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Globalisierung

Begonnen von Dagmar, 19. Juni 2005, 23:42:19

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Dagmar

Zugegeben: Ist nicht so ganz neu der Titel für diesen thread - aber mich treibt dieses Wochenende so einiges um und beschäftigt mich sehr stark. Das hat massgeblich mit den Gesprächen gestern auf dieser superlangweiligen Party zu tun und fand heute den ganzen Tag über seine Fortsetzung in Diskussionen mit meinem Mann und mit anderen Freunden:

Mein Eindruck ist, dass der Durchschnittsmensch in unserer Gesellschaft überhaupt nicht blickt, was zur Zeit so weltweit wirtschaftlich gerade los ist. Ich meine das in keiner Weise abwertend, aber mir fällt auf, dass die breite Masse in nationalen und sehr vergangenheitsbezogenen Kategorien denkt: So als ob Deutschland irgendwie in die Krise geraten ist, genaues weiß man nicht, irgendwie machen "die da oben" die falsche Politik. Man muss einen finden, der bessere Politik macht, dann wird schon alles wieder. Wird schon wieder, alles wird so wie es einmal war: Beständiges Wirtschaftswachstum und allen geht es wie früher langsam immer besser. Nur die Richtigen müssen her.

Mir fällt auf und mich erschreckt, dass die globalen wirtschaftlichen, massiven und unumkehrbaren Veränderungen anscheinend nur wenigen wirklich glasklar sind: In der Textilindustrie ist Indien führend. Sie beliefern die halbe Welt und haben soviel Produktionsdruck, dass sie kaum hinterher kommen. Die Arbeiterinnen in den Textilfabriken in Indien sind allerdings im Durchschnítt (sic!!) 16 Jahre alt und bekommen 10 Cent die Stunde. Ich war total schockiert: Es sind wirklich 10 europäische Cent pro Stunde. Da stürzen dann halt reihenweise die Fabriken zusammen - was man auf Seite 29 in unseren Zeitungen liest. 300 Tote - na und? Interessiert keinen weltweit wirklich.

Mich beschäftigt sehr die Schere zwischen solchen Tatsachen und der Erkenntnis für ein sagen wir Textilunternehmen wettbewerbsfähig zu bleiben. Machen sie da nicht mit, gehen sie konkurs und 3000 Leute sitzen auf der Strasse und leben demnächst von ALGII.

Heute abend hatte ich ein langes Gespräxh mit einer Freundin, die seit ich weiss nicht wievielen Jahren beim  Süßwarenkonzern Hachée arbeitet. Sie sollen jetzt da, obwohl das Unternehmen Gewinne ohne Ende schreibt, 46 Std. die Woche arbeiten und Kürzungen bei allen möglichen Leistungen hinnehmen. Ich hatte Verständnis für den Frust meiner Freundin, aber mir fällt eben auch auf, dass bei den Leuten generell in unserem Land wenig Informationen für globale Zusammenhänge  bekannt sind.

Das ist das, was mich eigentlich beschäftigt: Ich habe den Eindruck, sehr viele Menschen, mit denen ich zu tun habe, blicken überhaupt nicht, wie sehr und wie gravierend und wie radikal sich nationale und wirtschaftliche Bezüge gewandelt haben. Welche enormen Herausforderungen und welcher Druck nach ganz neuen globalen Lösungen dadurch entsteht. Sie dümpeln so vor sich hin, beklagen den Verlust dieser oder jener Leistung, die sie bislang von ihrem Arbeitgeber erhalten haben, aber checken überhaupt nicht, was für ein Orkan da gerade so wirtschaftstechnisch betrachtet international über die Welt tobt. Das macht sie wehr- und letztlich auch hilflos. Nur wenn ich begreife, was abgeht, kann ich reagieren, mich organisieren, mich solidarisieren, was auch immer.

Ich habe sehr stark das Gefühl, viele begreifen überhaupt nicht, was da so in der Wirtschaftswelt gerade für eine radikale Veränderung passiert. Ich weiß nicht genau, warum das so ist. Wenn man Zeitungen und Magazine liest, steht das da alles. Ich mag nicht daran glauben, dass die Masse garnix liest und hört und sieht. Meine Erfahrung - gestern abend, heute abend - im Gespräch mit anderen belehrt mich allerdings eines Besseren: Es scheint so, als ob die Wenigsten wissen, was da so wirtschaftlich passiert und welche massiven Konsequenzen das zwangsläufig hat.
Je fester dir einer die Wahrheit verspricht, in Programmen und Predigten, glaube ihm nicht. Und geh' zu den Gauklern, den Clowns und den Narr'n: Dort wirst du zwar nix, doch das in Wahrheit erfahr'n.

kampmann

#1
Huch, meine Liebe, da reisst Du natuerlich ein hochkomplexes Thema an. Eigentlich muesste man Volkswirtschaft dazu koennen, um das beantworten zu koennen. Wobei ich denke, wir muessen uns hueten, Vorurteile zu bedienen, das nur als allgemeine Warnung fuer die Beantwortungen innerhalb dieses Threads.

Ich finde es gut, wenn sensible Menschen auf die 10-Cent/Stunde Problematik sich ihre Gedanken machen. Auf der anderen Seite stehen die nicht immer habgierigen Unternehmer (es gibt viele schwarze Schafe, aber nicht alle) - Eben wurde bei S.Christiansen in der ARD dieses Thema der Arbeitslosigkeit ebenfalls angesprochen, leider wie so oft, wurde die Diskussion leicht chaotisch (ich weiss nicht, die S.C. schafft es immer wieder, die Leute zu polarisieren, was ich nicht so gut finde in dem Moment, wo dann die Gespraeche chaotisch werden ...)

Eine richtige Antwort weiss ich auch nicht. Ein Unternehmer produziert natuerlich im Ausland in der Regel billiger, wenn es um Dinge geht, die wenig mit unserem kulturellen - und auch gesetzlichen - Hintergrund zu tun haben.

Ich kann ein wenig dazu beitragen, wenn es um Outsourcing (neuerdings sagt man "Offshoring - meint aber fast dasselbe) von Software-Dienstleistungen geht. Es ist sicher - einfach gesprochen - einfach, ein Office-Paket irgendwo in Indien oder sogar in Russland herstellen zu lassen. Die Leute sind einfach gut, sie sind allerdings auch billig und es gibt viele davon. Ich werde regelmaessig (als Kleinunternehmer im Softwarebereich) angesprochen, ob ich nicht irgendwelche Projekte vermitteln koennte ...

Es ist schon schwieriger, wenn nicht gar unmoeglich, ein speziell auf deutsche Verhaeltnisse zugeschnittenes System fuer z.B. Lohnabrechnung oder vielleicht sogar die Bundesanstalt fuer Arbeit im fernen Ausland zu erstellen. Das geht nicht. Insofern sind dem ganzen auch Grenzen gesetzt. Autos werden ueberall hergestellt. VW produziert in USA, Mexico und Brasilien oder sonstwo noch. GM produziert in Ruesselsheim den Opel und Ford in Koeln. Das sind uralte Dinge. Toyota wollte im Saarland produzieren, wurde aber von der deutschen Regierung ziemlich popelig behandelt (es kam nur der Buergermeister zu den Verhandlungen, kein MP oder Bundeskanzler), darauf gingen sie ins benachbarte Frankreich nach Valenciennes und wurden mit allen staatlichen Ehrungen - einschliesslich Staatspraesident - empfangen.  Tja und schon waren deutsche Arbeitsplaetze futsch.  Sicher auch Dinge, die man betrachten muss.

Aber insgesamt denke ich, dieser Thread ist es wert, fortgefuehrt zu werden.

Bedenken sollte man dabei auch die Rolle von Internet-Technologie und die Boersendinge - ich will nicht unbedingt sagen: die Spekulanten ...

Und: der Titel ist "goldrichtig" ... Vielleicht findet sich ja ein volkswirtschaftlich begabter Mensch, der uns (mir) ein wenig Nachhilfe darin gibt!!

Eben entdecke ich:

http://www.jobpilot.de/content/journal/beruf/familie22-05.html

interessante Ueberlegungen ...

Oder:
Zitat
ARBEITSLOS: UND WAS MACHST DU SO?
Auswaerts essen wird ploetzlich zu teuer und Party-Smalltalk
unertraeglich. Wer seinen Job verliert, fuehlt sich schnell als
Aussenseiter. Experten warnen jedoch: Bloss nicht zurueck ziehen.
http://www.jobpilot.de/content/journal/thema/arbeitslos22-05.html

Und:
INTERNATIONAL: BEWERBEN IN CHINA
Bewerber aus der gewerblich-technischen Richtung koennen sich in
China ueber gute Jobaussichten freuen. Vor allem bei deutschen
Mittelstaendlern bestehen Aussichten fuer Fach- und Fuehrungskraefte.
http://www.jobpilot.de/content/journal/international/bewerben/china/einstieg.html


Ein Außenseiter, der sehr neugierig ist!

Bassmeister

Ist es ein psychologischer Trick oder einfach die Menge der zu bewältigenden Informationen - Ich blick auch nicht mehr durch. Man hat einfach so viel zu tun mit so ganz "alltäglichen" Sachen und kommt nicht so richtig hinterher, wenn man dann nicht noch eine Menge zusätzlicher Energie (z.B. in Form von Zeit) aufbringt, dann rauschen die Geschehnisse an einem vorüber.
Ich habe noch etwa fünf Bücher, die ich unbedingt mal lesen will. Ich komme einfach nicht dazu. An einer Tageszeitung kann ich ne ganze Woche zubringen - bis dahin ist sie längst veraltet. Ich glaube es geht vielen so.
Auch ich habe das Gefühl, mein Denken bewegt sich auf einem Stand von etwa 1985.
[size=9]Nicht alles, was zwei Backen hat, ist ein Gesicht...[/size]

Sandra

#3
Dagmar, Du sprichst mir aus der Seele.
Aber zu dem von Bassmeister treffend so genannten "Denken aus dem Jahr 1985" kommt noch etwas hinzu: Der intellektuelle Diskurs stagniert im Stadium der Postmoderne. Jetzt kann man sagen: Was hat der intellektuelle Diskurs mit den realen Gegebenheiten zu tun?
Aber ich glaube schon, dass der Diskurs immer auch quasi in die reale Welt "rutscht". Für die meisten unmerklich - aber ich denke doch, da wird das Denken vorangetrieben.
Und eben: seit den 80ern ist es irgendwie "en vogue" die Probleme zwar zu begreifen und zu beklagen und anzusprechen - aber keine Lösungsmöglichkeiten vorzuschagen.
Das gibt ein allgemeines Gefühl von: die Spirale dreht sich immer schneller, und wir können nur zusehen - und vielleicht hie und da ein paar Löcher veruschen zu stopfen.
Daher auch dieser unausgesprochene Glaube: eine andere Regierung macht's vielleicht besser.
Aber die machen es nicht besser, denn die haben vor, einfach nur "mehr von demselben" zu machen - und wir können nicht mit Antworten aus den 80ern auf Fragen aus dem 21 Jahrhundert reagieren. Wir brauchen einfach NEUE Antworten.
Und die sind irgendwie nirgends in Sicht.

Meine persönliche Antwort ist: Wir müssen den Klein- und Mittelbetrieben spezielle Gesetze verpassen - und nicht alle Betriebe, egal ob Multinationaler Konzern oder Fleischhauerei nebenan, unter die gleichen Arbeitsrechtbedingungen setzen.
Wird hart für den Arbeiter, ist aber nicht so schlimm, wie wenn wir irgendwann auf die Bedingungen, die jetzt in Indien und Asien herrschen reagieren müssen.
(Und dafür ist die Arbeitsqualität eine andere, wenn ich im Laden nebenan arbeite, oder am Fliessband.)

Denn ich bin überzeugt: Europa hat den Kampf um die wirtschaftliche Weltmacht eigentlich schon verloren - jedenfalls aber ist das Einzige, was zwischen uns und einem Dasein als zukünftige dritte Welt steht, das erstarken der KLEINEN Betriebe, die nur für das engere Umfeld produzieren.

Export ja, wo es Sinn macht, Import weniger - dafür den Einzelhandel stärken wo es geht.
Small is beautiful.
Die Regionen müssen wieder dazu zurückkehren, sich selbst zu erhalten, wo es geht. Dann sind sie wieder interessant sowohl für Tourismus als auch für Exportware - für Eliten, die eben NICHT überall von Nestlé ernährt werden wollen.

(bestes Beispiel ist das Erstarken eines biologischen Marktes)

Denn sowohl wissenschaftlich als auch wirtschaftlich haben wir Asien nichts entgegen zu setzen. Aber einen Fleischer, einen Bäcker, einen Gemüsehändler wird man immer brauchen - und die werden nur überleben, wenn wir den Supermärkten das Leben schwerer machen, als den Kleinhändlern.
So zirkuliert das Geld mehr im eigenen Land, anstatt abzuwandern - nur das grosse Kapital wandert ab - wird aber weiterhin bestimmte, spezielle Produkte für Eliten (siehe zB Camembert aus Frankreich, Kaviar aus Russland) einkaufen.

Es gibt genügend "hauseigene" Industrie, die Deutschland (Europa) erhält, und es gibt genügend Bauern. Klar, man wird weiter importieren müssen - aber man muss verschiedene Dinge nicht mehr so hoch subventionieren, nur damit sie EXPORTIERT werden können. Und man muss den transnationalen Konzernen nicht mehr das Geld vorne und hinten reinschieben, nur damit sie bleiben. Man muss nur Strukturen aufbauen, die die Klein- und Mittelbetriebe wieder innerhalb des Landes konkurrenzfähig machen. Und DAS wird versäumt.

Ich meine nicht, dass man es UNMÖGLICH machen sollte, dass grosse Konzerne hier weiterhin arbeiten. Aber im Moment macht man es im Gegenteil unmöglich, einen Betrieb mit zwei Angestellten zu führen - und DAS wird uns bald das Genick brechen.

Es ist nun mal leider unmöglich, zwei Angestellte zu haben, wenn die Lohnkosten so hoch sind. Aber sie deswegen für ALLE zu senken, halte ich auch für unmöglich auf Dauer. Auch, wenn das dem Gleichheitsgrundsatz widerspricht - ich meine, man muss auf die jeweiligen Gegebenheiten mehr eingehen.

Wie man das jetzt im Konkreten macht - da bin ich überfragt. Aber ich habe den Eindruck, in diese Richtung wird nicht mal angedacht. Stattdessen versucht man, Asien und Indien Konkurrenz zu machen - und das ist unmöglich.

Ich glaube, das Land muss sich gesundschrumpfen, anstatt dem Wettbewerb der Grossen hinterher zu hecheln.

Und natürlich ist auch das nur mit tiefgreifenden Umstellungen zu bewerkstelligen, auch mit Änderungen der persönlichen Gewohnheiten - eben nicht Cola zu kaufen, weil es einfach zu teuer wird - stattdessen Apfelsaft vom regionalen Händler. Nur zum Beispiel.
Es wird also weniger Angebot geben müssen, über kurz oder lang. Ein spezielleres Angebot je nach Region, in der nahrungsmittelidustrie, und auch die anderen Industrien werden nachziehen.
Es ist für mich nicht einsehbar, dass ein Auto aus Japan soviel billiger sein muss - hierzulande - als eines aus Deutschland: Das geht nur, weil die auch hinten und vorne alle Möglichkeiten haben, ihre Autos hier in's Land zu kriegen, ohne dass es viel kostet. - Das sind ja nicht allein die Produktionskosten! Es sind keine Strafzölle - aus Angst vor den Konzernen, und aus Angst davor, dass wir keine Tamagotschis mehr billig kriegen. (überspitzt gesagt) Es ist das Herbringen des Waren billig. Dafür kriegen die von Volkswagen oder Mercedes Subventionen, damit sie ihre Autos auch dort relaitv günstig anbringen.

Ich denke, man wird wohl oder übel Isolationistischer werden. Und um das hinzukriegen, ist eine Diskussion angesagt - auch eben ein intellektueller Diskurs. Und der findet nicht statt.
Statt isolationistisch, nennt das jeder: nationalistisch.
Aber in einer wirtschaftlichen Situation wie der unseren: ist es das?
Kommt das nicht eher darauf an, wie man den anderen bewertet, als darauf, was man konsumiert?

kampmann

@Sandra

ZitatMeine persönliche Antwort ist: Wir müssen den Klein- und Mittelbetrieben spezielle Gesetze verpassen - und nicht alle Betriebe, egal ob Multinationaler Konzern oder Fleischhauerei nebenan, unter die gleichen Arbeitsrechtbedingungen setzen.

Nur zur Information: der Kuedigungsschutz ist erst besonders hart fuer Betriebe ab 10 (oder 20 - ich weiss es nicht genau) Mitarbeiter. Unter diese Kategorie fallen ja alle die Kleinbetriebe, u.a. auch einige Zuliefererbetriebe fuer die grosse Industrien.

Dies ist ein Netzwerk, was auf den ersten Blick optimal aussieht.

Aber was geschieht denn dann?

Die Grossen quetschen die Kleinen aus, vor allem an der Preisfront. Insbesondere, wenn die Kleinen nur einen "grossen" Kunden haben. Sie sind dann auf Gedeih und Verderb an diesen Grossen gebunden ...

Und einen neuen Kunden dazu zu gewinnen, ist praktisch schwierig bis unmoeglich in kurzer Frist ...

Die Kleinen, die Du meinst, sind die Regionalen (nenn ich mal so). Da koennte eine gewisse Chance bestehen, siehe die Tuerkenlaeden im Lebensmittelbereich.

Ich kann mir auch vorstellen, dass ich z.B. Kurse gebe fuer aeltere Menschen, die die Internettechnologie lernen wollen. Aber von meiner Sorte gibt es viele, und diese potenziellen Kunden haben in der Regel wenig bis kein Geld. Also ist das schwierig ... Das waere der Dienstleistungsbereich. Hier koennte das greifen, was die sog. ICH-AGs sind, aber da ist bei uns noch zuviel Regelei und Staatsabhaengigkeit.

Ich denke, wir koennen uns nur langsam an das Thema herantasten. Ob wir eine Loesung finden, ich weiss es nicht. Ich warne allerdings vor isolationistischem Denken, das hat - zumindest in der Vergangenheit - selten, eigentlich nie, zu nachhaltigem Erfolg gefueht.

Noch ein weiterer Punkt: die Subventionen, sowohl im Agrarsektor oder wie bei uns bei der RAG, die ja Milliarden verschlingt, und das auf Jahre.

Beispiel: RAG - Kohle in Deutschland zu foerdern ist ein Witz, H.J.Selenz hatte neulich die Idee geaeussert, die um ein Vielfaches billigere Importkohle in den noch existierenden Zechen zu versenken, und sie dann von den Kumpels wieder zutage foerdern zu lassen ... (einmal verkuerzt gesprochen). Pro Kumpel bezahlen wir 70.000 Euro im Jahr. Die Idee war ernst gemeint, und man sollte darueber nachdenken ...

Aehnlich koennte es auf dem Agrarbereich werden: Bio-Diesel, Salatoel anstelle von Diesel (www.fmso.de), Biogas, Liquidgas etc.  um nur einmal den Energiebereich anzusprechen. Dazu kommen noch fuer Suedeuropa Solaranlagen. Das funktioniert super ... usw. usw.

Das Konzept wird aber immer zerredet ... wenn jemand eine gute Idee hat, gibt es mindestens zwei, die dagegen sind, vor allem wortgewaltig: die Lobby ...

wow, ich echauffiere mich, ich hoere erstmal auf...
Ein Außenseiter, der sehr neugierig ist!

Bastian

#5
Wie kannst du nur aufhören, wenn du dich grad so schön echauffiert hast? Ich könnte das nicht.  :)

Allerdings kann ich mich noch nicht so recht echauffieren, wenn es darum geht, was andere tun oder (er)lassen sollten. Weil ich mir im selben Moment in die eigene Nase schießen muss. Brauche ich z.B. im Winter Erdbeeren und frische Äpfel? Wenn ja, dann müssen sie wohl oder übel aus Neuseeland kommen. Und, gesetzt den Fall, ich wollte das ganze Jahr über Muscheln, Schnecken und Garnelen essen, dann werde ich auch diese bisweilen importieren müssen.

Und dazu kommt das was Sandra angedeutet hat: Das Kleine und Gute zu schätzen, oder "das Nahe", oder beim Essen auch "das Saisonnale". Wenn wir es schaffen, dies als eigene Qualitäten anzuerkennen, dann wären wir in vielerlei Hinsichten näher bei uns und weniger im alltäglichen Luxus der unbegrenzten Verfügbarkeiten. Wenn ich im Dezember frisches Obst auf dem Tisch haben will, kommt es selbstverständlich von einem Großimporteur. Und der kann nur wirtschaftlich arbeiten (Flugzeuge usw.), wenn er den großen und kleinen Bauern in Übersee das Obst billig abkauft. Und unser Kleinbäuerchen verfüttert seinen kleinen Überschuss an seine kleinen Schweinchen. Oder er gibt seine Milch, wie die Bäuerin bei dem ich mal in Ludwigsburg gewohnt hab, einem der großen Hersteller (Erlenhof, Tuffi, wasweißich).

Ich bin wirtschaftlich nicht wahnsinnig bewandert, deswegen hab ich auch keine Lösung, die für andere gelten muss. Ich hab auch nicht viel Geld zur Verfügung, um mich vollends politisch korrekt zu ernähren. Aber ich versuche das zu tun was ich kann. Ich kaufe regelmäßig mal ein paar gute Dinge ein, von denen ich weiß, dass sie aus der Nähe stammen und/oder aus "biologischem Anbau" kommen. Wenn ich mal Eier kaufe, und das ist vielleicht zweimal im Jahr, dann kommen die vom Möllenhof- einem "Biobauern" aus der Gegend. Einen Tag in der Woche, wo man mal etwas weniger, aber dafür besser und lieber isst, hat auch seine Qualitäten. Und wenn ich acht Monate lang keine Erdbeeren gegessen hab, dann schmecken sie mir im Frühjahr gleich doppelt so gut.

Ach, doch noch etwas Wirtschaftstheoretisches. Was haltet ihr von "Assoziativer Wirtschaft"? Da helfen sich einzelne Betriebe gegenseitig über die saisonnal schlechteren Zeiten hinweg. Es gibt auch solche Gemeinschaftsbanken, in die die paar wenigen Mitglieder einzahlen und zu anderen Zeiten Leistungen beziehen. Ich glaube die Anthroposophen schreiben sich diese Idee auf die Kappen, aber das Prinzip ist uralt und läuft auch heute noch. In Fulda sitzt den Instrumentenmacher Mollenhauer, der Beispielhaft ist für andere mittelgroße Betriebe: die Azubis sind am Erfolg beteiligt, jede Woche Freitags setzen sie sich alle zusammen und besprechen die neuen Ziele oder das was nicht gut gelaufen ist, und der Betrieb ist ebenfalls in einem solchen Zusammenschluss mit anderen Regionalen Betrieben. Das heißt das Geld fließt in die Region, der Betrieb wächst stetig und bleibt handwerklich trotzdem sehr gut. Und er läuft bombig, weil er gute Produkte herstellt, das Arbeitsklima gut ist und er insgesamt einen sehr guten Ruf hat.

Alles ohne Gesetze, nur durch eigene Überzeugung.

Sandra

Sowas meine ich. Und stützt das die Politik?

Ich versteh sowieso nicht, wieso man erdbeeren im Winter braucht - und vor allem: tiefgekühlte gehen doch auch, oder? ist auch noch gesünder.

Klar kann man nicht ALLE Importe stoppen, das wär ja auch quatsch. Aber ich bin überzeugt: zwei Drittel sind unnötig. Und dazu kommen die ganzen quersubventionen - deswegen fährt alles möglcihe Zeugs kreuz und quer durch Europa, um damit Geld zu verdienen. Schweinehälften, Joghurt, wasweissich.

EU hat Angst vor Strafzöllen - aber die Amis machen das schon lang mit der EU - die haben dafür Angst vor Japan. Und so geht es fröhlich weiter....

Dagmar

#7
Mir stellt sich das Ganze komplexer dar. Im Lebensmittelbereich mag das so funktionieren, aber in anderen Branchen nicht unbedingt. Ich habe ja auch so einen Winzladen - das Problem ist nicht so sehr, dass ich tausend Hemmnisse habe (für Betriebe unter 20 Mitarbeitern gibt es ja schon ganz viele erleichternde Sonderregelungen). Das Problem ist - und das gilt sicher für viele Branchen - dass ich u.a. deshalb keine Aufträge mehr bekomme, weil große Kunden von früher zwischenzeitlich in China oder in Indien oder in sonstwo sitzen. Sie produzieren ja nicht nur billig da, sondern verlagern früher oder später alles dahin: Verwaltung, know-how-Vermittlung, Zulieferung, alles. Und weg ist der Kunde, der kommt auch nicht mehr wieder. Da nutzt das auch nichts, dass ich Netzwerke bilde - da könnten wir uns dann höchstens gegenseitig schulen.

Solange die Abnehmer Privatleute sind, mag das funktionieren. Die großen industriellen Abnehmer von Zulieferungen sind allerdings weg und der Laden trägt sich dann bald nicht mehr. Ich rede dabei nicht davon, dass Millionenumsätze getätigt werden. Die Lohnnebenkosten für meine Mitarbeiter sind extrem hoch, das kann ich nicht mit wenigen Kleinstaufträgen bezahlen. Große Aufträge sind weggebrochen. Also muss ich Leute entlassen - wie jüngst mit sehr bitteren Gefühlen geschehen.

Ich bin mit Euch einer Meinung, dass ganz neue Lösungen angedacht werden müssen, und ich bin wegen der sich zuspitzenden Problematik eine radikale Verfechterin von hohen Strafzöllen für Importe. Dass dann ein ganzes Land an der Erde liegen würde, wie oft behauptet wird, glaube ich nicht: Die Leute würden anfangen sich untereinander zu beliefern.

Ich verstehe nicht genug davon, um wirklich was Kluges dazu entwickeln zu können - aber (und das war meine Eingangsthematik): Es gäbe genügend andere, die viel davon verstehen. Aber auch die Politik - ganz gleich welcher Coleur - tut so als ob es diesen gravierenden wirtschaftlichen und weltweiten Wandel nicht gäbe. Da säßen ja genügend Fachleute. In den Zeitungen kann man jede Woche ellenlange Seiten über diesen Wandel lesen. Aber es tut sich nichts - es verhalten sich nahezu alle so als ob das ganze Problem nicht existiert. Vielleicht dramatisiere ich ja - aber ich finde nirgendwo auf der Handlungsebene auch nur Überlegungen vor, die der Eindringlichkeit, dem Weitgreifenden und vor allem dem Unumkehrbaren dieser Veränderungen auch nur im Ansatz Rechnung tragen.
Je fester dir einer die Wahrheit verspricht, in Programmen und Predigten, glaube ihm nicht. Und geh' zu den Gauklern, den Clowns und den Narr'n: Dort wirst du zwar nix, doch das in Wahrheit erfahr'n.

Sandra

Ja, ich habe auch den Eindruck, dass alle -wie oben gesagt - auf neue Probleme nur mit alten Lösungen, aber mehr davon, reagieren.
Das ist überhaupt eine Crux, dass es einfach durch die Computerisierung bald nicht mehr Arbeit für alle GEBEN wird, egal was man "tut". Also geht es auch darum, mal anzudenken, was man tut, um Leute, die in ihrem ganzen Leben keine Arbeit haben werden, trotzdem glücklich zu halten. Der Stellenwert der "Arbeit für Geld" ist extrem hoch. Es geht aber eher darum, den Menschen Lust und Bewusstsein dazu mitzugeben, dass sie sich BESCHÄFTIGEN, dass sie einen Lebenssinn finden können (und Inhalt) ohne einen Beruf im landläufigen Sinn zu haben.
Und denen, die eine Arbeit im herkömmlichen Sinn haben, auch das Gefühl dafür zu geben, nicht auf die anderen herunterzuschauen. Denn es IST einfach bald nicht mehr genug Arbeit DA. Und was machen wir dann?

Es ist bekannt, wenn eine Gesellschaft mehr als 20% perspektivloser Jugendlicher hat, wird sie destabilisiert. Das steht uns direkt bevor, und ich glaube, Arbeitsbeschaffungs- oder Beschäftigungsmassnahmen gehen nur den halben weg. man muss auch den WERT der Arbeit an sich überdenken - in der Gesellschaft müssen andere Dinge Wert gewinnen, als ob jemand eine bezahlte Arbeit ausübt oder nicht.

Überdies finde ich die Globalisierung grossartig. WENN sie Hand in Hand mit einer starken Regionalisierung geht. Es muss beides möglich sein.

Auch das: wir brauchen neue Ideen, neue Zugänge, andere Lösungen. Es hilft nichts, wenn man sich immer nur darüber streitet, ob die Philosophie A oder die Philosophie B  des vorigen Jahrhunderts jetzt forciert werden sollte. (Blair vs Chiröder zB)

Alexander

Danke Sandra, Du sprichst mir aus der Seele! Jetzt sollte das nur noch die Menschheit beherzigen ...

PS: Dieser Thread beweist für mich, wie qualitätvoll das Kreislerforum im Vergleich zu vielem anderen im Netz ist!
,,Die Kunst ist eben keine hübsche Zuwaage – sie ist die Nabelschnur, die uns mit dem Göttlichen verbindet, sie garantiert unser Mensch-Sein." (Nikolaus Harnoncourt)

Zyankalifreund

Ich bin auch kein ausgesprochener Gegner der allgemeinen Globalisierung. Eine Globalisierung mit Rücksichtnahme auf lokale Gegebenheiten halte ich allerdings für schwer umsetzbar. Wie sollte das funktionieren???  ???

Hmm, also ich bin mir uschlüssig. Wenn ich über dieses Thema spreche, muss ich immer an die Sorben denken. Ich weiß selbst nicht warum. *grübel*
Naja, sie haben eine eigene Kultur und wurden in der sächsischen Verfassung deswegen auch gesondert berücksichtigt. Aber kann man dann überhaupt noch von Globalisierung sprechen?

kampmann

Zitat@Sandra:  Überdies finde ich die Globalisierung grossartig. WENN sie Hand in Hand mit einer starken Regionalisierung geht. Es muss beides möglich sein.  

Genau so koennte es funktionieren. Wie im einzelnen, wird sicher zu eroertern sein. Aber diese Art von Kompromissen: Grosse und kleine Loesung integriert, das koennte es sein.

Zitat@Alexander:
PS: Dieser Thread beweist für mich, wie qualitätvoll das Kreislerforum im Vergleich zu vielem anderen im Netz ist!

Genau das empfinde ich auch: Hier im Forum ist soviel Wissen und Phantasie versteckt, von allem, aber vor allem auch ueber die Politik und Gesellschaft und sogar die Wirtschaft, dass es sich - eine schon laenger gehegte Idee - vielleicht lohnen koennte, hieraus eine Art Diplomarbeit oder vielleicht sogar Doktorarbeit zu erstellen. Bitte nicht die Nase ruempfen, aber ist denke, das ist nicht das schlechteste, Damit wird dann der Inhalt systematisch aufgearbeitet ... (nicht unbedingt "hierarchisch" -  ;D ;D ;D hihihi)

Ein Außenseiter, der sehr neugierig ist!

Sandra

Urgh. Unser Kampmann und die Ordnung. ;)

Ich glaube, es geht schon. Denn globalisierung hat mit Enfernungen zu tun, und regionalisierung mit Nähe. Das widerspricht sich nciht - es ergänzt sich eher.
Klar, da muss man im Einzelnen denken. Aber zum Beispiel regionale Speisen forcieren, und Sprachen (Dialekte), und Sitten - ohne deswegen die der Anderen zu ignorieren oder schlecht zu machen. Regionale Medien. (die meisten eng regionalen Medien sind im Stil für ältere Leute - das müsste man ändern)

Dagmar

ZitatWenn ich über dieses Thema spreche, muss ich immer an die Sorben denken

Gerade die sind ein gutes Beispiel dafür, genauso wie die Leute in der Uckermark; ein gutes Beispiel dafür, dass Regionalisierung und "Globalisierung" - in diesem Fall eher Seperatismus und Integration in eine nationale Identität sich keinesfalls ausschliessen müssen!

Für Sorben und Uckermarker hat der ORB vor Fusion mit dem SFB zum RBB zum Beispiel lange Jahre eigene regionale Medienprogramme gemacht. Die regionalen Besonderheiten sind von diesen Bevölkerungsgruppen immer sehr hoch gehalten worden: Sitten, Gebräuche, Feste, Sprachen - das war und ist für diese Menschen sehr wichtig. Und was ist jetzt? Jetzt gibt es keinen ORB mehr, sondern den RBB - und dem sind die paar Sorben und die paar Uckemarker piepegal. Die regionalen Sendefenster sind eingestellt worden wegen zu geringer landesweiter Quoten.

Das ist sehr analog - finde ich. Der regionale Absatz bringt nicht genug Gewinn, also wird er zugunsten des globalen Gewinns eingestellt. Darüber gehen aber die Regionen ein - und man wundert sich.

ZitatIch glaube, es geht schon. Denn globalisierung hat mit Enfernungen zu tun, und regionalisierung mit Nähe. Das widerspricht sich nciht - es ergänzt sich eher.

Das habe ich nicht genau verstanden. Warum denkst Du, dass es sich nicht widerspricht? Ich erlebe, dass die Globalisierung regionale Strukturen auslöscht. Oder anders herum Regionalisierung erst einmal so etwas bedeutet wie "ins Hintertreffen geraten". Nicht als global player mitspielen zu können oder zu wollen, kickt massenweise Unternehmen und Betriebe in die Pleite.



Je fester dir einer die Wahrheit verspricht, in Programmen und Predigten, glaube ihm nicht. Und geh' zu den Gauklern, den Clowns und den Narr'n: Dort wirst du zwar nix, doch das in Wahrheit erfahr'n.

Sandra

#14
Ja, aber genau das meine ich ja: Die meisten glauben, eine grosse Firma, die grosse Gewinne macht, ist einfach sinnvoller. ich glaube aber, dass viele kleine Firmen, die viele kleine Gewinne machen nicht so wesentlich weniger verdienen, zusammengenommen. Hätten die Sorben ihr programm für die Sorben - von einer kleinen, aber professionellen Radiofirma, und die Uckermärker uckermärkisches (urgh ;) ) Radio, und die Juden jiddisches - alles von kleinen, aber professionell und  anständig arbeitenden - also hörbar! - gemachten Journalisten, dann hätten viel mehr Journalisten Brot und Arbeit, als wenn der RBB-ZDF-ARD-RTL einen ganzen Sender mit stundenlanger Musik und einem Redakteur für die Massen betreibt. Denn klar, der grosse Sender macht damit Gewinn - aber die Journalisten sind Arbeitslos und können nix in die heimische Wirtschaft stecken, weil sie sich kein Radio kaufen können.
Das mag ein Milchmädchen-Beisipiel sein, aber das meine ich mit: Mehr Regionalisierung bringt zwar auch leichte einschränkungen im "Luxus" (=weniger Musikformat-Sender, weil RBB-ZDF-ARD-RTL sich füpr so kleine Gruppen keinen Sender leisten wollen) aber dafür durch die Diversität wieder mehr Arbeitsplätze und ergo Leute, die auch in ihrer Region Geld ausgeben.

Und Trotzdem werden die Musikformat-Sender nciht eingehen, und trotzdem werden die ihre Globalisierung weiterbetreiben. Natürlich muss man dann eben die kleinen Unternehmen - die Sender für die Sorben - irgendwie unterstützen, aber das könnten erstens die Grossen mitfinanzieren, und zweitens eben: Die Umwegrentabilität: die Gesellschaft wird nicht so leicht destabilisiert, weil wieder mehr Jobs, mehr Dinge, die einen Menschen ausfüllen/beschäftigen können, undmehr Tourismus, weil Leute in die Gegend fahren, weil es sie interessiert, was an der Uckermärktischen Mentalität so toll ist. Und die grossen können dann wieder von den kleinen uckermärkischen Journalisten Reiseberichte billig einkaufen....
wie gesagt, so stellt sich der kleine Maxi (in dem Fall: ich) die grosse Uckermark vor....

Bassmeister

Sandra, Du sprichst mir auch aus der Seele.
Die Idee der Erwerbsarbeit scheint so nicht mehr zu funktionieren.
Ich denke schon lange daran herum, wie man das anders gestalten koennt.
Melde mich spaeter noch mal, bin gerade mit einem Opernprojekt in Toulouse.
Schoene Gruesse!!
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Sandra

Ah!! Toulouse!!! Das sind doch mal schöne Nachrichten! viel Spass!!! Was machst'n?

Sandra

@ Dagmar: Was ich also meinte, war: es könnte funktionieren, wenn nicht alle wie das kaninchen vor der Schlange sitzen, oder in vorauseilendem Gehorsam den Grossen das Wort reden würden. Und das kann leider nur der Staat mit seinen Gesetzen in Gang bringen....

Bastian

Two Gruß to Toulouse!

Dagmar

Jetzt hab' ich es verstanden.

Aber wie soll das funktionieren? Die kleinen Läden brauchen ja auch Geld um erst mal die wenigen Abnehmer auszugleichen und die Kosten bestreiten zu können. Hätte man Gesetze, dass die Großen die Kleinen da mit finanzieren müssen, ist meine Phantasie, dass die Großen dem Staat den Vogel zeigen, ihre Sachen packen und abhauen aus Deutschland. Das kann man nicht mit Gesetzen verbieten. Woanders hin, wo sie keine Kleinen mehr finanzieren müssen und für 10 Cent die Stunde Arbeitskräfte bekommen. Dann müsste man die Kleinen vielleicht staatlich subventionieren - mit allen bekannten Nachteilen der Subventionspolitik. Auch das Geld muss man irgendwo her holen - woher?

Ich glaube, es fehlt auf breiter Front ein wirklich ernsthaft geführter Diskurs dazu. Es wäre nicht schwer, das - überhaupt erst einmal als Informationskampagne für die breite Masse - auf den Weg zu bringen, WENN das denn wirklich gewollt wäre.
Je fester dir einer die Wahrheit verspricht, in Programmen und Predigten, glaube ihm nicht. Und geh' zu den Gauklern, den Clowns und den Narr'n: Dort wirst du zwar nix, doch das in Wahrheit erfahr'n.

Bassmeister

#20
Mit Informationskampagnen bewegt man relativ wenig. Wenn man mal hinter die Kulissen von so einem Supermarkt schaut, wie sehr da um die besten Auslageplaetze gerangelt wird...
die regionalen Produkte muessten
sofort mit dem ersten Griff zu erlangen
gut beworben
und - das ist besonders wichtig -
die billigsten sein, sonst wird man es wohl leider mit einer massenhaften Verbreitung vergessen koennen.
Gerade bei uns in Ossiland diktiert allzuoft der Preis. Ich schreibe das im vollen Bewusstsein, dass gute Qualitaet, besonders bei Lebensmitteln, unter einem gewissen Preisniveau einfach nicht geht.

Was ich mich dabei frage: Wie geht das, dass ein Apfel aus Frankreich, Italien oder - im Sommer - aus Brasilien erheblich billiger ist, als die Frucht vom Bauern um die Ecke? Allein der LKW-Fahrer, der die Aepfel von der Grenze auf den Markt bringt, will doch schon leben.
Versteh ich nicht, rein wirtschaftlich gesehen, sozial noch gar nicht mitgedacht.

Wir spielen im Capitol in Toulouse die Oper "Temistocle" von Johann Christian Bach. Ich habe die Ehre und das Vergnuegen, im Ensemble "Les Talens Lyriques" mitwirken zu duerfen.
Es ist einfach nur genial hier! Vor allem die Waerme geniesse ich sehr! Die Tastaturen verwirren allerdings eher - verzeiht bitte die Schreibfehler.
[size=9]Nicht alles, was zwei Backen hat, ist ein Gesicht...[/size]

Guntram

#21
Die Masse machts!  :P Und möglichst niedrige Lohnkosten, erreichen kann man die mit intesivem Maschineneinsatz oder niedrigen Löhnen oder besser beidem.

Vor ein paar Jahren kam sah ich eine Bericht über Nordseekrabben. Die werden mit dem LKW nach Marokko gebracht, dort gepult und wieder zurückgefahren. Alles innerhalb von  2-3 Tagen. Verkauft werden die immer noch unter dem Etikett "fangfrisch" (ist erlaubt). Pulen in Deutschland, Holland etc. ist zu teuer. Der Betriebschef in Marokko hat die Kühl- und Arbeitshallen vorgeführt, alles klimatisiert und pikobello, da konnte man vom Boden essen. Seine Sorge waren nur die Ostasiaten weil die in Zukunft noch billiger (inklusive Transport mit dem Flugzeug!!!) sein könnten.
Träume sind nicht Schäume, sind nicht Schall und Rauch,
sondern unser Leben so wie wache Stunden auch.
Wirklichkeit heißt Spesen, Träume sind Ertrag. Träume sind uns sicher schwarz auf weiß wie Nac

Sandra

#22
Ja, nicht nur sind die Arbeitskräfte einfach billiger, auch die Lohnnebenkosten - und die Zuschüsse, die die grossen Firmen kriegen, sind ein wichtiger Bestandteil. . Dazu kommen dann die ganzen Subventionen, die durch viel "in Europa herumfahren" ergattert werden. Und da sollte eine Umverteilung stattfinden. Und wenn es auf Kosten der grossen Firmen geht, werden wir es auch überleben, denn als es noch nicht so viele grosse Firmen gab, haben wir auch gelebt. Ausserdem: ich glaube, dass nicht alle abwandern, weil sie zb die Qualität der hiesigen Arbeit für ihre Produkte mehr brauchen, oder weil die Zuschüsse für die Fahrerei wegfallen - wasauch immer. Das muss man halt diskutieren. Dazu kommt, dass die grossen Firmen ja auch nur um den Preis hierbleiben, dass sie a) weniger bezahlen für Arbeitsrkäfte, und b) auch in grossem Stil entlassen - für die grossen firmen mit ihren grossen geräten BRAUCHT es ja garnicht soviele Arbeitskräfe - die kleinen allerdings brauchen schon...
Jedenfalls wäre der erste Schritt eine offenere Politik, und klarere Bestimmungen - und zwar unterschiedlich, je nach Grösse des Betriebes. Und Ich glaube schon, dass eine Diskussion darüber nützt, und ich sehe ja auch, dass es in manchen Ländern offenbar besser funktioniert als in anderen.
ich verstehe zum Beispiel nicht, warum grundsätzlich die Qualität der Nahrungsmittel in deutschen Supermärkten so grottenschlecht ist - die Waren sind aber nciht billiger als in Österreich, sondern kosten genausoviel - und hier ist die Qualität erheblich besser, zudem haben alle Supermärkte ein riesiges Angebot aus (heimischen!!!!) Bioprodukten, und zwar von Nudeln über Käse und Milchprodukte, Fleisch - auch abgepacktes, und verschiedene Würste etc... (Ohne Jute-Appeal, noch dazu)
WAS sie hier anders machen, weiss ich nicht. Ich weiss, dass hier frühzeitig sehr viele Bauern auch Bio umgestiegen sind, und sich die Supermärkte das zunutze machen. Und dass die Supermärkte hier ihre Liefernaten offenbar extrem mehr knebeln mit ihren Verträgen, was ja auch nciht sooo cool ist - aber für die Konsumenten funktoniert's.
Jedenfalls: Ich glaube schon, dass eine Diskussion darüber mal ein erster Schritt ist: Wie stärken wir die kleinen heimischen Produzenten?`
Und - ich überlege gerade: Was ist uns lieber: jederzeit frische Erdbeeren zu haben, oder doch weniger Arbeitslose, die die Gesellschaft destabilieren können und zur NPD überwechseln?
Ich denke doch, dass eine Diskussion auch das Konsumverhalten ein bissel ändern könnte - nicht in dem Masse, dass alle unsere Probleme weg sind, aber doch etwas.

Bastian

Diese "Bio- Sache" ist für die Bauern leider auch mit ziemlichen Problemen behaftet. Eine Freundin von mir lebt auf einem solchen Biohof. Vor Kurzem sollte der Bulle um die Ecke gebracht werden, weil er als solcher ausgedient hatte und nun als Steak abtreten sollte. Jetzt ist ein solcher Bulle aber ziemlich schwer und kräftig- bullig eben. Und mag natürlich nicht freiwillig auf den Hänger stapfen, der ihn zum Schlachthof bringen soll, weil er das nicht kennt. Also lässt er es bleiben und bleibt stehen oder er wird nervös und randaliert. Kein Mensch kann so ein Tier halten, wenn es ausbricht und den Hänger zerlegt. Jetzt könnte man ja meinen, man gibt ihm ein Beruhigungsmittel, damit er nicht so einen Stress erleiden muss, und dass man ihm überhaupt transportieren kann. Aber denkste. Der ist ja Biobulle. Und der darf zwei Jahre lang nicht geschlachtet werden, wenn er ein Medikament verabreicht bekommen hat. Und ums Schlachten gehts ja.

Auf dem Hof ermorden darf man nicht, das muss vom Gesetz her in einem Schlachthof gemacht werden.
Ich weiß nicht, wie sie das gelöst haben, aber es hat für sie bestimmt Unkosten bedeutet, die den Ertrag des Tieres wohl übertroffen haben.

Ihr habt in Österreich mehr Bauern pro Nichtbauer. Und wahrscheinlich noch mehr kleinere Höfe im ganzen Land verteilt. Bioprodukte dürfen ja nicht weit reisen, die Tiere schon gar nicht, also gibt es Bioprodukte nur dort, wo auch Biobauern in der Nähe sind. Von den größeren Vertrieben mal abgesehen, die ganze Ketten beliefern können. Ich vermute, dass darum das Ökobiozeug hier teurer und auch rarer ist, als in Ösien.

Sandra

Naja, eben, der Staat hat Voraussetzungen dafür geschaffen, dass es sich LOHNT auf Bio umzusteigen. Also sind auch Bauern umgestiegen, die sich damit ursprünglich nciht auseinandergesetzt haben. Und deshalb gibt es jetzt mehr.
Wenn die ab-Hof- Schlachtung nicht erlaubt ist, woher beziehen dann die Juden und Muslime ihr Fleisch? Schächten muss im Hof stattfinden, die Tiere dürfen nciht reisen, und dürfen keinerlei Stress ausgesetzt werden, vor der Schlachtung - das ist rituelles Gesetz.

Was mich stört, ist dass die Diskussion sich so ewig lange nciht weiterbewegt. Sie reden immer noch davon, warum die Bürger die EU "Abgestraft" haben, und können sich nicht einigen - anstatt  einfach zu zeigen, dass sich was bewegt. Blair spielt Amerikas Schosshündchen, und will, dass die Afrikaner noch ihr letztes exportieren, damit die Amis dort kräftig importieren können, Chriac und Schröder sind sowieso schmähstad, Berlusconi ist Berlusconi und alle wundern sich, warum die Bürger der EU nicht mehr trauen. Und dann geht der Euro flöten, und dann haben wir erst wirklich den Salat....