Georg Kreisler Forum

Diskussionen => Kunst => Thema gestartet von: Franz08 am 04. Mai 2006, 23:08:24

Titel: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Franz08 am 04. Mai 2006, 23:08:24
Ich will mal damit beginnen, ein paar literarische Anregungen zu posten...

Warum? Weil ich finde, dass gerade in einem Kreisler-Forum auch andere Sprach-Weisen bestens aufgehoben sind.

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Krüppel Sprache

Sprache, du Krüppel
lächerliches Geschwür deiner selbst
röchelnder Auspuff
Weltverzerrer widerlicher
Teenagertraum zitternden Hirnpuddings
taub, blind
stolperst du
Krücke auf morschen Krücken über deine verbeulten Raster
nicht einmal aufheben kannst du dich
tieffliegender Schwächling
deine Anbiederei, deine gespielten Selbstmorde
gehen mir auf die Nerven
dein dummes Gerede
dein Propagandastaat aus Dichtkunst
deine Buchstaben widern mich an
kindische Runen eines sogenannten
natürlich von dir erschaffenen
"Lebens"
Bindemittel verquollener Extrawurst
Lebensmittelskandal
nicht einmal alt bist du
Moloch
Mafia
in jedem Loch anzutreffen
das Schauen verbietend
das Träumen, Fressen, Gehen, Ficken
überall sitzt prangend dein fetter Arsch
auf meiner Jacke
auf meiner Hose
Voyeur auch in der Finsternis
infrarotes Dreckschwein
selbst in der Tiefe des Marianengrabens stammelst du immer
noch:
Fisch! Fisch! Fisch!
oder:
Dunkelheit!
Schlaf! Sleep! Sommeil! höre ich schlafend
Bahnhof versteh ich bei Bahnhof
Ich verstehe immer nur Bahnhof!
In der abstraktesten Musik nistest du noch als
"Sturm", "Gefiedel", "Gewitter" oder "Mandoline"
Partnerloser
nie wünschte ich mir deine Einsamkeit
Nieder mit dir!
Sogar auf den Tod schmierst du deinen süßsauren Senf
prahlst inmitten der Philosophie
auch vor der Tierwelt machst du nicht halt
und bei den Pflanzen versuchst du schon lange
dich einzumischen, du Luder!
Geh zu den Steinen
ich sage dir nicht, wie sie wirklich heißen
Provinzdetektiv
Schnüffler in jedem After
Virus
gegen den kein Kraut
dein "Kraut" nicht gewachsen scheint
Oft träume ich, du würdest beim Wort "Gefühl" krepieren
dich qualvoll verschlucken an der Bedeutung
doch da schwillst du erst recht an
in rührselige Schwingungen kommst du
du Krüppel, elendiger
sich an allem Labender
mit deinem Supergewissen
Pseudosamariter
der den Himmel "himmelblau" macht
alles zu Tode heilt, sortiert, trennt
krähender Oberlehrer
langweiliger Angler im Nichts
Vorstadtzirkusdialektiker!
Schlatz!
pickiger gesponnener Zucker
kein Gott ist dir zu schade
du Aufhetzer
schlürfende Hydra
Parasit in der Schönheit
Verächter der Häßlichkeit
Überläufer aller Fronten
dich werde ich kriegen
dich will ich würgen
mich quälst du nicht länger
mit deiner offenen Fotze
Fettauge auf allen Suppen
in dich will ich mich einschleichen
dich von innen aushöhlen
bis du dich vergißt
und Welt und Zeit wieder eins sind

Dann setze ich dir einen wortlosen Grabstein aus nichts
Vorher aber noch
will ich dich teuflisch foltern
chinesisch, japanisch, mittelalterlich
werde ich dich zwicken mit glühenden Zangen
Pfau hinkender
daß du jammernd zu Grunde gehst

Kurz vor deinem schrecklichen Tode
werde ich noch
- ob du es willst oder nicht -
dichten mit dir, daß du schreist!

Wolfgang Bauer
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Franz08 am 05. Mai 2006, 09:34:03
falamaleikum

falamaleikum
falamaleitum
falnamaleutum
fallnamalsooovielleutum
wennabereinmalderkrieglanggenugausist
sindallewiederda.
oderfehlteiner?

Ernst Jandl

http://www.randomhouse.de/dynamicspecials/jandl/movie_falamaleikum.html

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Weitere Jandl-Sachen zum Hören und Sehen...

http://www.randomhouse.de/dynamicspecials/jandl/archiv_sound.html
http://www.randomhouse.de/dynamicspecials/jandl/archiv_fotos.html
http://www.randomhouse.de/dynamicspecials/jandl/archiv_video.html

http://www.randomhouse.de/dynamicspecials/jandl/movie_imreichdertoten.html
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Franz08 am 05. Mai 2006, 09:46:29
Mutterland

Mein Vaterland ist tot
sie haben es begraben
im Feuer

Ich lebe
in meinem Mutterland
Wort

Rose Ausländer
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Franz08 am 07. Mai 2006, 13:07:07
[size=10]für Ernst Jandl
zum 70. Geburtstag[/size]


wie und warum ich dich liebe

wenn du es bist bin ich nicht sicher ob ich es bin
was dich bedroht ist bedrohlich für mich
der Spiegel in den ich blicke an jedem Abend
hält mir gleichzeitig entgegen dein Bildnis und meines
das Geheimnis im Dunkel deines Herzens ist nicht
um von irgendjemandem gelüftet zu werden
es zieht mich an am gründlichsten und am tiefsten
und ist vermutlich das Motiv meiner unbeirrbaren Liebe

Friederike Mayröcker

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Manchmal

manchmal bei igrendwelchen zufälligen Bewegungen
streift meine Hand deine Hand deinen Handrücken
oder mein Körper der in Kleidern steckt lehnt fast ohne es zu wissen
einen Augenblick gegen deinen Körper in Kleidern
diese kleinsten beinahe pflanzlichen Bewegungen
dein abgewinkelter Blick und dein Auge absichtlich ins Leere wandernd
deine im Ansatz noch unterbrochene Frage wohin fährst du im Sommer
was liest du gerade
gehen mir mitten durchs Herz
und durch die Kehle hindurch wie ein süszes Messer
und ich trockne aus wie ein Brunnen in einem heiszen Sommer

Friederike Mayröcker

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liegen, bei dir

ich liege bei dir. deine arme
halten mich. deine arme
halten mehr als ich bin.
deine arme halten, was ich bin
wenn ich bei dir liege und
deine arme mich halten.

Ernst Jandl

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Friederike Mayröcker: Und ich schüttelte einen Liebling
http://www.buecher.de/verteiler.asp?site=artikel_sz.asp&wea=1100485&artikelnummer=000001530774
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: whoknows am 07. Mai 2006, 18:31:12
Die Mayröcker schätze ich auch sehr. Ist die in Deutschland überhaupt bekannt?
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Franz08 am 09. Mai 2006, 22:21:43
wien : heldenplatz

der glanze heldenplatz zirka
versaggerte in maschenhaftem männchenmeere
drunter auch frauen die ans maskelknie
zu heften heftig sich versuchten, hoffensdick.
und brüllzten wesentlich.

verwogener stirnscheitelunterschwang
nach nöten nördlich, kechelte
mit zu-nummernder aufs bluten feilzer stimme
hinsensend sämmertliche eigenwäscher.

pirsch!
döppelte der gottelbock von Sa-Atz zu Sa-Atz
mit hünig sprenkem stimmstummel.
balzerig würmelte es im männchensee
und den weibern: ward so pfingstig ums heil
zumahn: wenn ein knie-ender sie hirschelte.

Ernst Jandl
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Franz08 am 15. Mai 2006, 18:53:00
Scheissen und brunzen
sind kunsten.
scheissvater.
scheissmutter
scheissbruder
scheisschwester
scheisskind
scheissonkel
scheisstante
scheissgrossvater
scheissgrossmutter
scheiss
oder
scheissmama
scheisspapa
scheissclo
bleda atomregen bleda
atomregen atom
schas
futschas
futkind
futonkel
futtante
hurenfut
hurenvater
hurenmutter
vater und mutter scheissen ins clo
oaschmama
oaschpapa
futschasoasch
oder
scheissfutoasch
bleda atomregen bleda
atomschas
atomfut
hurenatom
mama
papa
dazu
die mutter brunzt
der vater brunzt
die schwester brunzt
der bruder brunzt
die tante brunzt
der onkel brunzt
die grossmutter brunzt
der grossvater brunzt
das kind
der vater brunzt auf die mutter
der bruder brunzt auf die schwester
der onkel brunzt auf die tante
der grossvater brunzt auf die grossmutter
alle brunzen ins clo
auf den vater
auf den bruder
auf den onkel
auf den grossvater
scheissen und brunzen sind kunsten.

konrad bayer / gerhard rühm 1958
in: Die Wiener Gruppe. Hrsg. Gerhard Rühm. Reinbek bei Hamburg. Rowohlt 1967.
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Dagmar am 16. Mai 2006, 00:10:40
Wow!!! Das ist richtig klasse!! Das gefällt mir aber richtig gut. Das kannte ich auch noch nicht! Dankeschön  :-*
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: whoknows am 16. Mai 2006, 00:46:02
In Erlangen sind Leute nicht gekommen, weil der Titel des Programms "Lieder eines Postmodernen Arschlochs" ihnen zu ordinär war. Ob die dieses Gedicht kennen - von 1958!!!
Ich bin immer auf's Neue erstaunt, "what makes people tick"....
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Guntram am 16. Mai 2006, 10:48:19
Bimmelresonnanz II

Bergamotten flotten im Petroleumhimmel
Schwademasten asten Schwanenkerzen
Teleplastisch starrt das Cherimbien Gewimmel
In die überöffneten Portierenherzen
Inhastiert die Himmelbimmel

Feldpostbrief recochettiert aus Krisenhimmel
Blinder Schläger sternbepitzt sein Queerverlangen
Juste Berling rückt noch jrad die Mutterzangen
Fummelmond und ferngefimmel
Barchenthose flaggt die Kaktusstangen

Lämmergeiger zieht die Wäscheleine
Wäschelenden losen hupf und falten
Zigarrinden sudeln auf den Alten
Wettermännchen kratzt an ihrem Beine
Bis alle Bimmeln angehalten


Johannes Theodor Baargeld
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Guntram am 16. Mai 2006, 10:49:47
Badji beri bimba

gadji beri bimba glandridi laula lonni cadori
gadjama gramma berida bimbala glandri galassassa laulitalomini
gadji beri bin blassa glassala laula lonni cadorsu sassala bim
gadjama tuffm i zimzalla binban gligla wowolimai bin beri ban
o katalominai rhinozerossola hopsamen laulitalomini hoooo
gadjama rhinozerossola hopsamen
bluku terullala blaulala loooo

zimzim urullala zimzim urullala zimzim zanzibar zimzalla zam
elifantolim brussala bulomen brussala bulomen tromtata
velo da bang band affalo purzamai affalo purzamai lengado tor
gadjama bimbalo glandridi glassala zingtata pimpalo ögrögöööö
viola laxato viola zimbrabim viola uli paluji malooo

tuffm im zimbrabim negramai bumbalo negramai bumbalo tuffm i zim
gadjama bimbala oo beri gadjama gaga di gadjama affalo pinx
gaga di bumbalo bumbalo gadjamen
gaga di bling blong
gaga blung


Hugo Ball
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Franz08 am 16. Mai 2006, 10:49:53
Was haben wir doch früher über die deutschen Filme aus den 50ern gelacht: Was da für ein Frauen- und Gesellschaftsbild vermittelt wurde...  :o

Heute lachen wir nimmer: Sehen wir uns die "neuen deutschen Fernseh-Komödien" an und andere Erzeugnisse der Unterhaltungsindustrie, merken wir schnell, dass wir fast schon wieder einen Schritt hinter den 50ern sind.

Und plötzlich regen auch wieder in der Kunst Werke auf, die vor 40 und mehr Jahren schon für Skandale gesorgt haben...
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Franz08 am 16. Mai 2006, 11:25:19
Wird's besser?
Wird's schlimmer?
fragt man alljährlich.
Seien wir ehrlich:
Leben ist immer
lebensgefährlich!

Erich Kästner
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: whoknows am 16. Mai 2006, 23:46:57
Ich habe mir gestern abend ein Programm angeschaut, wo George Sand zitiert wurde, die Lebensgefährtin von Chopin, damals eine gefeierte Autorin  - die aber eigentlcih Aurora Irgendwas hiess, und sich George Sand als Pseudonym zulegte, weil sie sonst nicht veröffentlichen hätte können.
anyway: Die hat schon Anno 1845 Sachen gesagt, die kann man heute noch ganz genau so unterschreiben. Und zwar zur Gleichberechtigung ebenso wie zur Politik und zur Wissenschaft und Soziologie. Es ist echt verblüffend.

Es ist ein Irrtum zu glauben, die Menschen entwickelten sich weiter. Sie tun es nicht. Das tut nur die Technik...
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Franz08 am 31. Mai 2006, 16:04:46
Aus aktuellem Anlass und weil die Heuchlerbrigade an Politikern gerade wieder lautstark unterwegs ist und damit keine/r sagen kann, er/sie hätte es nicht gelesen:

(https://www.georgkreisler.net/proxy.php?request=http%3A%2F%2Fimg350.imageshack.us%2Fimg350%2F6749%2Fhandke8wa.jpg&hash=1bc0b7379b029127ae9f8a993d8a07bfbdaacbb8)


Zum Thema möchte ich Thomas Steinfeld von der Süddeutschen zitieren, der in seinem Kommentar geschrieben hat:

Zitat[size=14]Die Selbstinszenierung der üblen Nachrede[/size]
Schlimmer hätte es für Peter Handke nicht kommen können: Wie man eine Jury, einen Preis und einen Autor beschädigt - und am Ende 50000 Euro spart.

So geht das nicht: Der Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf kann nicht bei Peter Handke anrufen, um ihm mitzuteilen, dass er in diesem Jahr den Heinrich-Heine-Preis erhalten wird, wenn wenige Tage später die Fraktionen des Stadtrats beschließen, die Vergabe zu verhindern. So geht das nicht: Der gewesene Historiker, Museumsdirektor und jetzige Politiker Christoph Stölzl kann nicht Mitglied einer literarischen Jury sein und sich, sobald öffentliche Kritik an deren demokratisch gefasster Entscheidung laut wird, in die Kulissen flüchten und erzählen, der zukünftige Preisträger sei nicht sein Kandidat gewesen. So geht das nicht: Dass sich jetzt Politiker reihenweise zu Wort melden und die Preisvergabe als ¸¸schäbig" , ¸¸nicht denkbar" oder ¸¸unsensibel" kritisieren, während sie zugleich keinen Zweifel daran lassen, die inkriminierten Schriften Peter Handkes nie gelesen zu haben. Wenn die Düsseldorfer Lokalpolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann behauptet, Peter Handke habe ¸¸Mord, Vertreibung, Massenfolter und Vergewaltigung" relativiert, dann irrt sie. Ebenso Fritz Kuhn, der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, wenn er kolportiert, Peter Handke habe Slobodan Milosevic verteidigt. [...]
http://www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/999/76923/print.html
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Bastian am 31. Mai 2006, 17:19:19
Ich versuche eher zu schreiben, als zu zitieren:

Die Düsseldorfer haben noch nie gewusst, wie sie mit Heine umgehen sollen. Dass sie aber nicht einmal wissen, wie sie mit Handke umgehen sollen, wundert mich wirklich.

Dass Handke sich nahezu einseitig proserbisch geäußert haben soll, kann kein Grund für eine Aberkennung des Preises sein. Allerdings reicht es auch nicht als Begründung aus, ihm den hochrevolutionären Preis zu verleihen.

Dass er als Schriftsteller, als Mann des Wortes, nicht auf die Worte achtet, spricht zwar für sein Mundwerk, nicht aber für gutes Handwerk:
"Handke drehte den Spieß der offiziellen Rechtfertigungen für die Bombenangriffe um, indem er erklärte, die NATO hätte kein neuesAuschwitz verhindert, sondern ein neues Auschwitz geschaffen. "Damals waren es Gashähne und Genickschußkammern; heute sind es Computer-Killer aus 5000 Meter Höhe." (2)"

Auch der Ausspruch, die Serben seien größere Opfer als die Juden, rutscht einem geschichtsbewussten Menschen nicht einfach so heraus. Den Ausspruch kann er selbstverständlich zu "korrigieren" versuchen, aber zurücknehmen kann er ihn nicht. Gesprochen ist gesprochen.


Mich beschäftigt das Gerummel um den Preis nicht besonders. Er ist ein Preis, der von der Stadt Düsseldorf gestiftet wird, nicht von einem Künstler. Auch soll er nicht Künstler ehren, sondern "Persönlichkeiten (...), die durch ihr geistiges Schaffen im Sinne der Grundrechte des Menschen, für die sich Heinrich Heine eingesetzt hat, den sozialen und politischen Fortschritt fördern, der Völkerverständigung dienen oder die Erkenntnis von der Zusammengehörigkeit aller Menschen verbreiten"

Ob Handke mit seinem Auftritt bei der Beerdigung Milosevic zur Völkerverständigung wirklich beigetragen hat, bezweifele ich.

Zitate von hier:
http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/8/0,3672,3939784,00.html

Ich habe Handke nicht gelesen, wohl aber Heine. Ich wage die Vermutung, dass Heinrich Heine sich geehrt gefühlt hätte, wenn die Stadt Düsseldorf ihm einen Preis verweigert hätte.

So kann sich Handke Heine sogar näher fühlen, als wenn er den Preis bekäme. Dafür spricht auch die Tatsache, dass die Düsseldorfer, wie oben bereits geschrieben, weder mit dem einen, noch mit dem anderen umgehen können. Demnach ist aus der Sicht der Stadt- wie immer- alles in Ordnung. ::)
qed
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Bastian am 31. Mai 2006, 19:15:07
Nachtrag:
Hier eine Linkliste mit einigen Texten Handkes. Für alle, die- wie ich- nichts von ihm gelesen haben, aber mitreden wollen. Dort findet man auch einige der Äußerungen, die in der letzten Zeit Wellen geschlagen haben.

http://www.tour-literatur.de/Links/links_autoren/handke_links.htm

Noch ein kleiner Nachtrag: Ich könnte mir eine typisch"rheinische Lösung" vorstellen. Die Stadt überweist Handke das Geld, unter der Bedingung, dass er den Preis nicht annimmt...

Also in Köln würde man das so lösen.
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: michael am 31. Mai 2006, 22:57:46
Die Linkliste: Beim Versuch, die Links, die direkt auf das fragliche Verhalten eingehen, kriegt man (frau sehrwahrscheinlich auch ...) eine interesssant Mischung: z.Bsp. den Disney vacation planner, eine Seite in Französich (da habe ich eine 100 %igie Bildungslücke, oder eine Seite der 4. Internationalen.
Was will der Mensch H. eigentlich?
Suspekt in meinen Augen ist schon die Betonung zu einem serbischen ***.
Als ob das was erstrebenswertes wäre: Hat da nicht vor kurzem eine Gegend im Ex-Jugoslawien mehrtheitlich ihr NATIONALE Selbstständigkeit gewählt: Toll, ganze 600000 Bürger müssen jetzt 200 Bots haften ausrüstern. mit Personal versorgen, und ganz WICHTIG: GRENZSCHTRUPPEN aufbauen, die GRENZEN abriegeln, Zöllner und eigene PÄSSE und eine NATIONALHYMNE!!!

Was mag der handke nur wollen?

Rheinische Lösung? Statt Geld ein alter Karnevalsorden, mehr ist nicht drin.
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Alex am 01. Juni 2006, 01:45:39
Hab ich irgendetwas verpasst?
Verstehe den Ablauf nicht ganz...? Handke hat hier und dort Zitate fallen gelassen, die jetzt -doch ganz anders erklärt werden und gar nicht sooo schlimm waren. Handke war Grabredner bei Milosevic, der Großserbien propagiert hat, mehrere- oder einen großen- Bürgerkrieg verfolgte, Massenexekutionen angeordnette (ließ), -sein Clan hat sich mit Millionen Euros bereichert. Für die Definition eines Diktators sollte dies reichen! Wer am Begräbnis dieses Mannes an solch exponierter Stelle teilnimmt setzt ein Zeichen. Aber keines der Toleranz oder des Freidenkens.
Heine- Tradition? Das soll mir mal einer erklären...
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Alexander am 01. Juni 2006, 10:29:16
Das ist jetzt frech und "politisch nicht korrekt" und noch dazu nur so dahingesagt, weil ich nur wenig Ahnung von allen möglichen und unmöglichen weltpolitischen Zusammenhängen habe und im Moment leider zu wenig Zeit, alle Links zu studieren:
Ich sehe Handke auf der Position desjenigen, der sich als Künstler gegen die "negative Globalisierung" wehrt, meinetwegen mit unglaubwürdigen Mitteln.
Ich selbst bin (leider) von der Schule Handke-verdorben (mit dessen Werken aus den 70ern), kenne aber zwei Leute, auf deren Urteil ich viel gebe und die den Handke literarisch ziemlich gut kennen und die schriftstellerisch nichts über ihn kommen lassen.
O.k., bin meinungstechnisch hier nur zweiter Hand. Trotzdem: Diesfalls erlaube ich mir die freche Meldung: Der Milosevich war als Diktator ein Miesling, vielleicht so einer wie der Saddam Hussein. Aber sind nicht die, die solche Mieslinge geschäftlich und militärisch stützen (bis sie sie nicht mehr brauchen), die noch größeren Mieslinge?
Ganz abgesehen davon würde ich "Wortfront" oder Andrea Eberl oder Dagmar Anuth oder Erics Theater in Döbeln oder Bassmeisters aktuellem Ensemble oder Bastian Kopp zum Aufbau einer seinem Talent würdigen Karriere oder weiß Gott wem dieser Art das Düsseldorfer Geld tausendmal mehr gönnen.
Soviel zu meinem sicher etwas seltsamem Verständnis von Politik und Kunst.
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: whoknows am 01. Juni 2006, 12:07:08
Ich würde uns das Geld auch mehr gönnen. 8-) - zumal der Handke keine Geldsorgen hat. - Aber Geld kommt zu Geld, das ist doch immer so.
Jedenfalls: Was mich umtreibt, ist folgendes: Ich bin eigentlich der Meinung, dass man die Wertschätzung der  künstlerischen Arbeit von jemandem nicht unbedingt mit  dessen charakterlichen Eigenschaften vermischen  oder davon abhängig machen sollte. Sonst könnte man Rousseau, Brecht, Wagner, auch Kreisler, und viele viele andere  nicht mehr so hoch schätzen.
Aber: Gilt das gundsätzlich? Gibt es Grenzen? Oder sind die nur von der Zeit abhängig, und davon, wie sehr zB die politische Meinung ein gewisses Klima unterstützt hat (zB: Jünger). Ziehe ich diese Grenzen nur beim SOZIALEN Verhalten, also: wie geht der Künstler mit Freunden, Verwandten um - oder bei Politischem: Also: Wagner ist schlecht, weil antisemitisch. Handke ist schlecht, weil proserbisch und undifferenziert einem politischen Megaarschloch gegenüber und  Brecht ist gemischt, weil er zwar  künsterisch eher zynisch war, da  populistisch  auf Gewinn bedacht aber  eher Wasserprediger und Weintrinker war, trotzdem haben seine WERKE politisch "gut" gewirkt, und sein menschlicher Umgang geht uns nix an. Rousseau und Kreisler indes sind völlig okay, weil die ja nur der eigenen Familie schlecht taten, aber politisch ehrlich.
Ist das die anzusetzende Grenze?
Wie ist das mit der Arbeit von Furtwängler, Riefenstahl, Rühmann und wie die Ignoranten alle hiessen?(auch ausübende Künstler sind Künstler, oder?)

Macht es die literarische Arbeit von Handke wertlos, dass er mit zunehmenden Jahren in seiner Politischen  Wahrnehmung und Einschätzung zum Volltrottel wurde?

Und: Die Antwort darauf ist irgendwie...äh....Geschmackssache. Ist das legitim? Sollte es einen Konsens geben, warum man die künstlerische Arbeit von jemandem schätzen kann, abgesehen von der reinen Kunstdefinition?

(Mit dem Preis hat das allerdings auch nur in einem Grenzbereich zu tun, da kommt nämlich noch die Frage in's Spiel: Ehrt man mit einem Preis die künstlerische Arbeit des Preisträgers allein, oder auch seine Menschlichen Taten? Und zwar:Intention und Rezeption - also was wollen die Preisgeber und was sehen die Menschen in dem Preis?)

Und: kann man einen künstlerischen Preis nur einem WERK verleihen, und nicht dem dahinter Stehenden Menschen?
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: michael am 01. Juni 2006, 13:10:02
Ja, genau.
Es bleibt mir kaum etwas anderes übrig, als zwischen der Person und der Kunst zu trennen. Zum ersten Mal habe ich diese Zwickmühle mit Dali und Dali's Bildern gehabt:
Die Bilder sind für mich so tiefsinnig, ansprechend, atemberaubend, aber die Person....Schweigen wir lieber.
Weiter gedacht: Wenn ich immer die Person mit bewerten muss, dann dürfte ich nie nach dem Hören einer Musik spontan sagen: toll, gefällt mit prima - der/die Musiker/Musikerin könnte ja aus der falschen politischen / moralischen Ecke kommen. Und was, wenn ich nach Jahren feststelle, das er/sie aus politischen oder persönlichen Gründen untragbar ist? Soll ich dann meine CDs wegwerfen?
Nein, ich trenne zwischen Kunst und Künstler.
Schön, wenn beides zusammenpasst (Paul McCartney ist veg*!!), dann kann ich mich freuen, und bei Dali geniesse ich eben die Bilder pur - zur Strafe kaufe ich mir keinen Original-Dali, so!
Aber eine Grenze wird errreicht, wenn jemand offen für faschistische, rassistische, diktatorische Dinge wirbt: Dann noch einen Preis verleihen, gar einen Heine-Preis?


Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Bastian am 01. Juni 2006, 14:06:50
Die Diskussion, die im Moment läuft, sollte man mal Aufnehmen:
Verfechter und Verächter Handkes streiten sich mit Schaum vor dem Mund darum, wer völkerverbindender ist: Heine oder Handke.

Hier eine Prognose:
Handkes Bücher werden aus den Regalen der Buchhandlung Müller genommen, die heute im Heine- Geburtshaus sitzt, in dem ich früher immer so schön gesoffen habe. Mit den Worten "Handke ist unser nationales Symbol!" wirft Österreich die Jelinek über der Altstadt ab- und das Institute Français wird kollateral in Schutt und Asche gelegt. Das darüber erboste Paris schickt Heinrich Heine zurück nach Düsseldorf, doch der Oberbürgermeister weiß nicht wohin mit ihm, weil es in dieser großen Kleinstadt einfach keinen prestigeträchtigen Ort mehr für Heines Gebeine gibt. Schließlich hat man mit ihm noch nie gerechnet, und schon gar nicht mehr mit ihm. Und die letzten hübschen, repräsentativen Freiflächen sind längst mit unhübschen, repräsentativen Betonbürogebäuden und einem schäbigen, nicht- sonderlich- repräsentativen Uni- Campus zugekleistert (Hei-Hei-Uni).

Dann weiß der OB plötzlich doch, wohin mit dem Heinegebeine, und:

Schon macht der Rollrasen in der LTU- Arena wieder Probleme...

Die FIFA rügt den Oberbürgermeister und beschließt, keine Länderspiele in diesem Stadion mehr auszutragen, was den oben genannten Bürgermeister zu der Kurzschlussreaktion verleitet, aus lauter Wut, Sepp Blatter wegen "Völkerverständigung" für den Heine Preis vorzuschlagen.

Ein mächtiges Rascheln geht durch den Blätterwald, ein Knarren, sogar. Nur Sigrid Löffler findet das- wieder einmal- "eine mutige Idee", und wird gar übermutig: Sie ruft nach langer Zeit wieder mal bei Marcel Reich-Ranicki an, und findet in ihm, zu ihrer Verblüffung, einen willigen Unterstützer. So willig, dass die beiden kurz darauf ihre Verlobung bekannt geben. Aus dem Krankenhaus meldet sich Elfriede Jelinek zurück, und kündigt an, ihren Heine- Preis an Löffler und Ranicki zu verschenken.

Da wird es plötzlich still.

Bei 3Sat gibt die Jelinek Gert Scobel ein Telephoninterview: "Ja, als ich durch das Dach des Institute Français krachte, kam mir die 'Erkenntnis von der Zusammengehörigkeit aller Menschen' (Zitat Heine Preis). Wenn schon der Ranicki und die Löffler zusammenfinden, was brauch ich dann noch diesen Preis?"

Zwei Tränen sammeln sich im linken Auge von Gert Scobel. Und auch Peter Handke wird ganz ungewohnt zu Mute. Der Oberbürgermeister Erwin spricht: "Seht ihr? Ich habe ja nie an diesem Preis gezweifelt!"...

... nur unter dem Elfmeterpunkt des Stadions, aus der Beule im Rollrasen, hört man es ganz leise kichern. Alle zwei Jahre einmal.
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: whoknows am 01. Juni 2006, 14:30:14
Grossartig.

.....wusste garnicht, dass Du unter dem Stadion wohnst....
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Alexander am 01. Juni 2006, 15:43:00
Ich bin mit allem von Euch einverstanden.
Leider (?) muss man offenbar wirklich vielfach das Künstlerische vom Künstler trennen.
Und: Bastian, Du Genie ... unglaublich, was Dir so einfällt, wenn Du Dich herauslocken lässt aus Deinem Bastianskopf!

Mangels eigener Worte hier ein Zitat PRO Handke.
Ich mag Schütt. Und ich nehme mir für 2007 vor, viel Handke zu lesen.

21.03.06
Der Dichter am Grab
Von Hans-Dieter Schütt

Peter Handke am Grab von Miloševic. Das Feuilleton empört sich: Dichter in Mördernähe! Ein Feuilleton, das, zu Teilen, einem Bush in so rasendem Jubeltempo hinterherschrieb, dass es mit spitzküssender Feder glatt in ihn eingedrungen wäre, hätte der Krieger auf dem Weg in den Irak plötzlich gebremst. Mördernähe. Kein Dichterprivileg. Manchmal spricht es für Dichter, wenn sie schreiend einseitig, gefahrvoll missverständlich sind. Und beglückend talentlos, immer dort über den Dingen zu stehen, wo die unanfechtbare Moral einen schützt. Handke, Pinter: Die Verrückten sind die Gesunden.
Der Österreicher trat für Serbien ein, indem er stets dort beiseite trat, wo die bestimmende Wahrheit, die der Welt-Bestimmer, herantriumphierte. Auch in Serbien wurden Menschen Opfer – ihrer Machthaber, eines spaltenden Krieges und westeuropäischer Abstempelung zum Tätervolk. Dagegen schrieb er. Nicht für Miloševic. Freilich war er nicht gefügig für feststehende Vor-Urteile – in einem laufenden Prozess. In Den Haag trug nicht die Sorge um Gerechtigkeit die Robe, es ging wohl eher um die US-gesteuerte Entsorgung eines schwierigen Häftlings.
Handke war nie Parteigänger. Am Grab stand er, was Serbien betrifft, als höchst lebendiger Wiedergänger.

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=87573&IDC=7&DB=O2P

Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Franz08 am 01. Juni 2006, 17:01:27
Hallo Bastian,

auch von mir herzlichen Dank für die schöne Geschichte. (Allein der Gedanke, Sepp Blatter den Heine-Preis zu verleihen, ist zum Niederknien!)

Die Schwierigkeit, Kunst und Werk trennen zu sollen, obwohl man es einerseits nicht kann, andererseits aber muss, ist schon angesprochen worden. Auch ich hab' Handke in seinem "pro-serbischen Furor" nicht immer verstanden, wenngleich seine "winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina oder Gerechtigkeit für Serbien" mehr als bedenkenswert ist.

Was erstaunlich war in der aktuellen Situation, waren die Begründungen, mit denen gerade linke Politiker auf einmal bei der Hand waren: Jemand, der auch nur darüber nachdenkt - den common sense verletzend - "Serbien" nicht nur als "Täterland" zu bedenken, hat es als Person nicht verdient, diesen Preis zu erhalten.

Handke hat sich explizit für den "Juden-Vergleich" entschuldigt bzw. ihn als "Un-Sinn" bezeichnet und vieles andere, was ihm vorgeworfen wurde, nicht gesagt oder geschrieben. Vieles aber hat er gesagt und geschrieben, was er besser nicht gesagt oder geschrieben hätte. Womit wir wieder bei der Eingangsfrage wären: Kann man Werk und Künstler voneinander trennen? Whoknows hat die Grundproblematik klar gemacht und Michael die Schwierigkeiten bei der Beurteilung sehr anschaulich beschrieben.

Meines Erachtens gibt es tatsächlich einen Zeitpunkt, ab dem sich "das Werk" von seinem Urheber löst.
Allerdings: Da jedes Werk immer in einem neuen Zusammenhang - vom Rezipienten und der Gesellschaft, in der der Rezipient lebt - interpretiert wird, bleibt auch die (gesellschafts)politische Komponente immer erhalten. Und die gesellschaftspolitische Einschätzung eines künstlerischen Werkes wird sich deshalb immer ändern.

Ein Beispiel: Viele der italienischen Futuristen standen zu Beginn des vorigen Jahrhunderts in ihrer Technik-Faszination der faschistischen Ideologie nahe; diese politische Komponente tritt in der heutigen Rezeption in den Hintergrund. Die "futuristische Ästhetik" feiert im modernen Produkt-Design eine Wiederauferstehung nach der anderen.

Zweites Beispiel: Gerade von linker Seite gibt es seit Jahren fundierte Kritik an der medialen Vermittlung "der Serben" als "alleinige Schlächter des Balkans".
http://www.konkret-verlage.de/kvv/kt.php?texte=27
http://www.konkret-verlage.de/kvv/txt.php?text=vordemkrieg&jahr=2000&mon=04
Dass "am Balkan" aber jedenfalls nichts eindeutig ist, das weiß der gelernte Österreicher. Und was die Geschichte in 50 Jahren zu den Balkan-Kriegen schreiben wird? Jedenfalls nicht das, was heute common sense ist. Diese Erkenntnis wiederum befreit niemanden von Schuld, die begangen wurde.

Lassen wir einen ebenfalls großen Dichter sprechen, der ganz persönlich betroffen war. Dzevad Karahasan in einem Interview mit der "Kleinen Zeitung" vom 1. Juni 2006:
ZitatHerr Karahasan, Sie verbrachten die Kriegsjahre in Ihrer bosnischen Heimat, Sie sind ein profunder Kenner der Werke von Peter Handke. Wie beurteilen Sie die aktuellen Streitigkeiten?
KARAHASAN: Es steht mir nicht zu, über Dichterkollegen zu urteilen. Und mich ärgert all der Lärm um die Preisvergabe, weil hier eine große und beängstigende Diskursverwirrung herrscht. Aber es stört mich auch ein Wort der Jury.
Welches?
KARAHASAN: Es ist der Begriff der ,,Rücksichtslosigkeit" in Handkes Werk. Ich meine dabei, wohlgemerkt, seine Serbien-Texte. Auch hier wird Verwirrung offenkundig. Der Blick eines Literaten kann und darf nicht rücksichtslos sein, er muss immer aus mehreren Sichtweisen bestehen, aus Reflexionen, aus dem Blick auf Subjekte, die man zum Sprechen bringt. Das tut Handke in diesen Schriften nicht.
Sind sie nun Ihrer Ansicht nach poetisch oder nicht?
KARAHASAN: Es ist absolut keine Poesie! Handke beleidigt hartnäckig die Opfer des Serben-Krieges in Bosnien und er tut, was viele seiner Verehrer nun auch tun: Er befreit, etwa durch Aussagen, die er dann widerruft, die Worte aus ihrer Verantwortung. Womit wir wieder bei der Diskursverwirrung sind. Dennoch bleibt ein Trost.
Welcher?
KARAHASAN: Über die Bücher urteilt die Zeit, nicht der Mensch, Preis hin, Debatte her.      
Interview: Werner Krause

An der Diskussion der letzten Tage hat mich sehr nachdenklich gemacht, wie sehr gerade so genannte "aufgeklärte Linke" bereit sind, ohne auch nur nachzudenken sich der "allgemeinen Meinung" bedingungslos anzuschließen und einen Menschen wie sein Werk absolut zu diskreditieren...
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Bastian am 01. Juni 2006, 17:18:19
ZitatKARAHASAN: Es ist der Begriff der ,,Rücksichtslosigkeit" in Handkes Werk. Ich meine dabei, wohlgemerkt, seine Serbien-Texte. Auch hier wird Verwirrung offenkundig. Der Blick eines Literaten kann und darf nicht rücksichtslos sein, er muss immer aus mehreren Sichtweisen bestehen, aus Reflexionen, aus dem Blick auf Subjekte, die man zum Sprechen bringt. Das tut Handke in diesen Schriften nicht.
Das trifft sich mit dem Artikel, den ich gerade gelesen habe, und hier anbringen wollte:
http://www.faz.net/s/Rub1DA1FB848C1E44858CB87A0FE6AD1B68/Doc~E0377824F96244C23A12D0DDAAC91AEC3~ATpl~Ecommon~Scontent.html

Dass ich Herrn "Ranitzki" einen solchen genannt habe, ist ja wirklich peinlich. :-[ Da hab ich mich wohl selbst verwirrt, als ich kurz zuvor bei der Recherche zu Handke einen Text gelesen hatte, in dem dauernd der Name einer anderen, österreichischen Herrn auftauchte. Das hat mich wohl dazu verleitet...  Aus Gründen ausgleichender Ungerechtigkeit nenne ich diesen Herrn nun "Vranicki".

(Anm. d. Leg.: Es war mir ein Dorn im Auge, ich habs korrigiert, peinlich.)
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Franz08 am 01. Juni 2006, 18:07:25
Hallo Bastian,

der Text aus dem faz-net ist auch insoferne interessant, als zur Illustration neben Milosevic und Handke (von dem berichtet wird, dass er als "Experten-Zeuge" geladen war) unter dem Zwischentitel "Ein Expertenzeuge"  - "deren Rolle bei den Prozessen vor dem Tribunal darin besteht, den größeren historischen und zeitgeschichtlichen Zusammenhang zu beleuchten" - ein Bild von Radovan Karadzic zu sehen ist.

Karadzic wird im gesamten Text nicht erwähnt! Der ehemalige Präsident der Republika Srpska wird per internationalem Haftbefehl als Kriegsverbrecher gesucht und ist alles andere als ein "Expertenzeuge" wie Handke.
Was anderes insinuiert man also mit dieser Illustration, als dass Handke auch so etwas wie ein Kriegsverbrecher sei?

(https://www.georgkreisler.net/proxy.php?request=http%3A%2F%2Fimg76.imageshack.us%2Fimg76%2F7972%2Fhandke1wc.jpg&hash=34af908085d38ada3378d058d1b1a2af9acb7112)

In diesem Artikel wird Handke - zu Recht - faktische Ungenauigkeit vorgeworfen.
Als "Gegenmittel" scheinen auch die subtilsten Formen "visueller Propaganda" erlaubt...
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Alex am 02. Juni 2006, 03:10:34
Meiner Meinung nach läuft in dieser Diskussion etwas falsch. Worum geht es? Um den Heine Preis der Stadt Düsseldorf. Wie ist dieser definiert..?

-->"Der Heinrich-Heine-Preis der Stadt Düsseldorf ist ein zu Ehren von Heinrich Heine verliehender Kulturpreis. Er wurde von der Stadt anläßlich des 175. Geburtstags Heines gestiftet. Die Auszeichnung ,,wird an Persönlichkeiten verliehen, die durch ihr geistiges Schaffen im Sinne der Grundrechte des Menschen, für die sich Heinrich Heine eingesetzt hat, den sozialen und politischen Fortschritt fördern, der Völkerverständigung dienen oder die Erkenntnis von der Zusammengehörigkeit aller Menschen verbreiten" (lt. Bestimmungen über die Verleihung)."
ALSO:
wird an Persönlichkeiten verliehen, die durch ihr geistiges Schaffen im Sinne der Grundrechte des Menschen...den sozialen und politischen Fortschritt fördern,... der Völkerverständigung dienen oder die Erkenntnis von der Zusammengehörigkeit aller Menschen verbreiten  

Hat man dies einmal begriffen, stellt sich die Frage nach Handkes Gedichten nicht mehr -ohne seine privat-politischen Aussagen.
Es geht NICHT nur um Hankes Dichtkunst- sondern ganz besonders auch- um seinen Hintergrund. Beides ist in der Defnt. des Preises untrennbar verwoben.
Bevor nun alle eifrig Handketexte lesen, um zu verstehen--- bitte ich doch sehr beim Thema zu bleiben- und dieses heißt: Darf jemand, der auf einer Diktatorbeerdigung warme Worte für den "Führer" findet, mit 50.000€ für VÖLKERVERSTÄNDIGUNG UND ZUSAMMENGEHÖRIGKEIT ALLER MENSCHEN beeehrt werden???
Nein.
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Bastian am 02. Juni 2006, 04:22:47
@Franz: Ich habe die Karikatur Karadzics ebenfalls mit kurzem ( ) Befremden wahrgenommen, habe sie aber keinesfalls auf Handke bezogen, sondern auf diesen Abschnitt, in dem es um die Zeugen geht, denn dazu parallel steht eben dieser Text geschrieben. Es ist in meinen Augen ein "Schlagen- en passant", wie der Schachspieler sagt. (Gerade Journalisten versuchen sich öfter in solchen rhetorischen Mitteln, weil sie kein Kabarett machen dürfen...) Die direkte Überschrift lautet "Ein Experten-Zeuge", darunter taucht sofort das Bild Karadzics auf, und verblasst im weiteren Text, in dem es dann weiterhin um Handke geht...

Dass Radi im Text nicht weiter genannt wird, gehört zu dem Wesen dieses Stilelements. Das nennt man "Seitenhieb". Mehr wäre schlicht zuviel.

Aber ich habe mich ebenfalls über das Bild gewundert, da stehe ich, für diesen Moment, nahe bei Dir. Auch sehe ich die unbedachte (?) Parallele die dort insinuiert wird.

Aber da scheiden sich wohl unsere Geister. Die Karikatur scheint mir eher als Kontrast gedacht Im Sinne von: "Handke kann noch so sehr die Nähe Milosevics suchen, und die "Wahrheit" ergründen wollen,... ... Karadzic weiß einfach mehr als Handke."

Soviel zur Wichtigkeit, die der Autor Handke zubilligt.

(Muss ich Helvetomane das einem Österreicher erklären?  Tsss.... tsss...)  :-*
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Andrea am 02. Juni 2006, 04:59:55
@Basti: Super Satire.
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Franz08 am 02. Juni 2006, 10:11:59
Hallo Alex,

auf Deine Polemik einsteigend könnte man auch so zitieren und argumentieren:

"Der Heinrich-Heine-Preis der Stadt Düsseldorf ist ein zu Ehren von Heinrich Heine verliehender Kulturpreis. [...] Die Auszeichnung "wird an Persönlichkeiten verliehen, die durch ihr geistiges Schaffen im Sinne der Grundrechte des Menschen, für die sich Heinrich Heine eingesetzt hat, den sozialen und politischen Fortschritt fördern [...] oder die Erkenntnis von der Zusammengehörigkeit aller Menschen verbreiten"

Du wirst wohl nicht behaupten wollen, dass Peter Handke
1. Bestimmten Menschen ihre Grundrechte abspricht und
2. Völker gegeneinander aufhetzt.

Warum ist das niemandem in der Preis-Jury aufgefallen? Warum ist Handke nicht schon längst in einem deutschen Gefängnis?

Lieber Bastian, dieses rhetorische (?) journalistische Stilmittel wäre mir neu: Unter einer "direkten Überschrift" zu deren Illustration ein Bild zu setzen, das einen völlig anderen Sachverhalt zeigt. Das Bild des gesuchten Kriegsverbrechers Karadzic illustriert die Funktion Handkes als so genannter Experten-Zeuge.

Lassen wir diese Perfidie aber mal als "journalistisches Stilmittel" durchgehen, so ist es auch schlecht ausgeführt, weil nicht erklärt: Ich schätze, maximal die Hälfte der Leserschaft weiß überhaupt, wen diese Karikatur zeigt, die andere Hälfte lässt man einfach dumm sterben.

Den Mut zum Bildtext "auch ein Experten-Zeuge: Der wegen Kriegsverbrechen gesuchte Radovan Karadzic" hatte man wiederum nicht, denn dass dann Handke klagen würde, wäre sehr wahrscheinlich. Also lässt man die eine Hälfte dumm sterben und streift bei der anderen den Profit der unausgesprochenen Polemik ein. Wirklich schade, dass Journalisten kein Kabarett machen dürfen.
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: whoknows am 02. Juni 2006, 12:26:37
Jounalisten und Bildredakteure kennend, tendiere ich zu folgender Erklärung: Irgendein Trottel in der Redaktion hat geglaubt, es sei eine Karikatur Milosevics.
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: michael am 02. Juni 2006, 13:25:33
Und wer diese Einschätzung des journalistischen Sachverstandes nicht glaubt, dem sei folgendes empfohlen:
1. Suche dir ein Fachgebiet, von dem Du wirfklich etwas verstehst
2. Lese die Artikel besonders genau, die dieses Fachgebiet tangieren
3. Sei sicher: Auch in den anderen Themen werden ganauso viele Fehler sein
4. Nicht verzweifeln
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: whoknows am 03. Juni 2006, 00:49:45
Nie werde ich den Bericht über Kitzbühel vergessen, wo irgendein Redaktuer als Bildunterschrift wählte: "Auf der Streif ist wieder mal die Hölle los". die crux war: das Bild zeigte eine völlig menschenleere nächtliche Strasse...
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Alex am 03. Juni 2006, 02:36:15
Hallo Franz08,
Zitat:
Warum ist das niemandem in der Preis-Jury aufgefallen?
In der RP vom 2.6.06 ist ein erhellender Artikel- leider nicht online, deshalb versuche ich die, für diese Frage, releventen Absätze zusammen zufassen:

Die Jury bekam drei Tage vor Abstimmung ein paar Seiten aus dem Munzingerarchiv, zur Übersicht über die Biographien der Vorgeschlagenen. Diese losen Kopien waren leider nur bis 2003 aktualisiert- somit kamen einige Aussagen Handkes und sein Grabbesuch Milosvic´ gar nicht darin vor. Einige Jujoren gaben sogar an, Handkes Texte überhaupt nicht zu kennen...
Der Einwand der Grünen Ratsfrau Marit von Ahlefeld, Handkes Sympatien für Milcsc. verbäten den Preis, wurde gar abgetan mit der Bemerkung "Handke sei Weltliterat" Diese Gegen-Voten wurden in der Preisbegründung gestrichen- obwohl die Satzung es verlangt. Kurz: eine Diskussion hat es nie gegeben.
Sehr professionell, Düssel-Dorf, wie der Name schon sagt. :o

Du wirst wohl nicht behaupten wollen, dass Peter Handke  
1. Bestimmten Menschen ihre Grundrechte abspricht und  
2. Völker gegeneinander aufhetzt.

Es geht doch nicht darum, ob es der Jury zur Vergabe des Heine Preis an eine Person anscheinend reicht   1. und 2. NICHT zu erfüllen...
Was solls´ es ist der übliche DdorfKungelschmuh, der in Kölle als Klüngel funktioniert, aber hier mal wieder nicht ;)
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Maexl am 06. Juni 2006, 18:57:11
In der sonntägigen FAZ stand auch wieder ein Artikel.
Darin zitiert Jürgen Busche, Autor des Artikels Handkes Französisch-Übersetzer, Georges-Arthur Goldschmidt: "Er [Handke] befindet sich nicht nur auf dem Holzweg, sein Wille, die Geschichte verneinen zu wollen, führt dazu, dass er mit gefesselten Füßen in sie hineinfällt."
Günter Kunert, über den sich Handke "äusserst abfällig [...] geäußert hat" denkt daran den Heine-Preis zurückzugeben, wenn Handke ihn (auch) erhält.
Busche schließt: "Was aber im poetischen Sprechen auftauchen mag und rasch verschwinden kann oder aufgehoben wird, indem es in immer veränderten Wendungen begegnet, bleibt in der politischen Auseinandersetzung anstößig und wird es um so mehr, je weniger der Autor zu der klaren Sprache fähig ist, die klaren Weltbildern entspricht.
Ein Dichterschicksal."
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Alexander am 08. Juni 2006, 20:06:44
Diese ddp-Meldung kreist derzeit durch die Medien.
Damit ist dieses Kapitel zumindest offiziell beendet.

Streit um Heine-Preise beendet
Donnerstag 8. Juni 2006, 16:49 Uhr

Düsseldorf (ddp-nrw). Der österreichische Schriftsteller Peter Handke verzichtet wegen des anhaltenden Streits über die Jury-Entscheidung auf den diesjährigen Heinrich-Heine-Preis der Stadt Düsseldorf. Der 63-jährige Autor habe seine Entscheidung Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU) in einem Brief mitgeteilt, gab die Düsseldorfer Stadtverwaltung am Donnerstag bekannt. Nach dem Verzicht Handkes soll in diesem Jahr nun kein Heine-Preis vergeben werden.

Er wolle mit seiner Entscheidung die öffentliche Diskussion um seine Person beenden und
nicht länger «Pöbeleien» von Parteipolitikern ausgesetzt sein, betonte Handke in dem Brief. Der Schriftsteller reagierte damit auf die seit rund zwei Wochen andauernde Kritik über die Vergabe des renommierten Preises an ihn. Die Verleihung war umstritten, weil Handke mehrmals öffentlich für den früheren serbischen Diktator Slobodan Milosevic und dessen Politik Partei ergriffen hatte.

Oberbürgermeister Erwin sagte, dass er die Entscheidung zwar bedauere, aber respektiere. Zugleich kritisierte er die Diskussion um die Preisvergabe. «Dass man einen freien Geist seitens der Politik derart undifferenziert und mit großer Ignoranz durch die Medienlandschaft hetzt, ist einmalig», sagte Erwin. Dies habe Peter Handke «nicht verdient», hieß es.

Im Düsseldorfer Stadtrat hatte sich wegen der Debatte um die Preiswürdigkeit Handkes eine breite Ablehnung gegen die von einer Jury empfohlenen Verleihung der Auszeichnung abgezeichnet. In einer Ratssitzung vom 22. Juni sollte über die Vergabe entschieden werden - dabei war allgemein mit einer Ablehnung gerechnet worden.

NRW-Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff (CDU) wollte sich nach Angaben einer Sprecherin nicht zu der Entscheidung von Handke äußern. Er hatte die Vergabe des Preises an den Autor aber im Vorfeld abgelehnt. Zugleich war er selbst in die Kritik geraten, weil er an der entscheidenden Jury-Sitzung nicht teilgenommen hatte.

Der kulturpolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, Oliver Keymis, nannte den Schritt von Handke «folgerichtig». Die Entscheidung beende «den formalen Teil der Debatte». «Der Scherbenhaufen bleibt», betonte er mit Blick auf den Streit.

Der Heine-Preis zählt zu den bedeutendsten Literatur- und Persönlichkeitspreisen in Deutschland. Er wird seit 1972 verliehen. In diesem Jahr wurde die Dotierung auf 50 000 Euro erhöht. Handke wurde bekannt mit Werken wie «Die Angst des Tormanns beim Elfmeter», «Ritt über den Bodensee», «Die Unvernünftigen sterben aus» oder «Der kurze Brief zum langen Abschied».

(ddp)
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Franz08 am 08. Juni 2006, 22:02:32

lichtung

manche meinen
lechts und rinks
kann man nicht velwechsern
werch ein illtum!

Ernst Jandl
Titel: Literatur & Fußball
Beitrag von: Franz08 am 09. Juni 2006, 12:16:20
Weil die Fußball-WM sicher auch an diesem Forum nicht spurlos vorübergehen wird - und sicher mehr als die Hälfte der Member Fans sind - wollen wir uns auch literarisch dem Thema widmen. Beginnen wir mit einem Klassiker:


Fußball (nebst Abart und Ausartung)

Der Fußballwahn ist eine Krank-
heit, aber selten, Gott sei Dank!
Ich kenne wen, der litt akut
an Fußballwahn und Fußballwut.
Sowie er einen Gegenstand
in Kugelform und ähnlich fand,
so trat er zu und stieß mit Kraft
ihn in die bunte Nachbarschaft.
Ob es ein Schwalbennest, ein Tiegel,
ein Käse, Globus oder Igel,
ein Krug, ein Schmuckwerk am Altar,
ein Kegelball, ein Kissen war,
und wem der Gegenstand gehörte,
das war etwas, was ihn nicht störte.
Bald trieb er eine Schweineblase,
bald steife Hüte durch die Straße.
Dann wieder mit geübtem Schwung
stieß er den Fuß in Pferdedung.
Mit Schwamm und Seife trieb er Sport.
Die Lampenkuppel brach sofort.
Das Nachtgeschirr flog zielbewußt
der Tante Berta an die Brust.
Kein Abwehrmittel wollte nützen,
nicht Stacheldraht in Stiefelspitzen,
noch Puffer, außen angebracht.
Er siegte immer, 0 zu 8,
und übte weiter frisch, fromm, frei
mit Totenkopf und Straußenei.
Erschreckt durch seine wilden Stöße,
gab man ihm nie Kartoffelklöße.
Selbst vor dem Podex und den Brüsten
der Frau ergriff ihn ein Gelüsten,
was er jedoch als Mann von Stand
aus Höflichkeit meist überwand.
Dagegen gab ein Schwartenmagen
dem Fleischer Anlaß zum Verklagen.
Was beim Gemüsemarkt geschah,
kommt einer Schlacht bei Leipzig nah.
Da schwirrten Äpfel, Apfelsinen
durch Publikum wie wilde Bienen.
Da sah man Blutorangen, Zwetschen
an blassen Wangen sich zerquetschen.
Das Eigelb überzog die Leiber,
ein Fischkorb platzte zwischen Weiber.
Kartoffeln spritzten und Zitronen.
Man duckte sich vor den Melonen.
Dem Krautkopf folgten Kürbisschüsse.
Dann donnerten die Kokosnüsse.
Genug! Als alles dies getan,
griff unser Held zum Größenwahn.
Schon schäkernd mit der U-Boots-Mine,
besann er sich auf die Lawine.
Doch als pompöser Fußballstößer
Fand er die Erde noch viel größer.
Er rang mit mancherlei Problemen.
Zunächst: Wie soll man Anlauf nehmen?
Dann schiffte er von dem Balkon
sich ein in einen Luftballon.
Und blieb von da an in der Luft,
verschollen. Hat sich selbst verpufft. -–
Ich warne euch, ihr Brüder Jahns,
vor dem Gebrauch des Fußballwahns!

Joachim Ringelnatz
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: whoknows am 09. Juni 2006, 16:59:33
Ich find Fussball doof.
wer noch?
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: michael am 09. Juni 2006, 19:12:54
Ich auch!
Aber am schlimmsten hier ist: Der WDR hat sein gutes Wortprogramm (WDR5) für das ganze Fussgedrisse  abgestellt!
Kein Leonardo mehr, keine polit-Magazine, sondern nur noch Fussball-Geblubber!
Ätzend!

Aber die Menschen haben sich auch verändert: Dieses abartige Getue mit den D-Fahnen und Hemdchen, der Nationalismus kommt auf leisen Pfoten ins normale Leben geschlichen,  über diesen Umweg wird der Nationalismus wieder solonfähig - und die Ewiggestrigen lachen sich über die Fähnchenschwenker ins Fäustchen.


Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Franz08 am 09. Juni 2006, 20:55:12
Hallo Michael,

ich finde ja, es wäre das noch viel größere Problem, überließen wir "den Rechten" jetzt auch noch den Fußballplatz.

Franz

P.S.: Ich hab' mich auch nie, nur weil ich mit STURM-Schal und Fahne Champions-League-Spiele besucht habe, "ewiggestrig" gefühlt.
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Franz08 am 09. Juni 2006, 21:07:36
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Was ist das Fußballspiel? Was Wunderbares!
Vom Anpfiff an bis in die Nachspielzeit
nur Glück und Glanz und Widerwärtigkeit,
und zum Verzweifeln ist es - und so war es,

Auswechselspieler auf der Aschenbahn -
Sie traben - aus dem Rasen schlagen Flammen.
Im Stadion bricht gleich ein Tor zusammen.
Der Lautsprecher sagt das Weltende an.

Und ein Gesang torloser Höllenpein,
Ein Spieler zögert mit der Ballabgabe,
Es schreit sein Knie als ob es Schmerzen habe.
Der Schiedsrichter befiehlt ihm still zu sein.

Ein Weltenrichter pfeift - wie ist es ausgegangen?
Wach auf, oh Mensch! Grad hat es angefangen.

F. W. Bernstein

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Liebe 06

Wie ein Füller und ein Bleistift in der Schub-
Lade, liegen wir im Hotelzimmerbett
Umschlungen, warten auf den großen Ladenöffner.
Ein Fernseher im Eck des Zimmers statt
Des Kruzifixes meint: Die Wahrheit liegt schon aufm Platz
Und grölt:

Cupblamage, Cupblamage, Cupblamage
Ball am Kappel unterm Arm, nein, Arsch
Krems an der Donau, Fladnitz Süd,
Ist rund, ist rund, ist rund, ist rund und frägt:

Sind Sie Epileptiker? Ja, vier Dioptrien,
ich verwechsle Hinz und Hechts,
darum war ich Mittelstürmer jahrelang,
aber egal, das Spiel dauert 06 Minuten,
nur für den Goalie ist es umgekehrt.

Franzobel

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Conditio

ein leben im mittelfeld - laufarbeit um seinen mann
zu stehen - den ball annehmen und dann passen
auf daß andere es zum abschluß bringen
und es dennoch bei positionswechseln belassen
choreographien des mißlingens:
tor ist wenn die gegenseite scheitert - knapp am limit
muskeln und sprunggelenk nie gut genug
dich freizuspielen atmest du dir
deine lunge leer - jeder spielzug
die eumeniden am rang herausfordernd vielstimmig
unversöhnlich und achtlos in ihrer gier
je mehr man ihnen gibt umso rascher wird man
über das aschweiß einer linie ins aus geholt knochen
auf knöcheln schabend die augen blank
vor adrenalin - im trotz hingegen ungebrochen
mit dem bißchen talent zwischen innenrist und spann
weiterzumachen - um abzugeben
vorzulegen an all den vorgaben sich abzuleben
der sieg bleibt einer über die ersatzbank
stolz und selbstbetrug dabei der ewig selbe kontrahent
in dieser arena aus pisse und zement

Raoul Schrott

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Fußball-Idyll mit Söhnen

die Beine auf dem Couchtisch ausgestreckt
blaue Flecken am Schienbein: weltmeisterlich
plaziert, die Zehen nervös, Kauen, Schlucken
im Takt der Manöver, der Taktik auch, über den halben Platz
geschrien und von beiden Cotrainern im Wohnzimmer
abgenickt, mit Kissen nachvollzogen, Sammlung,
Ausatmen, Tritt.
Die Mutter auf der Reservebank brav, ihr Einsatz
ungewiss, vorsichtshalber erlaubt sie das Doppelte.

Über dem Stadion der ausgesperrte Himmel, ein
Blick in den Garten holt ihn zurück, im Efeu die Spatzen
singen längst! we are mit deutschem Akzent
drinnen Fluchen und leise Angst
dass der seit dem Frühstück bestellte Sieg
mal wieder nicht lieferbar ist, morgen vielleicht,
aber der Elan der Waden sinkt
Positionswechsel: zurück in die Schuh, Ruh

Aus allen Fenstern dieselbe Musik
Liturgie ohne Gesangbuch
aber mit viel Gesang
keiner Zunge fremd
es ist heiß wie in Brasilien
ich esse Chips mit meinen Söhnen -
das dient, sagen sie, wie eine Vorlage
dem Tor
Jubel mit vollem Mund

Dagmar Leupold

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Der Ball ist rund

Meiner hat eine Delle.
Von Jugend an drücke
und drücke ich: aber
er will nur einerseits rund sein.

Günter Grass


Diese und noch viel mehr Gedichte zum Thema Fußball findet Ihr auf der wunderbaren Seite "Dichter am Ball / 50 lyrische Einwürfe zur Fußballweltmeisterschaft" auf NDR Kultur:
http://www.ndrkultur.de/ndrkultur_pages_std/0,,OID1813716,00.html?
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Bastian am 09. Juni 2006, 21:42:29
Schöne Gedichte, und danke für sie. Aber- sorry Franz- wenn ich ein Gedicht brauche, dann schreibe mir eines, oder gehe notfalls zum Regal neben mir.

Die vor Kurzem aufgestellten Forumsregeln (http://www.georgkreisler.net/cgi-bin/yabb/YaBB.cgi?num=1145974396/0#0) dienten nicht- wie teils irrtümlich angenommen- dem Ausschluss von Mitgliedern, sondern sind als Aufforderung gemeint, miteinander zu kommunizieren. Je mehr Fremdtexte hier zitiert werden, und je weniger Eigenanteil die Beiträge haben, desto weniger wird ergo diskutiert.

Zum Fußball: Fußball ist etwas für Bekloppte. So wie Krocketspielen, Jandl- Lesen, Marionettensammeln, Fröschezüchten, Zöpfeflechten, Zöpfebacken, Knetfigurenfilmedrehen, Kreislersingen, Matschburgenbauen, Sonntagsfrühaufstehen, Musiksammeln und Hirschgeweiheandiewandnageln.

Die sind doch alle bekloppt...
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Bastian am 09. Juni 2006, 21:47:26
Zum bösen Fähnchenschwenken:
Letzte Woche war ich auf der Anti- nazidemo- demo hier in Düdo. Läppische 3000 Menschen haben es bis auf die Straße geschafft. Aber eines ist mir aufgefallen: Viele der Demonstranten, die neben uns herliefen und gegen die Rechtsextremen protestierten, trugen Deutschlandfahnen mit sich.

Was sagt ihr dazu?
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Franz08 am 09. Juni 2006, 22:59:35
Hallo Bastian,

ich hab' mir jetzt den Thread mit den Forumsregeln nochmal durchgelesen und glaube Deine Empfindlichkeit nun besser zu verstehen. Die erste Regel lautet:
ZitatJedes Mitglied versucht, sich den anderen Mitgliedern verständlich zu machen. Dazu gehört beispielsweise, dass der Eigenanteil an einem Beitrag größer sein möge, als der Anteil, den Zitate einnehmen. Es diskutieren die Mitglieder und nicht die Zitierten. Ausnahmen sind dann gegeben, wenn z.B. ein Fremdtext als Thema einer Diskussion eingebracht wird.
Ich kann dem grundsätzlich zustimmen. Besonders auch dem letzten Satz. Im Ernst: Ich hab' diesen Thread mit dem Titel "Literatur: Anregungen" deshalb eröffnet, um konkrete Werke und Inhalte zur Diskussion zu stellen. Die jeweiligen "Impuls-Texte" sind meiner Meinung nach notwendig, weil viele (ich zum Beispiel) nicht ein so wohlgefülltes Bücherregal wie Du haben werden und wenn doch, dann werden dort wahrscheinlich auch viele andere Sachen zu finden sein.

Das Missverstehen zwischen uns liegt vielleicht darin, dass ich als "Gründer" den gesamten Thread als "einen Beitrag" sehe, und Du naturgemäß eher den Einzel-Beitrag betrachtest. Für mein Gefühl war die Balance bisher nicht schlecht: Wir haben, ausgehend von literarischen Beispielen, über die Bigotterie der heutigen Zeit diskutiert, über den "Fall Handke" (den ich, ich geb's zu, mit einem eindeutigen persönlichen Statement angezogen habe) und nun eben über Fußball, wieder anhand literarischer Beispiele.

Da ich aber ein veritabler Fußballfan bin, scheint die Begeisterung mit mir durchgegangen zu sein. Das von Dir inkriminierte "Impulsposting" wurde tatsächlich etwas lang. Schon vor Deinem Kommentar hab' ich's gekürzt. Ich hoffe, die Nicht-Interessierten verzeihen mir! Ich weiß, was Du meinst und verspreche, beim nächsten Thema eine etwas schlankere Einleitung zu wählen...
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Bastian am 09. Juni 2006, 23:29:39
Ich fand die Gedichte super. Ich freue mich nur noch mehr, wenn man auch selbst etwas zu ihnen schreibt.

Im Übrigen rennst du bei mir mit den Texten eine Tür ein, die sich eh gerade öffnet. Ich hätte noch vor wenigen Monaten instinktiv Fußball und Nationalismus in einem- natürlich negativen- Zusammenhang beschrieben. Aber ich sehe, zunehmend in den letzten Tagen, so viele bekloppte Leute aus aller Herren Ländern hier herumlaufen, dass ich momentan dazu neige, in der ganzen Geschichte tatsächlich eher einen verbindenden Charakter zu sehen.

Mir fallen so kleine Situationen auf, wie die zwei Grüppchen, die sich vor dem Bahnhof gegenseitig versuchten zu helfen. Drei- ich glaube- Südamerikaner und zwei Afrikaner. Die Südamerikaner standen mit ihren Koffern auf dem Platz, über einen kleinen Stadtplan gebeugt, und suchten offensichtlich den Weg zu ihrem Hotel. Die Afrikaner versuchten zu helfen, verstanden aber blöderweise kein Wort Englisch... Aber Gestikulieren konnten sie alle, und blöd gelacht haben alle fünf...

Es tut den Deutschen gut, dass so viele andere Menschen hier hin kommen. Das hinterlässt in den Städten, die das erleben dürfen, bestimmt einen Eindruck.

Jetzt hab ich noch immer nichts zu den Gedichten gesagt, ich Abschweifer...
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Andrea am 10. Juni 2006, 00:39:21
Die mit ihrem Fußballfieber gehen mir alle auf die Nerven. Aber dass hier dadurch viele Menschen aus aller Herren Länder zusammen kommen, das ist auf jeden Fall eine Bereicherung. Schade, dass der Musik nicht so viel Bedeutung geschenkt wird wie Fußball und Karneval. Ich fände z.B. ein Musikspiel zwischen Julia Neigel und Sting gut, oder eins zwischen Billy Joel und Anne Haigis. Myriam Makeba und Marla Glen kämen auch nicht schlecht. Ob dann so viele Leute extra in ein Land fahren würden, um sich das anzuschauen?
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Andrea am 10. Juni 2006, 00:44:23
Was ich noch vergessen habe: Heute während meiner Gassirunde am Ende des Spieles Deutschland gegen ... wen auch immer und danach kam ich an ein paar Typen vorbei, die die deutsche Nationalhymne über Boxen laufen ließen, und einer von ihnen lallte nur zwei worte, nämlich: "Deutsches Reieieieieich!". Ich war geneigt, mich umzudrehen und dem Arschloch: "Nazischwein!" zuzurufen, aber den Gedanken verwarf ich so schnell er gekommen war, denn 1. hätte er ihn nicht mehr verstanden und 2. ich hätte mich dadurch eventuell gefährdet. Ich fand's einfach echt widerlich, mit so jemandem zusammenzustoßen.
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: whoknows am 10. Juni 2006, 01:47:12
Und Franz hat sich ganz unbemerkt als Grazer geoutet :D

Ich wundere mich nur: ich wurde noch so sozialisiert, dass Fussball etwas für Prolls ist - und unbemerkt ist er in die Intellellenecke gerutscht: in der Zeit sind riesen Artikel, es gbit Ausstellungen zum Thema und jeder, der früher nur heimlich Fussball geguckt hat, unterhält sich jetzt ganz offen über seine Begeisterung.
Nur die Fifa hat's noch nciht kapiert, und den Heller, den genialsten Massenblender unserer Zeit, wieder ausgeladen. Und die Bayern haben dann ein Heimspiel aus der Kulturstunde gemacht. ;D

Als ich ein Kind war, haben Männer, die einander  nicht kannten,versucht  die gegenseitige "Beschnüffelung" via Fussballgesprächen durchzuführen. Als ich älter wurde, wurden diese Beschnüffelungsgespräche via Computerquacksprech geführt. Und nun, wo ich alt und grau bin, ist wieder der Fussball dran.

Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Bastian am 10. Juni 2006, 02:00:55
ZitatUnd nun, wo ich alt und grau bin, ist wieder der Fussball dran.
Ah geh', meine Liebe! Das kann ich so nicht stehenlassen. Wo denkst du hin? Da muss ich dir aber vehement widersprechen:

Das war immer schon so.
[smiley=happy.gif] [smiley=old_kiss.gif]
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Alex am 10. Juni 2006, 03:41:55
WM- Fußball.. ewig gestrige, hirnlos, Prolls, etc?
Hallo?, gehts noch?
Wir sind WM! HAHA!
Ich möchte mir meine Freude an der WM nicht durch die "ewig-nörglelnden" zerstören lassen. Ich hab heut bis 1 Uhr nachts gearbeitet, und war dann erst spät in der Altstadt zurück- mir graute es... Aber: Bis auf die üblichen Besoffskies, beste Feierstimmung. Ebenso im Zug: die besiegten Polen feierten mit (sehr laut) ihren Bezwingern- (gut gemacht, Jungs).
Ganz im Gegenteil: Ich bin froh, daß Deutsche wieder patriotisch im besten Sinne sein können !und dürfen müssen!
Das hemmungslos spielerische, kindliche, kommt wieder zum Vorschein, endlich. Das Runde muß ins Eckige- sonst nix. 6 Wochen WM in der BRD- nach 30 Jahren wieder, ist das zuviel- zu oft?
An die Mädels/ Jungs, die Fußball hassen: meckern wir Männer, wenn jede Woche die Soap kommt? Nöö, wir sind froh über die Freizeit, hihi.
Also: etwas meht Tor-leranz (hust) bitte.  Schala lala-- scha la la lalalalala---  Schala lala-- scha la la lalalalala--- Schala lala-- scha la la lalalalala--- Schala lala-- scha la la lalalalala---
Wichtig: Gesang nicht vor 1,5Promille anfangen und: Bei jeder Zeile ca. einen halben, bis einen Ton absacken lassen :) :)  
Ach so, NATÜRLICH! werden wir Weltmeister!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! 8-)
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Alex am 10. Juni 2006, 03:50:34
Zitat Basti:
Aber eines ist mir aufgefallen: Viele der Demonstranten, die neben uns herliefen und gegen die Rechtsextremen protestierten, trugen Deutschlandfahnen mit sich.

Wer seine Heimat nicht liebt, hat keine, oder es ist etwas völlig schiefgelaufen...
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: whoknows am 10. Juni 2006, 11:54:50
Stimmt schon, stimmt ja alles - aber Du musst auch bedenken: wenn Deutsche patriotisch werden, rinnt's immer noch allen anderen kalt den Rücken runter. Das is halt so. Auch wenn die Deutschen das jetzt wieder brauchen, und auch wenn es eh okay ist, dass es sich "normalisiert" - es IST halt noch nicht normal, dazu war der Schnitt zu tief. Diese Narbe bleibt. Mich gruselt's vor deutschen Fahnen - das ist eine körperliche Reaktion, keine hirnmässige. Mich gruselt's vor Fahnen allüberhaupt, aber vor Deutschen besonders.
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Dorian am 10. Juni 2006, 18:58:30
ZitatViele der Demonstranten, die neben uns herliefen und gegen die Rechtsextremen protestierten, trugen Deutschlandfahnen mit sich. Was sagt ihr dazu?
Finde ich ok. Es gibt nämlich durchaus einen geschichtlichen Unterschied zwischen Schwarz-Rot-Gold und Schwarz-Weiss-Rot. Es ist eine Stellungnahme: "Es gibt auch ein Nationalgefühl jenseits eurer braunen Ecke".
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Andrea am 10. Juni 2006, 20:15:38
Zitat:
An die Mädels/ Jungs, die Fußball hassen: meckern wir Männer, wenn jede Woche die Soap kommt?
Ich brauch auch keine Soaps.
Ein Heimatgefühl hat für mich überhaupt nix mit 'ner Fahne zu tun. Ich fand's als Kind todlangweilig, wenn wir am Nationalfeiertag mit unseren Erziehern auf so komische Märsche gehen mussten. Die österreichische Bundeshymne hat mich auch nie besonders dazu bewogen, mich mit ihr besonders zu Hause zu fühlen... Und  wenn mir hier in De einer "Deutsches Reieieich!" zur Melodie der deutschen Hymne ins Ohr lallt, dann weiß ich, dass seine Gehirntätigkeit um 99 Prozent zurück gegangen ist, und trotzdem erschrecke ich.
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Franz08 am 11. Juni 2006, 13:24:06
ZitatUnd Franz hat sich ganz unbemerkt als Grazer geoutet  :D
Als Grazer war ich ja schon bekannt, aber als STURM-Fan hab' ich mich tatsächlich geoutet - bedeutet outen doch meist das Eingestehen einer für den Outer völlig normalen, für die Adressaten aber meist etwas anrüchig-verrückten Sache. Zu meiner Ehrenrettung muss ich sagen, dass ich Fan von Sturm Graz schon lange vor der glorreichen Osim-Ära war und auch jetzt im Tal der Tränen zu der Mannschaft stehe. Die Liebe des Fußballfans beweist sich erst im Leiden.

Meine Meinung zur Fahnenfrage: Whoknows hat da schon alles gesagt. Ich denke auch, dass es eh ok ist und dass die Deutschen sich ruhig freuen sollen - auch mittels Fahnenschwingen. Und dass es ein Unterschied ist für den Rest der Welt, ob "Deutschland wieder marschiert" (wie ein englisches Boulevardblatt schrieb) oder ein anderes Land. Aber, wie Dorian geschrieben hat: "Es gibt auch ein Nationalgefühl jenseits eurer braunen Ecke".

Dass über den Fußball auch Klischees transportiert werden, ist klar. Besonders schön ist dieses Zitat aus der Süddeutschen zum gelungenen Auftaktspiel der deutschen Elf:
ZitatDeutschland hat sich dadurch ziemlich genau so dargestellt, wie es seine Politiker und obersten Marketingleiter für die Dauer des großen Turniers erwünscht haben: nicht gründlich, penibel, perfektionistisch und humorlos, sondern spontan, sprunghaft und jederzeit offen für menschliche Fehler.
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Maexl am 12. Juni 2006, 03:16:34
Zitat

Streit um Heine-Preise beendet

ist es damit nun rum? ich meine nicht.

im spiegel von letzter woche war noch ein artikel von mathias matussek - kennt jemand zufällig schon sein buch zum thema nationalismus, neuem patriotismus?

in der faz von gestern hat sich handke wohl zu wort gemeldet - gelesen habe ich es nur leider noch nicht.
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: whoknows am 12. Juni 2006, 12:36:12
Also, ich kann - re Fussballstimmung - nur von meinem Kiez reden, aber HIER ist die Stimmung erstaunlich angenehm. Alle sind lieb und freundlich - ich denke aber ,das liegt ein bisschen auch daran, dass alle sich so lange nach schönem Wetter gesehnt haben. Wenn es jetzt ein paar Tage heiss ist, kann das auch wieder umschlagen, mal sehen.
ich habe mir erzählen lassen, dass es sogar eigene Camps gibt, wo man sich zum Hooligan "ausbilden" lassen kann, und dass es welche gibt, deren einziges Ziel es ist, irgendwo Leute aufzumischen - wenn das stimmt, dann kann die ganze Friedefreudeeierkuchen Stimmung noch ziemlich kippen. Ich bin bisher jedenfalls positiv überrascht von der Fröhlichkeit und Friedlichkeit, mit der hier in Kreuzberg alles abläuft...
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Andrea am 15. Juni 2006, 07:30:14
 Abgesehen von dem einen von mir beschriebenen Typen ist es hier auch friedlich. Und wenn die alle Fußball gucken, hat man auf der Straße mehr Platz...
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Dagmar am 16. Juni 2006, 00:12:38
Dass Fussball irgendwie prollig ist, ist auch mein Vor(ab)urteil. Real erlebe ich das schon differenzierter: Mich persönlich interessiert das Spiel an sich nicht sooo rasend: Ähnlich wie Tennis oder Stabhochsprung - Mir gibt das nicht so viel, ich selber bin eher unsportlich, also was soll's?! Meinem Sohn geht es da allerdings ziemlich anders: Er ist extrem sportlich und total fussballbegeistert. Das hat nix mit der WM zu tun, denn er ist schon einige Jahre so begeistert. Irgendwann habe ich seinem Bitten und Flehen nachgegeben und ihn im Fussballclub angemeldet. Da er ja auch Klavier spielt, konnte ich das gerade noch so mit mir vereinbaren...  ;) Mittlerweile spielt er in der F-Jugend des DFB, weil er obendrein recht begabt ist. Er wird zum Torwart ausgebildet, weil er dafür irgendwie, sagt der Trainer, ziemlich sehr begabt ist.

Nun, lange Rede, kurzer Bericht: Ich stehe also laufend in Hallen und auf Plätzen, weil mein Sohn in der Woche ca. 3 Tuniere spielt. Und da erlebe ich alles mögliche: Prolls ("ey, hier ey, kannstema, guckstema, boey, krisste auffe Schnauze - oooolaaalaaa TB Wittterschlick oooooolaalaaa"), was blöderweise auch auf meinen Flo abfärbt (da vertraue ich allerdings auf den größeren Rest der Bildung und Erziehung, die ich ihm angedeihen lasse). Allerdings hat das mit dem Spiel an sich wenig zu tun, denn diese Leute und deren Kinder sind auch sonst, wenn ich ihnen begegne, genauso prollig. Dass die nun beim Fussball und nicht beim Tennis landen, hat mit der Höhe der Mitgliedsbeiträge zu tun. Gleichzeitig erlebe ich, dass mein Flo und seine Mannschaft Fairness, super klare Regeln, hohe Disziplin, Teamgeist, absolute Zuverlässigkeit, Kondition, Spieltechnik und Freundschaft erlernen in diesem Verein. Da ist kein Platz für Anprollen - da zählt am Ende allein die sportliche Gemeinschaftsleistung. Und damit wären wir beim anderen Thema: Stolz.

Wenn die Pimpfe da gewinnen und auch nur den 5. Platz im Tunier machen, sind sie stolz auf ihre Mannschaft, stolz auf ihren Trainer und stolz auf sich selbst und ihre Leistung. Dann schwenken sie ihre kleinen Fähnchen und singen im Chor: "We are the champions", weil sie jede Woche wie die Ochsen trainieren und schuften und nun eben stolz sind, dass sie was geworden sind dabei. Wenn sie dann größer werden, schwenken sie die Fahne ihrer Nationalmannschaft und singen die Nummer ihres Landes. Ich finde durchaus, dass man das auch so sehen sollte! Und ich denke zudem, dass man die Kirche mal im Dorf lassen sollte: In erster Linie ist die WM ein gigantischer Wirtschaftsfaktor, der zig Arbeitsplätze ins Land gespült hat, von denen 1/3 auch nach der WM erhalten bleibt. In zweiter Linie ist es ein gigantisches Volksfest. Die Deutschen sind ja im Feiern eher ziemlich spröde, was ich persönlich schade finde. Und jetzt feiern sie eben mal 4 Wochen und singen und schwenken Fahnen wie alle anderen Nationen auch. Ich gucke die Spiele kaum, weil es mich eben nicht sooo interessiert. Deutschland gegen Polen gestern habe ich geschaut, weil es in meinem Dorf ein Grillfest gab, und alle haben sich auf dem Schulplatz getroffen, und es war eben ein nettes Dorffest. Und da hatte ich Lust mitzufeiern. Und das hat riesig Spass gemacht! Als das Spiel zuende war, gab es in der ARD Kommentare ohne Ende. Ich hörte so während des Würstchenessens und Tratschens mit Nachbarn halb hin. Und da hörte ich, wie der olle Netzer sagte "....blablablabla... und ab der xy-Minute war Polen endgültig verloren" und keiner schien das weiter merkwürdig zu finden da im Fernsehen. Ich fand das aber sehr Merk - Würdig, mir fiel nämlich die Wurst bald aus der Hand ob dieses Kommentars. Und damit bin ich beim dritten Thema:

Fahnen und Hymnen und Massenaufmärsche sind in Deutschland eben sehr bös vorbelastet - und das kann man eben nicht so ohne weiteres einfach wegblenden. Halb Bonn hängt auch zu mit Fahnen. Ganze Häuser sind hier in meiner Wohngegend schwarz-rot-gold beflaggt. Und das weckt bei mir eher unangenehme Gefühle und ruft alte böse Bilder hervor. Die Fussball-WM hat damit nichts zu tun. Rein gar nichts! Aber die Häuser zu sehen und die vielen Riesen-Fahnen, die da raus hängen, erinnert zwangsläufig an alte Bilder. Und wenn mir dann noch eine Masse "Aufmärschler" hymnensingend und fahnenschwenkend entgegenkommt (bzw. meist entgegenfährt), dann wird es mir beklommen ums Herz. Ich kann dann nicht mehr so differenziert sein, weil ich mich trotz Logik und Ratio eben trotzdem beklommen fühle und sofort da weg will.

Eigentlich wollte ich heute abend hier ein unglaublich schönes Buch empfehlen, das ich gerade lese (war doch hier der Literatur-thread, oder?  ;)). Aber nun habe ich mich ablenken lassen vom Fussball und habe jetzt nicht mehr so viel Lust, noch lange zu schreiben, zudem bin ich müde und will ins Bett.

Ich schreibe ein anderes Mal über das tolle Buch. Es heisst: "Der Buchhändler von Kabul" und ist von Asne Seierstad.
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: michael am 16. Juni 2006, 00:48:33
Na, erstma: Schreibt mensch den "Floh" nicht mit "h"? Könnte ich schwören, aber ist bestimmt die neue deutsche Rechtschreibung.  Aber trotzdem: Ihre Katze hat  Flöe, das sieht irgewndwie komisch aus........   http://www.georgkreisler.net/yabbfiles/Templates/Forum/default/grin.gif
Grinsend  

Aber zu den Fussballern und den Fähnchenschwenkern:
Wenn jemand selber spielt, oder spass daran hat, sich freut, wenn sein / ihr Verein gewinnt: Schön, warum sollte mensch daran rummäkeln.
Aber welche Gedanken habe ich bei "Fussballfan":
Die Bundesbahn hat ausnahmsweise wieder Vorkriegswaggons im Einsatz: Aha, Fassballfans werden erwartet (Bahnbenutzer werden wissen, was ich meine...).
Besoffene Horden, die durch die Stadt ziehen,  Flaschen fliegen, Scherben Müll und Dreck in der Stadt. Fussballspiel heute in der Stadt.
Im Bahnhof grölende Horden, rotzende und kotzende freudig begeisterte Fans. Fussball in der Stadt.

Und jetzt: Sechzig jahre war der Nationalismus hier in "D" wenigstens halbwegs gebändigt,, und jetzt, unter dem Vorwand der Fussballbegeisterung, werden Nationalfahnen geschwenkt, der Nationalismus wird wieder hoffähig gemacht.
Ekelhaft, mit wird schlecht.
Dieses Fähnchenschwenken hat nichts, aber auch gar nichts mit Fussball zu tun, die Mannschaft  die angeblich für "D" soielt, spielt für einen privaten Verein, in einem kommerziellen Spektakel, mehr nicht.
Warum schwenken die "Fans" keine DFB-Fahne?

Aber eine National-Fahne?
Erinnern sie sich wirklich nicht, was alles mit begeisterten, verblendeten unter der jeweiligen Nationalflagge gemacht wurde:
Kennt ihr diese kurze Filmsequenz, in der fahnenschwenkende Freiwillige zu Beginn des ersten Weltkriegs kurz gen Westen fahren?
Den Fahnenkult des dritten Reichs?
Beispiele aus anderen Ländern möchte ich hier nicht anführen (es kehre jeder den Dreck vor seiner Tür), aber auch in anderen Ländern gibt es Negativbeispiele zu Hauf.

Es ist halt ein riesiger Unterschied, ob ein kind SEINEM Verein zujubelt oder stolz auf sein Spielergebnis (nach hartem Training und Arbeit) ist, oder ob

Nationalfahnen

geschwenkt werden. Bei unserer Geschichte: Nein, wehret den Anfängen - soweit es noch nicht zu spät ist.
Damit es kein Missverständnis gibt: Wer Spass an Fussball hat: bitte gucken und trinken und grölen oder was auch immer, ABER BITTE: OHNE NaZi onalfahne (oder schreibt man das anders...).

PS: Gestern fuhr so ein toller Fan ghrölend durch die Strasse hier:  Mit grosser Fahne, und grölend: Deutschland, unser Land, Siegerland. Ist sowas Fussballfreude?
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Bastian am 16. Juni 2006, 03:00:28
Hier in Düdo (!) ist es weit friedlicher und ausgelassener als sonst. Kaum Agression, sondern einfache Freude. So kenne ich die gar nicht, von mir aus könnte jeden Tag WM sein. Die Altstadt, jedenfalls, wirkt freundlicher als sonst- nicht zuletzt wegen der Menschen von overseas, denn sie bringen den Jubel hierher. vorher gab's nur Grölen...

Gestern nacht bin ich nach dem DE- POL- Spiel, wegen Computerfrusts kurz rüber auf die Kö gegangen, und ich hab gesehen, wie Italienerinnen, Afrikaner und u.a. sogar zwei Holländer den Deutschen, die flaggenbewehrt in ihren Autos vorbeifuhren, zugejubelt haben. Seltsamer Weise ein seltsames Bild. Ich denke immer mehr, dass sich die Erkenntnis zu etablieren scheint, dass es sich bei diesem "Stellvertreterspiel" um ein Spiel handel, und nicht um einen Krieg.

Meine hochtrabende Analyse:
Viele Deutsche haben immer gedacht: "Die anderen wollen, dass wir (wegen unserer 'Gechichte') kriechen-! Also müssen wir- zum Ausgleich- stolzieren, wie die Blöden."...- und jetzt fällt ihnen auf, dass es zwischen dem Kriechen und dem Stolzieren noch etwas gibt, das alle anderen seit jeher völlig unbedacht tun, nämlich  aufrecht Gehen. (Wie die Bonobos)

Und das kommt ihnen wie "Patriotismus" vor... tss, tss...

Nicht dass ihr mich falsch versteht: Ich selbst könnte gar kein echter "Patriot" sein, weil ich bedauernswerter, schizoider Sack sonst zum Analytiker gehen müsste..., aber ich hab den Eindruck, dass viele Deutsche jetzt erst begreifen, dass es noch etwas gibt zwischen dm Kriechen und dem elenden, erbärmlichen SHerumstolzieren. Ich müsste schon Heilpraktiker sein, um darin etwas krankhaftes zu sehen- es ist einfach nur banal.

Soweit mein Schrieb. Mein Computer läuft z.Zt temporarily auf Linux... ich melde mich nächste Woche wieder. Bin erstmal in Moers. Gruß.
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Dagmar am 16. Juni 2006, 03:10:01
Nee - "Flo" schreibt man nicht mit "h": Mein Sohn heisst Florin, und alle nennen ihn "Flo". Das hat mit Flöhen nix zu tun, obwohl mein Sohn analogiemässig mit Flöhen eigentlich ziemlich viel zu tun hätte  :)

Ansonsten:

ZitatAber eine National-Fahne?
Erinnern sie sich wirklich nicht, was alles mit begeisterten, verblendeten unter der jeweiligen Nationalflagge gemacht wurde:  
Kennt ihr diese kurze Filmsequenz, in der fahnenschwenkende Freiwillige zu Beginn des ersten Weltkriegs kurz gen Westen fahren?
Den Fahnenkult des dritten Reichs?

Na weisste!! Ich hatte genau das gepostet: MAN ERINNERT SICH!!  Nur weisste: Das "dort-und-damals" ist nicht das "hier-und-heute". Das ist ein alter und simpler Grundsatz: Das etwas dort und damals so gewesen ist, ist schlimm. Daraus abzuleiten, dass es hier und heute exakt und genau so ist, ist dämlich, ehrlich gesagt.

Ich finde den massenhaften Fahneneinsatz im Rahmen der WM auch hier und da undifferenziert - das habe ich ja alles schon gepostet. Ich finde die massenhafte Aufregung über den massenhaften Fahneneinsatz allerdings meist ebenso undifferenziert. Pöbelnde, besoffene und kotzende "Fans" gibt es nach jedem Fussballspiel. Ergo: Fussball ist Proll! Das ist für mich auch ziemlich den Simpel gegeben, ehrlich gesagt. Weil: Kotzende, bekiffte, pöbelnde "Fans" erlebe ich auch nach jedem Provinz-Rockkonzert, das landläufig nicht als "prollig" gilt.

Weisst Du, da musst Du schon mal genau schauen, finde ich: Die Fahnen, die die da schwenken, sind keine Fahnen des Nazi-Reiches. Das finde ich ziemlich undifferenziert. Es sind Fahnen der Bundesrepublik Deutschland. Und sie schwenken sie so, wie die polnischen Fans ihre polnischen, die Costa-Rica-Fans ihre Costa-Rica-Fahnen, die Kroatier ihre kroatischen Fahnen, usw. schwenken!

Lass' mal die Kirche im Dorf! Daraus lässt sich keineswegs ableiten, dass in Deutschland die Nazis nun millionenfach auf der Strasse herum rennen. Es rennen Nazis in Deutschland wieder auf der Strasse herum, und die nutzen vielleicht oder sicher auch die WM. So herum wird ein Schuh daraus. Anders herum sicher nicht!

Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: michael am 16. Juni 2006, 12:03:28
 [highlight]Lass' mal die Kirche im Dorf! Daraus lässt sich keineswegs ableiten, dass in Deutschland die Nazis nun millionenfach auf der Strasse herum rennen.[/highlight]

Ja, ich habe mich nicht klar genug ausgedrückt, das wollte ich nicht sagen.

[highlight]Es rennen Nazis in Deutschland wieder auf der Strasse herum, und die nutzen vielleicht oder sicher auch die WM.[/highlight]

Den Aspekt meinte ich: Es wird immer normaler, mit Nationalfahnen oder Symbolen herumzulaufen., und da sehe ich Gefahren, beängstigende

Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Dorian am 16. Juni 2006, 12:51:24
Zitat
Den Aspekt meinte ich: Es wird immer normaler, mit Nationalfahnen oder Symbolen herumzulaufen., und da sehe ich Gefahren, beängstigende

Warst du mal in anderen Ländern? Z.B. in Südeuropäischen? Auch in Skandinavien hängt die Fahne vor jedem Haus. Und in Amerika wird sie sogar besungen.  Vor jeder Veranstaltung, ob Spiel oder Konzert.

 
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: whoknows am 16. Juni 2006, 13:04:12
Ich bin auch genetisch geschädigt  von Fahnenschwenkenden Deutschen  - aber ich bin eher gesonnen, mal abzuwarten, und meine Zweifel und Sorge zwar wach aber doch eher ruhig zu halten. Mal sehen: es KANN ausarten - es KANN aber auch tatsächlich ein Schritt in "allgemein akzeptierter patriotismus wie in anderen Ländern auch" sein. Mal gucken, wie es sich entwickelt, noch kann man garnichts sagen.

(blöd nur, dass ich genau diesen "allgemein Akzeptierten patriotismus" ganz prinzipiell irgendwie doof finde. Wie kann man stolz sein, auf den Zufall, der einen in ein bestimmtes Land geboren hat? Aber gut, ich verstehe das halt nicht.)

Jedenfalls: im Moment reduziert sich das "Huch, grölende Fahnenschwenkende Deutsche" ein bissel in "Huch, grölende, fahnenschwenkende MÄNNER" - und Männer in Gruppen arten leicht aus. das besorgt mich wenn ich alleine auf der Strasse mit meinen zwei minihunden einer solchen Gruppe entgegengehe. Allzuleicht findet dann einer witzig, seinen Kollegen zu zeigen, wie leicht man so einen Hund auch einfach wegkicken kann oder so... Davor habe ich schon Sorge: Frauen in Gruppen sind nicht so schnell aggressiv, sind nicht so schnell "WIR gegen EUCH", und sie müssen einander auch niemals im "hach, was bin ich cool" übertrumpfen....
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Dorian am 16. Juni 2006, 15:31:09
Selbstverständlich ist es kein Verdienst in einem bestimmten Land geboren zu sein. Von daher finde ich Sprüche wie "Ich bin stolz xxx zu sein" ebenfalls ziemlich dämlich. Nichtsdestotrotz gibt es einen "normalen" bzw. "gesunden" (ja, ich mag das Wort auch nicht so) Patriotismus, der letztendlich nur Heimatverbundenheit wiederspiegelt oder ein Bekenntnis zu den positiven Werten für die ein Land steht (gerüchteweise soll's die ja auch in Deutschland geben). Es war ein Fehler, eben jenen Patriotismus ausschliesslich durch die rechte Ecke besetzen zu lassen. Ich finde die derzeitige Entwicklung gar nicht mal so verkehrt.

Im Ausland wird diese vorauseilende Demut auch gar nicht verstanden. Ein Brasilianer faragte mich mal anlässlich einer vergangenen WM, warum denn in D so wenig Flaggen zu sehen seien. Als ich ihm die historisch bedingten Vorbehalte gegenüber nationalen Symbolen hierzulande erklärte meinte er nur: "You Germans always try to be more catholic than the pope."

Im Übrigen halte ich Nationalstaaten auch für ein überholtes Konstrukt.  Ich fänds zum Beispiel schön wenn im vereinten Europa die Regionen wieder ein stärkeres Gewicht bekämen. Dürfte aber verwaltungstechnisch schwerer zu handhaben zu sein. Nichsdestotrotz stimme ich der Gleichung "national gleich böse" nicht zu. Und nationale Symbole sind nicht notwendig nationalistische. Oder gar nationalsozialistische. Scharz-Rot-Gelb ist übrigens die Flagge der Paulskirche und der Weimarer Republik und wurde von den Nazis verspottet und abgeschafft. Schon deshalb kann sie kein NaZi onalsymbol sein. Und sie steht auch nicht für den Hurra-Patriotismus des deutschen Kaiserreichs.

Zum Thema Fussball und Fans und grölende Gangs sag ich dann später auch noch was.
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: whoknows am 16. Juni 2006, 16:55:31
Übrigens fällt mir auf, dass in protestantischen Ländern meist mehr Fahnen  zu jedem haus raushängen also in Katholischen. Warum ist das so?
Titel: Fahnen & Katholiken
Beitrag von: Franz08 am 16. Juni 2006, 17:37:53
Vielleicht weil die Katholiken ihre dringendsten Fahnenbedürfnisse jedes Jahr zu Fronleichnam stillen können...  ;)
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: whoknows am 16. Juni 2006, 18:42:44
Hier in Berlin nennen sie den Tag "happykadaver" :D
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: michael am 17. Juni 2006, 01:34:59
Katholiken an Fronleichnam: Werfen die nicht BLUMEN??

Ansonsten: Ich reagiere sehr empfindlich in diesem Thema, es macht mir: Angst. Die aussicht, auf dem Weg in eine Gesellschaft mit akzeptiertem Fahnenappell etc:  Ein Albtraum.

Was ganz anderes ist die von Dorian erwähnte "Heimatverbundenheit". Da kann ich nicht widersprechen, aber es ist halt an die Landschaft, den Landstrich, die Umgebung gebunden. komme ich von Süden zurück nach Hause, dann ist der Anblick des Kölner Doms immer ein: Aha, jetzt biste zuhause-Gefühl. (Obwohl es noch fünfzig Kilometer sind)
Und auf der anderen seite ist es in Holland (den Niederlanden!!)  eigentlich wie Zuhause.....

Der Staat ist für mich nichts anderes als die regionale  Verwaltungseinheit, und sonst garnichts. Er soll im Sine der Bewohner für die Infrastruktur sorgen -im Auftrag und im sinne der Bewohner, und sonst nix.  Es ist nicht wichtig, ob das Dingern dann BRD oder D oder EU oder Holland oder wie auch immer heisst, sondern nur ob die Grundrechte gewahrt sind , ob es Gerechtigkeit und Demokratie gibt, eine Solidargemeinschaft.

Wichtig und nötig sind in meinen Augen mehrfache Staatsangehörigkeiten, am besten auch so etwas wier "transnationale Rebubliken" (auch wenn die gleichnamige, real existirende Republik doch etwas "abgehoben" zu sein scheint, der Weg ist der richtige).

Vielleicht sollte ich mir so ein Fähnchen (die haben auch eine Fahne, jawoll!!) für's Auto besorgen, und auf der anderen Seite den grünen Stern!
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Alex am 17. Juni 2006, 01:45:44
Grad in EU-Europa merkt man doch, daß der Spruch "global denken- lokal handeln" gar nicht so verkehrt ist. In der EU funktioniert doch "Multikulti"  :)
OK. bei den Türken ist meiner Meinung nach Schluß, da sie eine völlig andere kulturelle Prägung haben, die oft ganz anders funktioniert als unsere, aber National- oder Regionalstolz ist, glaube ich, sehr wichtig. Ein Luxemburger ist halt ein Luxemburger, doch wenn man sich einmal die Königshäuser anschaut- ist eh alles miteinander verwandt... und das deutsche Reich römischer Nationen- äh oder umkekehrt- ging ja sowieso bis Jerusalem, Spanien hatte 24h Sonne, England die halbe Welt, la France ist immer noch eine grande Nation, bei Deutschland kickt Blondie, Polen ist nicht zwischen Russland und Deutschland zerrieben worden, usw... ;) :D  
Ich kann das fremdeln bei schwarzrotgoldFahnenMeeren verstehen- doch finde ich, es hat sich schon bei der letzten EM ein anderer, unbeschwerter Geist gezeigt,
Zu Gast bei Freunden ist das Motto- zeigen wir der Welt, daß es stimmt! [smiley=thumbsup.gif]
Dann klappts auch mit den Nachbarn.
... hier unten feiern grad die Holländer mit den Engländern, wasweißich warum. its coming home, its coming home, Fottballs co..
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: whoknows am 17. Juni 2006, 13:09:54
ZitatZu Gast bei Freunden ist das Motto- zeigen wir der Welt, daß es stimmt!  
Dann klappts auch mit den Nachbarn.
Kann das sein, dass Du ein bissel viel vom Fernsehen sozialisiert bist? ;D
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Alex am 18. Juni 2006, 00:24:18
@ whoknows:
In diesem WM- Fall: ja, was aber nix mit der Aussage meines postings zu tun hat. Aber ich kann ja demnächst meine Beiträge mit dem ein oder anderen Adorno- oder Kant- oder am besten Grantlerkreislerzitat schmücken...dann klappts auch mit whoknows ;D  qsd. ;)
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Alex am 18. Juni 2006, 03:11:18
Politiker sind empört, WM-Organisatoren geschockt
Lehrergewerkschaft fordert neue Nationalhymne für Deutschland
/nachrichten/politik/deutschland - 16.06.06 20:31

Berlin (rpo). Deutschland zeigt sich seit Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft patriotischer denn je. An vielen Hauswänden und Autos flattern Fahnen, im Stadion singen die Fans unsere Hymne voller Inbrunst. Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist dabei ganz anderer Meinung und fordert indes: Deutschland braucht eine neue Nationalhymne.

Aus: http://www.rp-online.de/public/suche?search=gew&x=0&y=0

Das las ich heut in der RP. Hmm.. Ist da was drann? Kann/ darf man das fordern? Auch hier im Forum gabs ja fremdeln beim Patriotismus- fundiert argumentiert- aus historischer Sicht.
Ist die dritte Strophe Abstand genug, um vom NS- Wahnsinn sich abzusetzen? Oder, wie vorgeschlagen, zB. doch Brechts Kinderhymne als Ersatz?
Die 2. Strophe erledigt sich ja wohl...

Deutsche Frauen, deutsche Treue,
Deutscher Wein und deutscher Sang
Sollen in der Welt behalten
Ihren alten, schönen Klang,
Uns zu edler Tat begeistern
Unser ganzes Leben lang
Deutsche Frauen, deutsche Treue,
Deutscher Wein und deutscher Sang!
[smiley=laugh.gif]
Was denkt Ihr?
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Volker2 am 18. Juni 2006, 12:42:32
1.
Der Lehrergewerkschaft würde ich zunächst mal empfehlen, in den Schulen dafür zu sorgen, dass das Thema NS-Zeit und Nationalismus tatsächlich im Unterricht ausführlich behandelt wird. Dort ist das Übel an der Wurzel zu packen. Wenn ich überlege, wie lange wir Griechen, Römer und Franken durchgekaut haben, um am Schluss das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte durchzuhecheln...

2.
Dass Deutsche ein Problem mit Patriotismus, Fahnenschwenken und Nationalhymne haben, ist doch selbstverständlich: Die NS-Zeit hat uns zu gebrannten Kindern gemacht, und da ist Zurückhaltung angebracht. Gerade der kritische Umgang damit bewahrt vor Fehlern und Verführungen. (ist manchmal auch anderen Nationen zu empfehlen)

3.
Wenn sich Millionen Menschen deutsche Fahnen ans Auto binden, weil Deutschland Truppen in den Irak schickt, würde ich wahrscheinlich auswandern...
Aber hier geht es ja nur um Sport, um Fußball. Als Dortmund-Fan schwenke ich eine schwarz-gelbe Fahne und schlüpfe ins BVB-Trikot. Als Anhänger der DFB-Elf darf ich doch Ähnliches tun. Ober soll man etwa die Europa-Flagge rausholen?

4.
Null Toleranz all denen, die den Fußball als Bühne für ihren Nationalismus missbrauchen. Entsprechende Symbole müssen aus Stadien entfernt werden und die Besitzer gleich dazu. Gebt Nazis keine Chance!
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: whoknows am 18. Juni 2006, 13:16:52
Zitat1.
Der Lehrergewerkschaft würde ich zunächst mal empfehlen,  (.........)  das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte durchzuh[highlight]ä[/highlight]cheln...

Und auch Grammatik und Rechtschreibung könnten die Lehrer vielleicht etwas mehr forcieren  ;) ;D ;D ;D
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Volker2 am 18. Juni 2006, 14:17:56
[smiley=embarassed.gif] Aber zum Glüg [smiley=rolleyes.gif] kann man hier seine Vehler ausmärzen [smiley=tongue.gif]
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: whoknows am 18. Juni 2006, 14:38:34
 :P *gg* ich bin auch so ne Zicke mit Rechtschreibung und Deutsch und so - ist ja auch fies von mich, ich geb's ja zu  ;)
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Zyankalifreund am 18. Juni 2006, 15:23:15
Zitatich bin auch so ne Zicke
Jawoll !    :P

;)  :-*
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Bastian am 18. Juni 2006, 19:39:22
Mir geht die Diskussion um den "Patriotismus" auf den Keks, weil manche Position auf mich bigott wirkt:

Wenn sich jemand so stark mit seinem Land identifiziert, dass er auf alles stolz ist, was ein Landsgenosse leistet, muss er sich auch folgerichtig jeder Schandtat schämen, die ein anderer im Namen des betreffenden Landes begeht. Alles andere ist nur eine halbe, eine... Schönwetter- Identifikation. Ich kann mir keine Begründung denken, die auf der einen Seite den Stolz fordert, aber die Scham negiert.

Gut haben es diejenigen, die sowohl zum einen, als auch zum anderen einen größeren Abstand haben, denn sie können Scham und Stolz auf eigene Leistungen reservieren.

Soweit die Kopp'schen Schriften zum Patriotismus... ::)
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Dagmar am 19. Juni 2006, 00:42:13
ZitatMir geht die Diskussion um den "Patriotismus" auf den Keks, weil manche Position auf mich bigott wirkt

Geht mir genauso!

Was macht denn Dein PC, @Basti??? Postest Du aus einem Internet-Café oder geht das Teil wieder??
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: michael am 20. Juni 2006, 12:46:53
Auch das zeugt vom hohen intelektuellen Niveau hier: ALLE wissen, was mit dem grünen Stern gemeint war!
Toll!
Habe ich aber auch nicht anders erwartet!  ::)
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Guntram am 20. Juni 2006, 13:27:31
http://de.wikipedia.org/wiki/Schlupp_vom_grünen_Stern ;D ;D ;D
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: michael am 20. Juni 2006, 16:17:15
Jaja, mit einer Zeile meinen Kulturhorizont exakt beschrieben, aber das war es nicht!  ;D

Aber neulich habe ich doch so eine "lange Nacht der Augsburger Puppenkiste" aufgenommen (und immer noch nicht zu Ende gekuckt), hoffentlich ist der Schlupp dabei...  
Titel: Fußball & mehr...
Beitrag von: Franz08 am 21. Juni 2006, 13:27:37
Nochmal ganz kurz zur Kritik der Lehrergewerkschaft GWE an der deutschen Hymne und am Absingen derselben: Die Gewerkschaft hat ihre Kritik nun zurückgenommen, schreibt der SPIEGEL:
ZitatDer Vorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW, Ulrich Thöne hat sich offiziell entschuldigt. Mit der Neuauflage einer Broschüre von 1989, in der texthermeneutisch, tiefenpsychologisch und musikhistorisch schärfste Kritik an der Nationalhymne geübt wurde, habe man sich keinesfalls für deren Abschaffung ausgesprochen. Im Gegenteil:
"Wenn heute junge Fußballfans die Nationalhymne singen, tun sie das aus Lebensfreude und zur Unterstützung der deutschen Mannschaft."
Ei der Daus, Potzblitz und horschemal! Wer hätte das gedacht! Wer kommt denn auf so was!
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,422656,00.html
Wenn man sich diesen und auch viele andere Artikel im Spiegel durchliest, beschleicht einen allerdings das Gefühl, dass "die Deutschen" jetzt wirklich bald durchzudrehen beginnen in ihrer Fußball-Euphorie. Schön langsam werd' auch ich, der ich "den Deutschen" jede ausgelassene sportlich-fahnenschwenkende Freude gönne, nachdenklich... Aber reden wir mal in einem Monat weiter, wenn der ganze Zauber vorbei ist.
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Guntram am 21. Juni 2006, 15:04:18
http://www.gew.de/Binaries/Binary18640/06_07_WM-Anlage.pdf

Damit wir wissen um was es überhaupt geht. Wobei es nicht wirlich weiterhilft.

Zitattexthermeneutisch, tiefenpsychologisch und musikhistorisch

Weiß der überhaupt was er sagen will. Tiefenspycholgie??? Lag Fallersleben bei Freud auf der Couch? und wer kann mir erklären was "texthermeneutisch" bedeutet? das finde ich nicht einmal im Fremdwörterbuch.

Das Beste auf der ersten Seite des Downloades (ist nur ein Auszug) 48 Seiten!!!!!!!!!!!!!! Da hätte man viele Bäume retten können, wenn man sich das Papier gespart hätte.
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: michael am 21. Juni 2006, 15:04:42
Vielleicht ja schon nach dem nächsten Spiel..
da war doch was mit "klammheimlicher Freude"... ::) ::) :) :)
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: whoknows am 22. Juni 2006, 01:44:44
Also, texthermeneutisch müsste bedeuten, dass man ausschliesslich die Buchstaben sieht. ;)

Ich bin neugierig, was passiert, wenn Deutschland rausfliegt.
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Bastian am 22. Juni 2006, 03:57:50
ZitatIch bin neugierig, was passiert, wenn Deutschland rausfliegt.

(https://www.georgkreisler.net/proxy.php?request=http%3A%2F%2Fwww.smiliegenerator.de%2Fsmiley-flag%2Fsmiley-24225.png&hash=d90c3597593399cf7610d4a7e8c0c739819240a0)
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: whoknows am 22. Juni 2006, 12:16:22
 ;D
Hasse gedacht, wa?

Na, immerhin hat die Schweiz ja ein paar Tore gemacht - also quasi eine Hälfte von Dir  ;) :-*
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Bastian am 22. Juni 2006, 20:42:11
Ja, und meine andere Hälfte wird das letzte Tor der WM schießen... ::)

Wisst ihr was? Mir tun die Nazis leid. Es ist aber auch eine schlechte Zeit für sie: ausgerechnet Türken schwenken patriotisch die Deutschlandfahne, Afrikaner tanzen mit den Deutschen in den Straßen herum, alle freuen sich und rufen komische Dinge, wie "Me-chchi-koo!" oder "Hrvatska!"..., und sie, die armen Nazis, sitzen in ihren national befreiten no- go-Areas und nagen am Reichskriegstuch. Niemand nimmt sie wahr, und keiner besucht sie. Arme Nazis.

Ja, ich habe eine soziale Ader, das wollte ich mal kurz loswerden.
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: whoknows am 22. Juni 2006, 21:59:23
 ;D
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Bastian am 23. Juni 2006, 04:05:55
Was gibts da zu grinsen? Hast du kein Herz?
::)
Kann es sein, dass sich der Patriotismus selbst "obsoliert"?
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Guntram am 23. Juni 2006, 06:41:12
Und wem verdanken wir, das die Türken in Deutschland sich zu Deutschalnd bekennen (wann hat man vorher eine Dönerbude mit Deutschland fahne gesehen)?





Natürlich den [highlight]Schweizern[/highlight] .....
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: whoknows am 23. Juni 2006, 11:24:09
Also, gerade heute habe ich in der Zeit gelesen, dass die Türken angeblich gerade zur Schweiz ein gestörtes Verhältnis haben sollen, ein "nationales Trauma wegen der Vorentscheidung zur WM und der anschliessenden beschämenden Schlägerei "
Und insofern verstehe ich erstaunlicherweise , wovon Du redest - es wäre aber nicht uninteressant gewesen, zu gucken, was passiert, wenn die Türkei gegen Deutschland spielt....

Aber eines muss ich sagen - ich weiss ja nicht, wie das bei Euch ist - und wie es im Moment in anderen Ländern ist. Aber bisher war Fussball für mich das uninteressanteste vom uninteressanten - und hat nur genervt. Aber dieses Mal werde ich richtig angesteckt. Ich habe mir sogar gestern (bin grad Strohwitwe) ganz allein Brasilien/japan angeschaut - fast durchgehend bis zum 3. Tor, dann war's eh gelaufen.
Und unser netter Inder am Eck hat einen grossen Flachbildschirm draussen stehn, und nachmittags bin ich da gesessen, und es war echt nette Stimmung. Richtig schön. Alle haben geguckt und es war friedlich und man ist mit dem Tischnachbar in's Gespräch gekommen...extrem idyllisch.
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: whoknows am 23. Juni 2006, 11:26:19
ähhhh. wie ist denn das thema in "Literatur: anregungen" gerutscht?
Wenn, passt das doch höchstens in "Kunst & Krieg" ;)
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: michael am 23. Juni 2006, 11:48:09
@Bastian: Lese Deinen Beitrrag erst jetzt, leider.
Spitze!  ;D ;D ;D ;D ;D ;D ;D ;D ;D ;D
Man kann aber auch zu sozial eigestellt sein, hab nicht zuviel Mitgefühl - mit ganz bestimmten (den aaaaaaaaaaaaaarmennnnnnn) ;D ;D ;D ;D
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Dagmar am 24. Juni 2006, 03:00:41
ZitatAber eines muss ich sagen - ich weiss ja nicht, wie das bei Euch ist - und wie es im Moment in anderen Ländern ist. Aber bisher war Fussball für mich das uninteressanteste vom uninteressanten - und hat nur genervt. Aber dieses Mal werde ich richtig angesteckt. Ich habe mir sogar gestern (bin grad Strohwitwe) ganz allein Brasilien/japan angeschaut - fast durchgehend bis zum 3. Tor, dann war's eh gelaufen.

Ach wie sympathisch  :-* :-* :-*

Heute haben wir Togo gegen Frankreich geguckt - und auf der Strasse bei uns stand auch ein Flachbildschirm und es gab eine Riesen-Party. Meine Kinder haben heute Super-Zeugnisse bekommen, deshalb war bei uns sowieso schon Riesen-Party. Wir waren alle für Togo. Und die Stimmung sank und sank, weil Togo 0:2 verlor. Aber dann hatte ja die Schweiz ordentlich gewonnen, und wir waren auch alle für die Schweiz - da war dann die Stimmung gerettet  ;)


Ich hatte heute zudem noch zwei Winkinstrumente ergattert - und mit denen hat mein Sohn dann schon mal in freudiger Erwartung auf morgen 17 Uhr gewunken.



Wir sind morgen eingeladen....................:).....*yeppeehhh*  ;)



Und außerdem: Panini-Bilder!!! Wer Kinder hat, weiss, von was ich rede. Wir haben heute massenweise Holland gegen USA getauscht. Und außerdem haben wir das Wappen von Polen ergattert, das fehlte noch. Meine Beiden haben heute wegen Zeugnisausgabe jeder einen Wunsch frei gehabt. Und da haben sie sich Bilder gewünscht. Dann hatten wir 20 neue Tüten à 5 Bilder. Wir waren der Tausch-Hit in der gesamten Strasse:

Wir haben Elfenbeinküste komplett  :D *HURRAAA* :D
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Dorian am 25. Juni 2006, 19:52:13
Gleich gehts wieder los ...

(https://www.georgkreisler.net/proxy.php?request=http%3A%2F%2Fwww.csmaritimo-online.com%2Fimages%2Fsmiles%2Fsmilley_flag.gif&hash=4f4f257700a6106b4b5dce62fe4c8e983cf23877)
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Bastian am 25. Juni 2006, 22:07:44
(https://www.georgkreisler.net/proxy.php?request=http%3A%2F%2Fwww.smiliegenerator.de%2Fs30%2Fsmilies-20856.png&hash=b4457ba87c49c9658aca96e9757e05b21089338a)
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Dorian am 26. Juni 2006, 10:42:18
Egal. Dieses Spiel war eh der Tiefpunkt bisher. Jetzt haben sie verdient, gegen England rauszufliegen.  >:(
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Bastian am 26. Juni 2006, 17:48:02
ZitatDieses Spiel war eh der Tiefpunkt bisher.
(https://www.georgkreisler.net/proxy.php?request=http%3A%2F%2Fwww.smiliegenerator.de%2Fsmiley-flag%2Fsmiley-24577.png&hash=29fc8a38f65227a4640000db75aa5e883c064982)
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: whoknows am 26. Juni 2006, 18:54:57
Heute abend sitze ich beim Inder nebenan und gucke mit und drücke Daumen für Dich und meinen Süssen... (Obwohl ja auch Berner im Team sind ::)) :-*
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: whoknows am 26. Juni 2006, 23:08:06
ZitatObwohl ja auch Berner im Team sind

Ich schätze mal, die waren auch Schuld.
Nee, echt : SO ein fades Spiel. Völlig unkoordiniert. Ich hab's jetzt aufgegeben bei der zweiten Verlängerung - das hält doch kein Mensch aus, sowas blödes.
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Franz08 am 27. Juni 2006, 09:45:28
ZitatNee, echt : SO ein fades Spiel. Völlig unkoordiniert.
Ganz im Gegenteil: Da waren zwei Mannschaften viel zu organisiert und haben darüber auf's Spielen vergessen...
Schade, ich hätte es unseren EM-Partnern in zwei Jahren sehr gegönnt und mich noch mehr gefreut, hätte die Schweiz dann Italien eliminiert. Aber vorbei ist vorbei  :'(
Dafür müssen wir uns nun den foulen Zauber der Portugiesen weiter ansehen. Die Welt im Allgemeinen und der Fußball im Besonderen ist halt ungerecht (https://www.georgkreisler.net/proxy.php?request=http%3A%2F%2Fmitglied.lycos.de%2Fskaterstar%2Fi205.gif&hash=f9f130ec0d7924e423aae0aa0ab7ed1a839d4e65)
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: whoknows am 27. Juni 2006, 10:27:35
Lustig ist: der Kadergehorsam der Russen-Gewohnten scheint trotzdem mehr Kraft zu geben als das Brav-Sein der Schweizer - wenigstens bei Penalty.... ::)
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: whoknows am 29. Juni 2006, 17:52:44
Eine Literatur-Anregung:
ich lese  - nein, verschlinge! - gerade Wibke Bruhns "Meines Vaters Land". Sehr spannend. Sie verfolgt darin das Leben ihres Vaters, der zuerst relativ schnell braver nazi wurde, und dann beim  Attentat gegen Hitler beteiligt war und hingerichtet wurde.
Das Buch erzählt nicht nur sehr anschaulich, wie es kam, dass so  viele Menschen damals so schnell auf den Hitlerzug aufspringen konnten, sondern zeigt auch einfühlsam wie ein junger Mann in dieser Zeit erwachsen wird, überhaupt, wie die Zeit sich anfühlte - sie recherchiert das alles durch eine offenbar extrem umfassende Korrespondenz innerhalb der Familie, und es ist ein Buch, das mich auch durch seinen genau Spiegel des Lebensgefühls der Zeit sehr in seinen Bann zieht.
Titel: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Franz08 am 01. Juli 2006, 15:39:50
Heute war ein wunderbarer Morgen, wir frühstücken auf dem Balkon mit Blick auf den günen Innenhof, meine Freundin geht zurück in die Wohnung und spielt das unendlich traurige Motiv aus der Traviata, das ihr nicht aus dem Kopf gehen will, am Klavier...

Und ich lese die Nachrufe auf Robert Gernhardt, die in allen großen Zeitungen erschienen sind. Wieder einer weg, der besser für immer geblieben wäre.

----------------------------------------------------------

Was ist Kunst

Hab'n Sie was mit Kunst am Hut?
Gut.
Denn ich möchte Ihnen allen
etwas auf den Wecker fallen.
Kunst ist was?
Das:
Kunst, das meint vor allen Dingen
andren Menschen Freude bringen
und aus vollen Schöpferhänden
Spaß bereiten, Frohsinn spenden,
denn die Kunst ist eins und zwar
heiter. Und sonst gar nichts. Klar?
Ob das klar ist? Sie ist heiter!
Heiter und sonst gar nichts weiter!
Heiter ist sie! Wird es bald?
Heiter! Hab'n Sie das geschnallt?
Ja? Dann folgt das Resümee;
bitte sehr:
Obenstehendes ist zwar
alles Lüge, gar nicht wahr,
und ich meinte es auch bloß
irgendwie als Denkanstoß -
aber wenn es jemand glaubt:
ist erlaubt.
Mag ja sein, daß wer das mag.
Guten Tag.

Robert Gernhardt

[size=10]http://www.litlinks.it/g/gernhardt_r.htm [/size]
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Alexander am 01. Juli 2006, 16:22:00
Markant ist auch dieser Text:

Robert Gernhardt, Deutung eines allegorischen Gemäldes

   Fünf Männer seh ich
   inhaltsschwer -
   wer sind die fünf?
   Wofür steht wer?

   Des ersten Wams strahlt
   blutigrot -
   das ist der Tod
   das ist der Tod

   Der zweite hält die
   Geisel fest -
   das ist die Pest
   das ist die Pest

   Der dritte sitzt in
   grauem Kleid -
   das ist das Leid
   das ist das Leid

   Des vierten Schild trieft
   giftignass -
   das ist der Hass
   das ist der Hass

   Der fünfte bringt stumm
   Wein herein -
   das wird der
   Weinreinbringer sein.

http://members.chello.at/gut.jutta.gerhard/texte7.htm
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: whoknows am 01. Juli 2006, 20:57:00
Ach, Gernhardt.
Ich hab ALLES von ihm.
SO ein Grossartiger.
Seufz.
Titel: Buchtipp
Beitrag von: Franz08 am 19. Juli 2006, 22:55:52
Spannende - und äußerst lesenswerte - Dinge passieren im "Menschenzoo Unternehmen" ...

Margit Hahn hat mir einen Lesesonntag voller Schrecken und Lachen beschert mit ihren Einblicken in den Arbeitsalltag. Eine absolute Empfehlung für alle Menschen, die mit größeren Unternehmen zu tun haben. Denn während Ihr diese Zeilen lest, wird schon fleißig an EUREM Sessel gesägt ...
ZitatMargit Hahn beschreibt Eitelkeiten und Intrigen, Neid, Ängste, Boshaftigkeit, Mobbing und die kleine Lust an der Rache mit Ironie und bissigem Humor. Bis ins Absurde übersteigert zeichnet sie eine "schöne neue Arbeitswelt", erzählt von ihr mit viel schwarzem Humor und Sarkasmus - bis einem das befreiende Lachen im Hals stecken bleibt, wenn man erkennt, wie sehr diese grotesken Szenen der Wirklichkeit ähneln.
 
Margit Hahn, Totreden, Skarabäus 2006
http://www.amazon.de/gp/product/370823197X/302-4848058-6814413
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Andrea am 20. Juli 2006, 02:10:47
Margit Hahn, die kommt aus Wien. Ich kenne sie. Wir haben - zusammen mit anderen Musikerinnen, Schauspielerinnen und Schriftstellerinnen - zweimal in der Walpurgisnacht ein Hexenfest mit verschiedenen Darbietungen organisiert, unter dem Motto: Wir wilden Wiener Weiber. Das war in den 90ern. Diesmal haben sie's wieder gemacht, aber ohne mich, weil ich ja jetzt in Köln wohne.
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Franz08 am 31. August 2006, 00:27:00
Hallo liebe Leute,

ich melde mich zurück mit einem bedenkenswerten Zitat, diesmal aus der Spiele-Nummer von "brand eins" (Ausgabe 8/2006, S. 105):


"Nicht dieser Text legt fest, was Sie lesen, sondern Ihre Struktur, Ihre jeweilige Befindlichkeit. Dabei obliegt es jedoch allein mir, keinen Unsinn zu verzapfen, denn ich bin selbst verantwortlich für das, was ich schreibe, bloß bin ich nicht verantwortlich für das, was Sie lesen."

- Humberto Maturana -


Mit herzlichen Grüßen in die Kreisler-Welt,
Franz
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Alexander am 19. Oktober 2006, 22:08:38
aus: Robert Gernhardt: Wörtersee, Haffmans/Zweitausendeins, '81

Robert Gernhardt: Trost und Rat

Ja wer wird denn gleich verzweifeln,
weil er klein und laut und dumm ist?
Jedes Leben endet. Leb so,
daß du, wenn dein Leben um ist
von dir sagen kannst: Na wenn schon!
Ist mein Leben jetzt auch um,
habe ich doch was geleistet:
Ich war klein und laut und dumm.

http://www.aliaflanko.de/bogi/gernhardt/gernh22.htm

Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: michael am 19. Oktober 2006, 22:24:10
^Ci tie samideano??
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Werner am 03. November 2006, 01:55:44
Der wohlerzogene Süddeutsche oder Norditaliener betont das eher als:
Di vi quiano!!
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: michael am 03. November 2006, 09:56:46
Zuerst wollte ich antworten:
Wer von einer ***-Seite zitiert, muss damit rechnen, dass er in *** angesprochen wird.
Weiss er das nicht? ::)

Aber die Antwort kam vom Werner, der vermutlich nicht spontan weis, was "aliaflanko" ist, oder aus welcher Sprache....

Wer ist denn wohlerzogen??

Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Werner am 03. November 2006, 12:20:29
Nö, weiss ich nicht nur spontan nicht, der Link lässt sich bei mir nicht öffnen. Da
hab ich mal mit dem Stöckchen im Ameisenhaufen gestochert, Jugend forscht, mehr
eigentlich nicht. Aber erzähle mir doch was, ich bin ganz ..   Auge.
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Werner am 04. November 2006, 02:26:38
Okay, ich habe es mittlerweile gefunden. Im ganzen Leben ist mir noch keiner begegnet der das richtig flüssig konnte, geschweige 2, die sich brauchbar damit zu unterhalten schienen (Habe spontan nachgefragt, war nur zur Übung). Da würde ich in Deutschland sogar mit holländisch weiterkommen obwohl das auch nicht so richtig viele verstehen. Naja, wer's braucht..

Am Lesen bin ich gerade "Der Dschungel" von Upton Sinclair und zum x-ten Male "Kaputt in Hollywood" von Ch. Bukowski . Nicht so lyrisch schön wie z.B. Rilke aber mir persönlich viel näher.
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: michael am 12. November 2006, 01:56:23
ZitatOkay, ich habe es mittlerweile gefunden. Im ganzen Leben ist mir noch keiner begegnet der das richtig flüssig konnte, geschweige 2, die sich brauchbar damit zu unterhalten schienen (Habe spontan nachgefragt, war nur zur Übung). Da würde ich in Deutschland sogar mit holländisch weiterkommen obwohl das auch nicht so richtig viele verstehen. Naja, wer's braucht..

Fast alles als Zitat, fast ein Verstoss gegen Forenregeln - ausser ich schreibe entsprechend lang.... ;D
Um die Spannung für alle nichtwissenden grösser zu machen, nenne auch ich nicht das Wort, den Namen der Sprache, um die es hier geht.
Dir ist noch keiner gegegnet, der die Sprache spricht: Doch ich. Obwohl die Begegnung eher virtuell ist, aber immerhin.
Flüssig sprechen kann mensch das verdammt schnell, es ist halt eine Sprache mit 16 Regeln, ohne Ausnahmen.  

Es stimmt, wir sind relativ wenig auf der Welt (4- 16 Millionen, je nach Schätzung). Aber es gibt ein reges Leben, Treffen und Kommunikation und Literatur und und und (ktp (kaj tiel plu).. sagen wir).

Und Alexander hatte einen Link aus einer *** Seite gebracht (der Link behandelte zwar ein Thema in deutscher Sprache (Robert Gernhardt), aber das zeigt ja nur, wie kulturell gebildet wir *** sind), so dass ich kurz gefragt habe, ob etwa  ein "gleichgesinnter" (samideano) hier ist....

Lieder in *** sind übrigens wirklich schön zu hören, irgendwo im Netz sind mp3s von "Kajto" (legale
mp3s!!!) zu finden, Link gerade nicht zur Hand.

So stur, wie die Deutschen in Bezug auf höllandisch sind, wirst Du mit *** bestimmt weiterkommen (lebe im Grenzgebiet NL-D). Ehrlich!!

@Alexander: Hast Du was mit *** zu tun?

PS: Hoffe, das die Verwendung von *** statt des ausgeschriebenen Namens ****r*n*o ALLE Leser so neugierig gemacht hat!
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Werner am 12. November 2006, 09:55:35
Sorry, ich wollte dein "Hobby" natürlich nicht despektierlich abhandeln. Davon abgesehen trifft mich der subtil plazierte Hinweis auf eine typisch deutsche Eigenschaft nicht. In der Ecke, aus der ich eigentlich stamme spricht man ausser Deutsch noch ungarisch und rumänisch. Aber das nur kurz am Rande um meine "Vorurteile" etwas differenzierter darzulegen: Das Leben ist mit dem hier bereits herrschenden Sprachgewirr schon kompliziert genug und noch eine mehr? Jede Sprache wird sich unentrinnbar dem Einfluss der Menschen, in Wechselwirkung zur Umwelt und anderen Menschen anpassen und der Ansatz "One size fits all" gälte bestenfalls für ebenjene die für den Fremdstarter aufgrund der einfachen Regeln (natürlich nur für einfache Dialoge!) schnell zu gebrauchen ist. da hat sich *** nicht besonders etabliert, statistisch... die Zahlen sprechen für sich was die Ausweitung betrifft, da hilft alle dahintersteckende, vernunftbasierte Ideologie  nichts.  Du kennst doch sicher auch das kaiserliche chinesische Hoftheater und die ca. 1000 Dialekte (nicht Mundarten!), die zwar, von ebendiesem Theater versorgt,  alle Mandarin verstanden aber untereinander nicht zu kommunizieren in der Lage waren obwohl es sich ausschliesslich um Chinesen handelte. Stell dir vor, über eine Milliarde... ;) Und zum Schluss: Holländisch klingt für mich auch nur wie ein deutscher Dialekt, mit den künstlich gehegten Animositäten zw. Deutschen und Holländern kann ich leider nicht das geringste anfangen. Aber *** ist mir wirklich begnet, in einem Gästehaus meines Vaters als ich 15 Jahre alt war. Eine der *** schenkte mir ein Grammatikheft - in etwa das Gleiche, das ich für Französisch benutzte. Ich habe es nach einigen Jahren weggeworfen weil mir keiner mehr begegnete den *** interessierte. Aber an manche Gespräche dieser Gruppe kann ich mich noch erinnern (natürlich nicht wörtlich). Also ehrlich, flüssig ist was anderes.
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Alexander am 12. November 2006, 12:22:24
Zitat:
@Alexander: Hast Du was mit *** zu tun?  

Leider nein, der Text war halt gerade dort verfügbar. Ich habe aber einen Freund in Wien, der diese Sprache beherrscht und Bücher dazu sammelt.

Schönen Sonntag
Alexander
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: whoknows am 13. November 2006, 23:15:14
Irgendwie schade, dass *** sich nie so RICHTIG durchgesetzt hat - gerade in Europa wäre das ein netter Schachzug....
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Werner am 14. November 2006, 01:18:44
Aus logischer Sicht: Absolut! Aber bei dieser Dichte alter Kultursprachen? :-/
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Werner am 14. November 2006, 01:44:53
Hätte ich fast zum Thema vergessen: Die Tendenzen in Europa zur Festigung der eigenen Identität auch sprachlich abzudriften, siehe die ganze sprachliche Kleinstaaterei, mitunter  auch von Bomben begleitet. Ein wirklich friedliches, d.h. auch kulturell und politisch integratives Miteinander - was sich z.B. auch auf politischer Ebene mit Wahlberechtigung für ausländische Minderheiten widerspiegeln sollte - ist sehr selten. Hier fallen mir u.a.  die dänische Minderheit im Norden ein, aber die Verhältnisse stufe ich vermutlich nur als spannungsfrei ein weil man von denen überhaupt nie etwas hört, bzw. die Sorben im Osten, aber das sind Deutsche obwohl die Sprache keine Schnittstelle mit Deutsch hat. Die Vehemenz, mit der sich ansonsten die Minderheiten von Italien bis Schottland "mögen" lässt auch nicht auf die Grundvoraussetzung für die Vereinigten Staaten von Europa hoffen. Und das ist der Euro nur zum kleinen Teil, die gemeinsame Sprache als Basis einer gemeinsamen Kultur wäre der weitaus grössere.
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: whoknows am 14. November 2006, 13:25:25
Tscha, wenn's nur so leicht wäre!! Es ist doch gerade die gewachsene Sprache der allergrösste anteil von "eigener Kultur" - nicht grundlos sagen Sprachen enorm viel über Mentalitäten aus.
ich verstehe allerdings nicht ganz, warum eine kulturelle Besonderheit immer gleich zu Ausgrenzung führen muss - es gibt doch Überbegriffe, wo es  eigentlich ausreichen müsste, dass man die durchsetzt? Aber wenn man sieht, wie zB der Überbegriff der gemeinsamen Ethik und der Menschenrechte sofort aussetzt, wenn es um Kulturrelativismus geht ....."bei den Arabern ist es "kulturell" und damit legitimer, wenn Frauen ausgegrenzt werden, bei uns gelten die ja die Menschenrechte, da muss man eben die anderen Kulturen auch einfach machen lassen" ... derartige Umkehrschlüsse und Fehlschlüsse führen dann dazu, dass man sagt: wir müssen die Sprache ändern - anstatt: Ihr habt ne eigene Sprache, aber unsere Ethik schweisst uns zusammen.
Wenn man die Sprache ändert, als "zeichen von Zusammengehörigkeit", glaubst Du im Ernst, dass sich dann was ändert? Man fühlt sich zugehörig zu Europa, wenn es endlich verbindliche WERTE durchsetzt, auch bei Zuwanderern. Die Sprache ist genügend Differenzierung um die eigene Ethnie zu definieren.
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Werner am 15. November 2006, 03:00:39
Eigentlich dachte ich nur zu beschreiben; die erwähnte gemeinsame Sprache als Fundament einer gesamteuropäischen Gemeinschaft sehe ich als Chance eines Neuanfangs, mehr eigentlich nicht. Die in Europa aktiven Separatisten benutzen die Sprache zwar zur Abgrenzung, okay,  sie ist selbstverständlich aber nicht die Ursache der Konflikte. Und ein einziges, winziges Beispiel für ein Nebeneinander trotz aller Unterschiede zeigen Tschechen und Slovaken, im Gesamten bestätigt diese Ausnahme in ihrer Einzigartigkeit aber eher die geltende Regel das nichts mehr geht wenns mal geknirscht hat. Die gemeinsame Sprache hatte ich ausschliesslich als Basis, d.h. lediglich einen notwendigen Grundstein für einen eventuellen Dialog im grösseren europäischen Umfeld bezeichnet, Chancenvergrösserung wirtschaftlicher Natur zum Wohle aller Beteiligten inclusive, warum auch nicht?
Zitatderartige Umkehrschlüsse und Fehlschlüsse führen dann dazu, dass man sagt: wir müssen die Sprache ändern - anstatt: Ihr habt ne eigene Sprache, aber unsere Ethik schweisst uns zusammen
Bist du da sicher? Oder meintest du unsere Ethik? Nur um einem verselbstständigt vorausgeeilten Missverständniss sofort den Strom abzudrehen: Ich bin nicht für die Abschaffung des babylonischen Sprachdschungels (ich bin kein Phantast), nur denke ich - analog zu den USA - an eine Sprache für alle, den Verständigung hängt nun mal von Sprechen und Verstehen ab. Die Relativierung fremder Wertvorstellungen beim Transfer in unser Rechts- und Wertesystem richtet sich in der Regel an unserem grundsätzlichen Wertekatalog aus. Danach wird Steinigung für pflichtvergessene Ehefrauen als Verbrechen geahndet, während Bigamie, wenn irgendwo Usus, dagegen schon besser in den I.O.-Katalog für Neubürger aus Wasweissdenwerschonwo passt. Für diesen Neubürger mag beides zu seinen religiösen Angelegenheiten gehören, für uns natürlich nicht. Such da mal den Konsens wenns an das Eingemachte geht...Asylberechtigung mit der Giesskanne verteilt schafft zwar ein ruhiges Gewissen für den Menschenrechtsbeflissenen aber auch Gerechtigkeit für die Betroffenen? Und aus wessen Sicht?
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: whoknows am 15. November 2006, 14:43:24
Mit einem Wort, Du meinst: zusätzlich zu den jeweiligen Sprachen als Amtssprache, als Dach-sprache oder so? Das wäre sicher nicht verkehrt.
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: michael am 15. November 2006, 23:43:35
Hach, wie schön, alle reden über ***. Hätte jemand (irgendjemand) einen Thread über *** angefangen (ohne Sternchen), wäre bestimmt nicht so viel geredet worden...

[size=14]Ausdruck! |[/size] Hatte in den letzten Tagen nicht soviel Zeit, auf einiges meinen Senf beizusteuern, obwohl es mir in Fingern kribbelte...

Ich habe wohl all die Phasen durchgemacht, die ein *** so üblicherweise erlebt, man (oder frau...) lernt es kennen, ist begeistert, lernt es, lebt es. Mensch will alle anderen begeistern, missionieren, aber das klappt dann nicht.
Dann kann mensch entweder resignieren und *** vergessen - oder man lebt es. Wer will, der findet seine  ***, es gibt sie überall, wenn ich will, kann ich zu Treffen gehen, ganz nach meinem Geschmack.
Das ***- Völkschen hat so ziemlich alle Interessengruppen, die interessant sein könnten, da findet mensch immer jemand, mit dem mensch reden kann.

Und FLÜSSIG reden - das können nun wirklich viele, fast alle ***

Und vom Ursprung der Idee her, ist die Wahrscheinlichkeit eher gering, das man dort rechte Dummbolzen antrifft, immerhin war der Initiator ein  russich- polnischer Jude, der die internationale Verständigung und Gleichberechtigung fördern wollte - da bleibt eine bestimmte Klientel aussen vor, die trifft mensch da nicht als Anhänger... ::) ::)

Übrigens sollte *** immer nur die ZWEITsprache sein, die meistens *** legen da grossen Wert drauf.

Wenn ich mir das übliche Denglisch hier im Land angucke....
Also *** ist mir da lieber... und würde den Menschen ihre eigene Sprache / Kultur belassen.

Lieder in *** klingen übrigens toll.

Na, will sich jemand missionieren lassen?
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: michael am 15. November 2006, 23:50:45
Bevor ich es vergesse:
Das ist doch das GK-Forum....
Natürlich sind auch GK-Texte in *** übersetzt:
[size=14]R |[/size]z.B: (mein Problem: Diese Übersetzung sollte ich fairerweise nur verlinken, aber dann sieht ja jeder, was *** ist)

Geht also nicht.




Oder doch??


Ersetze im folgenden Link die *** durch das Zauberwort:
http://www.uni-leipzig.de/***/texte/bibl/kantoj/muzikkritiko.html

(insgesamt vier übersetzte Lieder)
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: whoknows am 16. November 2006, 11:01:56
Hihi - sogar metrisch ziemlich okay. Liest sich lustig.
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: whoknows am 09. Juni 2007, 11:48:13
Eines der spannendsten, wahrsten, klügsten, erhellendsten Bücher seit langem. UNBEDINGT zu empfehlen, eigentlich (gerade angesichts unserer Diskussionen) ein absolutes "must":

Timothy Garton Ash:
[size=14]Freie Welt [/size]
Europa, Amerika und die Chance der Krise[/b]






Bin völlig hingerissen davon - und liest sich wie ein Krimi
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: Stroganoff am 10. Juni 2007, 15:19:38
Danke für den wertvollen Buchtipp!!
Ich werd wohl diese Ausgabe kaufen/verschenken/lesen: klick (http://www.amazon.de/Free-World-crisis-reveals-opportunity/dp/0141016817/).

Bin gespannt darauf, es zu lesen!
Titel: Re: Literatur: Anregungen
Beitrag von: whoknows am 10. Juni 2007, 16:32:14
oder auch auf deutsch: http://www.dtv.de/dtv.cfm?wohin=dtvnr34322

Hier ein paar Rezensionen: http://www.perlentaucher.de/buch/18979.html