Georg Kreisler Forum

Diskussionen => Politik => Thema gestartet von: Bastian am 27. November 2003, 01:49:15

Titel: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 27. November 2003, 01:49:15
Art.20, Abs. 2 des Grungesetzes der Bundesrepublik Deutschland:
"Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt."

So steht es seit 1949 in der Verfassung des Landes in dem ich lebe geschrieben. Wahlen werden hier seitdem auch regelmäßig und brav durchgeführt, jedoch hat noch nie eine einzige Volksabstimmung stattgefunden. Dafür sorgen eben diese "besonderen Organe", namentlich die Parteien- in Parlament und Regierung- und die Verfassungsrichter, die nichts daran ändern können.

Da ich gebürtig aus einem kleinen Land komme, dessen Konturen auf jeder EU- Karte deutlich zu erkennen sind und ich dessen Staatsbürgerschaft habe, weiß ich aus eigener Erfahrung, dass regelmäßige Volksabstimmungen eine geeignete Möglichkeit sind, die Politik des eigenen Landes mitzugestalten.

Weil auch Georg Kreisler sich in diesem kleinen Land einigermaßen wohl zu fühlen scheint, glaube ich, dass das Thema Volksentscheide auch hier im Forum eine Diskussion wert sein kann. Ob künftiger EU- Bürger oder nicht, es geht uns alle an. Hier in Deutschland treten sich die Parteien gegenseitig auf den Füßen rum- die Bürger stehen fassungslos und angewidert daneben und können nichts tun, dürfen nichts tun, obwohl das GG es ausdrücklich fordert.

Hier noch ein Link zu einem Verein, der sich auf- wie ich finde- bewundernswerte Weise für die Einführung der Direkten Demokratie in Deutschland einsetzt: http://mehr-demokratie.de/bu/ak/europa/index.htm
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Stroganoff am 27. November 2003, 03:44:30
Dieser Idealismus in allen Ehren - aber leider muss ich am Anfang des 21. Jahrhunderts beobachten, wie die durchschnittliche Qualität der politischen Meinungsbildung bei jedem einzelnen Stück für Stück absingt. Einwirkend darauf ist aber die wenig pluralistische Mainstream-Medienvielfalt in der Hand von ein paar Großkonzernen. Mir vor Augen haltend, welchen Einfluss allein die BILD-Zeitung im Vorfeld dieses medialen Ereignisses auf die Wählerverteilung haben würde, dünkt mir beinahe, dass die Fähigkeit der Gesellschaft, des Volkes, zur wirklich direkten Demokratie gering genug gehalten wird.

Ergänzungsquiz: Tendenz: ____________
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Guntram am 27. November 2003, 13:15:44
Das Problem ist, es ist alles Übungssache. Die Schweizer können das.

Als es um die Abstimmung über die Verfassung eines Wiedervereinten Deutschlandes ging - so wie es die Väter des Grundgesetzes eigentlich vorgesehen hatten - umging man dies indem man das eigentlich sehr erfolgreiche "Provisorium" Grundgesetz anpaßte, aber keine echte neue Verfassung schrieb um diese dem Volk zu Abstimmung.

Einige Politiker sagten damals, die Materie wäre zu kompliziert um darüber vom Wähler abstimmen zu lassen.

Eine Frechheit ohne gleichen. Denn es stempelt alle Deutschen zu ummündigen Idioten, die nicht fähig sind über eine Verfassung abstimmen zu können.
Und nur Politiker sind intelligent genug das alles zu verstehen.

Zur Beeinflussung durch Medien und Konzerne. Lobbys alle Gruppierungen beeinflussen unsere Politiker und wenn es mit persönlichen Vorteilen ist.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Sandra am 29. November 2003, 01:54:04
In österreich, indes, gibt es immer wieder mal Volksabstimmungen, aber seit der Abschaffung des AKWs irgendwann in den 80er Jahren gab es keine, deren Ergebnis  :P nicht nachher von der Regierung schlichtweg ignoriert wurde.  Das heisst, man kann Volksabstimmungen auch einsetzen, um vordergründig zu beruhigen, und dann doch zu machen, was man vorher schon wollte.
Dazu kommt, dass es in der EU immer weniger Möglichkeiten gibt, dinge, die das eigene Volk vielleicht wünschen würde, auch durchzusetzen - auch in Bastis schöner Heimat (grüezi!!) müssen sie jetzt ihre Flugschneisen anders fliegen, als sie selber wollen - weil sich die Deutschen aufgeregt haben. Die hatten den Schweizer Lärm vorher....
Ich glaube ehrlich gesagt, Volksabstimmungen können erst dann eiin Instrument werden - in Europa! - wenn die EU es schafft, als eine Einheit aufzutreten, mit einem vom Volk gewählten einzigen Präsidenten und einer glaubwürdigen Standfestigkeit gegenüber dem neuen amerikanischem Imperialismus. Im Moment halte ich es für besonders gefährlich, dass die EU als Einheit nicht vorhanden ist. Und wenn Volksabstimmungen in (zB) Deutschland bindender für Politiker werden, ist das möglicherweise gerade wegen der Bild-Bildung der Mehrheit eine Gefahr für eine Erstarkung der Europäischen Gemeinschaft. Und eine Verhüttelung Europas macht uns letztlich zu wehrlosen Opfern...

andererseits, es könnte natürlich sein, dass, wenn es mehr Volksabstimmungen gäbe, die auch Ergebnisse zeitigen, die Politikverdrossenheit sänke - sagt der Optimist in mir.... (der ist allerdings recht klein, dieser Optimist.)
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 29. November 2003, 03:33:53
Gesetzt den Fall, ich wäre ein Großkonzern (Gott behüte, aber nehmen wir es mal an), da wäre es für mich eine verhältnismäßig aufwendige, bzw -wändige Angelegenheit, die bildzeitung zur Massenmanipulation zu bewegen. Als Großkonzern grapsch ich mir doch die paar Abgeordneten, bzw Entscheidungsträger. Ist erstens billiger und fällt zweitens weniger auf. Das ist der Status Quo: "Beraterverträge" zwischen Kirch und Kohl, Scharping geht Klamottenkaufen mit dem Typen, dessen Namen mir gerade nicht einfällt, Roland Koch zehrt von "jüdischen Vermächtnissen"... und Köln bekommt die millionste Müllverbrennungsanlage. Das Spiel, das heute gespielt wird, ist für die Konzerne wesentlich leichter.

Darum: Wer befürchtet, dass wir manipuliert werden, hat recht. Wir haben Angst vor uns selbst bekommen.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 29. November 2003, 04:09:22
Ach noch etwas. Das mit Europa hat wohl was. Diese Völker könnten die Entwicklung verzögern, da stimme ich Dir zu, Sandra. Es ist aber auch eine blöde Situation: Da sollen wir alle abwarten, bis die über unsere Köpfe hinweg entschieden haben, damit es schnell geht, und wir so bald wie möglich "beschlussfähig" sind. Vielleicht muss das so sein. Ich kann es sogar ein wenig verstehen.
Und in diesem Punkt wird good ol' Germany noch von pretty young Europe lernen müssen: Diese kleine NGO, mehr-demokratie ev, hat es doch überraschend hinbekommen, dass das Bürgerbegehren in die EU- Verfassung aufgenommen worden ist.
Die haben einige Konventsmitglieder davon überzeugen können, selbst Valéry Fallera Giscard d'Estaing hat dafür gestimmt. Man muss es halt versuchen. Der stete Tropfen... also, Sandra, lass Deinen Optimisten nicht noch weiter schrumpfen, nachher geht er noch kaputt.
So, jetzt kritzel ich hier diesen Thread noch alleine voll, das ist auch nicht Sinn der Sache, Gute Nacht
Basti
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 15. Dezember 2003, 02:38:35
singend, Strog, singend! ;)
(s.u)
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Sandra am 16. Dezember 2003, 23:12:07
öh....das versteh ich nicht. Da hab ich was versäumt....
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 18. Dezember 2003, 03:35:32
Doch, ich erinnere mich noch: Ich hatte Stroganoffs Ergänzungsquiz geflissentlich überlesen, und nachdem ich den Text immer wieder durchforstet hatte, schien mir dies die beste Lösung zu sein. Naja, es war mitten in der Nacht...

Oh...!

Gruß,
Basti
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Sandra am 18. Dezember 2003, 19:58:43
Versteh. Das ist aber nachgerade gerinkschätzig....
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 19. Dezember 2003, 01:57:53
Um Gottes Willen, nein! Kein Stück Gerinkschätzunk! Es ist doch eine tolle und begrüßenswerte, vielleicht sogar notwendige Tendenz. Ich habe mich dadurch auch an diesen wunderbaren Satz von Beckett erinnert, den ich mir fortan unten dran hänge. Danke Strog!
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Choirgirl am 19. Dezember 2003, 18:54:12
Viele Deutsche sind bestimmt für die Todesstrafe oder dafür, dass alle Türken raus sollen. Wie ist das in einer direkten Demokratie? Könnte das dann zum Gesetz werden? Oder wie wird so was geregelt?
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Sandra am 20. Dezember 2003, 01:39:21
Tscha, das ist ja genau das Problem: auch wenn es chauvinistisch klingt: Ich möchte nicht, dass das "Volk" so wirklcih ganz richtig und total die Macht hat, denn das Volk ist auch "der Mob". ich hab da zu wenig Vertrauen in die Menschlichkeit. Ich glaube, da braucht es schon Bremsmechanismen, auch wenn auch die nicht das Gelbe vom Ei sind...
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 21. Dezember 2003, 01:47:57
Die Angst vor der Einführung der Todesstrafe wird im Zusammenhang mit der direkten Demokratie sehr oft geäußert, ist aber unbegründet:

 Es gibt in der Schweiz, wie auch in den ersten deutschen Bundesländern, in denen Bürgerentscheide schon eingeführt worden sind, sogenannte Themen(ausschluss)kataloge. Diese legen fest, zu welchen Themen eine Initiative oder eine Abstimmung überhaupt gestattet wird. So dürfen z.B. in Deutschland keine Bürgerentscheide über die Finanzen der Länder/ Kommunen durchgeführt werden. Für die Todesstrafe würde dasselbe gelten. Im Übrigen kann über ein Menschenrecht nicht abgestimmt werden, eine Initiative zur Einführung der Todesstrafe wäre schon darum unzulässig.

Ich habe übrigens auch noch nie eine wirklich repräsentative Umfrage zur Einführung der Todesstrafe gesehen, und trotzdem taucht diese Befürchtung immer wieder als Argument auf. Meistens nicht nur von Leuten, die sich noch nicht mit dem Thema befasst haben, da ist es völlig normal, sogar ein gutes Zeichen. Sondern auch von Politikern der CDU/CSU/FDP, die es besser wissen! Im Gegenteil: z.B. die Schweiz hat schon lange niemanden mehr von Saats wegen verbrannt, erschossen oder gehenkt (privat natürlich schon...)

Naja, der Mob, der Pöbel, der Plebs- es heißt ja auch Plebiszit... Wenn dieser Mob, den es ja auch gibt, so mächtig wäre, dann müsste man konsequenterweise auch die Wahlen verbieten. Aber die Leute wählen jährlich dutzendweise Repräsentanten in die Parlamente von Stadt, Land und Bund. Manche wählen sogar grün, und niemand hindert sie daran. Und die Parteipolitiker, die aus diesem Volk hervorgehen? Wie klug sind dann die? Ich glaube nicht, dass die bloße Mitgliedschaft in einer Partei aus einem Deppen einen Experten macht.

Es stimmt natürlich, dass wir nicht allesamt Experten auf jedem Gebiet sein können. Aber dasselbe gilt auch für die Parlament- Arier: Da stimmen Finanzgelehrte über Embryonenforschung ab, Familienpolitikerinnen über Kriegseinsätze... Also, Fachfremdheit ist kein Argument gegen direkte Demokratie, sondern gegen Demokratie generell. Was man beim einen System kritisiert, wird beim bestehenden System nicht wahrgenommen.

Und dann gibt es noch solche Leute wie den Roland Koch/ Hessen und den Schill in Hamburg. Koch hat in seiner Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft nur die Stimmen derer gesammelt, die gegen dieses Gesetz waren. Dann wurden sie gezählt und man kam zum Schluss, dass 100% der abgegebenen Stimmen Nein- Stimmen waren. Gegen den ist der Putin ein Demokrat! Solch einen Mann braucht man dann nicht mehr. Bei einer echten Abstimmung (und in Hessen sind Bürgerentscheide möglich!), hätte man eine ganz andere Verteilung gehabt. Aber Koch wusste, dass in einem Land keine Abstimmung über ein Bundesgesetz möglich ist. Also musste er populieren.

Und der Schill: Ich muss doch nicht einen Rechtsbeuger und Widerling zum Innensenator/ Bürgermeister wählen, nur weil der Bahnhof nach Pipi stinkt. "Populisten" haben nur eine Chance, wenn man sie wählen muss. Wenn man selbst Sachentscheidungen treffen kann, sind die arbeitslos.

Ich will damit sagen, dass es gerade in der direkten Demokratie Bremsmechanismen gibt. sie fehlen im bestehenden System! Außerdem ist sie ebenso kompliziert und reguliert wie die rein repräsentative Demokratie. Einfaches "Türken raus" oder "Döner bleibt hier" wird's nicht geben. Falls Interesse besteht: Da oben hinter dem blauen Link gibt es auch eine Art Lexikon zu den Begriffen und dem Prozedere.

Gruß
Basti
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Sandra am 21. Dezember 2003, 01:28:30
Naja, man muss ja nicht gleich mit Todestrafe oder anderen Keulen daher kommen, eine einfache Abstimmung über wieviele Ausländer hier rein"dürfen" wäre schon genug, um mir übel zu machen. Und, klar sind auch die Politiker nicht die grossen Wiffzacks - aber solange sie dafür sorgen, dass die Bildung immer geringer wird, und die Kritikfährigkeit niedrig, dafür die Angstmache hoch gehalten wird, solange ist es mir immer noch lieber, man fragt nicht zu oft das Volk.
Es ist ein klassischer Catch 22: Erst hält man sie dumm, dann verkauft man ihnen, was man ihnen verkaufen will - und wenn man sie dann wählen liesse - dann wären sie nicht geeignet dazu. Wie man's dreht und wendet. Demokratie ist zwar vielleicht die beste BEKANNTE Staatsform, aber noch lange nicht die Beste per se. Und ausserdem ist auch die Demokratie noch lange nciht perfekt: wir arbeiten noch an ihr. Und meiner Meinung nach wäre der erste Schritt zu mehr Demokratie: Bildung, Bildung Bildung.

Mit einem Wort: Volksbefragungen sind SUPER - kommt drauf an, worüber, und was es vorher an Information und nachher an Taten gibt.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Sandra am 23. Dezember 2003, 10:41:12
Je länger ich über die netten Worte "Direkte Demokratie" nachdenke, desto mehr stosse ich auf Ungereimtheiten.
Klingt schön, wenn man sagt: das Volk soll entscheiden - aber im Konkreten wirft das doch mehr Gefahren auf, als dass es der Demokratie nützlich ist.

Beispiele?

1.) Der Text der Befragung: Werden schon ausformulierte Gesetze zur Abstimmung ausgelegt?
          Wenn ja,  wer formuliert sie, und wie wird garantiert, dass jedermann/frau auch die Feinheiten des Textes und dessen Implikationen versteht?
          Wenn nein, bedeutet das, dass blosse Absichtserklärungen zur Abstimmung gebracht werden - zB: "Das Recht auf Gentechnikfreie Nahrung" - das bringt wieder zahlreiche Unklarheiten mit sich:
a.) die Formulierung wird diversen Interessensgruppen/Lobbies überlassen, die den Text so gestalten, dass sich Suggestivfragen  ergeben
b.) wenn die Fragestellung ein überwältigendes "ja" bringt, ist die Umsetzung der Ziele wieder allein der Politik überlassen, das heisst aber auch, dass die Politik sich erst wieder allein mit den Problemen herumschlägt, also im konkreten Beispiel: Ist dem Recht durch blosse Kennzeichnung Genüge getan? Welche Art der Kennzeichnung mindestens? Wie schützt man sich vor Pollenflug?  Bedingt das "Recht" auch eine gesteuerte Preisgebarung? Und von wem und wo wird dann diese Nahrung verkauft? Damit jede/r auch sein "Recht" ausüben kann?
Das hiesse aber letztlich, dass Volksbefragungen nur in den Fragen der allerletzten Kleinigkeiten sinnvoll wären - also zB: Sind Hecken von 2m Höhe ausreichend, um sich vor Vermischung von gentechnisch bearbeiteter und genetisch originaler Pollen zu schützen? Oder: Der Staat muss gentechnikfreie Nahrung subventionieren. (Womit?)Oder: Wieviel Entfernung brauchen zwei Felder mit unterschiedlicher Saat, um  als nicht kontaminierbar zu gelten? Oder: Ab wann ist eine Kreuzung zwischen zwei verschiedenen Saaten nicht mehr erlaubt? Darf man natürliche Mutationen einer Frucht weiterverwenden? Ab wann gilt eine Mutation nicht mehr als natürlich?  Wie genau soll die Kennzeichnung der Herkunft einer Frucht erfolgen? Welche Umwelteinflüsse gelten als tolerierbar, um die Frucht noch nicht als Schadstoffbelastet oder kontaminiert einzustufen...etc
Das wiederum bedeutet, dass man vom Volk erwartet, in jedem Bereich Expertise zu besitzen.
Aber die Informationen  - um auch nur ein wenig Wissen über den Sachverhalt zu erwerben - werden wiederum von denjenigen gesteuert, die sich die Medien am besten "sichern" können, also den verschiedenen Interessensgruppen, und hier sind das wiederum jene, die das grösste Budget haben.

Volksbefragungen als "Willen des Volkes" sind echt nett. Aber wenn es um die konkreten Fragen geht, können sie nichts erreichen.
Wenn eine Volksbefragung zB ergäbe, dass homosexuelle Ehen  nicht nur legal  sondern auch in jedem Bereich mit heterosexuellen Ehen gleichgestellt werden sollen (was ich leider im europäischen Volk noch nicht für durchsetzbar halte - finde ich zwar strunzdumm und unverständlich, denn Liebe ist Liebe, aber ich bin damit  in einer Minderheit), was hiesse das für die Politik? Sollen sie eigene Standesämter schaffen? Sollen sie mit den Kirchen in Dialog treten? Sollen sie heterosexuellen Ehen diverse Rechte absprechen, um sie damit den homosexuellen gleichzustellen? Was passiert mit allfälligen Kindern?- nicht lachen, auch Schwule können schon Kinder gezeugt haben, Lesben auch - warum sollten die dem heterosexuellen Elternteil zugesprochen werden? Und was, wenn keiner der Eltern hetero ist, gibt's ja auch.  
Wie wird das Erbschaftsrecht geregelt? Hängt das mit der Dauer der Ehe zusammen? Und was ist mit Scheidungen und allfälligen Alimenten? Was wird aus einer allfälligen ersten Ehe dem neu&gleichgeschlechtlich verheirateten Partner zugesprochen? Wie ist das mit Witwenpensionen?
Es gibt tausende Fragen - und der Teufel steckt wie immer im Detail. Klar, das sind alles lösbare Fragen, (und im vorliegenden Fall auch letztlich nicht so schwierige) nur: WER löst sie? Das Volk? Die gewählten Vertreter? Und wie werden sie sie lösen? So, dass das Volk "zufrieden" ist? WER ist "das Volk"? Alte, Junge, Konservative, Liberale?
Ich glaube, das Volk ist letztlich verantwortlich dafür, seine Politiker zu wählen, und zu "formen".
Aber durch Volksabstimmungen "formt" in der Mehrheit nur eine Lobby die Politiker - denn wer ruft die Volksabstimmung in's Leben? Wer formuliert sie? Wer betreut sie?
Und glaubt Ihr allen Ernstens, dass es die Schwachen sind, die sich dadurch artikulieren können?

Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Choirgirl am 23. Dezember 2003, 14:11:21
Hmm, das wirft auch bei mir viele Fragen auf (ich kenne mich ja auch nicht so gut aus wie ihr  ;))

Wenn es Bremsmechanismen gibt, was ist da noch direkt und was ist noch Demokratie? Ist das nicht ein Widerspruch? Wäre das nicht eher eine beschränkte Demokratie? Dem Volk werden nur Häppchen vorgeworfen, aber über die wirklich wichtigen Fragen darf es nicht entscheiden?
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Sandra am 23. Dezember 2003, 14:35:02


Also, zuallererst mal, choirgirl, nur weil wir hier "g'scheit daherreden" heisst das noch lange nicht, dass wir informierter sind, oder gescheiter.  Es ist doch nur ein Meinungsaustausch hier zwischen uns allen.

Im Prinzip ist ja der Gedanke der, dass das Volk denjenigen WÄHLT, der seine Wünsche am Ehesten umsetzen kann... aber schon da scheitert es ja oft an Interesse, Information und Menschenverstand.
Ich glaube, die "direkte Demokratie" im Wortsinn ist letztlich nur in kleineren Gemeinschaften durchzusetzen - je grösser die Menschenansammlung, umso komplexer die Problemstellungen.

Mein Gedanke (der allerdings auch noch nicht bis zur letzten Konsequenz durchgedacht ist) wäre der, dass man nicht mehr Parteien wählen kann, sondern Minister. So dass sich die verschiedenen Auffassungen zu den Ressorts zur Wahl stellen, und damit zB jene, die an Kunst und Kultur interessiert sind, sich für die zur Wahl stehenden Kulturminister interessieren, und die an Wirschaft interessierten den Wirtschaftsminister etc. Ich meine, dass man damit der Politikverdrossenheit ein Ende setzen könnte, weil es leichter ist, die Menschen für etwas zu interessieren, was ihnen nahe ist als für das gesamte Paket. Und  die verschiedenen Weltanschauungen müssten dann anders miteinander umgehen, die Kompromisse würden transparenter, die Abläufe, weil ja dann zB der Kulturminister seiner Klientel erklären müsste, warum der Finanzminister kein Geld für Kultur gibt, und der Finanzminister müsste erklären, warum er wem Geld gibt, etc, und es liefe nicht alles unter einem Gesamtkonzept. Dadurch würde auch sofort viel klarer, wie alles zusammenhängt, weil man sich dann mehr für "seinen" Minister interessiert.
Aber wie gesagt, durchdacht ist das alles nicht, denn sowas würde natürlich viel teurer, und hätte sicher noch viele andere Nachteile, wie zB  dass es in mehr Bereichen zu Sympathiewahlen käme oder so.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 23. Dezember 2003, 22:33:26
Also, gegen ein generelles Pollenflugverbot hätte ich nichts einzuwenden. Auch tagsüber! Zumindest bei Birken und Gräsern. Nur noch durch ungeschlechtliche Vermehrung unfruchtbarer Mutanten!! Aber ich bekomme dafür wahrscheinlich keine Mehrheiten- noch nicht!

An Choirgirl: Das was Du beschreibst ist doch der heutige Zustand: Wir schauen zu, wie Europa noch ein zweites EU- ropa übergestülpt wird und dürfen nicht mitentscheiden, sollen uns aber damit identifizieren. Das wäre eigentlich nicht so schwierig, viele fühlen sich ja schon längst als Europäer...

Einige von uns müssen an Kriegseinsätzen teilnehmen, obwohl sie selbst und die Bevölkerung dagegen sind. Es fließen Gelder in die Kassen der CDU- und der Altkanzler Kohl stellt sein "Ehren"wort über die Gesetze des Volkes, dem er sich einst zu dienen verpflichtet hat.

 Und wir können unser Recht nicht durchsetzen. Wir werden nicht genügend informiert über das, was auf Europaebene geschieht, weil wir nicht entscheiden. (Gut, viele interessieren sich dafür auch nicht, ist ja ihr gutes Recht, aber die würden dann auch an den Abstimmungen nicht teilnehmen, wenn es sie nicht interessiert.)

Es geht ja nicht darum, jeden hintersten Kleinkram durch das Volk entscheiden zu lassen, sondern eine Möglichkeit zu schaffen, unsere Vertreter überhaupt kontrollieren zu können. wir haben diese Möglichkeit heute nicht:

 "Ausländer raus" sagen auch viele Leute in der CDU/CSU, "durchmischte und durchrasste Gesellschaft" war von Stoiber, CSU. Juden als "Tätervolk" kam von Hohmann, CDU. Wer garantiert uns, dass diese Leute nicht über unsere Köpfe hinweg entscheiden? Sie haben das Recht, und wir könnten es nicht verhindern.

Sandra, glaubst Du tatsächlich, dass Lobbyisten eine spezielle Gefahr bei Volksentscheiden sind? Wie sieht es denn heute aus? Bei aller Kritik, die ich auch zum Teil verstehe, bietet die reine Parteiendemokratie da einen besseren Schutz? Oder ist nicht gerade sie wesentlich anfälliger für Korruption und Einflussnahme? Die Idee mit den Ministern ist nicht schlecht, aber dann brauchst Du auch ein Parlament, das Gesetze macht. Hört sich auf jeden Fall nach einer Heidendiskussion an, da wär ich sofort dabei!

Jetzt frag ich mich gerade, ob Du dann in Wien oder Berlin Ministerin würdest... Meine Stimme hättes Du sicher, aber ich weiß nicht, wie das in Österreich mit einem Wahlrecht für Ausländer aussieht. In Berlin gibts das noch nicht.

 Hm, ein Zürcher in Ösien? Das erlauben die nie!

Egal:
Eins- zwei- Demokratei! Ein Hoch auf die Mutanten dieser Welt: Morgen wird das Jesulein geboren. Ich wünsche allen Anwesenden ein schönes Fest, wenn Ihr es denn feiert...   ...allen Gartenkräutern, Sängerinnen, Instrumentenspielern und Rindfleischgerichten. Hoch die Flaschen!
Basti
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Sandra am 24. Dezember 2003, 02:29:39
EU-Ausländer dürfen Gemeinderäte und so wählen. Also auf Landesebene, nicht auf Bundesebene. Aber ich bin ja Amerikanerin - da derf i gornix.

Ich glaube schon, dass die Medien eher kontrollieren, ob in den Parteien übergrosse einflussnahme von diversen Lobbies vorkommt - bei Vokksabstimmungen wie gesagt, geht es eher darum, wer jetzt die Vorlagen verfasst, wer die Volksabstimmungen bewirbt und wo.
Klar, Schindluder wird überall getrieben, das ist so, wenn es um eine grosse Menge an Menschen geht.
Aber die Möglichkeit der Kontrolle hat das Volk auch so: man kann Medien aktivieren, man kann anzeige erstatten, wenn man etwas für illegal hält - man kann eben ABWÄHLEN. Eine volksabstimmúng kann man nicht abwählen, man kann sich nicht mal das volk wählen, das abstimmen geht.
Ich bin "dem Volk" gegenüber ziemlcih skeptisch, ehrlich gesagt, das Volk scheisst sich nix, wie man hier so schön sagt, die suchen sich immer den einfachsten Weg - das können die Politiker wenn, dann nur hintenrum, weil sie immer auch im Blickfeld der Intellektuellen und vor allem der Opposition stehen - die sich freuen, wenn sie was anprangern können.
Und Völker sind oft herz (und vor allem Hirn!)-loser, als man es für möglich hält... Da halte ich es (vorläufig!!!!) für besser, wenn Einzelne ihre Stimme erheben, als ein ganzes Volk...
Wie gesagt, ich finde es ausgesprochen wesentlich, wenn sich die Menschen äussern können, wenn sie Druck ausüben können - und wie gesagt, im Prinzip sind Volksabstimmungen ja auch wichtig - aber der Teufel steckt im Detail.
Und zum thema EU: Da stellt sich die Frage, ob man in den imperialistischen Wettkampf mit anderen starken Ländern eintreten möchte (also den USA zB) - dann muss man den deutschen und Franzosen recht geben. Oder man will sich nciht einmischen, und hoffen, dass man in Ruhe gelassen wird. Dann gebe ich Polen und Österreich und anderen kleinen Ländern recht.Sieht man eine EU Weltstrategisch, dann muss man so schnell wie möglich nach AUSSEN handlungsfähig und flexibel bleiben, da darf dann nicht mehr geredet werden, es müssen Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden - da ist aber dann nciht mehr viel Platz für einzelne Länderhoheiten. Sieht man die EU eher wirtschaftlich lokal und von der innepolitischen Seite aus, dann sollen die bitte über alles diskutieren, bis die Köpfe rauchen - und dann ist auch wesentlich,. dass keine Länderspezifischen Eigenheiten unter den Tisch fallen können.
Ich persönlich stehe eher auf der strategischen Seite. Ich habe Angst, es ist eh schon zu spät, aber ich würde lieber einige Österreichspezifische Eigenheiten verlieren, als wirtschaftlich (und damit letztlich auch kulturell!!)  und inhaltlich (todestrafe, sozialkultur, umweltschutz) völlig von den Amis überrollt zu werden. Und in diesen Dingen ist man sich in Europa schon wesentlich näher. Aber wie gesagt, wir stehen schon längst unter amerikanischer Kuratel - siehe Stahl-strafzölle, Gentechnik, Luftfahrt-Datenschutz etc - ich weiss nicht, ob eine gemeinsame Aussenpolitik das jetzt noch herumreissen kann - vor allem weiss ich nciht, ob die so "einfach" zu Stande kommt....
Aber ihr merkt es eh, politisch gehöre ich sowieso zu den schwarzsehern....
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 28. Dezember 2003, 04:27:14
A propos Geopolitik: da fällt mir was ein. Wir Europäer haben doch gerade versucht den Mars zu erschließen , indem wir dieses Klapplabor über ihm abgeworfen haben. Da ist diese gepolsterte Riesenkugel stundenlang auf dem Mars herumgehüpft, bis sie denen dort mächtig auf die Nerven gegangen ist. Nun haben die das Ding in eine Gletscherspalte geworfen, wo es seit mehreren Tagen immer wieder versucht sich aufzuklappen, und es geht nicht, weil's festklemmt. Auf -  zu -  auf - zu...

Das ist Geopolitik von der miesesten Sorte. Jetzt sind wir dort genau so unbeliebt, wie die Amis hier. Alles vermurkst!

Naja,
ich weiß es selbst.

Gute Nacht
Basti
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Sandra am 28. Dezember 2003, 14:48:35
Ist Euch schon mal aufgefallen, dass die gesamte amerikanische Kultur in 13 Buchstaben Platz hat?
B R I T N E Y S P E A R S
P R E S B Y T E R I A N S
 ;D
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Johannes am 29. Dezember 2003, 23:10:46
Zitat...daß die gesamte amerikanische Kultur in 13 Buchstaben Platz hat?
B R I T N E Y S P E A R S  
P R E S B Y T E R I A N S
Das ist das beste, was ich seit langem in solcher Kürze gelesen habe.  ;D ;D ;D...
Zu Deiner Frage: wahrscheinlich wußten es eh alle, aber soo prägnant, wer wäre darauf gekommen?  ;)
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 30. Dezember 2003, 01:24:31
Jau, das gefällt mir!
Wie sieht's denn in Deutschland aus?

KONRADADENAUER
DARKUNDONEAREA

Sag ich doch die ganze Zeit  :D

Liebe Grüße,
Bastian
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Sandra am 30. Dezember 2003, 13:36:57
aber auch: dark un done aera!!!!
Wobei das ja nicht sooo ganz sauber ist ;-)

Und um auf den thread zurück zu kommen: Zumindest hat die deutsche Demokratie mehr parteien zur auswahl...
Die deutsche Kultur allerdings gibt auch immer mehr dem Formatwahnsinn nach.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 11. Mai 2004, 16:53:11
Georg Kreisler Forum:

Gekroese flog irr rum
Erregerflug im Korso
Fliege, Roger! Kurs Rom
 ;)
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 14. Mai 2004, 01:26:30
So, um alte Threads wieder zu beatmen:

"26.04.2004
Pressemitteilung des mehr- demokratie ev

Aufruf für EU-Referendum in Deutschland:
Verfassungsrechtler fordern Abstimmung

Berlin. 34 namhafte deutsche Verfassungsrechtler setzen sich für ein Referendum über die Europäische Verfassung in Deutschland ein. In einem von Mehr Demokratie e.V. initiierten Aufruf fordern sie Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung auf, die rechtlichen Voraussetzungen für eine Volksabstimmung in Deutschland zu schaffen. Unter den Unterzeichnern befinden sich so prominente Verfassungsjuristen wie Hans-Herbert von Arnim, Armin von Bogdandy, Peter M. Huber, Jörn Ipsen, Ingolf Pernice, Christian Starck, Michael Stolleis oder Jürgen Meyer, Vertreter des Bundestags beim Europäischen Konvent."


http://mehr-demokratie.de/aufruf_referendum_eu-verfassung.pdf
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Dagmar am 15. Mai 2004, 01:30:57
Das ist ja eine sehr sinnvolle Forderung. Krankt nur an einem Punkt: In diesem unserem Lande kannst Du alles mögliche fordern, interessiert Politiker - aus diversen Ursachen heraus - relativ wenig.

Vor einiger Zeit war im 'SPIEGEL' eine Reihe über Probleme in dieser Republik, u.a. auch über die Tatsache der Notwendigkeit einer Verfassungsreform.

Ich habe speziell diesen Beitrag zum Thema 'Verfassungsreform' noch gut in Erinnerung: Gesetze werden in deutschen ICE's gemacht, in denen sich die Unterlobbyisten von Lobbyisten der Oberlobbyisten treffen auf der Fahrt zum Ausschuß xy, der ein Unterausschuß des Oberausschusses zur Frage der Demokratie generell in Europa ist.

 Eine Verfassungsreform (und eine solche wäre ja für eine Volksabstimmungsmöglichkeit notwendig) scheitert schon im Ansatz an der "ICE-Politik"

Der Föderalismus wird dieses Land umbringen!
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 15. Mai 2004, 22:01:10
Da ist was dran. Ich bin schon seit längerer Zeit "förderndes Mitglied" beim Mehr Demokratie e.V. und habe die Entwicklung dieser Bewegung mitverfolgt:

1989: Einführung lokaler Bürgerentscheide und landesweiter Volksentscheide in Schleswig Holstein

1995: Einführung lokaler Bürgerbegehren in Bayern. Daraufhin haben die Bürger Bayerns (!) den zweiten Senat abgeschafft.

1998: Volksentscheid in Hamburg über die Einführung des Bürgerentscheides in den H. Bezirken. 75% der Hamburger stimmten dafür.

2002: Erstmals stimmte eine Mehrheit im Bundestag für die direkte Demokratie; die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit für eine Grundgesetzänderung wurde jedoch verfehlt, da CDU/CSU und Teile der FDP dagegen stimmten.

2003: Beginn der Europakampagne. Mittlerweile gibt es die European Referendum Campaign in einigen Staaten Europas http://www.european-referendum.org/...

...also, da tut sich im Moment einiges. Auch dass in der letzten "Monitor" Sendung ein längerer Beitrag über die Europakampagne von Mehr Demokratie gesendet worden ist, lässt auf ein stärker werdendes Bewusstsein hoffen. Hier kann man sich ein Skript der Sendung runterladen, oder sie als Stream ansehen: http://www.wdr.de/tv/monitor/beitrag.phtml?bid=583&sid=113# (Bei mir hats mit dem Anschauen nicht geklappt)
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Dagmar am 16. Mai 2004, 22:54:43
Hab' den Beitrag gesehen. Das läuft im Prinzip immer aus dasselbe hinaus:

Politikerdeutsch: "Die Menschen in unserem Land können die Komplexität solcher Entscheidungen häufig natürlich nicht vollständig beurteilen"

Normaldeutsch: "Die Leut' sind zu blöd"

Wahrheit: "Bloß keinen Volksentscheid, dann funktioniert unser schönes Lobby-System ja gar nicht mehr.

Ich warte darauf, wann's in diesem Land so richtig knallt, weil alle den Kaffee aufhaben und gleichzeitig auf die Straße rennen. Ich wundere mich sowieso, warum das nicht längst passiert ist.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 21. Mai 2004, 22:55:46
Es passt hier eigentlich nicht so recht hin, aber es ist in Deutschland im Moment wieder eine Diskussion im Schwange über die Direktwahl des Bundespräsidenten. Alle fünf Jahre gibt's diese Diskussion und in der Zeit dazwischen wird geschwiegen. Wie immer. Und wie immer sitzt der Nazirichter Filbinger als Wahlmann für den CDU- Kandidaten in der Bundesversammlung.

Zur Direktwahl des Bundespräsidenten sagt Rupert Scholz, CDU: "Man hat seinerzeit im Grundgesetz sehr bewusst zugunsten der mittelbaren Demokratie, also der Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung, entschieden, weil man nicht den Weg der Weimarer Verfassung gehen wollte"

(Die sog. "Weimarer Verhältnisse" werden immer angebracht, wenn es um fürchterliche Folgen wie Nazionalsozialismus, Weltkrieg et al. geht. Ansonsten sind die Konservativen gerne stolz, weil es sich um die erste Demokratie Deutschlands handle.)

Und die selbe CDU setzt nun zum wiederholten Male einen Mann als Präsidentenwähler ein, der unter den Nationalsozialisten an Todesurteilen mitgewirkt hat. Weimar oder nicht?...
Mir fällt dazu nichts mehr ein. Vielleicht jemand anderem...?
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Dagmar am 21. Mai 2004, 23:21:46
Njet  :'(
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Andrea am 21. Mai 2004, 23:35:37
Das finde ich in Österreich wirklich besser. Dort darf jeder Mensch den Bundespräsidenten wählen. Ohne zweifel repräsentiert diese Wahlform die Meinung des Volkes.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 21. Mai 2004, 23:41:33
Und ich glaube -bitte korrigiere mich, wenns nicht stimmt-, dass der Präsident in Ösien nicht zwingend von der Partei gestellt wird, die gerade die Mehrheit hat. So ist er nicht dermaßen von einer Partei abhängig, wie der Germanenpräsident.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Andrea am 21. Mai 2004, 23:51:38
Diesmal - wie auch sonst - von SPö und ÖVP. Falls das jetzt nicht stimmt, Sandra wird's uns sagen können.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Nase am 22. Mai 2004, 17:41:44
Das ist schon richtig. Vor 2 Monaten hat Heinz Fischer die Wahl gewonnen obwohl "seine" Partei, die SPÖ, bei der letzten Wahl zweiter wurde und seit 1999 nicht einmal an der regierenden Koalition beteiligt ist.

Die Wahlbeteiligung in Ösland war aber diesmal rekordverdächtig gering, da das Amt des Bundepräsidenten vom Volk immer mehr als arriviert und bedeutungslos eingestuft wird.

Trotzdem war es, glaube ich, eine Wahl, bei der die beiden Kandidaten (Volkspartei, Sozialdemokraten) ihre Stimmgewalt zu einem großen Teil aus ihren angestammten Lagern schöpfen konnten. Das entscheidende Ünzlein Unentschlossener spazierte halt nicht zur Urne.

Ich glaube die Ansichten zum Amt des Bundespräsidenten sind - wahrscheinlich auch wegen unterschiedlicher Verfassungsgrundlagen - im Vergleich Ö und D in unterschiedlichen Phasen begriffen.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Sandra am 22. Mai 2004, 18:20:13
Jeder, der 6000 Unterschriften aufbringen kann, kann in Ösiland theoretisch an der Wahl teilnehmen. Praktisch braucht er dann auch ncoh einige Mille für die Wahlwerbung, und die kommen dann meist von Parteien.
Vom Amtsverständnis her sind beide Präsis gleich: Moralische Instanz mit nicht rasend vielen Rechten.

Und genau daher fvinde ich es ein bissi komisch, wenn parteien ihre eigene Moralische Instanz wählen dürfen.

Aber Ihr habt es eh schwer im Moment: Jede Partei, (bzw jede Koalition) hat praktisch gleich viel Kraft, und sie blockieren einander wo und wie es geht - und das, obwohl in Germanien im Moment keiner von beiden auch nur irgendwas vernünftiges gebacken kriegt...

ich bin  im Übrigens nachgerade entsetzt, wie sich "die Deutschen" (sorry) verändert haben. Nur noch Minderwertigskeitkomplexe und komplizierte unnötige chaotische Strategien - null praktischer verstand, null Lösungskompetenz nirgendwo.
so schlimm, dass sogar das als verschlampt und verpennt verschrieene Ösiland stringenter funktioniert...

Inzwischen habe ich (gegen mein Vorurteil) bei meinen Auftritten gelernt: "Den Deutschen" (noch mal sorry) kann man nur noch 50% glauben, von dem was sie so erzählen. Flexibilität, praktisches Denken, die vielgerühmte Effizienz ist nach Ösiland und Schweiz abgewandert. Echt erstaunlich.
Und dann, das ist das Lustigste: weinen und schreien alle ihre eigene Wirtschaft noch ein Stückchen kränker als sie eh schon wäre....
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 22. Mai 2004, 19:43:40
Ich glaube, dass noch zu Zeiten von Steffi Graf, Boris Becker, Beckenbauerfußballkaiser und Vereinigung, die Deutschen sich immer an erster Stelle gewähnt haben. Und wenn Deutschland mal nicht an erster Stelle stand, dann war es entweder ein Rechenfehler, oder andere haben geschummelt (Sport). Über einen zweiten Platz freut man sich in Deutschland nicht. Mittelmaß ist eine Katastrophe. Und wenn man irgendwo gar letzter ist, oder gar nicht mitmachen darf, dann überlegt man sich dreimal, ob man von seinem Formentera- Urlaub überhaupt noch zurückkehren soll...

Und dieses Selbstverständnis, oder dieser Selbstbetrug hält immer noch an. Alle sitzen da, und schlagen die Hände über'm Kopf zusammen und wimmern: "Wo sind wir hingekommen, warum tut keiner was?" Und sie sitzen und sitzen...   ... sie halten sich wahrscheinlich für Dichter...

In Sachen Demokratie haben die Deutschen ein echtes Problem. Sie haben sie sich nie selbst erkämpft. Sie schätzen sie nicht, weil sie sich nicht für sie eingesetzt haben. Wieso sollten sie das nun plötzlich tun? Da fällt mir ein Buch ein. Ich geh mal kurz rüber...
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Dagmar am 22. Mai 2004, 22:35:38
ZitatNur noch Minderwertigskeitkomplexe und komplizierte unnötige chaotische Strategien - null praktischer verstand, null Lösungskompetenz nirgendwo.

Brauchste gar nicht 'sorry' sagen, Sandra - ist nämlich alles 200 % richtig. Ich reg' mich da bald jeden Tag zweimal drüber auf. Fragste hier einen nach 'ner Lösung für ein Problem, bekommst Du erst mal 33 Antworten, wie's nicht geht. Einer meiner Standardsprüche ist 'ich wollte nicht hören, was nicht geht, ich wollte hören, was geht'.

Noch viel viel schlimmer ist das, wenn Du 'offizielle' Lösungen brauchst. Es ist ganz egal, was das für'n Amt ist: Kulturamt, Finanzamt - egal was, Du brauchst da gar nicht anrufen - das Problem wird durch das Amt vergrößert statt verkleinert. Die Ineffizienz ist schockierend.

Dann jammern alle, dass es kracht. Sobald irgendeiner Lobby auch nur 0,03 % der bisherigen Vorteile drohen abhanden zu kommen, gibt es einen Aufschrei, als ob man dem ganzen Land den Krieg erklärt hätte. Dazu kommt eine Versorgungsmentalität, die mich wahnsinnig macht. Es scheint mir so als ob das Bewußtsein über die Tatsache, dass man für die Regulierung des eigenen Lebens nun auch erst mal selbst verantwortlich ist, der Mehrheit der Deutschen abhanden gekommen ist. Hat jemand ein Problem, schreit er hier meistens als allererstes danach, ob 'der Staat', 'die Komune' oder 'das Land' gefälligst nicht sein Problem lösen könnte.

Die Politiker erlebe ich entweder dumm wie Brot oder super ignorant. Und die Leute? Statt auf die Straße zu gehen und Krach zu schlagen, sitzen sie in ihren Stammkneipen und jammern. Haste selbst 'ne Idee, wie man etwas verbessern könnte, kriegste kaum einen motiviert, da mit zu machen.

ZitatÜber einen zweiten Platz freut man sich in Deutschland nicht. Mittelmaß ist eine Katastrophe.

Dummerweise über den ersten Platz anderer auch nicht. Ich ärgere mich laufend über dieses elende Konkurrenzdenken (stehste an der Ampel und die springt um auf grün, geben zwei Trottel Vollgas, damit der andere ja nicht als erstes vor der nächsten Ampel steht). Machste irgendwas Exponiertes, fallen von 100 Leuten 80 geifernd über Dich her. Ich mag Amerika im Moment nicht besonders, aber da ist das echt anders. Da gratuliert man einander auch zu kleinen Erfolgen, freut sich, wenn andere was geschafft haben. Hier herrscht oft so eine Mentalität von 'haste-schon-gehört' und 'haste-DAAAS-gesehen'.

Bloß nicht den Kopf aus der Türe stecken, bloß nicht auffallen, bloß nicht was andres als bisher und als alle machen. Am liebsten soll alles bequem und einfach sein, ohne sich dafür allzu sehr anstrengen zu müssen. Wo das Geld her kommt dafür? Na ist doch klar: Nehmen wir halt noch so 40 bis 50 Millionen Schulden neu in Kauf.

Titel: muss man doch mal sagen dürfen...
Beitrag von: Bastian am 23. Mai 2004, 19:37:17
Schwan

Du gleitest durch das Wasser leis,
Als ob aus Luft es wäre.
Dein langer Hals, dein Kleid so weiß,
Ja, dir gebührt der Ehrenpreis,
Du fransige Galeere.

Und weht der Wind auch übers Eis,
Er kann dich nie bezwingen.
Du nimmst ihn mit. Wie zum Beweis
Gibst Du ihm deinen Bürzel preis,
Und weitest deine Schwingen.

So bleibst du uns erhalten, doch
Wirst nicht uns're Regine.
Mir ist's nicht gleich,
(ich werde weich)
Ich wollte Dich, Gesine
Titel: Re: muss man doch mal sagen dürfen...
Beitrag von: Maexl am 23. Mai 2004, 19:52:35
ZitatSchwan

Du gleitest durch das Wasser leis,
Als ob aus Luft es wäre.
Dein langer Hals, dein Kleid so weiß,
Ja, dir gebührt der Ehrenpreis,
Du fransige Galeere.

Und weht der Wind auch übers Eis,
Er kann dich nie bezwingen.
Du nimmst ihn mit, wie zum Beweis
Gibst Du ihm deinen Bürzel preis,
Und weitest deine Schwingen.

So bleibst du uns erhalten doch,
Wirst nicht unsre Regine.
Mir ist's nicht gleich,
(ich werde weich)
Ich wollte Dich, Gesine

^^nicht schlecht!
lass ihr das mal zukommen *fg*
btw. druckt spiegel/stern gedichte als leserbriefe ab?
die gedanken habe ich mir übrigens auch gemacht.... die frisur verdient ja schließlich ein copyright

Maexl
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 23. Mai 2004, 20:08:25
Schöne Idee, Max. Ich habs dem spiegel geschickt. :D
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Nilepile am 23. Mai 2004, 22:01:53
Wenn er das nicht abdruckt, kündige ich mein Abo!
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Dagmar am 23. Mai 2004, 22:57:53
Sehr sehr schön, Basti! ich bekomme selten Gänsehaut - bei dem Gedicht hatte ich Gänsehaut!

Hoffentlich druckt's der 'Spiegel'
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Nilepile am 23. Mai 2004, 23:25:02
Ich habe auch schon einmal ein Gedicht an den Spiegel geschickt; hat er aber nicht abgedruckt. War nach der Hamburger Bürgermeister-Affäre letzten Sommer und es lautete:

Es schillert verpfuscht,
wenn Ole nicht kuscht.

Na ja, war auch vergleichsweise eher etwas für die schlichten Gemüter.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 23. Mai 2004, 23:49:02
Nein, wieso? Es ist nur etwas- kompakt :D
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 23. Mai 2004, 23:50:45
Oh, der spiegel schreibt mir zurück. Und zwar, das sie mir zurückschreiben werden :D, wenn sie's abdrucken. Vielleicht sollte ich ihnen noch einmal schreiben, dass sie mir nicht schreiben brauchen, ich kauf ihn ja eh...?
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Dagmar am 23. Mai 2004, 23:53:07
Die schreiben immer zurück. Ich hatte einige Leserbriefe schon drin, andere haben die nicht abgedruckt. Sie haben aber immer zurück geschrieben, dass sie zurück schreiben, wenn sie's abdrucken.

Machen sie aber nicht, auch wenn sie's abdrucken, erfährst Du's erst aus der Ausgabe selber.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 24. Mai 2004, 01:51:11
Auch recht.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Sandra am 24. Mai 2004, 11:29:54
ZitatIn Sachen Demokratie haben die Deutschen ein echtes Problem. Sie haben sie sich nie selbst erkämpft. Sie schätzen sie nicht, weil sie sich nicht für sie eingesetzt haben. Wieso sollten sie das nun plötzlich tun?

wobei ich da komischerweise bisher anders dachte: bisher war ich immer entzückt, wie gut die gesellschaftlich-politische Diskussion in Germanien klappt - im Vergleich zu Ösiland, wo die Menschen immer noch enorm Kaisertreu agieren.
Kürzlich wurde ein hoher österreichischer Beamter (Botschafter in der EU) mit einem Orden behängt. Und in der Laudatio lobte ihn die Ministerin mit den Worten, er sei ein "echter josephinischer Beamter" - das ist doch eher eine Beleidigung, oder?
Nur seit ein paar jahren läuft radikal alles anders. Ist doch komisch....
Ich höre jetzt auch von Freunden, die reumütig wieder zurück eingewandert sind (aus Freiburg nach Wien) dass  auf einmal NICHTS mehr geht. Und mit den "Österreichischen Lösungen" kann bei "Euch" niemand umgehen. Das sind die "Es ist zwar verboten, aber wo kein Kläger, da kein Richter, mach ma's halt" - und genau durch DIESE Art schafft es Ösiland dann doch immer wieder, irgendwie weiter zu kommen. Und in Deutschland:" Es ist verboten, man muss den "normalen" Weg einhalten, und punkt." Und alles stagniert...
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Guntram am 24. Mai 2004, 12:17:09
So ist es halt bei uns, was nicht ausdrücklich erlaubt ist ist verboten.

Und damit unsere Beamten sich nicht noch mehr langweilen werden in Brüssel immer neue Verordnungen gestrickt die dann in den Ländern umgesetzt werden müssen. Vor kurzem kam ein Bericht über eine Seilbahnverordnung die die Bundesländer umsetzten müssen. Auch, ich glaube, Brandenburg oder Meck-Pom dort hat die höchste erhebung keine 200 m und Seilbahnen haben die auch nicht.

Italiener, Franzosen und andere hätten vermutlich gelacht und den Krempel in den Papierkorb geschmissen. Die dortigen Landespolitiker haben zwar auch nur den Kopf geschüttelt und sie dann aber tatsächlich in Landesrecht umgesetzt, weil es könnte ja ein Strafe von Brüssel kommen.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 25. Mai 2004, 01:45:37
Und heute lag ein stockbesoffenes und gespritztes Mädel zwei Hauseingänge von hier entfernt. Und ihr "Freund" hat sie angeschrien, damit sie wach wird. Da hab ich den Krankenwagen gerufen, weil ich an eine Alkvergiftung oder Koma dachte. Und der Mann am anderen Ende sagte: "Wenn sie nicht verletzt ist, dann müssen sie die Polizei rufen, nicht uns."

Irgendwie hat sie es dann doch gepackt und ist mit ihrem Macker zwei Hauseingänge weitergeschlichen, und ich bin einkaufen gegangen. Es war mir zu blöd, jetzt noch die Polizei zu holen. Und ich hab mich geärgert, dass ich mich überhaupt bemüht hatte. Als ich vom Einkauf zurückkam saßen die beiden jedenfalls immer noch da.

Ein Nachbar erzählte mir, es seien in der Zwischenzeit doch drei Polizisten dagewesen und hätten mich gesucht. MICH!!!
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Andrea am 25. Mai 2004, 01:08:46
Ich habe in Wien mal eine blinde Diabetikerin aus einem Selbstmordversuch "rausgeholt". Aus - mein ich. - Da rief ich die Feuerwehr, weil der Hausmeister mir nicht dabei helfen wollte, die Tür aufzubrechen. Die sagten auch: "Da müssen Sie die Polizei rufen." Das hab ich dann auch getan. Ich würd's in so einer Situation nie wieder tun - und wenn ich ein Loch durchbeißen müsste. - Die haben die Frau so unglaublich unmenschlich, so entwürdigend behandelt..., Als sie zu sich kam: "No Chefin, san's scho' munter?" Sie wollte ihre Daten nicht preisgeben, und ich tat es dann auch nicht, weil ich sie respektieren wollte. Daraufhin haben die alle Schubladen durchstöbert. Der Hausmeister und ich sagten der Frau, wenn sie das nächste Mal gefragt würde, ob sie denn immer noch daran dächte, sich umzubringen, sie solle sich geschickt rausziehen. Aber das hat sie nicht getan. Deshalb sollte sie - natürlich - auf die Psychiatrie. Und weil sie den Bullen zu lange brauchte, um sich anzuziehen, öffnteten sie einfach die Tür des Zimmers, in dem sie zuvor allein gewesen war. Dann richtete sie eine Schere gegen ihren Bauch, und die Bullen drehten ihr die Arme nach hinten. "Au! Mein Schultergelenk!" rief sie. "Des hätten's ihnen aber früher überlegen müssen." war die Antwort... Naja, und dann ab nach Steinhof. Es war echt so ein einschneidendes Erlebnis für mich - 1987 -, dass ich sogar noch weiß, was wer wann gesagt hat.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Nilepile am 29. Mai 2004, 22:03:38
ZitatWenn er das nicht abdruckt, kündige ich mein Abo!
Na, dann muss ich wohl. Weiß zufällig irgendjemand, ob man bei "titanic" immer noch Preise gewinnt, wenn man sein SPIEGEL-Abo kündigt?
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Nase am 30. Mai 2004, 01:08:04
Apropos Spiegel: Der lässt ganz schön nach in letzter Zeit! (nicht nur an deinem Beispiel zu erkennen, N.  :) )
Ich finde immer mehr skandalorientierte, geradezu reißerische Abschnitt, was mich wirklich entsetzt.

Gibt es denn gar keine vernünftige deutschsprachige Wochenzeitschrift mehr?
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Dagmar am 30. Mai 2004, 01:14:40
Na ja - ich fand den Schreibstil auch früher schon manchmal grenzwertig. Mag sein, dass das schlechter geworden ist. Mir kommt's auch manchmal so vor als ob sich die Schreibe immer mehr dem Bild-Zeitungsstil angleicht.

Ist halt nach wie vor ein Leitmagazin. Und Focus ist noch viel schlimmer. Und die Wirtschaftswoche ist halt sehr spezialisiert auf einen Ausschnitt.

Diese Woche war ein Artikel drin, den ich sehr spannend fand (@ Andrea: sorry, hab' ich gestern abend vergessen zu erwähnen): Mist - jetzt hab' ich den Titel schon wieder vergessen (irgendwas mit Fledermaus) - es war der Artikel über blinde Menschen, die mit einem Lehrer extreme Bergwanderungen unternehmen, und der den akkustischen Echoeffekt von Gegenständen im Raum sehr spannend beschrieb.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 30. Mai 2004, 01:23:27
ZitatNa ja - ich fand den Schreibstil auch früher schon manchmal grenzwertig.
Ja, das geht mir auch so. Dieser spiegelSprache geht mir immer öfter auf die Nerven. Ich hab in den letzten Monaten so viele Artikel gelesen, wo ich sofort gespürt habe: Da ist ein junger, neuer spiegelJournalist, der sich voller Freude in den Schreibstil seiner Vorgänger wirft und sich darin suhlt. Aber immer gewollt unpathetisch...
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Sandra am 30. Mai 2004, 02:36:40
Zitates war der Artikel über blinde Menschen, die mit einem Lehrer extreme Bergwanderungen unternehmen, und der den akkustischen Echoeffekt von Gegenständen im Raum sehr spannend beschrieb.

Und fahrradfahren gehen die auch!! Hab ich auch gelesen. Ist sicher auch online.
Zum schreibstil: Wer wurndert sich? Der Ton wird simpler und reisserischer, weil die Menschen rundum so erzogen werden, und dann muss man nolens volens nachziehen, sonst kriegt man kein Bein auf den Boden. Man will ja seine Sachen auch verkaufen.
Und wenn ich mir so ansehe, was die Menschen an Tönen immer mehr gewohnt sind, ja geradezu erwarten, weil sie's sonst garnicht kapieren - was bleibt einem anderes übrig?
Wer wird denn noch zu Kritikfähigkeit erzogen?
Wer ist denn nciht schon aus Gewohnheit denkfaul?
Das ist doch ganz normal, dass immer weniger auf das niveauvolle abfahren - ist einfach zu mühsam.
Daran muss man sich einfach gewöhnen und versuchen, seine Inhalte anders zu vekaufen. Leider.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Nilepile am 30. Mai 2004, 11:22:16
Zitat
Ja, das geht mir auch so. Dieser spiegelSprache geht mir immer öfter auf die Nerven. Ich hab in den letzten Monaten so viele Artikel gelesen, wo ich sofort gespürt habe: Da ist ein junger, neuer spiegelJournalist, der sich voller Freude in den Schreibstil seiner Vorgänger wirft und sich darin suhlt. Aber immer gewollt unpathetisch...
So mutieren die Zeitmeinungsbildenden allmählich zu Bildzeitungsmeinenden. Aber über die Sprache des Spiegel hat sich H.M.Enzensberger schon vor Jahrzehnten ausgelassen - als sie m.E. noch originell und vor allem erträglich war. Inzwischen karikieren sie sich unfreiwillig selber, scheint mir.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Sandra am 30. Mai 2004, 11:30:43
Tun das nicht die meisten Deutschen? ;D
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Maexl am 30. Mai 2004, 17:33:57
hmm mag stimmen, allerdings muss ich auch sagen, dass in den letzen ausgaben die beiträge zu interessanten themen zugenommen haben nur der sprachstil nahm tatsächlich ab. allerdings ist der spiegel immer noch spannender als der stern; lese beide wöchentlich

Maexl
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Sandra am 30. Mai 2004, 17:56:34
No geh - das war ja nur bös gemeint, nicht ernst. ;)
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Sandra am 30. Mai 2004, 20:02:04
Ich möchte aber trotzdem darauf hinweisen, dass der Spiegel immer noch wesentlich interessante Politikerinterviews hat, nicht so angepasst brav wie zum Beispiel das ösi-Pendant, das profil. Ich finde schon, dass ich im Spiegel immer wieder auch auf interessante Artikel stosse - die Schreibe ist oft daneben, ja, aber Journalisten sind wie Comixzeichner: Die wollen auch lieber ernsthafte Maler sein, und die Journaille will halt Lidderaddur.. ;) Aber hier geht's mir ja doch eher um's Inhaltliche - und da ist der Spiegel schon zumeist erwachsener als Forum (oder wie heisst das?) und profil - das profil titelt (!) diese Woche mit "Haben Tiere eine Seele?" - nur zum Bleistift.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 13. Juni 2004, 22:11:10
"Im 'gallischen Dorf' Strempt entlädt sich die Wut auf des Kanzlers Unwillen nun auf hoch zivilisierte Weise. Wenn die Strempter am 13. Juni zu den Wahlen zum EU-Parlament gehen, können sie als einzige in Deutschland auch über die EU-Verfassung abstimmen. In den Wochen vor dem Volksentscheid hatten die Bürger ausreichend Gelegenheit, sich eingehend zu informieren, etwa anhand der an alle Haushalte verteilten Informationshefte mit Argumenten pro und contra EU-Verfassung oder auf einem öffentlichen Diskussionsabend mit Spezialisten auf dem Podium. Damit hat die Protestaktion zugleich Lehrcharakter, denn sie hat vorgelebt, wie die Meinungsbildung im Vorfeld einer Abstimmung aussehen könnte. Der Ausgang der Abstimmung ist damit also noch offen. Ortsvorsteher Simon: "Wer die Aktion als Anti-EU-Aktion sieht, hat noch nicht verstanden, worum es uns geht. Uns geht es nicht um das Ergebnis, uns geht es um das Recht auf Abstimmung an sich."

Heute:
Europa-Referendum. Strempt hat abgestimmt: Klare Mehrheit für EU-Verfassung / "Erklärung von Strempt" verlesen
Strempt hat entschieden: Bei der Volksabstimmung am heutigen Sonntag sprach sich eine deutliche Mehrheit der Bürger für die Annahme der geplanten Europäischen Verfassung aus. Den Volksentscheid hatten die Strempter gemeinsam mit Mehr Demokratie e.V. organisiert. Die Strempter wollten damit ihren Protest gegen die Ablehnung eines EU-Referendums durch Bundesregierung und Bundestag zum Ausdruck bringen. Dazu verabschiedeten die Bürger im Anschluss an die Abstimmung die "Erklärung von Strempt".

An der Abstimmung nahmen insgesamt 383 der 739 Wahlberechtigten teil. Die Abstimmungsbeteiligung lag damit bei 52 Prozent. Von den 383 abgegebenen Stimmen waren 3 ungültig. 279 Bürger (73,6  Prozent der Abstimmenden) votierten mit Ja, 101 (26,4 Prozent) mit Nein.

Der selbst organisierte Volksentscheid hat die Bürger offenbar auch zur Stimmabgabe bei der Europawahl motiviert. Nachdem die Wahlbeteiligung von 45 Prozent im Jahr 1994 auf 31 Prozent im Jahr 1999 gefallen war, betrug sie dieses Mal wieder 52,2 Prozent.

Gerald Häfner, Vorstandssprecher von Mehr Demokratie e.V., erklärte: "Strempt ist ein Modell für ganz Deutschland, ein Beitrag zur Überwindung der Blockade in der Politik. Sobald jedoch die Menschen die Chance bekommen, Politik aktiv mitzugestalten, beteiligen sie sich auch. Wir wollen nicht nur ein, sondern viele Strempts: Ganz Deutschland soll künftig in den großen Fragen der Zeit mitentscheiden können."

Ortsvorsteher Wulf-Dietrich Simon sagte: "Ich habe die Bürger meiner Gemeinde nie so engagiert gesehen wie in den letzten Wochen. Das klare Ergebnis ist ein deutliches Votum für ein vereinigtes Europa. Die Strempter wollen diese Verfassung. Aber sie wollen vor allen Dingen auch, dass alle Bürger in den Ländern der Europäischen Union über diese Verfassung entscheiden können. Dieses Signal geht am heutigen Tag von Strempt nach Brüssel und Berlin."
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Sandra am 14. Juni 2004, 09:01:13
Quelle?
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 14. Juni 2004, 11:30:17
Oh, ja
Quelle: www.mehr-demokratie.de

Ging aber schon im Vorfeld durch einige Gazetten
http://www.taz.de/pt/2004/06/03/a0185.nf/text
http://www.dw-world.de/english/0,3367,1432_A_1219388,00.html
http://wahl.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,,OID3347582,00.html
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Andrea am 16. Juni 2004, 15:38:51
Informationsfreiheitsgesetz nutzt Behindertenbewegung

Berlin (kobinet) kobinet unterstützt die Initiative Pro Information,
die sich für ein Informationsfreiheitsgesetz einsetzt. Das Gesetz soll
allen Bürgern ermöglichen, Akten einzusehen oder Kopien von Unterlagen
öffentlicher Stellen zu bekommen, ohne dass eine persönliche
Betroffenheit oder eine Antragsbegründung erforderlich ist. Genau
definierte Ausnahmeklauseln sorgen dafür, dass sensible Informationen,
zum Beispiel personenbezogene Daten oder Geschäftsgeheimnisse,
geschützt bleiben.

Auf der Internetseite von Pro Information werden Unterschriften
gesammelt, um für die Einführung eines Informationsfreiheitsgesetzes
auf Bundesebene zu werben. Ziel ist es, bis zum Herbst 2004 mindestens
50.000 Unterstützer für die Kampagne zu gewinnen.

Die Initiatoren der Kampagne sind unter anderem Transparency
International, das Netzwerk Recherche und der Deutsche
Journalisten-Verband. Die Aktion wird von namhaften Erstunterzeichnern
wie Gesine Schwan, Präsidentin der Viadrina-Universität oder dem
Journalisten Hans Leyendecker unterstützt.

Durch ein Informationsfreiheitsgesetz würde ein Bürgerrecht
verwirklicht, das aus Sicht der Initiatoren in einer modernen
Demokratie unverzichtbar ist. Nur wer Zugang zu Informationen hat,
kann sich sinnvoll politisch beteiligen.

Behindertenbeauftragte der Kommunen hätten Akteneinsicht in
Bauvorhaben, behinderte Bürger könnten Akten entnehmen, ob ihre
Belange ausreichend berücksichtigt werden. Ausschreibungen wären auch
für ansich Unbeteiligte öffentlich. Ämter und Ministerien wären
verpflichtet, Behindertenverbänden Auskünfte über geplante
Gesetzesänderungen zu geben. Die Möglichkeiten, politisch Einfluss zu
nehmen würden also erheblich verbessert.

Deutschland gehört zu den letzten Industrienationen, in denen das
Prinzip des Amtsgeheimnisses gilt: Bei uns werden Informationen, die
bei öffentlichen Stellen vorliegen, unabhängig von ihrer tatsächlichen
Schutzbedürftigkeit grundsätzlich als geheim behandelt. Nur in
Ausnahmefällen haben die Bürger ein Akteneinsichtsrecht. Diese
Geheimhaltungspraxis ist ein Relikt des Obrigkeitsstaates, das nicht
mehr in das Informationszeitalter und in eine moderne Demokratie
passt.

Mit einem solchen Gesetz hätten Bürger und Journalisten bessere
Möglichkeiten, sich über Aktivitäten der Verwaltung zu informieren.
Die rot-grüne Koalition hatte schon im ersten Koalitionsvertrag 1998
angekündigt, ein solches Gesetz auch auf Bundesebene einführen zu
wollen. Mit der Kampagne wollen die Initiatoren zeigen, dass es eine
breite Unterstützung für das Gesetz in der Öffentlichkeit gibt. Cl
Quelle: http://www.kobinet-nachrichten.org
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Andrea am 16. Juni 2004, 16:56:58
Link zur Unterschriftenaktion: www.pro-information.de
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: christian am 22. Juni 2004, 03:31:22
Doch doch direkte demokratie ist immer klasse und total wichtig! (nochmal das thema vom anfang aufnehmend, bastian)

Klar, man kann sehen, wie die leute immer politikverdrossener werden (oder sollte man sagen POLITIKER-verdrossen??), sich immer weniger an wahlen beteiligen und sich immer weniger von den damen und herren in den parlamenten vertrenen fühlen...

Klar, teilweise ist das alles verständlich, weil an der SCHEIN-demokratie in aller landen - samit klüngel, korruption, beraterverträgen, lobbyisten - kann man ja wirklich verzweifeln.

Ich denke das ist eine gute - und vielleicht sogar historische chance - dem alten langweiligen parlamentarismus a la zwei-drei-parteiendiktatur lebe woanders wohl zu sagen, und neue formen zu finden und zu entwickeln...  wie formen direkter demokratie.

Deutschland z.b. ist ein entwicklingsland in sachen demokratie. Und es gibt anderswo viele gute und funktionierende beispiele. Wollen wir mal nicht immer auf der reichen (und langweiligen) schweiz rumreiten - da gibts sowieso zu viele berge, um zu reiten - aber z.b. in porto alegre (mio.stadt, süden brasiliens) gibt es seit 14 jahren einen funktionierenden sog. "beteiligungshaushalt" der direkt von den bürgern bestimmt wird. Die entscheiden einfach selbst, wohin da die knete fließt. Das finde ich persönlich sehr inspirierend.

Im allgemeinen scheint eine sensibilität in diese richtung zu wachsen, was man auch im web sieht:
z.b. (hier ein anderer link) unter
http://experiment-demokratie.de

Und das bruachen wir, wenn wir wirklich frei und wirklich unabhängig sein wollen.

In diesem sinne - christian aus köln (bei stremp)
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Andrea am 22. Juni 2004, 08:49:59
Herzlich willkommen, Christian! Da freue ich mich aber, hier deinen ersten Beitrag lesen zu dürfen :-). Und jetzt wisst ihr alle, wo ich gestern war - bei den Humanisten nämlich. - Die Gruppenarbeiten haben wirklich Spaß gemacht, und alle hatten gute Vorschläge. Ich war - natürlich - in der Gruppe gegen Diskriminierung, und wir haben uns für so viele Gruppen eingesetzt in unserem ersten Blatt, das noch ins Reine geschrieben werden muss, dass die, die wir nicht bedacht haben, eine kleine Minderheit sind: Hethero-Männer unter 30. ;-) Im Ernst: Wenn man es genau betrachtet, dann werden die meisten Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihres Glaubens, ihres Geschlechts, ihrer Sexualität, ihres Alters... diskriminiert.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: christian am 23. Juni 2004, 19:05:03
Danke, Andrea (und Sandra, im anderen thread) für das nette willkommen!

... etwas ähnliches Andrea hab ich bei einem treffen auf europa-ebene in prag mitgekriegt, an einem Tisch zum Thema Diskriminierung:

Da saßen 8 oder 9 frauen und ein mann, und ihre schlussfolgerung war, wir sind gegen die diskriminierung der frauen, homosexueller, jeder ethnien, weltanschauungen oder religionen, behinderter etc. etc. - und wir sind gegen die diskriminierung des mannes...  lach, ich fands ganz lustig...

Aber letzten endes werden wir natürlich in dieser gesellschaft, in der wir leben, alle diskriminiert, solange wir nicht die knete von bill gates haben oder den erfolg von madonna....
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Sandra am 23. Juni 2004, 19:23:53
Und was glaubst, was DIE erst diskriminiert werden!!
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: christian am 24. Juni 2004, 04:58:53
wer? bill gates und madonna?! oder vielleciht michael jackson, weil er ein unschuldiges opfer der gesichtchirugie und der kinder, die ihn immer verführen wollen, ist?  ;D
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Sandra am 24. Juni 2004, 10:51:15
Naja, stell Dir doch vor: Wenn Du nicht normal in ein Lokal gehen kannst, wenn Du ständig von irgendwelchen Dir unbekannten Leuten angequatscht wirst, weil die dich anschnorren, wenn Du nicht imstande bist, einfach im Supermarkt einzukaufen, oder nie sicher sein kannst, dass Deine Freunde auch wirklcih DEINE Freunde sind....all das ist doch Diskriminierung, oder?

Klar, selber Schuld - aber trotzdem: mir tun die leid, und die können letztlich ganz genauso wenig selbstbestimmt leben, wie andere Diskriminierte.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Andrea am 24. Juni 2004, 11:03:13
Dazu kommt: Egal, was diese Menschen tun, irgendwas wird IMMER über sie berichtet. Und das, was über sie berichtet wird, hat nur wenig mit dem, was sie denken oder wollen - mit ihren Anliegen - zu tun.
Ein Bisschen habe ich solche Situationen in Begegnungen mit Nina Hagen erlebt. Nina nimmt das wirklich cool. Sie versucht, gut auf die Menschen zu reagieren und einzugehen. Irgendwann vor ein paar Jahren hat der Vater ihres Sohnes das Kind nicht zu Nina zurück gebracht - enftführt - wie auch immer. Ich habe dass durch die Sendung Exclusiv bei RTL erfahren. Ich war gerade dabei, meine Sachen zu packen und nach Hause zu gehen, da hörte ich den Bericht. Und am nächsten Tag zeigten sie die weinende Nina am Flughafen, die gefragt wurde, was ihr Sohn am Telefon gesagt hat: "Mummy, mumy, get me back." Das fühlte sich für mich echt hart an - so übers Fernsehen das mitzukriegen. - Da habe ich zum ersten Mal eine richtige Wut auf meine Kollegen gekriegt und gedacht: Müsst ihr euch wirklich so drauf stürzen?
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: christian am 24. Juni 2004, 15:32:48
Meine Damen - prinzipiell gebe ich euch natürlich recht; die programmdirektoren oder chefredakteure, die mit diesem paparazi-journalismus noch mehr geld scheffeln wollen, sind natürlich absolute scheiße...

Dagegen gibt es immer wieder prominente, die solche journalisten auch allzu gerne bedienen (bespiel einer meiner 'lieblingsmusiker' dieter bohlen) oder andere, die von BILD-journalisten ihre biographie schreiben lassen.

Egal, auf einer liste der schlimmsten diskriminierungs-fälle würden auf jeden fall die promis bei mir erst auf den unteren rängen landen...
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Andrea am 24. Juni 2004, 16:19:47
Ich denke auch, man müsste das Pferd auf der anderen Seite "aufzäumen?" ist das das richtige Wort? Nämlich dort: Wo hört die Privatsphäre eines Menschen auf? Das ist die Frage, die sich Journalisten, die in die Intimsphäre von Promis rein gehen, nicht stellen. Was heißt: Nicht stellen... die sie außer Acht lassen. Es müsste ein gesetz geben, das den Eingriff in die Privatsphäre generell verbietet. Dann müsste man sich so Sachen wie: Wer mit wem und warum nicht mehr im Fernsehen oder Radio reinziehen oder besser - über sich ergehen lassen. Klar brauchen wir die Medien, aber nicht für so oberflächlichen Scheiß. Oder was meint ihr?
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 24. Juni 2004, 16:41:38
Solche Gesetze gibts ja schon. Nur gelten für "Personen von öffentlichem Interesse" leicht andere Regeln. Auch was das Recht am eigenen Bild angeht. Zwar bin auch ich der Auffassung, dass "Promis" Privatsphäre haben, und dass man diese achten soll. Nur: Hat Herr Bohlen meine Privatsphäre geachtet, als ich noch in der Altstadt lebte? Oder Wolfgang Petry? Sie haben mich vollgedudelt mit ihrem Mist. Ich bin dann irgendwann völlig verdudelt weggezogen...

Aber die Herumstocherei in Privatangelegenheiten sind widerlich. Und die Presse und vor allem ihre Leser haben es in der Hand. Als Prizessin Diana in ihren letzten Tunnel fuhr wurde sie von Paparazzi verfolgt, wie sie sie ihr Leben lang verfolgt haben. Und das nur, weil es so viele arme und dumme Seelen gibt die solche Postillen wie bunte, bild, gala etc. kaufen. Als die Queen of Hearts tot war gab dies die beste Geschichte überhaupt, und alle armseligen Seelchen kauften sich die bunte- quick- bild- gala- Sonderausgabe und weinten sich aus. Dass sie ursächlich schuldig waren am verkorksten Leben und dem Tod Dianas haben diese Stumpfbirnen wahrscheinlich bis heut nicht kapiert.

Mir ist Diana egal. Und ich kaufe keine bildzeitung oder anderen Mist. Und ich glotze keine Sendungen, in denen es um Promis geht. Und wenn ich dadurch Wolfgang Petry vor einer finalen Tunnelfahrt bewahrt habe, na bitte. Das hab ich dann davon... :D
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 24. Juni 2004, 17:01:17
Ach, das Pferd zäumt man von hinten auf, oder von der anderen Seite. Wenn man es auf der anderen Seite aufzäumt, baumelt das Zaumzeug hinten rum. Man reitet dann rückwärts durch die Gegend. Das lässt sich nur bedingt dadurch ausgleichen, dass man den Sattel unter den Bauch des Pferdes schnallt. Dann hängt man beim Reiten kopfüber vom Pferd runter und es haut einem die Bordsteinkanten, Wurzeln und Dreckklumpen an den Hinterkopf. Bis man merkt, dass man den ursächlichen Fehler am Anfang gemacht hat... :-*
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Sandra am 24. Juni 2004, 19:51:31
Vor hundert Jahren oder so war man noch prominent und wichtig, wenn man zwar viele Leute gekannt hat - aber selbst unerkannt war. Heute ist es genau umgekehrt - Andy Warhol schau oba.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Guntram am 25. Juni 2004, 07:53:27
Nach dem gestrigen Urteil des EuGh wird sich das etwas ändern.

Übrigens scheinen manche Prominete die das wirklich wollen ihr Privatleben privat zu halten, das auch zu schaffen und die Presse scheint dies zu respektieren. Zumindest wenn man nicht zur adsoluten Promi-Spitzenklasse gehört und zuviel Skandale produziert.

Wer allerdings privat Urlaubmachen will und die Urlaubsadresse über seinen Pressesprecher vertraulich weiterleiten läßt muß sich nicht wundern.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Andrea am 25. Juni 2004, 08:35:31
@Guntram: Welches Urteil? Quelle?
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Guntram am 25. Juni 2004, 08:39:38
Ging gestern durch alle Sender und steht heute in der Zeitung.

Caroline von Monaco gewann gegen die Bundesrepublik wegen Veröffentlichung von heimlich aufgenommen Fotos in deutschen Illustrierten Aufgrund unzureichenden Persönlichkeitsschutzes im deutschen Presserecht.

Zeitungskommentare sprechen vom Ende der Pressefreiheit.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Sandra am 25. Juni 2004, 10:50:33
ZitatÜbrigens scheinen manche Prominete die das wirklich wollen ihr Privatleben privat zu halten, das auch zu schaffen und die Presse scheint dies zu respektieren. Zumindest wenn man nicht zur adsoluten Promi-Spitzenklasse gehört und zuviel Skandale produziert..

Vor allem dann, wenn man in der wirtschaft tätig ist. Als künstler ...vergiss es. Auch als "gekröntes Haupt" oder so.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Guntram am 25. Juni 2004, 11:58:53
Sprichts du aus Erfahrung?


Im Ernst, über Woody Allen habe ich gelesen er lebe so gerne in New York weil er dort durch den Central Park gehen kann ohne das ihn jemand anspricht und sein Privatleben respektiert.

Bei Manchen scheints zu klappen. Klar ist die Presse gnadenlos und das Publikum wartet sabbernd auf den nächsten Skandal, aber es gibt genug Promis die wären zu tiefts beleidigt, wenn sie keine Bodyguards mehr bräuchten um sich die Paparazzi vom Hals zu halten.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Sandra am 25. Juni 2004, 19:55:39
Ich hab vor Jahrhunderten mal in einer so richtig doofen Fernsehserie mitgespielt. Und solang die lief - ich war in 56 Folgen - habe ich ziemlich genau mitkriegen können, wie es echten Promis so geht. (G*ttseidank vergisst Dich das Publikum wieder, sobald Du nciht mehr permanent am Schirm zu sehen bist). In Deutschland war's besonders arg. Da haben mich die Leute auf der Strasse angefasst, und gefilmt und fotografiert - und ich war nur ganz normal einkaufen oder so. In Österreich waren sie im grossen und ganzen etwas menschlicher. Man hat gemerkt, sie erkennen Dich, aber sie sagen nix. In Deutschland war erkennen und anquatschen quasi eins. War echt nciht auszuhalten. Ich denke mir: Du bist jeden Abend bei denen im Wohnzimmer, und deshalb glauben sie, Du gehörst ihnen. Ist allerdings schon ...urgh... das war 88! Und inzwischen sind diese ganzen "Stars für zwei Tage-Serien" und Superstar und so - Deutschland ist plötzlich überschwemmt mit heimischen Stars, da isses vielleicht besser geworden.
Damals hat mir eine Frau, eine Deutsche, die mich in Wien an der Strassenbahnhaltestelle angesprochen hat, folgendes gesagt: Ich:"Warum sind Sie denn so aus dem Häuschen, bei Ihnen gibt's doch auch Fernsehschauspieler" - und Sie: "Ja, aber bei uns zeigen sie sich nicht so einfach auf der Strasse." ::)
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Dagmar am 26. Juni 2004, 03:29:02
Ich hab' mehrfach Moderationen bei den Öffentlich-rechtlichen angeboten bekommen für sogenannte "Psychosendungen" - "Anuth berät" war ein bereits fixierter Titel.

Ich hab' immer lange überlegt - hat mich natürlich geschmeichelt, wäre auch - mehr oder eher weniger - eine publizistische Chance gewesen. Vielleicht versteht Ihr's nicht oder auch doch: Ich habe es nach langen Überlegungen immer abgelehnt. Ich wollte nicht am Samstag beim Bäcker stehen, mir anhören: "AAAAAch Frau Anuth... blablablabla - Gott was sind Ihre Kinder süß! Hörense mal, ich hab' da 'ne Tante von 'ner Tante - Sie machen das doch in der ARD. Die Tante von der Tante hat ein Problem ... blablablabla...."

Neee danke! Wirklich nicht!
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Andrea am 26. Juni 2004, 03:35:25
Ich würde das, wenn ich eine Familie hätte, auch nicht machen. Gerade so ein Psycho-Talk ist es nicht wert, seine Privatsphäre abzugeben, finde ich.
Naja: Prominent sein ist ähnlich wie ein Handicap haben. Man wird halt einfach nicht in Ruhe gelassen.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 26. Juni 2004, 10:18:19
Guntram schrieb:
ZitatZeitungskommentare sprechen vom Ende der Pressefreiheit
Den Satz finde ich genau so wichtig. Ich hab auch so ähnliche Kommentare gelesen. Wie dämlich sind unsere heutigen Journalisten, dass ihnen solche Sätze herausrutschen. Welch ein Beweis der eigenen Unfähigkeit. Wer bei der kleinsten Kritik oder Beschränkung schon die Pressfreiheit heranzieht, hat offenbar keine realen Argumente für sein Handeln.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Sandra am 26. Juni 2004, 11:43:28
Tscha. Das ist eine gefährliche Keule. Aber ich vermute, so richtig Druck kann man wohl nur mit so billigen Sachen machen - denn wenn eine Info vom Ministerium nicht weitergegeben werden kann (oder wenn man als Journalist gezwungen wird, Quellen anzugeben, wenn man strafbare Handlungen recherchiert) dann lockt das keine Sau wegen der pressefreiheit auf die Strasse...
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Guntram am 28. Juni 2004, 07:09:11
Pressefreiheit ist wichtig. In Schweden (glaube ich, auf jeden fall eines der skandinavischen Länder) haben Reporter Zugang zur Post der Regierung und können alles lesen was sie wollen, bis auf ganz wenige geheime Sachen, die speziell gekennzeichnet sind.

Das ist schon sehr viel Freiheit. Freiheit bedeutet auch Verantwortung und 24 Stunden auf einem Baum hocken um nur um einen Promi am Pool zu fotografieren hat für mich nichts mit Verantwortung zu tun. Das ist spannen. Denen sollte man den Baum unter der Arsch wegsägen. Dann hat er noch seine Schlagzeile, "Mann fiel vom Baum und prellte sich seien Steiß".
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 28. Juni 2004, 11:35:25
aus:http://www.kep.de/show.sxp/6661.html?wow=new&sxpident=234918NWI-O-shtVIV--PbhD--gl

Rau fordert verantwortungsvolle Journalisten  
H a m b u r g (KEP) - Bundespräsident Johannes Rau hat am Samstag verantwortungsbewusstere Journalisten gefordert, die sich nicht vom Mainstream des Boulevards oder von ökonomischen Interessen beeinflussen lassen. Medienmacher seien im Kampf um Quoten zu oft bereit, unter dem Vorwand journalistischer Arbeit die Menschenwürde zu verletzten, so Rau.

Vor rund 500 Gästen der Jahrestagung der Journalistenvereinigung "Netzwerk Recherche" sprach Rau über seine Erfahrungen mit den Medien in den 46 Jahren, in denen er politische Ämter inne hatte. Zur Medienkonferenz, die vom NDR unterstützt wurde, trafen sich Vertreter aus Medien, Politik und anderen gesellschaftlichen Gruppen. Das Thema lautete: "Luxusgut Recherche - wie teuer darf Wahrheit sein?".

"Ich finde es abstoßend, wenn Menschen zur Belustigung anderer im Dschungel oder in heimischen Talkshows in demütigenden Situationen vorgeführt werden", so der Bundespräsident. Auch der Einwand, die Kandidaten beteiligten sich freiwillig, überzeuge ihn nicht: "Ich bezweifle, dass die Betroffenen immer richtig einzuschätzen können, was mit ihnen geschieht."

Journalisten trügen Verantwortung für das, was sie tun, sagte Rau. Kein journalistisches Interesse könne eine Verletzung des Grundrechtes auf Würde rechtfertigen. "Wer im Privatleben anderer Menschen wühlt, kann sich nicht einfach auf ein öffentliches Interesse berufen", so der Bundespräsident.

Wenn ein Journalist sich verteidige, die Zuschauer und Leser verlangten nach diesen Grenzverletzungen, so ist dies, so Rau "das armseligste Argument" von allen. "Gute Journalisten brauchen einen eigenen Kopf", forderte der Bundespräsident, und fragte zugleich: "Ist ein Superstar wirklich ein Talent? Oder werden Menschen aus ökonomischem Interesse mit journalistischen Mitteln zum Medienereignis gemacht?"

Rau kritisierte in diesem Zusammenhang, dass sich Redakteure zu oft an andere auflagenstarke Zeitungen hielten: "Ich habe nichts gegen den Boulevard. Aber kann es wirklich sein, dass ein Boulevardblatt zum 'Leitmedium' der deutschen Presse wird?"

"Journalisten sollen die Wirklichkeit abbilden" lautete einer der zehn Sätze, die der Bundespräsident als Leitfaden für den Journalismus präsentierte. Die anderen Sätze befassten sich mit den Problemen im Medienbetrieb, etwa dass Journalisten eine gute Ausbildung und Geld bräuchten sowie unabhängig und eigenständig sein müssten.

Das Netzwerk Recherche ist ein Zusammenschluss von etwa 300 Journalisten, die sich für die "journalistische Tugend der Recherche" einsetzen. Sie untersuchen die Manipulation in den Medien sowie das Spannungsverhältnis zwischen Qualität und Quote.(js)
 
 
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 28. Juni 2004, 11:40:45
Die gesamte Rede Raus ist hier nachzulesen:
http://www.netzwerkrecherche.de/html/jtagung2004_rau.htm
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Sandra am 28. Juni 2004, 17:01:05
ZitatRau kritisierte in diesem Zusammenhang, dass sich Redakteure zu oft an andere auflagenstarke Zeitungen hielten: "Ich habe nichts gegen den Boulevard. Aber kann es wirklich sein, dass ein Boulevardblatt zum 'Leitmedium' der deutschen Presse wird?"

Applaus! Applaus!! Applaus!!!
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 28. Juni 2004, 22:54:43
Aus der Rede, zum Thema exklusive Berichterstattung: "Inzwischen hat sich aber ein verhängnisvoller Medien-Mechanismus entwickelt, der die Politik und das Land in einen atemlosen Zustand Art permanenter Dauererregung versetzt. Ich will versuchen, diesen Mechanismus an einem Beispiel ganz plastisch zu erläutern. Vor drei Wochen erklärte der Bundesverkehrsminister in einem Interview mit einer Sonntagszeitung, was seit Jahren die Rechtslage in Deutschland ist: Privatunternehmen, die ein neues Verkehrsprojekt privat finanzieren und betreiben, können eine Mautgebühr für dieses Projekt erheben. "Allerdings", so sagte Manfred Stolpe, "ist diese Variante auf Grund europäischer Rahmenbedingungen beschränkt auf Tunnel, Brücken oder Gebirgspässe und einige wenige Bundesstrassen und Autobahnen." So weit der Originalton.

Die Zeitung macht daraus die Überschrift "Stolpe will Maut für Pkw" und gibt eine Vorabmeldung an die Nachrichtenagenturen. Am Samstag meldet die erste Agentur: "Stolpe - Maut auch für Pkw denkbar". Die nächste spitzt schon weiter zu: "Stolpe plant Maut auch für Pkw". Am Abend, das Interview ist noch immer nicht erschienen, beliefert eine andere Zeitung die Agenturen vorab mit einer exklusiven Stellungnahme des ADAC, der "mit allen Mitteln gegen die Pkw-Maut kämpfen" wolle.

Am Sonntag, das Interview ist endlich erschienen, stellt das Ministerium klar, dass keine Maut geplant sei. Wenige Stunden später weist ein Grüner die Pläne Stolpes zurück, der CSU-Generalsekretär spricht von "hemmungsloser Abzockerei", die CDU kritisiert die "neue Schröpfkur".

Am Montag ist die offenbar unmittelbar bevorstehende Einführung einer Pkw-Maut in Deutschland das Thema aller Kommentare, es gibt Sonderberichte im Fernsehen, Experten werden befragt, die Opposition beschimpft die Regierung und umgekehrt.

So geht das noch drei, vier Tage. Danach kehrt langsam wieder Ruhe ein. Der Nebel lichtet sich. Es gibt keine allgemeine Pkw-Maut, das hat auch niemand geplant. Der Verkehrsminister sei "lädiert", schreibt eine Zeitung, und nicht nur die Bürger sind verunsichert und fragen sich: "Sind denn alle verrückt geworden?"

Es gibt inzwischen leider viele Beispiele dieser Art. Virtuelle Debatten, deren Ursprung keinerlei Aufregung rechtfertigen würde, beschäftigen Journalisten und Politiker tagelang, manchmal wochenlang. Aus Referentenentwürfen werden in den Nachrichten Gesetzesvorhaben, aus Interviewäußerungen werden in der flotten Moderation gleich Pläne. Das Ergebnis ist immer dasselbe: Die Bürger verstehen immer weniger, was wirklich und was wirklich wichtig ist. Sie wenden sich ab und beschließen, vorsichtshalber gar nichts mehr zu glauben. Dafür tragen Journalisten eine erhebliche Mitverantwortung."

Ein etwas langer Slogan, aber man sollte ihn an jede Wand sprühen...
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Andrea am 29. Juni 2004, 06:30:47
Läuft das erst in den letzten zehn Jahren so, oder fällt es mir erst seither auf? Ich bilde mir ein, dass die Berichterstattung in den 80ern noch seriöser und "langsamer", also ohne Übertreibungen, stattgefunden hat.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Guntram am 29. Juni 2004, 07:23:45
Wer bei einer Sonntagszeitung mit 4 großen Buchstaben ein harmloses Interview gibt wird einen großen Skandal bekommen.

Wie blauäugig sind unsere Politiker eigentlich? Für sein Alter ist Solpe noch reichlich naiv und das nicht nur gegenüber Journalisten.

Aber woher solls auch kommen. Ein Kanzler der geglaubt hat mit Hilfe der Bild regieren zu können (jetzt straft er sie ja durch Nichtbeachtung) hat kein besseres Personal verdient, bzw. er stellt niemanden ein der besser sein könnte als er. Der könnte seiner Machtposition ja gefährlich werden können.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Sandra am 29. Juni 2004, 21:17:39
Ich glaube auch, dass es schlimmer geworden ist, und vor allem: immer schlimmer wird! Denn sie müssen sich ja gegenseitig immer mehr übertrumpfen.
Mit der "Sicherheit" ist es ja genauso. Den Menschen wird eine Unsicherheit vorgegaukelt, in der Stadt, dass sie sich demnächst wohl alle bewaffnen werden - wer Bowling for Columbine gesehen hat, weiss, worauf ich hinaus will.
es muss immer extremer sein  - alles, das Leben, die Nachrichten, die Kleidung - alles wird auf die Spitze getrieben.
Bis - wie ich SEHR hoffe - die Menschen dann endlich wieder ein bisschen Ruhe und Frieden wollen, und beginnen wieder gerne ZUzuhören...und Chansonplatten kaufen, statt Pop und Rock. ;) und in's theater gehen wollen, weil sie wieder mehr echte Menschen statt nachbearbeiteter Püppchen sehen wollen etc.

@Guntram: Stolpe ist da wohl auch ein bisschen zwischen Scylla und Charybdis: Als Politiker MUSST Du den Medien was sagen - und wenn Du dann was sagst, wird es verdreht. Und zwar so pervers, das KANN man oft nicht vorausbedenken...
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Guntram am 01. Juli 2004, 07:10:25
Dann sollten Politiker versuchen weniger zu reden und mehr zu sagen. :-X
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Sandra am 01. Juli 2004, 09:26:39
Politiker:"(...)man sieht sie hereinkommen, man sieht sie herausgehen, aber was dazwischenliegt - und das ist UNSER Schicksal, was da entschieden wird - das bleibt im Dunkeln.
Deshalb sollten sich Politiker auch nie wie der  liebe G*tt vorkommen. Denn G*tt, der HErr, macht es genau umgekehrt: Seine Entscheidungen trifft er ganz offen. Aber niemand sieht ihn kommen und gehen."

Georg Kreisler in "Heute Abend: Lola Blau"
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Guntram am 01. Juli 2004, 09:50:14
Man sieht Kreisler ist zeitlos.


Noch ein Leitspruch für unsere Talk-itiker:

Wenn man keine Ahnung hat, ...

... einfach mal Fresse halten.

(Dieter Nuhr)


[Ich war mal so frei, das zu korrigieren. Stroganoff]
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 26. Mai 2005, 15:35:58
Morgen wird übrigens der Bundesrat der EU- Verfassung zustimmen...


Mehr Demokratie e.V.
Bundesverband

Presseinformation Nr. 22/05
Berlin, 26.05.2005

* Europäischer oder demokratischer Musterschüler?
* Mit der Schnell-Ratifikation der EU-Verfassung setzt der Bundesrat das
falsche Signal

Wenige Tage vor den Referenden in Frankreich und den Niederlanden will
die Bundesregierung mit der einstimmigen Ratifikation der Europäischen
Verfassung im Bundesrat ein Signal setzen. Zur Abstimmung am morgigen
Freitag erklärte Claudine Nierth, Vorstandssprecherin der Bürgeraktion
Mehr Demokratie:

,,Der Bundesrat setzt das falsche Signal. Deutschland mag als
europäischer Musterschüler erscheinen, wenn die Länderkammer einstimmig
oder beinahe einstimmig für die Annahme des Verfassungsvertrags votiert.
In Sachen Demokratie und Bürgerbeteiligung zeigt sich die Bundesrepublik
durch den Verzicht auf eine Volksabstimmung wieder einmal als
Entwicklungsland.

Das Ausland und zumal die Franzosen und die Niederländer, die in wenigen
Tagen über die Verfassung abstimmen, wird die Entscheidung kaum
beeindrucken. Dass Deutschland dem Vertragswerk zustimmen wird, steht
ohnehin schon lange fest. Eine kontroverse öffentliche Debatte, wie sie
in den Nachbarstaaten im Vorfeld der Referenden stattfindet, gab und
gibt es hierzulande nicht. Die Verfassung wird im Eilverfahren und unter
Ausschluss der Öffentlichkeit ratifiziert.

Der Bundesrat hätte ein deutliches und noch dazu demokratisches Signal
setzen können – wenn er sich schon vor Monaten dafür ausgesprochen
hätte, die Verfassung zum Gegenstand der ersten bundesweiten
Volksabstimmung zu machen. Dem Ausland hätte das gezeigt, welche
Bedeutung man dem Vertragswerk zumisst. Schon die öffentliche Diskussion
im Vorfeld eines Referendums wäre ein Bekenntnis zu einem Europa der
Bürger gewesen. Gegenüber der Bevölkerung wäre es ein Vertrauensbeweis
gewesen, der 56 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes – das
ebenfalls nie vom Volk beschlossen wurde – längst überfällig ist."

Christian Posselt, Pressesprecher
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 27. Mai 2005, 01:19:24
Was haltet ihr hiervon? Ein schwieriges Thema: Soll das Votum der Bürger als klare Entscheidung angenommen werden? Welchen Stellenwert haben Volksabstimmungen? Darf man sich über sie hinwegsetzen? Und wenn ja, welches Recht begründet das? Wieso schaffen es die Politiker nicht, ihre Ziele den Leuten nahezubringen? Alles sehr kompliziert...

Franzosen und Holländer sollen bei einem Nein erneut abstimmen

Der amtierende EU-Ratschef Jean-Claude Juncker hat Frankreich und die Niederlande aufgefordert, bei einer Ablehnung der europäischen Verfassung erneut über das umstrittene Gesetzwerk abstimmen zu lassen. In beiden Ländern haben die Verfassungsgegner zurzeit die Mehrheit.

Paris - Um die "richtige Antwort" bei den Volksbefragungen über die EU-Verfassung zu bekommen, sollten Frankreich und die Niederlande das Referendum im Falle einer Ablehnung erneut ansetzen, forderte Juncker nach Angaben der "Financial Times", die aus einem Interview des Luxemburgers mit der belgischen Zeitung "Le Soir" zitiert. "Die Länder, die mit Nein stimmen, müssen die Frage erneut stellen", habe Juncker gesagt. "Und wenn wir es nicht schaffen, die richtige Antwort zu bekommen, wird der Vertrag nicht in Kraft treten." Auch bei einer Ablehnung in Frankreich und den Niederlanden sollten alle 25 EU-Mitglieder unbeirrt weiter die Ratifizierungen in den Parlamenten fortsetzen, forderte Juncker.

In Frankreich wird am Sonntag, in den Niederlanden am Mittwoch in Volksabstimmungen über die EU-Verfassung entschieden. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Sofres-Unilog für die Zeitung "Le Monde", den Radiosender RTL sowie den Fernsehsender LCI sprachen sich 54 Prozent der Franzosen gegen die Verfassung aus. Auch in den Niederlanden lagen die Gegner der EU-Verfassung in Umfragen zuletzt vorn.
Quelle: spiegel.de
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Sandra am 27. Mai 2005, 01:59:30
Wir hatten schon mal ein ähnliches Gespräch über Volksabstimmungen. Das Um und Auf ist die Art und Weise der Information. Da man aber die Medien nicht soweit in der Hand hat, dass sie komplizierte Sachverhalte auch kompliziert darstellen - im Sinne von: Alles wird gern schwarzweiss gemalt, weil's verkaufbarer ist - ist es für mich bedenklich.

Umfragen sind fast immer Ergebnis der MeinungsMACHE und praktisch nie der MeinungsBILDUNG. Leider.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Sandra am 27. Mai 2005, 02:01:56
Übrigens findet sich im Perlentaucher ein recht interessanter Artikel zum Thema EU-Verfassung von Habermas.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Guntram am 27. Mai 2005, 21:28:37
http://europa.eu.int/constitution/index_de.htm

Hier findet man die EU-Verfassung in voller epischer Länge.

Das Problem ist, für jeden Mist werden von der Regierung Unsummen für Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit ausgegeben. Für die EU-Verfassung wird keine entsprechende PR gemacht. Es heißt nur, sie ist wichtig, keine Angst, alles wird gut .....

600 Seiten soll das Ding haben. Wieviele unserer Abgeordneten haben sie wirklich gelesen? Die allg. Abneigung gegen die EU-Verfassung ist eine reinemotionale Sache und unsere Politiker haben zu Recht Angst, das sie bei einer Volksabstimmung durchgefallen wäre.

Die EU-Verfassung ist bestimmt ein wichtiges Dokument auf dem Weg zu einem gemeinsammen (ich schreibe bewußt nicht geeinten) Europa. Es gibt aber zu viele Köche und immer nur der kleinste gemeinsame Nenner ist zu wenig. Die EU muß demokratischer und transparenter werden und jeder Europäer muß den Vorteil eines Europas  erkennen das für alle Europäer da ist und auch nach außen hin Europa mit einer Stimme vertritt. Nur dann wird die EU auf Dauer von ihren Einwohnern akzepiert werden.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Sandra am 28. Mai 2005, 11:19:51
Ja, das finde ich auch.
Grundsätzlich halte ich es für wichtig, dass es eine gemeinsame Verfassung gibt. Sogar für SEHR wichtig.
Das Problem ist: ist es wirklich DIESE Verfassung, die wir haben sollten?
Wenn sie eine Verfassung zusammenkriegten, mit sagen wir 10 grossen Punkten, die jeder versteht, und die die Menschenrechte sichern und die allgemeinen Pflichten klären - das wäre schon was tolles. Ein gemeinsamer Identifikationspunkt, ähnlich der verfassung der usa.  Aber in dieser Verfassung sind etliche Punkte, die nicht unbestritten sind, sie ist kompliziert, jeder kann noch was reinredigieren - DAS ist nicht das Gelbe vom Ei.
Auf der anderen Seite ist es eben wirklich von gundlegender Wichtigkeit, dass es eine gemeinsame Verfassung gibt.
ich finde es nur unglaublich überheblich und doof, wenn sie sagen: Ja, wenn Ihr mit Nein stimmt, dann wird halt noch mal abgestimmt und nochmal, solange bis Ihr es fresst - anstatt zu sagen: wenn ein Nein kommt, müssen wir die Verfassungsvolage ändern.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 28. Mai 2005, 18:58:38
Toller Link, Guntram, danke!

Was mich interessiert, ist wie die Abstimmungen in Frankreich und Holland interpretiert werden. Im Moment hab ich den Eindruck, dass die gefahren eines "Non" bzw "Nee" nicht groß genug beschrieben werden können. Da wird das Ende der Erweiterung, oder gar das Ende Europas prognostiziert.

Und kommenden Montag? Ist Europa dann am Ende? Ich glaube dass sie das eventuelle "Non" spätestens dann als den Schuss vor den Bug sehen, als den viele Franzosen es wohl beabsichtigen. Und vielleicht ist so ein Bums sogar eine echte Initialzündung für ein anderes Auftreten der (Europa-)Politiker und eine andere Art der Diskussion auch hier in Deutschland. Wie oft hat man die EU für eigene nationale Probleme verantwortlich gemacht. Und wie wenig ist über die Inhalte, die Ziele und die Möglichkeiten Europas gesprochen worden. Und wie wenig wurde ernsthaft geworben, ohne ideologisches Hammerwerfen... Entweder hat man gegen die EU angestunken, oder es wurden die immer selben hohlen Phrasen zur Beschwörung herangezogen.

Vielleicht bewirkt dieses "Non" im Endeffekt eine stärkere Identifizierung mit dem, was Europa ausmacht, als die formelle Unterschrift unter ein Dokument, das man nicht einmal ganz gelesen hat.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Sandra am 28. Mai 2005, 21:41:26
Das wäre schön.
Ich bin leider ein bissel zu sehr Pessimist, um glauben zu können, dass die Herren  in den Glaspalästen so schnell lernfähig wären. Aber es wäre drin, und es wäre wünschenswert. Vor allem: Warum nicht eine Verfassung mit der sich die Europäer tatsächlich identifizieren können? Statt einem seitenlangen Werk, das kaum jemand versteht, das Allen alle Möglichkeiten zu Veränderung gibt. Einfache "10 Gebote", die Sinnstiftend und Gemeinschaftsfördernd wirken. Und uveräusserbar sind. Ist das so schwer? Es soll ja eine Verfassung sein - ein Gesetzeswerk kann dann doch nachfolgen, oder?
Nur zum Beispiel: Was hat die "Förderung des freien und unverfälschten Wettbewerb(s)" in der Verfassung zu suchen? Das heisst im Klartext, dass man (unverfälscht!) kleine Betriebe nicht mehr fördern darf, dass JEDER Betrieb frei schalten kann und in den Wettbewerb eintreten.
Also, ICH bin da dagegen.
Ich finde, das hat in einer Verfassung nix verloren. Man kann einen Satz finden, dass man dieWirtschaft fördern will, bitte schön. Aber in welcher Weise und ob mit oder ohne Förderungen - das gehört in ein Gesetz und nicht in eine Verfassung. Dieser eine kleine Satz besiegelt den Untergang Europas, meiner Meinung nach. Denn er sagt, die Starken dürfen stärker werden. Und wer sind jetzt die Starken? Die Transnationalen Konzerne. Die gilt es aber ganz im Gegenteil zu schwächen, wenn die Europäer weiterhin auf einem relativ hohen sozialen Level leben wollen. Je stärker die transnationalen Konzerne werden, desto mehr verschwinden die Arbeitsplätze und damit die Kaufkraft in Richtung sogenannter Drittweltländer.

Okay, das sind Diskussionen die noch zu führen sind. Die werden aber mit DIESER Verfassung nicht mehr geführt werden können.
ich glaube, sie müssten die Verfassung enorm abspecken, damit sie Sinn macht. Und insofern wäre ein Non vielleicht wirklich gut, WENN man dadurch am Text herumbastelt.
Aber wie gesagt: Ich glaube eher, sie werden mit Ihrer Kanonade an "Der Untergang europas blaba" wie Basti sagt einfach solange fortfahren, und wieder und wieder abstimmen, bis sie das richtige Ergebnis haben - weil alle die Lust verloren haben.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 29. Mai 2005, 22:22:32
Les Français disent "NON"...

...d'accord, dazu un (zugegeben tres vieux) poeme de Thomas Gsella (titanic- Redaktionsdichter):

Der Lack
ist ab
vom Schack
Schirack

Und vor allem auch von Valéry- Fallera Giscard d'Estaing...

et maintenant?... (padadadam- padadadam) Que vait il faire? (padadadam...)
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: kokusnuss am 30. Mai 2005, 14:16:18
ich finde georg kreisler hat durch seine biografien eine
neue bessere Gesellschaftspolitik hergestellt
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 30. Mai 2005, 14:51:19
Aha, auch nicht schlecht. Herzlich willkommen, Kokusnuss! Kannst du das ein wenig präzisieren? Und was ist mit deinem o los?
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Sandra am 30. Mai 2005, 18:50:03
Die Mose hat ihn gekusst. Hi, Kokus!

Aber wir freuen uns über Zuwachs in unseren Biographien.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 30. September 2005, 21:17:06
So, weil die Anekdote so schön ist, und weil ein Thread auch gepflegt sein will, folgendes. Weil ja so oft geglaubt wird, dass Politiker nicht für die Direkte Demokratie gewonnen werden können. Und schon gar nicht konservative verknorkste Bayern, habe ich die verblüffenden Stellen fettgeschrieben:

Mehr Demokratie e.V.
Bundesverband
Einladung an die Presse

Berlin, 30.9.05
* 10 Jahre Bürgerentscheid in Bayern
* Beckstein spricht auf Kooperationsveranstaltung von Hanns-Seidel-Stiftung und Mehr Demokratie e.V.

Termin:   Mittwoch, 5. Oktober 2005, 10.00-13.00 Uhr

Ort:         Hanns-Seidel-Stiftung, Franz-Josef-Strauß-Saal, Lazarettstr. 33, München                

Am 1.10.1995 geschah in Bayern Historisches. Gegen den Widerstand der CSU stimmte das Bayerische Volk mit deutlicher Mehrheit einem von Mehr Demokratie e.V. initiierten Volksbegehren für die Einführung von kommunalen Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden zu. Seitdem gab es über 1.300 Bürgerbegehren und über 800 Bürgerentscheide zu Themen wie Verkehrs- und Bauleitplanung, Privatisierung von Wasserwerken und Krankenhäusern, Hochhausneubau, Stadionbau etc. Bayern ist heute Spitzenreiter bei der kommunalen Bürgerbeteiligung; die Hälfte aller Bürgerbegehren in Deutschland finden hier statt.

Heute sind Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in Bayern auch von der CSU akzeptiert. Mehr Demokratie feiert daher das Jubiläum im Rahmen einer Kooperationsveranstaltung mit der Hanns-Seidel-Stiftung in München. Auf dieser Veranstaltung wird u.a. Dr. Günter Beckstein, damals und heute bayrischer Innenminister, ein Referat halten.

 Gerald Häfner, Mitinitiator des damaligen Volksbegehrens und Sprecher des Bundesvorstandes von Mehr Demokratie e.V., kommentiert das Jubiläum wie folgt: ,,Was heute wie eine Selbstverständlichkeit erscheint, war ein schwerer Kampf. Bürgerbegehren und Bürgerentscheid gehören mittlerweile zur politischen Kultur in Bayern. Sie haben die Kommunalpolitik lebendiger und bunter gemacht und sind aus dem kommunalen Alltag nicht mehr wegzudenken."

Das genaue Programm der Veranstaltung finden Sie im Internet unter
www.mehr-demokratie.de/bayern.

Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 30. September 2005, 21:27:31
Und ich bin ganz und gar nicht gespannt, wie dieselbe CSU und derselbe Beckstein sich im Bund dazu stellen. Ich weiß es ja...  ::)
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Sandra am 30. September 2005, 22:15:43
Heute habe ich hier in Wien einen Aufkleber der Anarchisten gesehen, auf dem stand: "Wenn Politische Parteien etwas verändern würden, wären sie verboten"
Titel: Demokratie zum Abgewöhnen
Beitrag von: Bastian am 29. November 2011, 20:37:21
Demokratie zum Abgewöhnen:

Die Abstimmung über Stuttgart 21 (http://www.georgkreisler.net/cgi-bin/yabb/YaBB.pl?num=1308688756) hat mal wieder gezeigt, dass Quoren- zumal unerreichbare- ein Mittel zur Selbstentmündigung sind.

Wieso wird eigentlich bei Bundestagswahlen nicht auch ein Quorum eingeführt?
Nur wenn 66% der Wahlberechtigten ihre Stimme abgeben, ist die Wahl überhaupt gültig. Ansonsten eine Legislaturperiode unregiert.

Schnapsidee? Ja, klar!
Ernst gemeint? Ich hab mir das nicht ausgedacht. Also, äährlich...!

Aber viele schlucken jetzt schon die Mär vom Bürgerwillen, der S21 angeblich wollte.
Und dank schlechter Recherche in Print und TV werden wir mit der Zeit alle glauben, es sei bei S21 mit rechten Dingen zugegangen.

"plapp- plapp..."

Grüße
Bastian
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Burkhard Ihme am 30. November 2011, 02:36:33
Die Stuttgart-21-Gegner sind aber nicht am Quorum gescheitert, sondern daran, daß 58,8% der Wahlbeteiligten den Ausstieg abgelehnt haben (doppelte Verneinung ist kompliziert, kann man aber verstehen).
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Burkhard Ihme am 30. November 2011, 02:42:48
Was man nicht verstehen kann, ist, daß ich meine Beiträge nicht editieren kann (obwohl ich mich aus- und wieder eingeloggt habe)

(//www.burkhard-ihme.de/Bilder/Edit_2.png)
Titel: Demokratie zum Abgewöhnen 2
Beitrag von: Bastian am 30. November 2011, 10:31:52
An der diessonntäglichen Abstimmung selbst hab ich auch gar nichts zu kritteln. Das Ergebnis wird ja auch allseits akzeptiert:
48,3% der Stimmberechtigten sind zur Urne geschritten, und von ihnen haben 58,8% "für" S21 gestimmt. So weit, so recht.

Frustrierend war im Vorfeld die praktisch nicht zu überspringende Hürde für Bürger, die das Projekt ablehnen:
Durch das Quorum von 1/3 der Gesamtheit der Stimmberechtigten, das Gegner von S21 hätten zusammenbringen müssen, hat es von vorne herein eine enorme Schiefe zugunsten der Projektbefürworter gegeben. Jeder wusste, dass das Quorum praktisch nicht zu erreichen ist und dass seine contra- Stimme bis zu dieser Hürde kein Gewicht hat. Und diese Hürde galt einseitig.

Wenn das keine Demotivierung ist, an einer Abstimmung teilzunehmen, dann weiß ich es nicht. Und die wird vermutlich nicht ohne Einfluss auf das Ergebnis gewesen sein. Man darf annehmen, dass viele Gegner erst gar nicht mehr zur Abstimmung gegangen sind. Wenn Stimme pro und Stimme contra nicht das gleiche Gewicht haben, sind Volksentscheide eine Farce. Egal auf welcher Seite man steht.

Nur mal so zum Spaß:
Hätten die Befürworter von S21 ein Quorum von 33% erreicht?
Wenn ich 58,8% (pro-Stimmen) von 48,3% (Stimmbeteiligung) nehme, komme ich auf rund 28,4% (Anteil pro-Stimmen an der Grundgesamtheit der Stimmberechtigten).

Hätte man also das Quorum an Befürworterseite angelegt, hätte das selbe Ergebnis den gegenteiligen Effekt. In den Zeitungen würde man dann vielleicht lesen: "S21 gescheitert: Gerade mal etwas mehr als ein Viertel aller Württemberger befürworten das Projekt."

Das Ergebnis an sich ist ja in Ordnung: Die einfache Mehrheit der Stimmen zählt, und so sollte auch sein. Wie bei Bundestagswahlen ja auch. Und demnach sind die Gegner von S21 unterlegen, egal wie man die Zahlen dreht und wendet. Übel ist in meinen Augen das Quorum, das selektiv und willkürlich eine Seite benachteiligt. So gewöhnt man uns die Demokratie ab.

Grüße
Bastian

Dass Du nicht editieren kannst, ist tatsächlich wieder einmal unverständlich. Verflixt! Die Einstellungen haben sich nicht geändert. Vielleicht hilft Cookies löschen? Ich schaue derweil mal nach möglichen Ursachen auf yabb-Seite...
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Clas am 30. November 2011, 15:51:58
Moin, moin,

es scheint sogar noch schlimmer zu sein...:http://www.bei-abriss-aufstand.de/2011/11/29/s21-dokumente-enthullen-grune-chronologie-des-nichtstun/ Da ist ein offener Brief an die stuttgarter Winfriede...

Gruß Clas
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Heiko am 10. Dezember 2011, 19:13:02
ZitatWieso wird eigentlich bei Bundestagswahlen nicht auch ein Quorum eingeführt?
Nur wenn 66% der Wahlberechtigten ihre Stimme abgeben, ist die Wahl überhaupt gültig. Ansonsten eine Legislaturperiode unregiert.

Schnapsidee? Ja, klar!

Nicht doch! Die Idee, aus der Höhe der Wahlbeteiligung eine Konsequenz abzuleiten, hat was. Man braucht die Wahlbeteiligung ja nicht an starren Quoren-Grenzen messen, sondern könnte sie als Variable mit direktem Einfluss auf die Dauer der Legislatur nehmen. Soll heißen 100% Wahlbeteiligung ergäbe eine volle Regierungsdauer von meinetwegen 5 Jahren, aber 50% reichten eben nur für 2,5 Jahre bis zur nächsten demokratischen Legitimation unserer Repräsentanten.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Burkhard Ihme am 11. Dezember 2011, 00:29:12
Ihr wißt aber, was eine Bundestagswahl kostet? Ganz abgesehen von dem ganzen unbezahlten Einsatz der Wahlhelfer ...
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Heiko am 11. Dezember 2011, 11:53:07
Hallo Burkhard,
zu den Wahlhelfern hat mir mein Milchmädchen heute früh erklärt, dass es aufs Gleiche herauskommt, ob alle 5 Jahre 100% der Stimmen oder nach der Hälfte der Zeit die Hälfte der Stimmen ausgezählt werden. 
Wer als Wähler keinen ,,ewigen Wahlkampf" möchte, geht eben zur Wahl. Wer dann nicht weiß, wenn er wählen möchte, gibt eine ungültige Stimme ab. (Aktives Nichtwählen)

ZitatIhr wißt aber, was eine Bundestagswahl kostet?
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob du das ironiefrei meinst. Demokratie kostet! Wären die Finanzen der entscheidende Punkt wäre es noch günstiger nur alle 20 Jahre wählen zu lassen, von der politischen Stabilität mal ganz abgesehen.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Heiko am 11. Dezember 2011, 14:11:45
Zitatwenn er wählen möchte
das soll "wen er wählen möchte" heißen.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Clas am 11. Dezember 2011, 18:32:41
Moin, moin,

und davon abgesehen, könnte ja die Wahlkampfkostenerstattung an die 100%-Periode und die tatsächlichen Stimmen  gebunden werden... Und  je weniger zur Wahl gehen, desto pleiter die Parteien... Es wäre das ein Anreiz, auch ein Anreiz, über Anreize nachzudenken. 

Gruß Clas
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 16. Dezember 2011, 19:21:10
ZitatDemokratie kostet!

Und nicht nur die Demokratie selbst. Auch politische Fehlentscheidungen kosten unser Geld. Da wäre es nur fair, es dürften auch diejenigen entscheiden, die am Ende die Zeche bezahlen. Mit eigenem Geld geht man eher sparsam um als mit dem Geld anderer.

Es ist ja eine Erfahrung aus regelmäßigen Bürgerentscheiden, dass sie kostensenkend wirken. Wer ein Projekt hat, das er durchsetzen möchte, muss den Bürgern ein Finanzierungsangebot machen, das sie auch annehmen können. Sonst scheitert er mit seinem Plan. Ich bin mir sicher, dass z.B. S21 von Bahn- und Landesseite ganz anders angegangen worden wäre, wenn sie nicht einen de-facto-Blankoscheck in Händen gehalten hätten, sondern jede Kostensteigerung durch den Geldgeber hätten absegnen lassen müssen. (Mit Geldgeber meine ich in diesem Fall den Bund, uns Bahnfahrer und die Baden-Württemberger.)

Ui, fällt mir gerade ein: Burkhard, fährst Du viel mit der Bahn?

Heikos Idee mit der wahlbeteiligungsgekoppelten Legislaturperiodendauer hat was. Das liest sich ja schon fast wie Gesetzesdeutsch, das könnte was werden.

Grüße
Bastian
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Heiko am 01. Juni 2013, 23:27:24
Zitat von: Sandra am 30. September 2005, 22:15:43
Heute habe ich hier in Wien einen Aufkleber der Anarchisten gesehen, auf dem stand: "Wenn Politische Parteien etwas verändern würden, wären sie verboten"

Nach Wikipedia ursprünglich von Emma Goldman (http://de.wikipedia.org/wiki/Emma_Goldman): ,,If voting changed anything, they'd make it illegal." Leider ohne konkrete Angabe. Und dann wird auch noch ihr eigentlich bekanntestes Zitat ("If I can't dance, it's not my revolution.") als fälschlich zugeschrieben bestritten.

Werde das mal in der Bibliothek der Schwarzen Katze (http://www.libertaereszentrum.de/index.php/home/uber-uns/bibliothek) recherchieren.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Schwarze Katze am 21. August 2013, 17:51:10
Hallo Heiko, vielen Dank für die Verlinkung.
Komm(t) doch zu unserem Hoffest am Samstag (24.08., ab 14:00). Es gibt auch einen Büchertisch. ;)
http://www.libertaereszentrum.de/index.php/calendar/53/275-Hoffest-der-Schwarzen-Katze (http://www.libertaereszentrum.de/index.php/calendar/53/275-Hoffest-der-Schwarzen-Katze)

Libertäres Kultur- und Aktionszentrum "Schwarze Katze"
Fettstr. 23
20357 Hamburg
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Heiko am 21. August 2013, 20:10:58
Moin Katze,
mal schauen, kann schon gut sein. Habt ihr denn auch unseren Kreisler im Sortiment?  :D

Libertäre Grüße
Heiko


Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: LiBi am 28. August 2013, 17:42:08
Hallo!
Wir verstehen uns explizit als politische Bibliothek. So könnten wir zum Diskussionsthema "Direkte Demokratie" einige Titel anbieten. Unter Betonung des Fortschritts zur repräsentativen Demokratie werden hier aus anarchistischer Perspektive insbesondere das Problem der mehrheitsdiktatorischen Entscheidungsfindung debattiert.

Romane und Poetik, die wir aufnehmen, müssen "anschlussfähig" sein. Von Georg Kreisler haben wir bisher leider nichts. Welches seiner Bücher sollte denn nicht fehlen dürfen?

Schöne Grüße
LiBi Hamburg
Titel: Burkaverbot im Tessin
Beitrag von: Bastian am 23. September 2013, 12:19:28
Im Tessin ist per Volksabstimmung das öffentliche Tragen der Burka/ die Verschleierung des Gesichts verboten worden.
Wie denkt ihr darüber?
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 25. September 2013, 22:43:13
OK, das Bundesparlament hat ja noch nicht zugestimmt, also war die Formulierung "ist ... verboten worden" falsch.

Aber: Kann man das Verschleierungsverbot, auch abgesehen von den Motiven der Initiatoren, als Emanzipationshilfe ansehen? So sehr ich mich bemühe, vermag ich das nicht.

Außerdem wundere ich mich. Ich denke, dass die Vorlage genaugenommen gar nicht erst zur Abstimmung hätte freigegeben werden dürfen, da sie ein Menschenrecht antastet.
Titel: Direktere Demokratie
Beitrag von: Heiko am 25. September 2013, 23:25:32
Das ist doch mal ein schönes Beispiel für Mehrheitsdiktatur. Die Mehrheitsgesellschaft fühlt sich durch gesellschaftliche Randerscheinungen gestört, verlangt Anpassung und nutzt dafür rechtlich abgesicherte Wege. Ich muss zwar zugeben, dass ich beim Anblick Burka-Tragender ebenfalls irritiert bin. Doch welche Gefahren bestünden eigentlich? Dass unter der Verhüllung Bomben getragen werden? Dass polizeilich gesuchte Elemente sich auf diese Weise in der Öffentlichkeit bewegen können? Eine drohende Islamisierung kann ich jedenfalls nicht ernst nehmen. Ich möchte zudem den Menschen, die berechtigte Gründe zur Verschleierung hätten, dieses Recht nicht absprechen. Damit sollen vor allem Entstellungen abseits ästhetischer Normen gemeint sein.

Um den Bogen zu schlagen: ich gebe dem anonymen Bibliothekar Recht. Wenn Demokratie auf "die Mehrheit entscheidet" runter gebrochen wird, könnte eine Minderheit theoretisch auch auf demokratischen Weg versklavt werden. Langfristig führt nichts an einem Konsens-Prinzip und der Frage "welche Lösung wird möglichst allen gerecht?" vorbei. Das erfordert zwar langwierige Aushandlungen, sehr wahrscheinlich auch schmerzhafte Lernprozesse und ist mit Sicherheit nicht für eine 80-Millionen-Gemeinschaft umsetzen. Aber Entscheidungen, die betroffene Interessen übergehen, führen zu Unmut, führt zu Radikalisierung, führt zu neuen Problemen.

Ein Ansatz wären problemorientierte Räte, bei denen jeder mit belegter Betroffenheit mit zu berücksichtigen wäre.  Die starren und sturen Grenzen und Gesetze schaffen erst die Ungerechtigkeiten, die aufzuheben sie vorgeben. Beispiel: Vor ein paar Jahren gab es in Hamburg auf bezirklicher Ebene eine Bevölkerungsbefragung (oder so ähnlich) über die Gestaltung eines Geländes auf dem vormals ein McD stand. Dieses Gelände befand sich ziemlich genau am Rande des Bezirks, so dass Menschen, die zehnzwölf Kilometer weit entfernt wohnten mit abstimmen durften, diejenigen Bewohner auf der gegenüberliegenden Straßenseite aber nicht. Was hindert also die weit Entfernten daran dort, hmm was weiß ich, beispielsweise eine Sondermülldeponie errichten zu lassen? Wäre wohl immer noch ne Verbesserung zu vorher, aber nicht wirklich das Interesse der tatsächlich Betroffenen.

[...]
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 26. September 2013, 02:18:34
Zitat von: Heiko am 25. September 2013, 23:25:32Das erfordert zwar langwierige Aushandlungen, sehr wahrscheinlich auch schmerzhafte Lernprozesse und ist mit Sicherheit nicht für eine 80-Millionen-Gemeinschaft umsetzen.
DAS wäre ja gar nicht mal der Punkt. Im Tessin leben um die 300.000 Menschen, analog: etwa eine (deutsche) Großstadt. Und weiter als die Grenzen des Tessins reicht die Entscheidung nicht, wenn sie denn abgesegnet wird.

Und das ist auch ein Punkt, an dem ich den generellen Befürchtungen bzgl. Mehrheitsdiktatur recht geben könnte, aber sogleich widersprechen müsste:
Der Effekt einer solchen Abstimmung (würde deren Ergebnis denn angenommen werden) beträfe, auf deutsche Verhältnisse runtergebrochen, z.B.: Köln - Düsseldorf aber nicht. Oder: Bremen - und Hamburg aber nicht... Es wäre nicht Bundesangelegenheit, wenn nicht bundesweit darüber abgestimmt werden würde. In dieser Größenordnung, und NUR in dieser,  könnte die Rechtsordnung in Punkto Gesichtszeigung schwanken.
Und dann ist immer noch die Frage, ob man das politisch als "Pluralismus" wertschätzt, oder ob man das als "nonkonform" abtut.

Für mich beantworte ich diese Perspektivfrage derzeit mit "Was geht Euch die Burka an?! Unangenehm für's Face-to-Face, aber deren Ding, so what?"
Aber Feministinnen und andere BeauftragtInn_%=en  könnten den Vorstoß als Emanzipations-Unterstützung ansehen und dafür trommeln, dass es die Runde machen möge. Im Sinne von: "Arsch huh, Schleier ussenander!"

Was wäre, wenn durch ein solches Votum, z.B. in Köln-Ehrenfeld, eine solche Bewegung entstünde?
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Heiko am 26. September 2013, 10:48:22
Ja, ich sehe sie schon vor mir - barbusige Femen verbrennen öffentlich Burkas ...

Die Frage bleibt: Wer sind die Betroffenen? Das wären ja wohl zunächst die Burka-Tragenden selbst. Solange diese die Bekleidung freiwillig tragen, muss es bei aller Befremdlichkeit erlaubt sein. Tun sie dies nicht, hilft vor allem Aufklärung, weniger aber Verbote. Ich gehe davon aus, dass es sich um ideologisch bedingte, freiwillige Unterwerfung unter den Stoff handelt und dass ein zwangsweises Entschleiern eine ungeheure Demütigung für Burkasianer darstellen würde.
Dritte beträfe diese Frage erst, wenn jemand Verhülltes z. B. an der Supermarktkasse oder am Bankschalter säße oder Fahrkarten kontrollieren wollte o. ä. Erst dann würden Dritte zu Zweiten und es entstünde meines Erachtens ein Recht auf freie Gesicht-Sicht.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Clas am 26. September 2013, 15:40:57
Moin, moin,

man kann natürlich immer befürchten, dass Feministinnen sonderbare Dinge tun werden, und wahrscheinlich besteht diese Befürchtung zu recht... Man braucht ja bloß die Dinge, die sie tun, sonderbar zu finden, und schon stimmt es.

Ansonsten sollte das der Rest der Welt nicht als Entscheidungsfeld betrachten... Eine gute Freundin, die viel und seit Jahrzehnten, mit Flüchtlingen arbeitet und sich bemüht, denen Deutsch beizubringen, erzählte mal von Feministinnen, die Muslimas befreien wollten, zumindest aber ihre Wahrnehmung der eigenen Unterdrückung schärfen... Da ging es nicht um den Schleier, sondern um das Gehen hinter dem Manne. Eine der Muslimas bedachte das Gehörte, schüttelte das Haupt und meinte: "Vorne Ochse. Ich Wagen."

Man sollte das bedenken.

Gruß Clas
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Burkhard Ihme am 26. September 2013, 23:20:11
Zitat von: Bastian am 25. September 2013, 22:43:13
Außerdem wundere ich mich. Ich denke, dass die Vorlage genaugenommen gar nicht erst zur Abstimmung hätte freigegeben werden dürfen, da sie ein Menschenrecht antastet.
Genauso wie das Vermummungsverbot und das Nacktshoppingverbot in Innenstädten?



Lustiger Fehler, dient aber nicht der Diskussion

Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 27. September 2013, 00:05:24
Meinst Du das Entmummungsgebot? Bemummungsentbot... ? Gilt das nicht eh nur bei Demonstrationen, also da, wo man doch Gesicht zeigt?
Sonst darf man doch mummen, wenn der Wind pfeift oder der Regen prasselt. Oder an Karneval, der Fasnacht...

Nee, ich meine, und Amnesty International folgt mir da, dass das öffentliche Schleiern durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt und geschützt ist. Persönlichkeitsrechte und Entfaltung. Darum wundere ich mich, dass eine solche, für die Betroffenen doch sehr übergriffige Anordnung überhaupt zur Abstimmung freigegeben worden ist. Es geht ja nicht um repräsentative Stellungen (wie Heiko schrieb), in denen durchaus ein Dresscode Bedingung sein kann. Aber warten wir's ab. Noch hat das Parlament nicht gesprochen, ich bin gespannt.

Oh?! Nacktshopping ist verboten? Warum erfahre das erst jetzt?!

Zitat von: Clas am 26. September 2013, 15:40:57man kann natürlich immer befürchten, dass Feministinnen sonderbare Dinge tun werden, und wahrscheinlich besteht diese Befürchtung zu recht... Man braucht ja bloß die Dinge, die sie tun, sonderbar zu finden, und schon stimmt es.
Das gefällt mir. Darf ich das als Reflexionskrücke in mein Meditationsgedächtnis hochladen?



Gedanken, die man vielleicht besser für sich behielte: Was wäre, wenn nicht Femen, sondern Männer (Masken?) sich zu Entburkaisierungszwecken entblößten? Das gäb wohl ein sehr schräges Bild ab, oder?
Andererseits: Es hätte sowas verdammt Ehrliches...
Muss doch die Frau sich verhüllen, weil der Mann sich selbst und seinen Geschlechtsgenossen misstraut.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 27. September 2013, 00:10:25
Überhaupt ist ein Burkaverbot im Tessin so sinnvoll, wie ein Badekappenverbot in der Sahara.

So. Hab ich's mal wieder gesagt.
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 02. April 2014, 12:07:46
Das ist schon ein starkes Stück: Gauck ist der erste Bundespräsident, der vor den Gefahren der Demokratie warnt.
http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/Gauck-warnt-vor-der-direkten-Demokratie/story/25651167
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Clas am 02. April 2014, 12:55:18
Moin Bastian,

so isser halt, der Wunschkandidat von fast allen, den bedenklich zu finden und zum Geschmeusel zu zählen ja schon fast was undeutsches hatte. Gab es da nicht mal so einen Ausspruch von Herrn Trittin? Für den totalen Gauck? Nu haben sie ihn.

Inzwischen zweifle ich, ob die, die ihn wollten, nicht auch in dieser Frage mit ihm eins sind. Dass Demokratie ein Investitionshindernis sein kann, hört man ja auch immer mal, aus dem Wirtschaftsgeflügelhof der Parteien...

Reichspräsidenten, die da Vorbehalte hatten, gab es ja schon früher mal. Vielleicht ist das das unverkrampfte Anknüpfen an diese Linie? Das unverkrampfte Hetzen Richtung Konfrontation jedenfalls passt dahin.

Gruß Clas
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Heiko am 06. April 2014, 22:22:23
Toll, und wer warnt vor einer Gefährdung der Demokratie durch Präsidenten?

Aah, Clas macht's!
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Clas am 08. April 2014, 09:39:59
Und? Hört einer drauf? Richtet sein Wahlverhalten danach? Ach! Heiko! Man ruft da in der Wüste!
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Heiko am 09. April 2014, 01:04:37
Was? Nicht mal einer?

In der Wüste könnte man Brunnen graben und Oasen kultivieren. Doch was tun gegen die blauwattierte Ferne?
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Clas am 09. April 2014, 14:58:02
Moin Heiko,

Oasen kultivieren, das ist aber nicht weit vom Blumengießen...

Gruß Clas, der jetzt im Garten wühlen geht...
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Bastian am 09. April 2014, 19:10:24
Na, was verscharrst Du denn da?
Und wer bringt dir nur das Holz für den Gartenzaun?

Fragen über Fragen. Aber Garten ist schön! Ich wühle derzeit nur auf meinem Server - doch schöner wird er dadurch nicht...
Titel: Re: Direkte Demokratie in Deutschland?
Beitrag von: Heiko am 10. April 2014, 23:59:22
Hi Clas,
wünsche viel Freude dabei gehabt zu haben. Wegen mir darf Garten auch gerne etwas wildwüchsig. Wage zudem einen Unterschied zu erkennen, zwischen der parzellierten Bescheuklapptheit des Blumengießers und des Entwüstens von Ödnis als uneingezäunte Einladung.

grüßt Heiko
Titel: Direkte Demokratie: Murray Bookchin
Beitrag von: Heiko am 21. Februar 2016, 12:36:45
Murray Bookchin (1921-2006) (https://de.wikipedia.org/wiki/Murray_Bookchin),

Sohn jüdischer Immigranten aus Russland, Mitbegründer des Institute for Social Ecology (Vermont),

exponierter Vertreter radikaler Direktdemokratie und Konzepteur des "Libertären Kommunalismus", einer zivilgesellschaftlichen Selbstverwaltung von unten,

Liberalen zu revolutionär, weil sich grundsätzlich gegen staatliche Hierarchien positionierend - Anarchisten zu reformistisch, weil sich pragmatisch für Beteiligung an Wahlen aussprechend und einfache Mehrheitsentscheidungen bejahend,

durchaus wert, gelesen zu werden, z. B die gute Zusammenfassung von Janet Biehl (http://buch.archinform.net/isbn/3-931786-07-2.htm) oder das neue Buch aus dem Unrast-Verlag (http://www.unrast-verlag.de/neuerscheinungen/die-naechste-revolution-detail) mit einigen bisher nicht veröffentlichten Aufsätzen.

Auch Öcalan und anhängende kurdische Organisationen wurden für den von ihnen 2005 proklamierten "Demokratischen Konföderalismus" von Bookchin inspiriert.