AntiG8 Gipfel 2007 - Fight the future!

Begonnen von Lanie, 17. Mai 2007, 14:18:33

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Zyankalifreund

Georg Kreisler soll gesagt haben, man könne gegen Kapitalismus nur mit Gewalt vorgehen ? Na das erkläre mir mal bitte. Belege ?

niels

#76
Hoppla, du hast es gelesen. Ich hab den Kreisler schon wieder rausgenommen, bevor ich deinen Beitrag gesehen hab, weil ich nicht diese Diskussion führen wollte. Mein Argument hat ja mit Kreisler nichts zu tun. Ich dachte v.a. an seine Begeisterung für den Maoismus in den Siebzigern und, weniger beweiskräftig, das "vorletzte Lied". Aber wie gesagt, lass uns die Diskussion mit den klaren Fällen führen, davon gibts ja reichlich. Wegen GK lass ich mich gern ein andermal auseinandernehmen.

whoknows

#77
ZitatIn der Geschichte gab es übrigens immer wieder revolutionäre Kämpfer, die fanden, der Widerstand gegen den Kapitalismus mit Gewalt sei sinnvoll
Das bestreitet auch keiner - aber die haben alle nicht 12 km entfernt Fensterscheiben eingeworfen und Autos angezündet.

GK hat übrigens in den späten 70ern immer wieder tatsächlich so nebenbei manche (!!!!)Gewalt legitimiert. "Und deshalb bleibt als letzter Schluss, dass sich das alles ändern muss, wenn's sein muss, mit Gewalt" - aber ich vermute, dass er da auch eher daran dachte, Tyrannen zu erschiessen oder jedenfalls direkt an die Machthaber heranzutreten.

Ich finde es ziemlich absurd, ehrlich gesagt, dass man extra an  eine Stätte reist, wo Demonstrationen angekündigt und erlaubt sind, notabene eben eine Stätte, wo klar ist, dass man an die Objekte seiner Wut abersowasvonnicht herankommt, und dort plant, irgendwas kaputt zu hauen.
Wenn ich finde, dass ich nur noch mit Gewalt näher an meine Ziele komme, dann überlege ich mir doch auch, wo ich diese Gewalt  zielorientiert einsetzen kann. Dann plane ich wasweissich ein Attentat auf ein Flugzeug, wo die Rice fliegt, oder warte am Flughafen auf sie oder gehe gezielt gegen den Boss von Nestlé  oder Nike oder Unilever oder Vattenfall oder sonst ein Objekt meines Hasses vor.

whoknows

Insofern haben beispielsweise Al Quaida "vernünftig" gehandelt: sie haben sich überlegt, was tatsächlich eine weltweite Wirkung erzielen kann - und haben erstaunlich viel erreicht. Denn die Diskussion, die nach 9/11 einsetzte, war alles andere als islamkritisch. Im Gegenteil, zunächst ist mal der anitsemitismus gestiegen, verblüffenderweise. (oder, eigentlich gar nicht verblüffend, aber vielleicht auf den ersten Blick unerwartet) Dann der Antiamerikanismus. Und in jedem Fall haben die Menschen wahrgenommen, was ihre Anliegen sind, und spätestens nach dem Karikaturenstreit haben etliche Europäer brav zurück zur Politik des Appeasement zurückgerudert, und lassen sogar im eigenen Land "fünfe gerade sein", wenn die Kultur nur fremd genug daher kommt.
Das ist bei den g8 Chaoten nicht so - sogar hier im Forum wo wir doch durchaus alle ziemlich kritisch gesonnen sind, wird unterschiedslos (und vor allem sachlich falsch) von "Globalisierungs-Gegnern" gesprochen., weit entfernt davon, dass jeder Bürger zumindest die Anliegen der Demonstranten auch nur halbwegs konkret benennen könnte.

niels

Womit wir auch schon bei einer weiteren spannenden Frage angelangt wären, nämlich, was denn Al Qaida mit den Anschlägen vom 9.11. zu tun haben.

whoknows

#80
Hä? Osama bin Laden? Schon mal gehört?

Guntram

Mal zurück nach Rostock

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,486346,00.html
Der kleine Bericht am Rande zum Thema "Wir sind konsequent gegen Globalisierung". Oder doch etwa keine Globalisierung nur wenn es mich  nicht betrifft?

... und dafür das es Globalisierungsgegner sind, sind sie bemerkenswert international.
ZitatAn den gewalttätigen Krawallen waren laut Polizei auf Seiten der Autonomen auch viele Ausländer beteiligt. So seien unter den Festgenommenen aus dem Autonomen-Block auch Bulgaren, Österreicher, Japaner, Schweden, Spanier, Franzosen und Russen gewesen.

Aber das ist alles nichts Neues, es ist vielmehr menschlich.

Noch zu Niels, was ist denn die Antwort auf den Kapitalismus? Kommunismus kann es nicht sein. Lenin, Mao etc. und selbst Castro ist gescheitert. Der Kommunismus ist tot, töter geht es nicht. Ich kenne keinen Staat der dem Namen nach kommunistisch ist, auch in der Realität kommunistisch ist. Also was ist die real verwirklichbare Antwort auf den Kapitalismus?
Träume sind nicht Schäume, sind nicht Schall und Rauch,
sondern unser Leben so wie wache Stunden auch.
Wirklichkeit heißt Spesen, Träume sind Ertrag. Träume sind uns sicher schwarz auf weiß wie Nac

whoknows

Zitatzum Thema "Wir sind konsequent gegen Globalisierung".
Na aber siehste - es geht ja garnicht "gegen Globalisierung" - die findet im übrigen seit der ersten Völkerwanderung statt, wäre bissel spät, da jetzt gegen zu sein. ;)
Letztlich haben einige der demonstrierenden Gruppen tatsächlich echte Anliegen, und teilweise sogar sinnvolle Lösungsvorschläge für Probleme, die Hand in Hand mit der Globalisierung kommen - nur kommen sie damit eben nicht durch, weil alle immer sagen: "Globalisierungs-Gegner, wasn blödsinn".

Der Artikel ist ziemlich lustig und bösartig  - spricht aber den Kern der Sache nicht an.
Dass nämlich genau WIR dafür sorgen könnten, dass eben nicht nur McDonalds und co (die, die sich eventuelle Schäden leisten können)  offen halten und an uns verdienen, nur zum Beispiel. Dass eben WIR es sind, die tagtäglich dazu beitragen, dass es solche Ungerechtigkeiten in der Welt gibt. Wir sind dagegen, und kaufen dann doch die Produkte, die genau das repräsentieren, achten nicht darauf, ob wir jetzt bei Unilever oder einem kleinbetrieb kaufen - können uns es oft genug auch schlicht nicht leisten, politisch korrekt einzukaufen! Aber wir könnten es uns leisten, im Winter keine Erdbeeren zu kaufen oder Obst, das weither gereist kommt, wir könnten uns einiges leisten, was klar macht, dass wir diese Ausbeutung von Mensch und Ressourcen nicht mehr so hinnehmen möchten - nur: wer nicht informiert ist, der kann auch nicht adäquat reagieren. Und - um wieder zu den Chaoten zurückzukommen: die sorgen ganz genauso dafür, dass niemand informiert wird - denn sie produzieren einfach "leichtere" news.

Muss allerdings für einige ziemlich entnervend gewesen sein, wenn sie sich überlegt haben, wo sie da einkaufen. ;D Schade, dass solche Dinge dann nicht zu einem Nachdenkprozess führen.....

Guntram

Politische korrektes einkaufen, aber wie geht das?

Erdbeeren sind ein gutes Beispiel. Auf Erdbeeren im Winter kann man getrost verzichten. Erdbeeren bekommt man ab ca. März/April (nagelt mich da aber jetzt nicht drauf fest) bei Aldi und Co. nicht zu vergessen die ganz großen die zum Metro-Konzern gehören und auch die anderen Großmärkte. Ich könnte aber wetten bei kleinen spezialisierte Obst- und Gemüsehändlern (die zu keiner Kette gehören) kann man das fast das ganze Jahr Erdbeeren kaufen, auch wenn sie Unsummen kosten. Wer ist also schlimmer?

Jetzt werde ich mal gehässig. Was macht der kleine Bauer in Ägypten der weil er aufgrund schlechter Absatzmöglichkeiten anderer Produkte sich auf Erdbeeren (vielleicht im Rahmen einer Genossenschaft) umgestellt hat. Das Problem ist im Ägypten kann er sie nicht verkaufen weil sie sich die Masse der Ägypter keine Erdbeeren leisten kann und der einzige Markt die EU ist? Und jetzt kauft kein einziger Europäer mehr vor Mai Erdbeeren - da sind die Erdbeeren aus Ägypten schon verfault. Folge der ägyptische Bauer macht Pleite.

Das Gleiche gilt auch für alle andern Importgüter, insbesondere wenn sie aus der sog. 3. Welt kommen. Wenn wir die Waren kaufen schaffen wir dort Arbeitsplätze (ich weiß natürlich die nicht unbedingt mit unseren Arbeitsbedingungen vergleichbar ist, aber fragt mal eine Friseurin die in Deutschland 3,50 [ch8364]/h arbeitet - das gibt es). Die Menschen in Asien, Afrika, Südamerika sind auch froh wenn sie Arbeit haben und ich denke vielen ist egal ob sie an Waren arbeiten die für "uns" sind, Hauptsache sie können davon leben.

Konsequent Lebensmittel kaufen die in Deutschland produziert wurden? Milch, Butter und Jogurt aus dem Supermarkt sind zwar sicher aus Deutschland, aber hat etliche 1000 km auf dem LKW hinter sich. Einkaufen auf dem Bauernhof, geht bei uns auf dem Land, aber in Berlin? Wo ist vom Kudamm aus gesehen der nächste Biohofladen?

Noch mal zu den Erdbeeren, da gäbe es noch selberpflücken auf dem Bauernhof. Aber ist das eine Lösung? Ein Bauer in unserer Nähe hat es wieder bleiben lassen, weil nach eigener Aussage die Erdbeeren so schlecht waren das er sie niemanden mehr anbieten wollte. Es lag an der Sorte, so wie sie allgemein auf solchen Erdbeerplantage benutzt werden (weil nämlich sonst kein Gewinn bleibt), schnell wachsend, großer Ertrag, aber leider ziemlich geschmacklos.

Also was tun? Auf dem Balkon Kartoffeln selbst anbauen? Ökologisch und ökonomisch korrekt und dann verhungern? Aber wo kommt das Kartoffelsaatgut her? Vom Saatgutmulti natürlich. Denn wie ihr feststellen werdet lassen sich aus Kartoffeln vom Supermarkt (und auch aus denen vom Ökobauern) in der Regel KEINE neuen Kartoffelpflanzen ziehen. Das wurde mit Absicht so gezüchtet.

Und damit erstmal Schluß ...
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niels

Dein Beispiel zeigt anschaulich, dass die Portemonnaie-Guerilla (so nennt meine Mutter das), also eine typische Systemimmanente Massnahme, letztlich keine Lösung bringt. Klar, ich tu das auch, ich könnte es nie veratworten, Erdbeeren aus Ägypten zu kaufen, aber eben, die Bauern in Ägypten leiden darunter.

Es ist nun aber so, dass wir Lösungen finden müssen, wenn uns etwas an menschenwürdigem Leben, ja überhaupt an der Zukunft der Menschheit gelegen ist. Denn der Weltmarkt wird aus sich heraus immer barbarischer, und der Planet wird kollabieren, wenn wir so weiterwirtschaften. Diese Lösungen müssen zuletzt über das jetzige System hinausweisen, denn im System drin haben wir, übertrieben gesagt, nur die Wahl zwischen deutschen und Ägyptischen Erdbeeren.

Und wenn du mich nun fragst, wie diese Lösungen aussehen, dann mutest du mir ganz einfach zuviel zu. Ich kann es dir nicht sagen, und das ist auch gut so. Denn alle, die sich die Antwort auf diese Frage zugetraut haben, scheitern. Die Lösungen können wir nur erarbeiten (ich hab zu dem Thema in einem Thread weiter hinten bereits einen Haufen Worte gemacht).

Der Kommunismus übrigens ist keineswegs tot, genausowenig wie die Anarchie oder der Garten Eden. Es hat ihn nämlich noch nie gegeben. Was wir in der Sowjetunion erlebt haben, hatte mit der Konzeption des Kommunismus, also der klassenlosen, basisdemokratischen Gesellschaft, herzlich wenig gemein.

Guntram

ZitatWas wir in der Sowjetunion erlebt haben, hatte mit der Konzeption des Kommunismus, also der klassenlosen, basisdemokratischen Gesellschaft, herzlich wenig gemein.

Hätttest du nicht zu Lenin sagen dürfen, du wärst sofort erschossen worden.  :-/
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niels


whoknows

Und stimmt vor allem auch SO nicht. Es hat ihn nie in LÄNDERN gegeben, aber im Kleinen funktioniert er. Zum Beispiel in Kibbuzim. Wenn er auf Freiwilligkeit ALLER Beteiligten basiert, kann er sehr wohl funktionieren.

niels

Und auch wenn es kein definitives Konzept geben kann und darf, so geben uns mE die Ideen der Sozialisten (Kommunisten wie Anarchisten) wichtige Kriterien, wie es weiter gehen kann. Basisdemokratie, Organisation durch Räte, Bedürfnisproduktion, Arbeitsfächerung usw. sind für mich schon erstrebenswerte Modelle (teilweise ist ja auch der moderne Rechtsstaat, so unerfreulich er zur Zeit auch sein mag, aus solchen Ideen erwachsen).

Und genossenschaftliche Projekte wie die Kibbuzim und viele andere können auch mit eine Basis legen für kooperatives Handeln und Leben. Daher lohnt es sich auch sehr, Betriebe zu kollektivieren, Nonprofitunternehmen zu gründen usw., auch wenn man damit die Welt nicht aus den Angeln hebt.

Bassmeister

Kolloektive Betriebe (VEBs) hatten wir hier in der DDR zur Genüge. Das hat nicht funktioniert. Und zwar deshalb nicht, weil die einzelnen Mitarbeiter das Material und die Einrichtungen nicht genügend respektierten. "Ist doch nur Volkseigentum".
Es mag sein, daß solch eine Sache mit wenigen Beteiligten und für einen begrenzten Zeitraum funktionieren kann. Mit "unserer" Alten Muik war es bis Mitte der 90er Jahre auch so. Wir waren wie eine große Familie.
Meiner Erfahrung nach greifen aber - sobald das länger geht und mehr Menschen im Boot sitzen - immer wieder die uralten Muster, daß einer den anderen anpissen will, weil er anders tickt und jede(r) seine oder ihre Schäfchen gerne im Trockenen haben möchte.
Jedes System, das das nicht mit einkalkuliert, muß scheitern.
[size=9]Nicht alles, was zwei Backen hat, ist ein Gesicht...[/size]

Zyankalifreund

ZitatUnd stimmt vor allem auch SO nicht. Es hat ihn nie in LÄNDERN gegeben, aber im Kleinen funktioniert er. Zum Beispiel in Kibbuzim. Wenn er auf Freiwilligkeit ALLER Beteiligten basiert, kann er sehr wohl funktionieren.

Bemüht man die Wikipedia zu diesem Thema, kann man folgendes lesen:

ZitatDie beschriebenen Entwicklungen haben sich in den zurückliegenden Jahren eher beschleunigt; viele Siedlungen befinden sich wirtschaftlich und ideologisch unter Druck. Hinzu kommt das Problem einer zunehmenden Überalterung, weil die junge Generation den Kibbuz verlässt, um in die großen Städte zu ziehen.

Viele Kibbuzim haben versucht, sich den Herausforderungen zu stellen. Häufig wurden die zentralen Dienstleistungen reduziert oder aufgegeben, teilweise existiert nicht einmal mehr der Speisesaal. Privates Eigentum ist inzwischen selbstverständlich; die Chawerim beziehen ein Gehalt, über das sie verfügen können. Aus den Kinderhäusern sind meist Kindergärten geworden.

Erkennbar ist eine deutliche Entwicklung des Kibbuz hin zu einem ,,normalen" Dorf, von ,,sozialistischen" Siedlungen kann man kaum mehr sprechen. Eine weitere Auflösung der Kibbuzim und ihrer ursprünglichen Ideale in der Zukunft ist wahrscheinlich. Eine Gegenbewegung stellt der Versuch dar, die Grundidee des Kibbuz auf urbane Umgebungen zu übertragen

Auch diese Art des Sozialismus ist also fast tot, die jungen Menschen da wandern aus in größere Städte und entscheiden sich damit zwangsläufig für den Kapitalismus. Auch das funktioniert also nicht mehr so richtig.

whoknows

#91
Tja, so ist das mit der Freiwilligkeit. Übrigens - warum sollte sich das Kommunistische Ideal nicht auch mit der Zeit wandeln, so wie Religionen es auch tun, und es auch der Kapitalismus tun sollte/kann. Am URbild einer Ideologie über Jahrzehnte hinweg festzuhalten - wo funktioniert denn das überhaupt?


Übrigens: schickes Bild, Bassmeister! :D

Bassmeister

#92
ZitatAber wo kommt das Kartoffelsaatgut her? Vom Saatgutmulti natürlich. Denn wie ihr feststellen werdet lassen sich aus Kartoffeln vom Supermarkt (und auch aus denen vom Ökobauern) in der Regel KEINE neuen Kartoffelpflanzen ziehen. Das wurde mit Absicht so gezüchtet.
Und damit erstmal Schluß ...

Und wie macht das der Saatgut-Multi? Daß er immer Nachschub zur Verfügung hat und der Endkunde nicht? Dann muß es ja Felder mit Spezial-Kartoffeln geben, sozusagen die "Originale", die immer wieder nicht-vermehrungsfähige Kartoffeln zum Essen abwerfen. Und wiederum Spzial-Sorten, die diese Originale vermehren können. Warum wurde auf derartigen Feldern noch nie gestohlen?

Aber zurück zum Thema: Die Komplexität der Materie (Welt-Wirtschaft, Ursachen und Folgen usw usf) ist so groß, daß es schon großen Überblicks und guter Kombinationsgabe bedarf, um überhaupt ansatzweise zu verstehen, was läuft. Wenn man es also wie Andrea halten wolle, müßten die Demos ziemlich leer sein.
Auch scheint das ganze System darauf angelegt zu sein, daß man von den elementaren Vorgängen möglichst wenig mitbekommt. Das regt mich immer wieder sehr auf. Warum wird absichtlich verschleiert, was zum Leben wichtig ist?? (deshalb greife ich das mit den Kartoffeln wieder auf) Auch Saatgutmultis bestehen aus Menschen!
Wie kann ich überhaupt bewußt sein, wo die Banane, die ich gerade esse, herkommt? Ich habe leider nur begrenzt Zeit, Kraft und Hirnkapazität und muß auch noch viele andere Dinge tun, außer Kartoffeln oder Bananen zu tracken.
Fazit für mich: Die heile Welt gibt es nicht. (=Binsenweisheit) Freiheit ist zum großen Teil Illusion (schon nicht mehr ganz so binsen-weise, leider) und das Einzige, was ich wirklich tun kann, ist, in meinem direkten Umfeld (Jesus hätte gesagt: meinem Nächsten, und das meine ich diesmal im Wortsinne) gegenüber so menschlich und "sozial" wie möglich zu sein.

Danke, whoknows!  :-*
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whoknows

Naja, ein klitzekleines Bisschen kann man schon auf Herkunftsländer und Hersteller gucken - und das bringt auch tatsächlich in kleinen Schritten was. Chiquita zum Beispiel war einer der ausnützerischsten Produzenten, die haben sich vor einiger Zeit medienwirksam mit Mindeststandards bei Bezahlung und Verschiffung und so zu Wort gemeldet, wollen jetzt "brave Bubis" sein - sicherlich nicht aus einfach gutem Willen - die wurden ne Zeitlang ziemlich massiv angeprangert.

niels

#94
Zum Thema des Kollektivismus höre ich das immer wieder mal: "Denk mal an die DDR, das hat ja nicht funktioniert." Das hängt argumentativ einiges schief.

Erstens mal tönt das so, wie wenn das jetzige System irgendwie funktionieren würde. Angesichts der globalen Fehlverteilung und Entzivilisierung mutet das etwas seltsam an - kommt natürlich darauf an, was man unter "funktionieren" versteht, für eine verschwindende Minderheit "funktioniert" es ja durchaus.

Zweitens ist die DDR ein ziemlich unglückliches Beispiel, die DDR war ja ein staatskapitalistisches System, und als ganzes Gebilde reichlich seltsam. Da ist es nicht weiter verwunderlich, dass auch auf Betriebsebene fast alles schief ging.

Ein gutes Stück weit gilt das freilich auch für Kollektivbetriebe heute. Die müssen ja auch den Anforderungen der Marktwirtschaft nachkommen, was das Prinzip der Kooperation immer wieder sabotiert.

Es kann ja aber auch nicht darum gehen, irgendwelche Oasen zu schaffen, die dann ganz sozialistisch und befreit sind - ist ja unmöglich. Kollektivbetriebe können nur Versuche sein, der unmenschlichen Konkurrenz auf dem Markt einen anderen Entwurf entgegenzuhalten.

Was man auch immer wieder hört, ist, dass sozialistischen Entwürfe letztlich "an den Menschen" scheitern müssen, weil die halt egoistisch und intrigant sind. Nun werden aber erstens viele dieser Gemütshaltungen vom Kapitalismus stark unterstützt ("Geiz ist geil") und sind je nach Umfeld sehr wandelbar. Und zweitens sind sozialistische Ideen keine Heileweltfantasien mit noblem Menschenideal. Ich arbeite nun seit neun Jahren in Kollektivbetrieben und habe da in dieser Zeit weissgott sehr viele asoziale Arschlöcher und wüste Intrigen erlebt. Aber das war für den Geschäftsverlauf oder das Betriebsklima nicht verheerender als in konventionellen Betrieben, ich habe im Gegenteil die Erfahrung gemacht, dass in Kollektiven menschliche Katastrophen ziemlich gut aufgefangen werden, während sie bei hierarchischen Betrieben hoffnungslos verkrusten.

whoknows

#95
Irgendwie habe ich den Eindruck, Ihr geht in Euren Argumenten immer von nahezu 100%igem "Funktionieren" aus - ja, dat jeht doch nie nüscht. Letztlich geht es doch darum, wo und wie mehr Menschen irgendwie zufrieden zu machen sind - glücklich, erstens muss das der Mensch selber machen, und zweitens - dat jeht doch nie nüscht.
8-)

Werner

Etappen zufriedener Politik habe ich, eingeladen von grünen Aktivisten zu einem kleinen Sternmarsch, schon erlebt. Händchenhaltend in der Menschenkette, anschliessend wurden zur Diskussion über die beklagenswerte Entpolitisierung der deutschen Mehrheit Bio-Cracker zum Fencheltee gereicht - mir hats dann auch gereicht. Ich denke die Wahl der Mittel hängt von den Hindernissen auf dem Weg ab und muss nicht grundsätzlich im Knigge definiert sein. Wer in seinem Leben schon blinder Gewalt begegnet ist (da ist die Staatsmacht kein Stück besser wie der Hooligan) kennt auch die Wirkungslosigkeit des Wortes in solchen Momenten. Gewalt in speziellen Momenten ist per se kein Zeichen von Unkultur, und nicht nur darum, weil sie zu unseren genetisch fest verdrateten Konfliktstrategien gehört. Problematisch ist und bleibt die Dynamik der Gewalt in der Masse durch ihre Unberechenbarkeit. Die Unberechenbarkeit dieses Potentials macht den Beteiligten des Gipfels wohl auch das meißte Kopfzerbrechen, da in der öffentlichgemachten "Chaotenschlacht" auch der Blick des Bürgers auf andere Misstände fallen könnte, im schlimmsten Fall sogar ein Aufwachen und die Ablehnung der dahinterstehenden Politik zur Folge hätte. Ein Teufelskreis für "christlich-soziale" Volksvertreter, die nicht ungern die GSG 9 zur "Deeskalation" einsetzen würden. M.E. ein kurzer Weg zu einer Art Krieg. Die dann mal folgenden Bilder einer Auseinandersetzung würden sich vermutlich auf verheerende Weise von den jetzigen Gipfelbildern unterscheiden. Mich wundert das die Kausalkette von Staat total zu totalitär (wenns nach diesen "Christen" ginge) nicht für mehr Wirbel sorgt.

niels

#97
Ganz einfach deshalb, weils nichts Neues ist. Wenns ernst galt, war noch jeder Staat, auch der allerdemokratischste, stets gnadenlos repressiv. Da ist die GSG 9 kein Dammbruch.

Guntram

#98
@Werner
Was willst du mit dem letzten Satz sagen ??? Ich kapier ihn einfach nicht.

Ich habe vorhin einen Bericht über den Sensationstourismus nach Rostock gesehen. Demoteilnehmer hatten nichts besseres zu tun als brennende Autos, fliegende Steine etc. zu filmen und ins Netz zu stellen. (jetzt verdienen einige wohl Geld damit weil für jeden Klick auf die Videos Geld fließt. Aber das nur nebenbei) Da war auch das einsam auf weiter Flur stehende Polizeiauto zu sehen wie es von den Randalierern attakiert wurde. Wenn das eine Provokation war kann ich nur lachen. Wäre da ein Panzer gestanden ja, aber ein simpler Streifenwagen mit zwei einsamen Polizisten. Die Beamtin ist wohl in psychiatrischer Behandlung, weil sie Angst hatte erschlagen zu werden. Ich gebe zu ich glaube obwohl ich mehr als friedfertig bin, ich hätte die Dienstwaffe benutzt um mich in der Situation zu schützen. Ein interviewter Demofilmer sagte die Polizei sei selbst schuld da sie kein, kurz gesagt, gepanzertes Fahrzeug da hin gestellt hätte und er hätte nur darauf gewartet das das Auto angegriffen wird. Welche verdrehte Argumentation. Mehr sage ich dazu nicht.

Aber jetzt ein anderes Szenario:
Demo-Teilnehmer wie gehabt. 30.000-80.000 friedliche Demonstanten. Vielleicht 1.000 potentielle Randalierer, einige mit Molotowcocktails. Die Polizei ist weil es der Veranstalter wünscht NICHT anwesend. Irgendwann während der Demo bittet ein Ordner eines privaten Dienstes (der vom Veranstalter beauftragt wurde um den Weg zu weisen oder auf korrekte Abfallbeseitigung zu achten oder Toilettenpapier in den Dixiklos aufzufüllent etc.) seine Zigarettenkippe in eine Mülleimer zu werfen und nicht auf die Straße. Der Demonstrant fühlt sich provoziert und schlägt den Ordner nieder. Dies ist der auslösende Funke. Molotowcocktails fliegen, Pflastersteine auch, in Ermangelung der Polizei wahlos in die Demo, angrenzende Häuser, Autos brennen. Anrückende Feuerwehr und Rettungsdienstfahrzeuge werden ebenfalls in Brand gesteckt. Die Einsatzkräfte werden durch fliegende Steine verletzt, verprügelt was auch immer. Mehrere Wohnungen/Häuser brennen, niemand löscht.

Bilanz: Hunderte von Verletzte, von denen viele sterben weil keine Helfer/Ärzte zu ihnen kommen können. Sachschaden in Millionhöhe, alle Geschäfte in Rostock Zentrum sind nicht mehr existent da geplündert oder abgebrannt und unzählige Privatwohnungen praktisch unbewohnbar, weil ebenfalls ausgebrannt. Die Existenzen der Geschäftsinhaber und Bewohner sind zerstört.

Was passiert jetzt in unserer Republik???
Alle Politiker verweisen übrigens jetzt einhellig und konsquent auf die alleinige Verantwortung des Veranstalters. Wem wird die Verantwortung letztendlich zugeschoben, was sagt die Presse, wie ist die Stimmung in der Bevölkerung?

Und behauptet jetzt nicht es ist unrealistisch weil die Randalierer wegen der fehlenden Polizei gar nicht erst gekommen wären.
Träume sind nicht Schäume, sind nicht Schall und Rauch,
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Lanie

#99
ZitatWenn ich finde, dass ich nur noch mit Gewalt näher an meine Ziele komme, dann überlege ich mir doch auch, wo ich diese Gewalt  zielorientiert einsetzen kann.

Da hast du Recht allerdings sind die meisten Autonomen sich einig das die Zielsetzung auch nicht mit Gewalt erreicht werden soll. Da liegen häufig andere Konzepte vor. z.B. das die Veränderung nur stattfinden wird wenn die Kritik da ansetzt wo die Probleme und krankhaften Wertvorstellungen anfangen. Beim Menschen bzw. vor allem bei seinen Bedürfnissen, Wünschen, Vorstellungen welche einhergehen mit diversen Konstrukten die es zu dekonstruieren gilt. Genderforschung und bewusst antisexistisches Verhalten um nur ein paar Ideen zu nennen.

ZitatGuntram schrieb:
Noch zu Niels, was ist denn die Antwort auf den Kapitalismus? Kommunismus kann es nicht sein. Lenin, Mao etc. und selbst Castro ist gescheitert. Der Kommunismus ist tot, töter geht es nicht. Ich kenne keinen Staat der dem Namen nach kommunistisch ist, auch in der Realität kommunistisch ist. Also was ist die real verwirklichbare Antwort auf den Kapitalismus?

Nach Adorno macht es nicht viel Sinn diese Utopie zu formulieren da sie an den bestehenden Verhälltnissen gemessen und jenen, aller Wahrscheinlichkeit, immanent ist. Da der Mensch aber nicht annähernd den "wahrhaft humanistischen Charakter" erreicht hat wird diese Utopie wohl (leider) hinfällig sein.

Ich möchte behaupten das es den Kommunismus nie gegeben hat. Es gab Leninismus, Stalinismus, Maoismus etc. aber die Kritieren oder gar die Ideale des Kommunismus habe ich bisher geschichtlich nicht entdecken können. Vieleicht weißt da mein Wissen eine interessante Lücke auf. Was es allerdings gibts sind z.B. autonome Gebiete in Mexico in denen die Menschen seit geraumer Zeit einen fairen Handel miteinander betreiben, Sachen tauschen und eine vollendete Basisdemokratie betreiben. Diese Basisdemokratie steht allerdings auf der Kippe da sie, wie bisher die meisten (relativ) herrschaftsfreien Gebiete, von der mexikanischen Regierung angriffen und boykottiert wird. Da spielen geschichtliche, wie rassistische Faktoren eine Rolle aber auch die schiere Lust auf Rohstoffe und Macht in dieser Region. Die Indigenengruppen organiesieren allerdings Widerstand in Form von Untergrundkämpfern wie den Zapatistas die auf eine lange Tradition und auf sehr breiten Rückhalt in den meisten mexikanischen Gesellschaftsschichten zurückgreifen können. Auch in Deutschland gibt es viele Unterstützer dieser kapitalismusfreien Region. In Leipzig kann man zapatistischen Kaffee zu fairtrade Preisen kaufen, die radikale Linke unterstützt hier viele Projekte in Mexico auch direkt mit Spenden. (auch wenn nicht viel Geld da ist)


ZitatWhoknows schrieb:
Muss allerdings für einige ziemlich entnervend gewesen sein, wenn sie sich überlegt haben, wo sie da einkaufen. Grin Schade, dass solche Dinge dann nicht zu einem Nachdenkprozess führen.....
Ob solche Dinge zu einem Nachdenkprozess führen kannst du von hier aus sehr schlecht beurteilen. Soviel zum Thema: Unterstellungen ....
Ich für meinen Teil finde es absolut erstaunlich, dass da einige zum McD und Co gehen/gegangen sind, bei Unilever einkaufen und dann noch mit Dichotomien gegen die G8 demonstrieren. Hier fängt das an was ich meinte mit der Kritik auf unterste Ebene, an sich selbst, an seinen Bedürfnissen und inwiefern man sich selbst nach Analye und Kritik umstellt. (den Autonomen wäre das übrigens nicht "passiert" ;) )

Zitatguntram schrieb:
Politische korrektes einkaufen, aber wie geht das?
[...]Erdbeerplantage benutzt werden (weil nämlich sonst kein Gewinn bleibt), schnell wachsend, großer Ertrag, aber leider ziemlich geschmacklos.
[...]
Also was tun? Auf dem Balkon Kartoffeln selbst anbauen? Ökologisch und ökonomisch korrekt und dann verhungern?
Das ist schwierig. Aber hier gibt es in der radikalen Linke schon seit sehr langem das Bewusstsein dass man in Deutschland, bzw. in Europa nicht völlig frei von der Teilnahme gegenseitiger Ausbeutung leben kann - dennoch gibt es Konzepte die einem schon die Möglichkeit geben sich davon größtenteils zu befreien.
In Leipzig gibt es Projekte bei denen an sogannte "Food Corps" bildet. Gruppen von Menschen, so 20 - 40, finden sich zusammen und gehen eine Art Grundnahrungsmittelflatrate beim Biobauern in der Nähe ein. Damit sind z.B.die meisten Lebensmittel schon gedeckt. Andere Sachen wie die leckere Tiefkühlpizza werden halt eben nicht mehr gekauft, dafür gibts Biotofusalat. etc. Die Konzepte sind da, es ist wieder die Frage in wieweit man bereit ist sich selbst radikal einzuschränken und seine Vorstellungen von Luxus oder Besitz zu ändern.
(für mich ist das auch eine gute Argumentation für Veganismus/Vegetarismus)