinander sind. Vielleicht weil der Zwang zum Erfolg stärker ist. In den wesentlichen Punkten stimme ich nicht mit Dir überein, Clas. Gehe nicht näher darauf ein, den Betroffenen hilft das nicht. Aber die Meinung kund tun und sich einmischen, das darf jede Person auf dieser Welt, gleichgültig in welchem Land er wohnt. Ich setze da mal voraus, es ist kein durch besondere Taten/Verbrechen Belasteter. Einmischen, gerade dann, wenn die Situation Auswirkungen hat auf das eigene Leben, die eigene Sicherheit. Der Unfrieden im Nahen Osten strahlt aus auf jeden Winkel dieser Erde. Die heute in Deutschland lebenden Personen tragen für Ereignissse der Vergangenheit keine Schuld und haben das uneingeschränkte Recht der Meinungsäußerung. Verantwortung für Eltern oder Großeltern zu übernehmen, das geht in Ordnung, wenn sie gebrechlich sind oder irgendwie hilfsbedürftig. Nicht aber, falls sie verstrickt sein sollten für Verbrechen in der Nazizeit.
Regierungsverantwortliche haben Verpflichtungen zu übernehmen, quasi als Staatsverantwortung und Staatsschuld und die Pflicht der Rücksichtnahme auf Geschehnisse der Vergangenheit.  Bezüglich der Vergangenheit erwartet man von einem deutschen Bürger im Bezug auf das Gewesene, eine angemessene Verhaltensweise. Zu dem, was heute passiert auf dieser Welt, muss er keinen Maulkorb tragen. Meiner Familie und mir, wie an Millionen anderen Menschen wurde durch das Nazi-Regime schwerer Schaden zugefügt. Jahrzehnte lang schämte ich mich ein deutscher Staatsbürger zu sein, und erfuhr lange Zeit im Ausland, wie unbeliebt Deutsche waren. Und sehr früh erfuhr ich, welche Berührungsängste Deutsche mit Juden hatten, die noch oder wieder in Deutschland lebten, obwohl ich nur einen einzigen in dieser Stadt kannte. Etliche Personen vermuteten in mir einen Juden, aufgrund meines Namens. Die Ereignisse und Begegnungen brachten mich Juden gegenüber gefühlsmäßig besonders nahe, so dass ich mich selbst oft als Jude empfand. Kann man als Außenstehender vielleicht nicht nachvollziehen, es ist aber so.
Aufgrund meiner kompletten Lebensgeschichte empfinde ich die größere Sympathie mit Minderheiten in dieser Gesellschaft, soweit sie benachteiligt werden und darunter leiden müssen. Aber das führt zu weit und ich wollte eigentlich nur zwei, drei Sätze eben geschrieben haben. --- Wünsche eine gute Nacht.

Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: h-j-urmel am 07. August 2013, 23:58:08
Habe gerade noch eine Kreisler-Meldung zu dem Karikatur-Thema hereinbekommen. Den Link zum Artikel der Zeitschrift  "der Freitag" stelle ich hier zu meinem Text. Auch dort gibt es bereits etliche Kommentare. Sogar die israelische Botschaft protestiert. Die Karikatur ist ein Aufwühler. Dem Bericht nach hat die Stuttgarter Zeitung den Schwanz eingezogen und sich entschuldigt.

http://www.freitag.de/autoren/aram-ockert/geh2019n-mer-tauben-vergiften-im-park
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Clas am 08. August 2013, 02:11:48
Moin, moin,

natürlich darf jeder alles äußern; aber nicht jede Äußerung hilft weiter... Muss sie auch nicht, aber wenn ich dieser Meinung wäre, stünde einer sinnvollen Äußerung immer noch die zu erwartende Rezeption entgegen. Und die macht, inzwischen offenkundig, die Äußerung dieser Meinung im Interesse einer Förderung des Friedens wenig sinnvoll...

Ich selber habe auch keine Naziverbrechen begangen, aber ich verstehe gut, wenn jemand bereits auf die deutsche Sprache, Fahne oder Nationalhymne allergisch reagiert. Bei Fahne und Hymne geht mir das selber so.

Da finde ich Rücksicht angemessen.

Gruß Clas
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Burkhard Ihme am 08. August 2013, 07:27:36
Man sollte vielleicht nicht die Deutschlandfahne schwenkend und die Hymne (oder gar dier erste Strophe des Deutschlandliedes) gröhlend durch Israel oder Polen toben, aber wo genau ist welche Rücksicht "angemessen"? Und was wäre mit der holländischen Hymne? Da heißt es ja explizit, man sei von deutschem Blute (ganz abgesehen von den Schlachtgesängen in anderen Hymnen), da ist "Recht und Freiheit" doch viel angemessener.
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Anke am 08. August 2013, 13:03:03
Zitat von: Clas am 08. August 2013, 02:11:48Da finde ich Rücksicht angemessen.
Ich meine: "Vorsicht": wie man beliebt. "Rücksicht": kommt drauf an.

Andernfalls müsste man Salman Rushdie sowie allen anderen Kritikern fast jeglicher Couleur ja wohl ebenfalls Vorhaltungen wegen mangelnder Rücksicht machen. Empfindlichkeiten gibt es viele, aber genau diese decken oft Misstände und Unrecht.
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Clas am 08. August 2013, 13:24:17
Moin, moin,

nö, nicht nur das sollte man sicher nicht. Ich kriege körperliche Symptome, Schüttelfrost und Nesselfrieseln, sowie einen unwiderstehlichen Fluchtantrieb, wenn ich nur die Musik höre. Also meide ich Orte und Gelegenheiten, wo die zu erklingen droht. Das ist so, seit ich die das erste Mal gehört habe, in der 5. Klasse, wo unser Musiklehrer sie uns erst vorspielte und dann beibringen wollte. Mit dem Text hat das erst in zweiter Linie zu tun. Es ist die Verquickung einer Musik mit der Erwartung eines weihevollen Nationalgefühles, das dann in den meisten Leuten aufkommt. Vor Jahren war ich mal in einer Wahlkampfveranstaltung mit FJS, in Karlsruhe... Da wurde die zum Schluss gesungen, und  alle sollten aufstehen. Ordner eilten herbei, um das durchzusetzen. Nicht wenige Teilnehmer hoben überdies den ausgestreckten Arm, was den Ordnern kein Problem zu bergen schien. Alte Reflexe halt, was will man machen?

Grölende Gesänge, egal von was, beängstigen mich grundsätzlich und mißfallen mir daher, wie auch das Schwenken von Fahnen. Ich meide Orte, wo das geschieht. Ich finde es aber nicht angenehm, wenn ich zuviele Orte meiden muss... Die Fußball-WM, zum Beispiel, fand ich in der Beziehung rücksichtslos und aufdringlich. Der nationale Frohsinn war mir entschieden unheimlich und die Artikel zum Lobe des entspannten Verhältnisses der Deutschen nunmehr zu ihrer Nation: Ich habe das anders empfunden.

Was die Holländer singen, wenn ihnen national zu Sinn wird, weiß ich nicht. Auch eine Melodie fehlt mir da. Ich war noch nicht in den Niederlanden, wenn die dort gesungen wurde.


Gruß Clas
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Clas am 09. August 2013, 11:52:43
Moin moin,

Rushdie habe ich mal zu lesen versucht und keinen Zugang gefunden, mir sagte das nichts. Vielleicht liegt es daran, dass der eigentlich im innerislamischen Diskurs zu verstehen wäre? Und da, geht es nach mir, natürlich auch provozieren dürfen muss?

Aber weder er selber noch seine Familie oder Ethnie hat systematisch Muslime verfolgt und und vernichtet: Da kann ich, vermutlich dennoch fruchtlos, von den Muslimen verlangen, sie mögen sich in Toleranz oder im Ignorieren üben. Eine weltweite Fahtwa (schreibt man das so?) ist immer übergriffig gegen den Rest der Welt. Sie ist, als Rechtsinstrument, in ihren hiesigen Entsprechungen hierzulande überdies völlig überholt. Ich halte das für gut. Ich denke aber, eine Abschaffung solcher Rechtsinstrumente in der islamischen Welt wäre Aufgabe der Muslime.

Das plustrige Einfordern von außen wirkt wahrscheinlich paradox. Und wenn man mal bedenkt, dass in der BRD noch in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts der Ehemann eine Berufstätigkeit seiner Frau erlauben musste, damit die einen Arbeitsvertrag wirksam unterzeichnen konnte, und dass er diesen Vertrag, ohne die Unterschrift seiner Frau, wirksam kündigen konnte, dann frage ich mich, zum Beispiel, schon nach der Berechtigung solcher Leute, eine Generation später die Befreiung islamischer Frauen bewaffnet durchsetzen zu wollen. Auf mich wirkt das absurd. Zumal manche Bräuche, die uns hier diskriminierend vorkommen, von den Betroffenen anders erlebt werden. Der Mann geht voraus, die Frau hinter ihm. Was der Mann dabei denkt, weiß ich nicht authentisch. Von einer Muslima, der frau ihre Befreiungsbedürftigkeit an diesem Beipiel verdeutlichen wollte, ist mir aber der Satz überliefert worden: "Vorne Ochse. Ich Wagen." Wenn und solange sie so empfindet, hätte ich zwar immer noch Fragen an die Beschaffenheit dieser Ehe, aber eine Diskriminierung der Frau durch den vorweg gehenden Mann erkenne ich da nicht mehr.

Infolge der Shoa verhält es sich für mein Gefühl mit der Kritik aus Deutschland an Israel anders. Wenn mir da Juden deutlich sagen oder schreiben, sie erlebten da Antisemitismus, wiedergeboren und bedrohlich... Dann ist meine Antwort nicht, sie mögen sich nicht so anstellen und mal ein bisschen Kritik aushalten üben. Auch dann nicht, wenn ich die Einschätzung nicht teile. Dann teile ich die Einschätzung nicht, und wenn es mir wichtig ist, teile ich das den Leuten, die es angeht, mit. Nicht aber der ganzen Welt. Weil ich das für rücksichtslos und für unsinnig halte.

Hier aber geht es auch darum, ob Sandra ihres Vaters Text  gegen die Inanspruchnahme für diese Karikatur verteidigen darf. Ich finde, das darf sie, und sie wird das vermutlich ganz arg lieb von mir finden und sehr erleichtert sein, dass ich es erlauben würde... Es steht uns doch gar nicht zu, zu entscheiden oder zu bewerten, was sie da darf, nach einer Vorgeschichte, die wir alle nicht wirklich beurteilen können. Wenn aber Israelkritik aus Deutschland, angesichts der doch nun sehr eindeutigen Vorgeschichte nun wieder statthaft sein soll, weil jeder weltweit alles zu allem und jedem sagen darf: Um wieviel mehr darf sich dann Sandra ihres Vaters annehmen?

Gruß Clas
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Anke am 09. August 2013, 12:31:19
Natürlich darf sie das.

Ich zumindest habe die Form kritisiert:
ZitatUnd Ausdrücke wie "Arschlöcher", "Miststück" u.ä. - sorry, aber die gehören m.E. nicht in Briefe, erst recht nicht in die Öffentlichkeit, und wer so "argumentiert", tut der Sache, für die er oder sie kämpft, m.E. absolut keinen Gefallen.
Mit der Benutzung von ordinären Schimpfwörtern wertet man m.E. sich selbst und die Sache, für die man kämpft, ab,
wird weniger ernst genommen
oder fördert sogar noch die Aggressionen der Gegenseite.
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Clas am 09. August 2013, 13:53:14
Moin Anke,

hatte ich gemerkt. Mir gefiel die auch nicht, und da, meine ich, muss ich auch keine neuralgischen Punkte voraussetzen.

Nur: Wenn ich merke: Da gerät ein sonsten angenehm kultivierter Mensch außer sich, dann gibt es irgendwo im Umfeld Punkte, die jedenfalls empfindlich sind. Und wenn wem was wehtut, dass er schreit... Die Wenigsten glauben, in der Situation der Mahnung zur Mäßigung zu bedürfen. Von mir selber weiß ich das sicher, andere haben es mir glaubhaft versichert...

Gruß Clas
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Burkhard Ihme am 06. Dezember 2013, 04:17:41
Horst Haitzinger hät eine ähnliche Karikatur gemacht wie Luff, und anscheinend ähnlich auf die Ohren bekommen.

http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19686
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Bastian am 10. Dezember 2013, 17:59:14
Ich kann sowohl für die Haitzinger-Karikatur als auch die Luff-Karikatur ganz einfache und völlig un-antisemitische Gedankengänge annehmen:

1. Karikaturengesetz: Der Friede wird durch eine Taube symbolisiert (seit Haitzinger auch als Taubenschneck)
2. Redensart: Ein Gesprächsklima/Verhandlungen "vergiftet" man.
3. Wahnsinnstransferleistung: Also vergiftet man die Taube. (So kam Luff auf Kreisler. Offensichtlich unmotiviert, denn es ergibt keinen Sinn, es zerrt ihn nur in einen Zusammenhang, der ihm sicher zuwidergelaufen wäre.)

Und ich finde, man darf auch mal - ganz Ockham-like - eine einfachere Erklärung gelten lassen, solange dieser nichts widerspricht oder man nicht aufgrund anderer Äußerungen eine antijüdische Einstellung vermuten muss.
Also für mich unter'm Strich much ado about nothing. Jedenfalls nichts, was "Arschlöcher" oder andere ad hominems notwendig macht.

Zur Haitzinger-Karikatur gab es in der Badischen eine redaktionelle Stellungnahme:
http://www.badische-zeitung.de/karikaturen/umstrittene-karikatur-nicht-jede-kritik-ist-antisemitismus
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Heiko am 15. Dezember 2013, 18:11:42
Zwei Dinge als anerkannt gesetzt:
Nicht jede Kritik an Israels Politik ist antisemitisch begründet.
Aber Antisemiten benutzen Israelkritik um antisemitische Vorstellungen zu befördern.

Die Fragen lauten also:
Woran erkennt man die (mehr oder weniger gut) versteckten Antisemiten unter den Kritikern? Ockham dürfte meines Erachtens dafür völlig unzureichend sein.
Und wie darf unverdächtige Kritik aussehen? Das heißt, welche Reflexionsprozesse müssen erkennbar werden?

Haitzinger scheint mir in seiner Kritik (relativ) unverdächtig. Einzig die Unterstellung, die israelische Regierung wolle generell keinen Frieden, weil sie einem Atom-Abkommen mit dem Iran skeptisch gegenüber steht, lässt Spielraum. Dabei wird Netanjahu aber als pragmatischer Vertreter einer national-egoistischen Interessenspolitik dargestellt, was ihn eben gerade nicht von anderen führenden Staatspsychotikern unterscheidet.

Luff hingegen schiebt ihm Vergnügen am Vergiften unter. Netanjahu genießt, singt und schließt lustvoll die Augen. Hier sollte der Zeichner sich wirklich mal selbst befragen, welche Motive gewirkt haben mögen, Sadismus zu unterstellen. Und ob er nicht erkennt, dass dies antisemitische Vorurteile wecken und verstärken kann.

Dann gibt es noch die völlig unzweifelhaften Fälle, wie jenen, den Burkhard wegen Broder schon mal verlinkt (http://www.georgkreisler.net/georg-kreisler-allgemeines/unheilbar-gesandt/msg27063/#msg27063) hat. Ein anderer konservativer Blogger dazu:
http://schwarzoderweiss.wordpress.com/2013/07/02/man-wird-doch-wohl-noch-karikieren-durfen/
Eine Zeichnung von Ernst Kahl ohne politischen Hintergrund stellt ein gehörntes, hungriges Monster dar. Die SZ untertitelt: "Deutschland serviert. Seit Jahrzehnten wird Israel, teils umsonst, mit Waffen versorgt. Israels Feinde betrachten das Land als einen gefräßigen Moloch. Peter Beinart beklagt, dass es dazu gekommen ist."

Also wer hier nichts erkennen mag, ...
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Bastian am 16. Dezember 2013, 13:58:12
ZitatWoran erkennt man die (mehr oder weniger gut) versteckten Antisemiten unter den Kritikern? Ockham dürfte meines Erachtens dafür völlig unzureichend sein.
Und wie darf unverdächtige Kritik aussehen? Das heißt, welche Reflexionsprozesse müssen erkennbar werden?
Du hast recht, Ockham reicht nicht, und brauchbar erscheint er mir auch nur in den wirklich wenigen Fällen, wo ich den alternativen Holzweg, den der Karikaturist angepeilt hat, klar zu erkennen meine. Ich muss (Bsp. Haitzinger) schon aus einem Taubenschneck einen Brunnen machen und aus einem namentlich benannten Premierminister "die Juden", um die Karikatur mit einem "Archetypen" antisemitischer Darstellung zur Deckung zu bringen. Wenn ich da eine funktionierende (!) Nullhypothese habe (Taube=Frieden, Sabotage=Vergiften), bin ich zögerlich, eine antisemitische Motivation vorauszusetzen.

Ich meine, dass solche Fälle aber eher selten sind.

Die Frage nach den Reflexionsprozessen finde ich interessanter.
Klarer sind wohl die Reflexionsprozesse, die erkennbar nicht stattgefunden haben. (Die Luff-Karikatur wäre für mich so ein Fall.)

Eindeutig indes scheint mir diese Karikatur von Mike Luckovich, die ohne das antisemitische Bild vom "jüdischen Strippenzieher" überhaupt keinen Sinn ergibt:
http://www.cartoonistgroup.com/store/add.php?iid=104772 (http://www.cartoonistgroup.com/store/add.php?iid=104772)
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Clas am 17. Dezember 2013, 12:12:27
Moin, moin,

spielen tut sie das eindeutig. Andererseits könnte man auch der Darstellung entnehmen, es sei das... irgendwie absurd? Muss man nicht, aber: Dass Mister Obama eine Marionette von Herrn Nethanjahu sei oder gewesen sei: Wäre ich auch sonst nicht drauf gekommen. Echt, noch nie.

Gefallen tut sie mir unabhängig davon nicht, der Strich und die Art zu karikieren kommen mir irgendwie stelzbeinig vor. Ein Karikaturist sollte auskommen, ohne die Karikierten noch beschriften zu müssen. Wenn er das muss, weil die Zeichnung es nicht hergibt, ist die Karikatur m. E. irgendwie misslungen. Wenn er das tut, weil er denkt, sonst begreife die angepeilte Kundschaft es nicht: Dann geht er da von Dummheit aus. Also doch für Antisemiten  gezeichnet?

Gruß Clas
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Heiko am 17. Dezember 2013, 22:24:39
Hallo Bastian,
Zitat von: Bastian am 16. Dezember 2013, 13:58:12Klarer sind wohl die Reflexionsprozesse, die erkennbar nicht stattgefunden haben.
Stimmt, so ist besser. Aber es geht hier nicht nur um plumpe Archetypen. Der Knackpunkt ist, wenn die Politik Israels zum Spiegel eines jüdischen Wesens gemacht wird. Für dich mag eine Gleichsetzung von Israel/Netanjahu und Juden eine Transferleistung sein. Ich fürchte, bei vielen anderen wäre eine Trennungsleistung angeraten.
Insofern finde ich eine Hypothese (Schneckentaub vergiften=Frieden sabotieren; Israel=Juden) nicht minder nullig.

Grüße Heiko
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Bastian am 18. Dezember 2013, 23:56:43
Hallo Heiko,

nein nicht besser, nur die einfachere Frage.
Zitat von: Heiko am 17. Dezember 2013, 22:24:39Ich fürchte, bei vielen anderen wäre eine Trennungsleistung angeraten.
Das stimmt - und es macht mich nachdenklich. Wenn ich so darüber nachdenke, möchte ich das auch für mich im Hinterkopf behalten. Danke dafür.
Mir fällt es schwer, da eine klare Linie zu ziehen. Die Extremfälle vorurteilsbedingter Karikaturen (so nenne ich die mal, bis mir etwas Besseres einfällt), die Plumpen, sind ja unschwer zu erkennen und leicht auseinanderzunehmen. Auch gerne vor weniger aufmerksamem Publikum zu sezieren, in der Hoffnung, dass es sensibilisiert wird. Schwieriger finde ich den Umgang mit Karikaturen, die scheinbar (oder auch anscheinend) einen bestimmten Sachverhalt aufs Korn nehmen, die aktuell Bezug nehmen, ohne unbedingt Stereotype bedienen zu wollen. Alltagsgeschäft oder Handwerk...

Da sehe ich auch die karikierende Kunst und deren Recht auf Zuspitzung. Oder auch der einfachen Abbildung dessen, was aktuell geschieht, (s. Netanjahu bei den Friedensverhandlungen). Wenn ein Karikaturist eindeutig Netanjahu zeichnet und sogar "Netanjahu" auf Hemd oder Koffer schreibt, frage ich mich, wieso er das tut. (Nunja, Haitzinger habe ich aus alten Zeiten des Nebelspalters in Erinnerung - da war es üblich, dass [ich erfinde das gerade] beispielsweise einen Tanker namens "CDU" auf einen Eisberg zulaufen zu lassen, der mit "Spendenaffäre" beschriftet war. Schlechter Stil oder Misstrauen den eigenen Fähigkeiten oder dem Publikum gegenüber? Ich weiß es nicht, aber ich fand's, s. Clas, auch immer schon öde und redundant. Bei Haitzinger ist das demnach möglicherweise nur Methode.)

Wenn es um Israel geht, kann ich sowas auch als Bemühen deuten, jetzt aber sowas von explizit Netanjahu zu meinen, nur um nicht kollateral zu verletzen. Und doch wird es als verletzend empfunden, weil irgendwo eine Analogie zu einem gehässigen Stereotyp erkennbar zu sein scheint.

Deinen Gedanken mit der Trennungsleistung aufgegriffen:
- Vom Sender (Karikaturisten) erwarte ich, dass er diese Leistung erbringt. Und auch rüberbringt. Punkt.
- Wenn ich die Trennungsleistung auch vom Empfänger erwarte: Unterscheide ich da zwischen denjeinigen, die sich "mitangegriffen" fühlen und denen, die sich vermeintlich bestätigt sehen? Inwiefern richte ich meine Karikatur nach wem aus? Sollen in diesem Fall (sehr, verdammt sehr ins Unreine gesprochen, aber "in a nutshell") die Antisemiten zwischen Netanjahu und den Juden zu trennen lernen, oder die Juden? Oder wir alle? Und wie erreiche ich das mit künstlerischen Mitteln?

Ich kann mir das bis dato nicht zufriedenstellend beantworten. Und ich bin froh, kein Karikaturist zu sein, also in einem Bild alles darstellen zu müssen. Einerseits widert es mich als Rezipienten sowas von an, unreflektierte oder tatsächlich bewusste Anspielungen auf antisemitische Stereotype zu sehen und zu lesen. Andererseits ahne ich die Schwierigkeiten von Karikaturisten, überhaupt karikieren zu können, und befürchte, dass sich immer mehr eine abwehrende Immunisierungsstrategie etabliert, die eine offene (künstlerische) Auseinandersetzung mit diesem Thema und damit eine nachdenkliche Auseinandersetzung mit der Karikatur unmöglich macht.

Bin dankbar um jeden Anstoß.
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Burkhard Ihme am 19. Dezember 2013, 20:35:40
Erinnert ihr auch an den Jewish Caricature Contest (http://www.spiegel.de/international/jewish-caricature-contest-kosher-anti-semites-a-412390.html)?

Ein weiterer Beritrag dazu?

(https://www.georgkreisler.net/proxy.php?request=http%3A%2F%2Fglobalfire.tv%2Fnj%2Fgraphs%2Fawitzcartoon.jpg&hash=be43e1da77976a1f12ab19cb102081af83587505)


Meinen Lieblingswitz kann ich leider nicht finden. Darin droht ein kinderfressender Jude: "Wenn diese Babys nicht koscher sind, verklage ich euch bis ins letzte Glied!".
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Clas am 20. Dezember 2013, 13:05:46
Moin, moin,

Herrn Blatter aber darf man vorläufig nicht karikieren... http://www.handelszeitung.ch/politik/verbot-von-blatter-karikaturen-verheerend-540731 .

Gruß Clas
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Heiko am 23. Februar 2014, 21:08:57
Ochnee, nicht schon wieder die Süddeutsche! Kann mir bittebitte ein SZ-Leser bestätigen, dass es sich hier um Satire handelt, die verlinkte Karikatur also nicht von Burkhard Mohr ist und nicht am Freitag von der SZ abgedruckt wurde, wie es Stefan Gärtner in seinem Kritischen Sonntagsfrühstück behauptet?

http://www.titanic-magazin.de/news/gaertners-kritisches-sonntagsfruehstueck-krake-juda-6305/
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Burkhard Ihme am 24. Februar 2014, 05:42:25
Das ist eine Karikatur von Mark Zuckerberg (http://tctechcrunch2011.files.wordpress.com/2012/09/mark.jpeg). Darf man den nicht karikieren, weil das dann automatisch antisemitisch ist? Da sollten wir doch im Georg-Kreisler-Forum die Problematik sehen. Auch in jeder Kreisler-Abbildung ist der Jude deutlich zu erkennen.
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Clas am 24. Februar 2014, 07:08:49
Moin, moin,

darf man, aber nicht so. Er hat ein durchaus markantes Gesicht, das sich auch überzeichnen ließe. Warum aber ins Hakennasenhafte, wo er solche Nase gar nicht im Gesichte trägt? Warum dieser Augenschatten, den er auch nicht hat? Das verschiebt die durchaus legitime Kritik an der Firma auf rassistische Merkmale, und das halte ich nicht für erlaubt.

Gruß Clas
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Bastian am 24. Februar 2014, 11:41:59
Auweia, also ich kann da kaum den Zuckerberg erkennen. Die zeichnerisch betonten Attribute sind für ihn als Person ja völlig untypisch.
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Heiko am 25. Februar 2014, 18:38:08
Die Münchener und die Bayern-Ausgabe druckten wohl eine weniger problematische Version.
http://allophilia.blogsport.de/2014/02/23/sztuermer-und-krake-zuckerberg/

Interessant wäre nun, welche der beiden die ursprüngliche Zeichnung war.
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Bastian am 25. Februar 2014, 21:59:12
Dem Artikel nach ist das wohl schwer zu sagen.
Im größeren Zusammenhang kann man wohl bis zu Josef Planks Karikatur (um 1938) zurückgehen:
http://img.4plebs.org/boards/pol/image/1386/36/1386363924767.jpg (http://img.4plebs.org/boards/pol/image/1386/36/1386363924767.jpg)
Zumindest was Krake im Zusammenhang mit Juden angeht.
Dann gibt es natürlich das moderne Bild vom "Datenkraken", das ich nicht in dieser Tradition sehe. Aber das taugt auch nur bedingt zur Erklärung, wie es zu so etwas kommt...
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Clas am 26. Februar 2014, 07:08:21
Moin, moin,,

wenn man mal überlegt, dass die überregionale Ausgabe ja noch überregional ausgeliefert werden muss, sollte die wohl zuerst gedruckt werden. Von der Sorgfalt der Zeichnung her würde ich auch die anstößige für das Original halten und die zweite für eilig, aber zu spät entgiftet...

Also ein Fall, wo die Koordination Denken/Lektorieren/Drucken nicht gut lief, was die Veröffentlichung angeht. Immerhin haben sie den Druck angehalten.  Beim Zeichner scheint mir die Problemerkennung zumindest noch deutlich unterentwickelter, wenn nicht gar ein deutlich erkennbares Problem vorzuliegen...

Gruß Clas
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Bastian am 26. Februar 2014, 18:34:59
Scheint mir auch das Wahrscheinlichere zu sein.

Hm, Achtung Küchenforensik! Erkenne ich da ein nicht wegretuschiertes Haarfragment unter dem FB-Logo?
Wieauchimmer, da hat wohl die ganze Kette vom Zeichner bis zum Redakteur sich nicht mit Ruhm bekleckert. Mohr scheint es aufrichtig zu bedauern, und ich denke, wenn er das so sieht, dann hat er damit nicht Unrecht.
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Heiko am 26. Februar 2014, 20:16:53
Die Stellungnahme von Burkhard Mohr:
http://www.sueddeutsche.de/service/facebook-karikatur-stellungnahme-des-zeichners-1.1898382

ZitatAntisemitismus und Rassismus sind Ideologien, die mir völlig fremd sind. Umso mehr hat es mich erschüttert, dass eine meiner Karikaturen nun in diesem Licht erschienen ist. Wer meine Zeichnungen und mich kennt, weiß, dass es mir fernliegt, Menschen ob ihrer Nationalität, religiösen Einstellung oder Herkunft zu diffamieren. (...) Es tut mir sehr leid, dass es zu diesem Missverständnis gekommen ist und ich womöglich die Gefühle von Teilen der Leserschaft mit meiner Zeichnung verletzt habe.
Das glaube ich ihm. Dazwischen der ergiebigere Teil:
ZitatDass die Karikatur zur WhatsApp-Übernahme durch Facebook, bei der ich eine überspitzte Zeichnung Mark Zuckerbergs in Kombination mit der Krake aus dem Film 'Fluch der Karibik' dargestellt habe, wie eine antijüdische Hetz-Zeichnung aussieht, ist mir nicht aufgefallen. Gemeint war eine karikaturistische Überzeichnung der Firma Facebook jenseits spezifischer Personen, so wie ich es dies dann auch in einer überarbeiteten Karikatur dargestellt habe, die im allergrößten Teil der Auflage der SZ erschienen ist. Mir ging es nicht um Herrn Zuckerberg, sondern um Facebook.

Zunächst wäre jetzt die Reihenfolge geklärt. Als erste Idee sollten Marc Zuckerberg und eine Filmkrake kombiniert werden. Wenige Worte später widerspricht er sich zwar, weil dann doch keine spezifische Person gemeint sein sollte. Doch liegt genau dort wohl sein Reflexionsprozess, der ihm natürlich voll zugestanden sein muss, der wahrscheinlich aus Termindrücken seine Wirkung nicht rechtzeitig entfalten konnte.

Trotzdem: Wenn zuvor die Krake der "Davy Jones" aus der Filmreihe "Fluch der Karibik" sein sollte, bleibt festzustellen, dass diese Figur ja eigentlich nur äußerst wenig Nase besitzt, mal gerade so einen Ansatz, mehr nicht.
http://pirates.wikia.com/wiki/User:James_Norrington/Images_I%27ve_Uploaded?file=Davy_Jones.JPG
Selbst wenn die Augen übernommen und die Unterlippe allenfalls entlehnt wurde, es fehlt ein letzter Hinweis, dass es sich überhaupt um Davy Jones gehandelt haben könnte. Manch ein Kommentator zwar, der keine Assoziation zu Hakennasen haben mag, aber zielsicher in den Strichen oberhalb des Gesichts eine Piratenmütze erkannt haben möchte. -  Alles etwas diffus!
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Bastian am 26. Februar 2014, 22:57:05
Hm, immerhin haben beide subnasige Zotteln, was man von Kraken nicht sagen kann.
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Clas am 27. Februar 2014, 06:23:28
Moin, moin,

also, dieses Davy Jones entzieht sich meiner Deutung; es scheint aber, was immer es ist oder sein soll, gar keine Atemöffnung da zu haben, wo der Gesichtserker nicht ist... Immerhin wirkt es unfreundlich, ganz im Gegensatz zu Herrn Zuckerberg, der auf den meisten Fotos, die ich besah doch ein sehr robustes Lächeln im Gesicht trug, und um ein fast fröhliches Rüberkommen bemüht schien...

Leute, denen Rassismus und Antisemitismus so fremd sind, dass sie sie nicht einmal bei sich selber und in der eigenen Arbeit  bemerken und erkennen... Sachen gibt's... und gar nicht so selten.

Gruß Clas
Titel: Das mohr'sche Ventil
Beitrag von: Bastian am 28. Februar 2014, 21:08:14
Auf Burkhard Mohrs Seite gibt es ein Video, in dem er das Zeichnen als Ventil für in ihm drückende Giftwolken beschreibt:
http://www.burkhard-mohr.de/B._Mohr/Biographisches.html (http://www.burkhard-mohr.de/B._Mohr/Biographisches.html)

Das Video ist nicht aktuell und keine Reaktion auf die Kritik an seiner Zeichnung. Aber es widerspricht zumindest nicht der Vermutung, dass da schlecht Verdautes zur Gasbildung geführt hat, und das Resultat dann aus ihm herausgefahren ist.

Wenn einem sowas passiert, kann man natürlich gerne verwundert gucken. Aber raus ist raus, und es dürfte schwer fallen, Umstehenden etwas vorzumachen.
Titel: Die Wolke
Beitrag von: Heiko am 03. März 2014, 16:04:18
"Es rieselt durchs mo(h)rsche Gehirn
eines ignoranten Zeichners,
pieselt als Schweiß durch die Stirn,
und der Zeichner kriegt Durst
und leckt sich die Lippen,
dabei steigt ihm die Wolk bis zum Halse,
er niest und er ächzt und er schnaubt und er sprüht.

Und dann wird es auch dem Zeichner zu dumm.
Er macht eine Pause,
möcht gern nach Hause,
hält sich den Bauch, und dann lässt er das Gift
an der richtigen Stelle heraus.
Und jetzt ist diese Wolke nicht nur Makulatur,
sondern eine Karikatur."


Oder wie ging dieses Lied? Na, zumindest ist nicht zu furzen ja auch irgendwie ungesund. Dennoch sollte erst mal Probe geschnuppert werden, bevor so etwas der Öffentlichkeit angeboten wird. Tut man das nicht, sind missfällige Reaktionen auch nicht wirklich überraschend.

Schau ich mir weitere Zeichnungen von ihm an, sind sie relativ unauffällig. Habe nicht den Eindruck, dass er Wiederholungstäter wäre. Es handelt sich wohl tatsächlich um "absichtslosen" und "unschuldigen" Antisemitismus, wie Alan Posener in der Welt schrieb.
Oder nochmal Stefan Gärtner: "Es ist mithin völlig glaubhaft, daß dem Mohr keine Sekunde klar war, welchen Code er da ins Lesbare übertrug, und nicht daß er es tat, will im Nachgang als Skandalon erscheinen, sondern mit welcher Automatik, mit welcher Selbstverständlich- und Arglosigkeit."
Titel: Das wird man ja wohl noch zeichnen dürfen!!
Beitrag von: Heiko am 06. März 2014, 15:10:20
Zitat von: Burkhard Ihme am 24. Februar 2014, 05:42:25
Das ist eine Karikatur von Mark Zuckerberg (http://tctechcrunch2011.files.wordpress.com/2012/09/mark.jpeg). Darf man den nicht karikieren, weil das dann automatisch antisemitisch ist? Da sollten wir doch im Georg-Kreisler-Forum die Problematik sehen. Auch in jeder Kreisler-Abbildung ist der Jude deutlich zu erkennen.

Hallo Burkhard,
es geht wieder mal nicht um Verbote. Aber wer in die Öffentlichkeit geht, muss Kritik aushalten können, mag sie auch manchmal ungerechtfertigt oder übertrieben erscheinen.
Und ich finde schon, es macht einen ganz erheblichen Unterschied, ob ein am Klavier sitzender Kreisler jüdisch anmutet oder ob ein hakennasiger, kaum wiederzuerkennender Zuckerberg krakenhaft eine Weltherrschaft über Datenkontrolle zu erlangen versucht.
Es geht bei diesem Thema also erstens um Wiedererkennungswert und zweitens, noch bedeutender, um den Kontext.

Aber um die Diskussion vielleicht etwas aufzulockern:
Wer findet eigentlich meinen Avatar antisemitisch aufgeladen?   ::)

fragt und grüßt Heiko
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Burkhard Ihme am 06. März 2014, 15:30:07
Wenn jemand Kreisler zeichnen und mit den Inhalten seiner Lieder verbinden würde, gäbe es auch ein Aufheulen. Und natürlich war die Zuckerberg-Karikatur nicht freundlich gemeint, die Kreisler-Zeichnungen aber wohl alle.
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Heiko am 08. März 2014, 00:40:06
Zitat von: Burkhard Ihme am 06. März 2014, 15:30:07
Wenn jemand Kreisler zeichnen und mit den Inhalten seiner Lieder verbinden würde, gäbe es auch ein Aufheulen.

Könnte sein, käme auf einen Versuch an. An welche Inhalte denkst du dabei konkret?
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Burkhard Ihme am 09. März 2014, 16:11:58
Na zum Bleistift "Biddla Buh". Stell dir eine Zeichnung mit Kreisler bei der Ausübung der im Lied beschriebenen Greueltaten vor. Das wäre dann in den Augen der Zeigefingerheber nicht antisemitisch?
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Clas am 09. März 2014, 19:51:42
Moin, moin,

Greueltaten? Von Kreisler verübt? So habe ich das nie verstanden.

Ist das nicht ein Rollenlied und ein Hochnehmen des Schlagerhaft-Gemütsmenschmäßigen ins Makaber-künstlerische? Ein Offenlegen des Abgründigen und der bodenlosen Seelensümpfe insbesondere gerade genau des goldenen Wienerherzens, das eigentlich eine Sumpfpumpe ist und eben keinen Herzensgrund, sondern einen Pumpensumpf aufweist?

Also, in meinen Augen wäre eine solche Zeichnung Ausdruck eines äußerst gröblichen Missverständnisses, oder bösartig und natürlich von antisemitischer Wirkung. Das umso mehr, je weniger die Zeichnung das Individuelle zugunsten von Klischees verfehlte. Wenn sie das Individuelle träfe, wäre das auch daneben, das ganze Projekt halte ich für verkorkst...

Gruß Clas
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Heiko am 13. März 2014, 14:31:55
Sag ich mal so: Kreisler hätte durchaus Potential einen bestimmten Antisemitismus zu bedienen, obgleich ich das natürlich ebenfalls für verkorkst und grob mißverstanden halten würde. Er trifft als jüdischer Intellektueller allerdings nur einen hartgesottenen, typisch rechten Antisemitismus. Zuvorderst seine Kritik jedes Heimatgefühls (Wien, Gelsenkirchen, Schweiz, ...) macht ihn für diese zum feindlichen Nestbeschmutzer. Man könnte also einen brunnenvergiftenden Kreisler zeichnen, der "Wie schön wäre Wien ohne Wiener" trällert.
Für einen Antisemitismus aus der Mitte oder von links ist er wohl eher nicht zu gebrauchen, da man dort höflicherweise vor allem die israelischen und amerikanischen Juden meint. Deswegen vergiftet ja auch Netanjahu die Tauben (s.o.).
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Burkhard Ihme am 14. März 2014, 16:38:56
Das trifft es aber nicht. Die meisten Leute kennen Georg Kreisler gar nicht. Er würde in jeder Zeichnung, die ihn nicht als Musiker zeigt, als "der Jude" aufgefaßt und, je nach Aussage der Zeichnung, eine leicht vorherzusehende Reaktion provozieren. Ähnlich auch Reich-Ranitzki, etwa als Bücherfresser, was das Klischee des Kinderfressers heraufbeschwören würde. Wer Antisemitismus aufspüren will, entdeckt ihn in jedem Bild, in dem ein als solcher erkennbarer Jude abgebildet ist.
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Clas am 15. März 2014, 20:26:45
Moin, moin,

woran erkennst Du denn einen als solchen erkennbaren Juden?

Gruß Clas
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Burkhard Ihme am 15. März 2014, 22:12:44
Ganz rassistisch-korrekt an der Physiognomie (und es gibt vereinzelt noch ein paar andere Hinweise wie Schläfenlocken). Wobei die natürlich kein untrügliches Indiz ist. Man kann auch eine anti-semitische Karikatur mit Alfred Biolek machen. Stell dir eine Zeichnung mit Biolek vor, der ein Gericht lecker findet, bei dem nicht genau erkennbar ist, daß es sich dabei nicht um Kinder handelt (zum Beispiel das berühmte Affenhirn auf Eis aus "Indiana Jones und der Tempel des Todes") und veröffentliche diese in Israel.
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Heiko am 16. März 2014, 12:48:14
Welche Einstiegs- oder Fachliteratur würdest du jemandem empfehlen, der keine Ahnung von rassistisch-korrekter Einordnung der Physiognomie hat?
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Clas am 16. März 2014, 21:45:10
Moin, moin,

vom Aussehen Alfred Bioleks habe ich nur eine sehr verschwommene Vorstellung... Brillenträger?  Halbglatze? Sitzt an einem Tisch und plaudert? Irgendwie im Fernsehn?

Was der lecker findet, und wie er dann aussieht: Ich habe keine Ahnung.

Und auch das berühmte Affenhirn auf Eis entzieht sich mir zur Gänze. Ich tu da meist Sahne drauf. Indiana Jones? Da habe ich irgendwann mal so ein Druckerzeugnis, aber ohne Bilder, gelesen, und fand das weitgehend unverdaulich. Filme soll es da wohl auch geben.

Gruß Clas
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Clas am 17. März 2014, 08:50:53
Moin, moin,

wenn man rassistisch-korrekt die Physiognomie zugrunde legt, dann ist doch der Tatbestand des Rassismus erfüllt und der Vorwurf berechtigt? Was spricht dann dagegen, eine solche Karikatur antisemitisch zu nennen, wenn sie diese Klischees bedient und  ans Kinderfressen anknüpft, beispielsweise? Wo liegt da die Überempfindlichkeit?

Da nicht zu reagieren, schiene mir nun wieder viel zu robust, oder eben antisemitisch, rassistisch und damit nicht korrekt.

Gruß Clas
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Burkhard Ihme am 18. März 2014, 07:44:43
Zitat von: Clas am 17. März 2014, 08:50:53
Moin, moin,

wenn man rassistisch-korrekt die Physiognomie zugrunde legt, dann ist doch der Tatbestand des Rassismus erfüllt und der Vorwurf berechtigt?
Ich halte es eher für dämlich zu leugnen, daß es Merkmale gibt, an denen verschiedene Volksgruppen zu erkennen sind, weil sie eben häufiger vorkommen (blonde Schweden, rothaarige Iren etc.). Und wenn die Darstellung von Afrikanern mit dicken Lippen als rassistisch gilt (kürzlich las ich diesen Vorwurf in Bezug auf den maximalpigmentierten Piraten in Asterix), ist jede Zeichnung und jedes Foto eines Afrikaners mit dicken Lippen (http://i1.ytimg.com/vi/I6f0JsKLdYk/hqdefault.jpg) rassistisch. Und eben auch jede Zeichnung von Georg Kreisler wegen Nase, Lippen und Augenlidern. Da kann mann zwar versuchen, alle rassistischen Klischees zu vermeiden, nur ist dann Kreisler nicht mehr zu erkennen.
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Clas am 18. März 2014, 09:56:23
Moin, moin,

nein. Nicht jede Darstellung ist rassisitisch. Rassistisch wird es dann, wenn den sichtbaren Merkmalen irgendwelche negativ konnotierten sonstigen Eigenschaften beigelegt werden. Wenn nicht sichtbare Eigenschaften zugezeichnet werden. Wenn also ein Herr Zuckerberg mit Nase und Augenlidern aus dem Klischee versehen wird, die er selber überhaupt in dieser Form nicht hat, und dann das Gesicht einem Kraken eingezeichnet wird. Oder wenn der US-Präsident mit Schriftzug auf dem Bauch, damit man weiß, wer es sein soll und Nasenknochen und Baströckchen dargestellt würde. Den Asterixpiraten haben wir hier schon ausdiskutiert, meine ich. Beim Polizeihumor oder den Kalendern.

Gruß Clas
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Heiko am 18. März 2014, 20:53:48
Hallo Burkhard,
mag ja sein, doch meine Frage aus #57 blieb bisher unbeantwortet.
Woher bekomme ich als Unwissender nun unabhängige, günstigen Falles sogar wissenschaftlich anerkannte, Informationen über die Attribute der verschiedenen "Volksgruppen"?
Mich würde nämlich durchaus interessieren, zu welcher ich danach gehören würde.

Und auch diese Frage nochmal: Ist mein Avatar eigentlich antisemitisch, bloß weil er eine dicke Nase, sowie hängende Augenlider, Wangen und Unterlippe hat? Ich habe ein wenig das Gefühl, du missverstehst die Antisemitismus-Kritiker. Nicht alleine die Darstellung bestimmter persönlicher Merkmale wird kritisiert. Es geht um Codes und Kontext. Einen gut getroffenen Kreisler am Klavier findet doch wirklich niemand antisemitisch.


Gruß Heiko
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Bastian am 25. März 2014, 20:07:03
Ich kann nachvollziehen, dass es für einen Karikaturisten nicht immer möglich ist, alle möglichen Missverständnisse zeichnerisch auszuschließen. Einfach weil die Grenzen nicht scharf sind, denke ich. Einen Mobutu, beispielsweise, würde man durchaus als Schlächter karikieren dürfen, mit dunkler Hautfarbe, dicker Lippe und seiner seltsamen Leopardenfellmütze. Wüsste man nicht, wer Mobutu gewesen ist, könnte man eine solche Darstellung durchaus als rassistisch auffassen.
Dann wäre da die Frage, ob ein legitimierender Kontext etwaigen Rassismus aufhebt. Ich würde sagen "selbstverständlich nicht", das setzt aber voraus, dass ich um die Motivation des Karikaturisten bestens Bescheid wüsste.

Nachtrag: Ich habe mal einen "gut getroffenen Kreisler am Klavier" zu den Smileys hochgeladen. Er sollte im Beitrag erscheinen, wenn man dreimal hintereinander einen Doppelpunkt ups, das konfligiert, ich korrigiere: dreimal hintereinander ein Semikolon eingibt.  :)
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Heiko am 26. März 2014, 00:27:14
;;;

In der Tat, die Ähnlichkeit ist verblüffend.
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Burkhard Ihme am 26. März 2014, 01:14:21
Zitat von: Bastian am 25. März 2014, 20:07:03Dann wäre da die Frage, ob ein legitimierender Kontext etwaigen Rassismus aufhebt. Ich würde sagen "selbstverständlich nicht"
Das heißt im Umkehrschluß: Alles ist rassistisch, sofern jemand in Unkenntnis des Kontextes das herauslesen kann.

Da stehn ich dann doch auf der Seite des jungen Bernhard Lassahn:

Ich hatte immer große Angst davor, es ginge einmal los
und sie stehn in meinem Zimmer mit Gewehren,
und dann hätt' ich keine Zeit mehr, meine vielen Wenn und Abers,
die mir wichtig sind, in Ruhe zu erklären.
Und dann muß ich mich ganz klar zwischen Nein und Ja entscheiden,
nicht von beiden die Häftle oder keins von beiden ...

(Ich hab das alles mitgemacht)


Die Gewehre sind Requisiten der 70er Jahre. Heute dient dazu die Moral(Rassismus)-Keule.
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Clas am 26. März 2014, 01:35:59
Moin, moin,

mir ist gar nicht so richtig deutlich, wer denn zeichnende Rassisten keult? Oder mit Gewalt bedroht? Eigentlich geht es doch darum, dass eine rassistische Zeichnung rassistisch genannt werden darf und sollte. Auch und gerade, wenn der Rassismus unvermerkt  und dem Zeichner nicht bewusst ihm so von der Feder läuft. Nur weil es eine Zeichnung ist, die irgendwie kritisch karikierend gemeint ist, kann man die doch kritisch rezipieren und das an Rassismen festmachen...?

Gruß Clas
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Bastian am 26. März 2014, 17:04:06
Zitat von: Burkhard Ihme am 26. März 2014, 01:14:21Zitat von: Bastian am Gestern um 20:07:03

    Dann wäre da die Frage, ob ein legitimierender Kontext etwaigen Rassismus aufhebt. Ich würde sagen "selbstverständlich nicht"

Das heißt im Umkehrschluß: Alles ist rassistisch, sofern jemand in Umkenntnis des Kontextes das herauslesen kann.

So meinte ich das nicht, vielleicht habe ich mich unklar ausgedrückt. Zumal es für mich tatsächlich eine Frage ist.
Ich meine gerade, dass man von einer Karikatur nur sehr bedingt auf die zugrundeliegende Motivation des Zeichners schließen kann. Wir können uns ja nur über die Wirkung unterhalten, und schon da scheiden sich die Geister. Ich nehme nochmal Mobutu, erkennbar als Afrikaner dargestellt und als blutrünstig karikiert. Und nehmen wir an, ein Siebzehnjähriger, der sich nicht an Mobutu erinnert, sieht darin den "typischen Wilden", dargestellt als eine Art Monster... : Ein rassistisches Klischee. Dann würde ich denken, dass er ein aufmerksamer und sensibilisierter junger Mann ist. Wäre ich dabei, würde ich ihm allerdings erklären, um wen es sich da handelt. Und möglicherweise sieht er die Karikatur dann anders.

Denkbar ist aber auch, und das meinte ich mit der obigen Frage, dass ein, sagen wir NPDler sich darauf versteift hat, ausnahmslos Karikaturen von Afrikanern zu zeichnen. Und angenommen, er hätte die oben erdachte Mobutu-Karikatur gezeichnet, und ich wüsste nichts über den Autor, würde ich den zugrundeliegenden Rassismus, oder den Rassismus, den er fördern will, eventuell gar nicht erkennen, weil er sich hinter der berechtigten Kritik und Überzeichnung versteckt hält.
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Bastian am 26. März 2014, 17:27:39
Nebenbei: Hatte bis jetzt noch gar nicht geschaut, was es so an Mobutu-Karikaturen gibt.

Hier, der zweite Treffer in der Google-Bildersuche:
http://2.bp.blogspot.com/_B5U9id4QmuU/TUcwzHfGPNI/AAAAAAAAAFc/aS5jdEd6Qnc/s1600/voc160.jpg (http://2.bp.blogspot.com/_B5U9id4QmuU/TUcwzHfGPNI/AAAAAAAAAFc/aS5jdEd6Qnc/s1600/voc160.jpg)
"Nouvelles gens", von Fritz Behrendt, 1960

a) Meine ad-hoc-Interpretation: Vom Regen in die Traufe. Erst wurden die Kongolesen von den Kolonialherren unterdrückt, dann kam die Diktatur. Für mich nicht rassistisch, da die Karikatur aus meiner Sicht die Unterdrückung kritisiert.

b) Man könnte aber auch denken: "Erst vergöttern sie den weißen Mann, dann den Schwarzen. Sie lernen es wohl nie.".
Letzteres wäre eine rassistische Interpretation.

Liegt es an der Karikatur, dass beides möglich ist?
Kann ich dem Karikaturisten vorwerfen, dass er b nicht ausgeschlossen hat?
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Heiko am 26. März 2014, 23:49:23
Oje, Burkhard, Kritik soll jetzt also physische Gewalt sein, eine Art paramilitärischer Überfall von Tugendterroristen? Ne noch billigere Keule war wohl gerade nicht im Angebot. Lassahns Angst kann ich verstehen, teile sie auch ein wenig, aber für diesen Kontext stimmt sie doch vorne und hinten nicht.
Lassahn, Mohr und alle anderen Verfolgten hätten jede Zeit und alle Möglichkeiten ihre Wenns und Abers zu erläutern. Bloß einerseits erstmal rausposaunen wollen, was da so in den Sinn kommt, selbst wenn Andere sich dadurch gekränkt fühlen, auf der anderen Seite durch deren Kritik dann selber gekränkt sein, und sich daraufhin als Opfer zu stilisieren - Dieses Syndrom hatten wir auch schon bei anderen Persönlichkeiten diskutiert.
Da fehlt nach meinem Empfinden ein nötiges Maß an Ambiguitätstoleranz und Verständigungswillen.

Im Übrigen ist es meinethalben völlig ok, dass du behauptest, es gäbe signifikante äußerliche Unterschiede von Menschen mit territorialen Schwerpunkten, auch wenn ich daraus nicht unbedingt völkische Gruppenisolationen ableiten wollte. Also bis hierhin ist nix mit Rassismuskeule. Es ist bloß so, dass du wohl selber nur wiedergekäute (vielleicht durch Cartoons geprägte?) Klischees als Grundlage dafür hernimmst, denn eine Antwort zur fundierten Literatur hierüber bleibst du nach wie vor schuldig.

Und: Das mit den jüdischen Äußerlichkeiten bleibt ein Sonderfall. Denn deren angeblich hervorstechenden Merkmale sind überwiegend feindlich geprägte Fremdzuschreibungen. Der Anteil großnasiger Juden ist eben nicht der gleiche, wie der von dunkelhäutigen Afrikanern oder schmaläugigen Asiaten. Ich kenne vor allem Juden, die nicht irgendeinem dieser Klischees entsprechen. Und auch bei Kreisler habe ich es nie gesehen, sondern erst irgendwann nach Monaten mal langsam gehört. Es handelt sich hier - wenn überhaupt - um kulturelle Unterschiede, nicht um natürliche.
Titel: Hanitzsch krakt
Beitrag von: Heiko am 14. März 2016, 13:53:29
https://lizaswelt.net/2016/03/03/der-stuermer-laesst-gruessen/
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Burkhard Ihme am 15. März 2016, 05:20:08
Und, teilst du diese Meinung? Ist Antisemitismus so etwas einzigartig Schreckliches, daß die Argumentation alles Dagegensprechende mit Verweisen auf die Nazis wegbügeln kann? Ist demnach alles, was die Nazis auch mal gemacht oder gefeiert haben, verwerflich? Muttertag oder 1. Mai z.B.
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Clas am 15. März 2016, 12:26:00
Moin Burkhard,

Autobahnen...! Du hast Autobahnen vergessen! Und den Schäferhund.

Ernsthaft: Es geht nicht darum, was Nazis vielleicht auch gemacht haben, sondern hier darum, was sie in bösartiger anitisemistischer Absicht gemacht haben. Und dass damit bestimmte Darstellungsweisen einfach so besetzt sind, dass man dieses wunderbare Bild der Krake einfach nicht mehr unbefangen in einen anderen (anderen? isser so anders? Ostküste...?!) Kontext portieren kann und sich dann verfolgt verwundern, mit Jakob Augsteinischem Augenaufschlag, wenn jemand den Antisemitismus erkennt und kritisiert.

Gruß Clas
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Heiko am 15. März 2016, 20:35:21
Hallo Burkhard,
für mich ist die Zeichnung gar nicht wirklich antisemitisch, darum habe ich den Begriff auch aus der Überschrift entfernt. Vielmehr bin ich verwundert über diese instinktlose Verwendung der Krakenmetapher bzw. die Nonchalance mit der sie verteidigt wird, gerade so als hätte es in den letzten Jahren keinerlei Debatten über Krakikaturen gegeben.

Inhaltlich könnte man sicherlich noch über den plumpen Antiamerikanismus streiten. Kritik an TTIP gerne, aber sind es tatsächlich nur US-Konzerne, die kraken, oder wäre es nicht vielleicht ebenso wichtig, die deutschen Dominanzbestrebungen zu thematisieren.
Und natürlich kann man nicht alles ablehnen, was die Nazis gemacht haben, zum Beispiel Atmen.
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Burkhard Ihme am 15. März 2016, 20:57:34
Zitat von: Clas am 15. März 2016, 12:26:00Ernsthaft: Es geht nicht darum, was Nazis vielleicht auch gemacht haben, sondern hier darum, was sie in bösartiger anitisemistischer Absicht gemacht haben. Und dass damit bestimmte Darstellungsweisen einfach so besetzt sind, dass man dieses wunderbare Bild der Krake einfach nicht mehr unbefangen in einen anderen (anderen? isser so anders? Ostküste...?!) Kontext portieren kann und sich dann verfolgt verwundern, mit Jakob Augsteinischem Augenaufschlag, wenn jemand den Antisemitismus erkennt und kritisiert.
Man kann die Verwendung des Krakenmotivs meinetwegen geschmacklos nennen, sie antisemetisch zu bezeichnen hieße, sich die Zuweisung von weltergreifenden Kraken und Juden zu eigen zu machen.
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Clas am 17. März 2016, 09:19:20
Nö. Zu eigen machen tut man sich das nicht, wenn man darauf hinweist, dass dieses Motiv eben genau diese Vorbelastung hat, und daher nicht geht. Es ist nicht nur missverständlich, es greift genau auf das zurück, was seinerzeit zeichnend verbrochen wurde. Das tut es nicht, um das, was an der TTIP - und Kapitalisten-Kritik strukturell antisemitisch sei, bloßzustellen, sondern bestätigt diesen strukturellen Antisemitismus hier leider auf's Schönste. Ich mag dieses Konstrukt überhaupt nicht, aber hier scheint es mir evident.

Man könnte schließlich auch nicht beim HWL Juden gegen Kap'talisten oder Geldsack austauschen und ihr spritzendes Blut wäre dann lediglich als geschmacklos empfindbar, das Lied aber berechtigte Kapitalismuskritik und Befreiungsermuterung, hätte aber keinerlei antisemitische Anklänge mehr.
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Heiko am 17. März 2016, 13:44:26
Moin Clas,
steht HWL für "Horst-Wessel-Lied"? Meines Wissens werden Juden darin gar nicht erwähnt, sondern bloß "Rotfront und Reaktion erschossen".

Gruß Heiko
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Clas am 17. März 2016, 18:36:41
Moin Heiko,

meinte es. War da nicht was mit vom Messer spritzendem Judenblut? Dass es in dem Falle noch mal so gut ginge? Oder ist das ein anderes Stück deutschen Liedgutes? Ich bin in dem Genre nicht so rasend textsicher...

Gruß Clas
Titel: Antisemitische Karikatur?
Beitrag von: Heiko am 20. März 2016, 01:29:24
Eine hab ich noch!  ::)

Aus der Neuen Presse Coburg vom 06. Juni 2015:

Olli Bär: Neue Besen kehren gut (http://jungle-world.com/jungleblog/3295/)
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Burkhard Ihme am 20. März 2016, 08:23:21


Zitat von: Clas am 17. März 2016, 09:19:20
Das tut es nicht, um das, was an der TTIP - und Kapitalisten-Kritik strukturell antisemitisch sei, bloßzustellen, sondern bestätigt diesen strukturellen Antisemitismus hier leider auf's Schönste.
Äh wie? TTIP- und Kapitalistenkritik ist strukturell antisemitisch?

Zitat von: Clas am 17. März 2016, 18:36:41
Moin Heiko,

meinte es. War da nicht was mit vom Messer spritzendem Judenblut? Dass es in dem Falle noch mal so gut ginge? Oder ist das ein anderes Stück deutschen Liedgutes? Ich bin in dem Genre nicht so rasend textsicher...

Gruß Clas

Ja, da liegst du falsch. Das "Judenblut" kommt in "Ihr Sturmsoldaten jung und alt" vor, entweder in einer weiteren Umdichtung des Liedes oder man findet auf YouTube nur entschärfte Fassungen (https://www.youtube.com/watch?v=xvh8z-zkMh0), in denen die entsprechende Strophe fehlt.

Den Nazi-Text kann man hier nachlesen:
http://www.kollektives-gedaechtnis.de/texte/vor45/lieder.html (http://www.kollektives-gedaechtnis.de/texte/vor45/lieder.html)

Das Lied ist in der ursprünglichen Fassung ein wenig älter.

ZitatEinen ähnlichen Fall stellt das Lied vom ,,Sturmsoldaten" dar. Das Lied ist seit 1881 nachgewiesen und trug ursprünglich den Titel ,,Ihr Landwehrmänner jung und alt".28 Es wurde im Ersten Weltkrieg gesungen und ist schließlich ein Lied der Freikorps und der SA geworden.29
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Clas am 20. März 2016, 17:20:57
Moin Burkhard,

nein, solange sie gezeichnete Kraken und überhaupt antisemitische Klischees meidet, ist sie das nicht. Nach meiner Auffassung.

Es könnte aber jemand meinen, sie sei es, wenn sie diese Klischees eben nicht meidet, und dann ein solches Klischee als kritisches Zitat einsetzen, um hier Kritik zu üben, in welchem Falle die Kritik an der Kritik anders zu denken und zu formulieren wäre, als ohne diese Brechung...

Und ja, es werden Dir Leute begegnen, die strukturellen Antisemitismus genau so weitherzig auffassen, dass jegliche Kritik an Kapitalisten darunter fällt.

Gruß Clas
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Burkhard Ihme am 21. März 2016, 08:39:59
Weil alle Kapitalisten Juden sind (oder alle Juden Kapitalisten)? Da schießt sich jede Begründung doch selber ins Knie.

Zitat von: Heiko am 17. März 2016, 13:44:26
Moin Clas,
steht HWL für "Horst-Wessel-Lied"? Meines Wissens werden Juden darin gar nicht erwähnt, sondern bloß "Rotfront und Reaktion erschossen".
Auch das nicht. "Rotfront und Reaktion" werden nicht erschossen, sondern haben selber geschossen und zwar auf die "Kameraden", die nun im Geist in den Reihen mitmarschieren.

Man muß das Horst-Wessel-Lied aus begründetem Ekel nicht wortwörtlich kennen, aber die Parodie von Bert Brecht könnte ja bekannt sein ("Kälbermarsch (http://www.lyrikline.org/de/gedichte/der-kaelbermarsch#.Vu-m2bQ1Ztw)"). Die wirft allerdings auch Fragen auf (was sind die Reihen des Kalbes?). Insofern interessant, als Brecht für Kollegen ein unerbittlicher Kritiker war. Ich hab vor dreißig Jahren mal einen Text gelesen, in dem er ein wohlgemeintes politisches Gedicht nach allen Regeln der Kunst zerpflückt.
Titel: Re: Antisemitische Karikaturen
Beitrag von: Burkhard Ihme am 27. Juni 2017, 22:57:39
Hat jemand die Dokumentation "Auserwählt und ausgegrenzt – Der Hass auf Juden in Europa (http://www.ardmediathek.de/tv/Reportage-Dokumentation/Auserw%C3%A4hlt-und-ausgegrenzt-Der-Hass-au/Das-Erste/Video?bcastId=799280&documentId=43708284)" gesehen?

Die Fehlerliste auf http://www1.wdr.de/unternehmen/der-wdr/unternehmen/doku-faktencheck/doku-video-100.html (http://www1.wdr.de/unternehmen/der-wdr/unternehmen/doku-faktencheck/index.html) ist lang, wird aber von Unterstützern der Dokumentation wiederum angefochten.

Festzuhalten ist auf jeden Fall: Obwohl es im Auftrag zur Dokumentation nicht um Palästina ging, sondern um Norwegen um Ungarn, beschäftigt sich der Film in der ersten Hälfte fast nur damit, wie es im Gazastreifen aussieht und wie viele NGOs dort aktiv sind und wieviel Millionen dorthin wandern (und zitiert dabei falsche Zahlen – nebbich). Offenbar ist es nach Ansicht der Autoren ein Zeichen von Antisemitismus, wenn man Palästinenser unterstützt. Oder der Film verfehlt sein Thema.