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Kunst und Provokation

Begonnen von Martin, 11. September 2003, 17:59:01

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whoknows

#75
Ja. Gute Geschichte.

Es wird allerdings auch viel zu wenig darauf hingewiesen, wie sehr wir hier auch Kritik ertragen wollen/können/müssen - wenn zB was Christliches karikiert wird - aber eben keine Gewalt.

die Amis sind froh, den Europäern den Sündenbock zuzuschieben.... und alle beknirschen sich aus lauter Angst vor Attentaten. (und weil sie Angst um Öllieferungen haben)
Ich hab echt die Schnauze voll von jenen, die unsere Toleranz ihnen gegenüber fordern, und selbst nicht bereit sind, tolerant zu sein.


In der Zeit steht heute sehr nett "Die europäische Reaktion erinnert ein wenig an das Schmähen des eigenen Dealers durch den Süchtigen"
oder Igel-Sex: Vorsichtig, sehr vorsichtig....

angel

#76
whoknows,
ich mag halt Adorno und finde das, was er zur Meinung sagte klug. Die "Hegel-Werkstatt" - zu der ich links setzte - entstand durch lange Kontroversen zum Thema in der Mailingliste Hegel-Marx-Adorno.

Kurz und klar: Meinung ist Pinkelei in den Wind. Meinungspluralismus ist, wenn jeder seine eigene Duftnote behält, aber man die eigene für die Beste ansieht.

@ Katinka
Es existieren auch in der islamischen Welt viele Bilder von Mohammed:
http://www.welt.de/data/2006/02/07/842031.html

Über Google findet man Tausende:  :P
http://images.google.de/images?q=Bilder+von+Mohammed&svnum=10&hl=de&lr=lang_de&start=0&sa=N


Has Been

#77
ZitatVorausgesetzt ich verstehe euren Begriff von "Meinungspluralismus" richtig... Was wäre denn die Alternative?
Mir geht es nicht um eine Alternative, sondern darum, dass es bei der "Freiheit des Andersdenkenden" nicht aufhören darf.
Alle reden immer von "Toleranz", aber so lange keine aktive Auseinandersetzung mit dem wie auch immer "Anderen" stattfindet, bleibt bloße Toleranz einfach nur dumm, borniert und folgenlos.
Das ist auch eine Frage der Streitkultur, der Bereitschaft, nicht nur verbissen den eigenen Standpunkt zu verteidigen, sondern sich auf eine andere Perspektive einzulassen und davon zu lernen.
Da ist der Mangel, den es zu beklagen gilt, im UMGANG mit der Freiheit.

Bastian

#78
Ah, ich verstehe jetzt was ihr mit diesem Wort... ...meint. Es geht wohl in Richtung "Indifferenz".

Ich kann nicht den Hegel'schen Jargon übernehmen, weil ich in ihm nicht firm bin. Hab meinen eigenen Jargon. Ich verstehe, dass es beispielsweise Unterschiede zwischen "Meinung", "Auffassung", "Haltung" und "Überzeugung" gibt. Ich bezweifele allerdings, dass man zu "objektiveren Stufen des Geistes" (Adorno) gelangt, ohne zuerst eine bloße Meinung (untere Stufe) gehabt zu haben. Ähnlich, wie ich auch bezweifele, dass ein vorurteilsfreier Mensch (also einer, der diesem Vorurteil- nämlich vorurteilsfrei zu sein- unterliegt) je zu einem Urteil gelangt. Vorurteile sind Stufen und Mittel der Urteilskraft. Und so ist die vorläufige "Meinung" die unterste Stufe einer Auseinandersetzung. Jedenfalls, so man sich bewusst ist, dass sie vorläufig zu sein hat, und aus ihr etwas erwachsen muss, damit "objektivere Stufen des Geistes" erreicht werden.

Versteht mich noch wer? Ich hab den Faden verloren...

Ah! Schlagt die Meinung nicht, für das, was sie ist. Sondern für das, was sie nicht ist.

ZitatMeinung ist Pinkelei in den Wind.
OK. Da magst du Recht haben, Angel. Aber unverrückbare Überzeugung ist Pinkelei mit dem Wind.
Nur so als Ergänzung.

angel

#79
Basti, Du siehst das schon sehr richtig. Aber es war mehr Hegel denn Adorno, der diese Bewußtseinsstufen zu einem System machte. Hegel spricht von Meinung als unmittelbare Gewißheit oder subjektive Wahrnehmung, Adorno von Annahme im Sinne von ehr glauben statt wissen.
Man kann sie nicht verallgemeinern, aber es kann durchaus Wahres darinstecken. Wenn z.B. ein Bauer drei mal hintereinander schönes Wetter bei der Kartoffelernte hatte, macht er ggf. eine Regel daraus und sagt: "Immer wenn der Bauer zur Kartoffelernte schreitet, ist Sonnenschein", obwohl es in anderen Teilen der Welt, wo auch geerntet wird, gerade regnet(e)...
Doch nehmen wir mal die Aussage: "Alle Gegenstände fallen auf der Erde auf den Boden." Sie stimmt, auch wenn derjenige, der diese Aussage macht nicht alle Dinge aufgehoben zu Boden fallen gelassen hat und scheinbar ein mit Helium gefüllter Ballon dieser Aussage widerspricht. Erst wenn die Naturgesetze erkannt sind (im Kontext mit dem Beispiel: Schwerkraft, Rotation und Gravitation) wird die Meinung auf eine wissenschaftliche Stufe gehoben und ist damit verifizierbar und so lange allgemeingültig, bis auch sie widerlegt/falsifiziert ist.

ZitatAber unverrückbare Überzeugung ist Pinkelei mit dem Wind.
Dies deutet an, dass die meisten sich ihre Meinung gern bestätigen lassen und/oder dem Mainstream anpassen. Überzeugung ist ggf. eher die Pinkelei gegen den Wind?  ;)
Ich pflege bei solch einem Verhalten zumeist zu sagen: "Ich brauchen nicht ÜBERzeugt zu werden, es reicht mir, daß ich gezeugt wurde."  8-)

angel

Erfrischend zum Thema war eben ein Beitrag im Deutschlandradio:
>>Wir lassen uns nicht beleidigen
Vom Verlust einer alten Kulturtechnik
Von Burkhard Müller-Ullrich

Es ist einfach grauenhaft, und vermutlich begann das Grauen vor genau vierzig Jahren in Frankfurt am Main. Jedenfalls konnte man es dort zu ersten Mal betrachten, erfahren und erleben. Auf der Bühne standen vier zornige junge Männer und brüllten einen kompletten Theaterabend lang nichts als Beleidigungen in den Saal. Ein gewisser Claus Peymann hatte das Stück inszeniert, es stammte von einem Österreicher namens Peter Handke, und sein Titel sagte ganz genau, worum es ging: "Publikumsbeschimpfung". <<
Der gesamte Beitrag (auch nicht zuuuu laaaaang  ;) ) unter:
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuilleton/467729/

Beim seinem Schlußsatz vergaß er jedoch, daß Kabarett und gute Satire auch Kunst ist... 8-)

Bastian

#81
Ein kleines Interview mit Robert Gernhardt zum Karikaturenstreit:
http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID5220160_TYP6_THE5209304_NAV_REF1_BAB,00.html

Und hier ein paar Karikaturen, die in arabischen Medien erschienen sind, gegen die niemand auf die Straße gegangen ist:
http://memri.de/uebersetzungen_analysen/2006_01_JFM/cartoons_09_02_06.html

angel

#82
Gernhardts Kernaussage ist leider: "Die Moslems sind zu doof, unsere Satire zu verstehen." Wenn aber Satire nicht oder falsch verstanden wird, kann es dann nicht auch sein, daß sie einfach schlecht gemacht war?  

Bezüglich der antisemitischen Karikaturen, die auch ausführlich in "Die Saat des Hasses" von Gal Ben-Ari beschrieben wurden, gibt es von den Ceiberweibern einen dem entsprechenden Kommentar, der mit der Frage einleitet: "Wo bleibt der Aufschrei gegen islamistische Judenhetze?"
Es scheint so zu sein, als hätte sich die sog. Weltöffentlichkeit daran schon gewöhnt? :-[

Nicht jedoch Sonja Mikich. Sie schreibt sich in "Was nun, ferner Bärtiger?" ihren Zorn von der Seele: "Ich bin beleidigt. Eiferer nageln den Schleier an die Gesichter meiner Schwestern in Afghanistan und Pakistan fest und hängen fleißig Frauen, Homosexuelle, Ehebrecher und Ungläubige."

Doch auch das christlich geprägte und angeblich säkulare "Abendland" kommt in meinen Recherchen nicht so gut weg wie z.B. bei Dagmar.
Robert Fisk macht mich in "diese dänischen Cartoons" darauf aufmerksam, daß es in Frankreich 1988 gewalttätige Proteste gegen den Film "Die letzte Versuchung Christi" gab. 4 Kinos wurden niedergebrannt und mehrere Menschen dabei verletzt. In der Schweiz wurden Kinobesitzer, die diesen Film zeigen wollten, mit Telefonterror bedacht ...

Nach dem 11. September 2001 gab es zahlreiche gewalttätige Übergriffe gegen Muslime in den USA. Nach dem Mord an Theo van Gogh brannten in den Niederlanden zahlreiche moslemische Einrichtungen (Moscheen und Schulen).

Zum Thema Toleranz bzw. Intoleranz in D-Land sollte man hin und wieder auch mal diese Seite besuchen:
http://www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/artikel.php?id=5&kat=82&artikelid=1323

Und bezüglich der politischen Instrumentalisierung von Religionen und Gottheiten im Sinne von heiligen Kriegen (btw: der Irak war eines der säkularsten Regime im arabischen Raum) sagt dieses Bild mehr aus als viele Worte:





Has Been

#83
ZitatGernhardts Kernaussage ist leider: "Die Moslems sind zu doof, unsere Satire zu verstehen." Wenn aber Satire nicht oder falsch verstanden wird, kann es dann nicht auch sein, daß sie einfach schlecht gemacht war?
Dazu passt auch dieses:

"Tagesspiegel" bedauert Reaktion auf Karikatur
Dienstag 14. Februar 2006, 13:48 Uhr

 
Berlin (AFP) - Die Chefredaktion des Berliner "Tagesspiegel" hat die iranische Reaktion auf eine Karikatur bedauert, die in der Zeitung abgedruckt war und zu Protesten der iranischen Botschaft in Berlin geführt hat. "Wir bedauern die iranischen Reaktionen auf diese Karikatur und können sie uns nur mit mangelnder Vertrautheit mit der innenpolitischen Debatte in Deutschland erklären", hoben die Chefredakteure des "Tagesspiegel" Stephan-Andreas Casdorff und Lorenz Maroldt hervor.

Die Karikatur des Zeichners Klaus Stuttmann, die zuerst am vergangenen Freitag im "Tagesspiegel" veröffentlicht worden war, zeigt vier iranische Fußballspieler mit umgeschnallten Sprengstoff-Gürteln in einem Fußballstadion und vier Bundeswehr-Soldaten. Darüber steht: "Warum bei der WM unbedingt ... die Bundeswehr zum Einsatz kommen muss". Die iranische Botschaft in Berlin hatte eine schriftliche Entschuldigung gefordert.

Die Chefredakteure teilten weiter mit, Stuttmann habe die Diskussion über einen Einsatz der Bundeswehr "ironisch-überspitzt" und ins Absurde gewendet. "Selbstverständlich wollten weder Herr Stuttmann noch der Tagesspiegel die Integrität der iranischen Fußballer in Frage stellen", heißt es in der Erklärung weiter. Stuttmann hat nach eigenem Bekunden per E-Mail drei Mordrohungen bekommen und ist sicherheitshalber von zu Hause ausgezogen.

Has Been

#84
Um nicht missverstanden zu werden:
Wollte die Frage damit nicht beantworten, sondern ihr nur neue Nahrung geben, weil ich das gerade las.
Im Grundsatz hat Gernhardt natürlich recht, es ist ja nicht nur eine Frage der Intelligenz, sondern vor allem eines gemeinsamen Wertesytems, innerhalb dessen Satire nur funktionieren kann.
Ob man dabei dabei nun immer den "aufgeklärten" Westen dem "fundamentalistischen" Rest der Welt gegenüberstellen muss, ist eine ganz andere Sache.


angel

#85
Has Been,
mir ging es um die Zielgruppe der dänischen Karikaturen und warum die Bosse von Jylland Posten Islamisten nachgestiefelt sind und sie ihnen unter die Nase gerieben haben. Daß diese keinen Humor haben, dürfte bekannt sein. Daß sie ihre gläubigen Schäfchen aufgehetzt haben und außerdem noch 3 weitere Karikaturen daruntermischten, ist ebenfalls bekannt. Dies wurde jedoch von Gernhardt nicht reflektiert, sondern er bläst ins gleiche Horn der Pauschalierungen, wie dies gerade an deutschen Stammtischen zu hören ist, die das Abendland in Gefahr wähnen...

Nun zur Karikatur im Tagesspiegel:
Daß ausgerechnet das iranische Mullah-Regime sich beleidigt fühlt, ist eine zynische Realsatire.

Hier hat ein Karikaturist zwecks ökumenischem Dia- und Trialog eine multikulturelle Feder geschwungen:



Bastian

#86
Na, da bin ich mal auf die jeweiligen Reaktionen gespannt...


angel

#87
Muß man jetzt mittelerweile 'ne Art von Disclaimer auf Karikaturen schreiben, so nach dem Motto: "Die Moderatoren und Admins dieser Webseite bzw. dieses Forums entschuldigen sich im Vorab für alle Mißverständnisse, die durch Satire und Cartoons und vor allem Humorabstinenz ausgelöst werden könnten und bedauern alles Leid sowie jegliche Beleidigung seitens der Originale, ihrer Epigonen sowie der künstlerischen Vor-, Ent- und Nachstellungen."  ;)

Deinem gif kann ich nur zurufen: "Vater, Vatter, Gevatter, Attentatter, verlaß mich bitte bald!"  ;D

Guntram

#88
Nach der veröffentlichung, werden Forumsmitglieder vom Papst exkommuniziert, Aliens protestieren vor der deutschen Botschaft auf dem Saturn, Fidel Castro veröffentlicht einen Mordaufruf, wir bekommen Hausverbot in Disney World, werden beim Besuch eines buddistischen Landes gesteinigt und die Smilies werden eine Virenattaken gegen die PC der User und den Forumsserver starten.

Also alles in allem, bis auf das mit den PC und dem Server, wir werden damit leben können.  :-X






PS: Wie geht das mit den Fotoupload?
Träume sind nicht Schäume, sind nicht Schall und Rauch,
sondern unser Leben so wie wache Stunden auch.
Wirklichkeit heißt Spesen, Träume sind Ertrag. Träume sind uns sicher schwarz auf weiß wie Nac

Dorian

Das sind keine Uploads sondern Links auf Bilder auf externen Seiten.

Guntram

Links? Ich dachte da wird dann die URL des Bildes angezeigt. D. h. wenn das Bild vom Quell-Server verschwindet ist es auch hier weg  :-[
Träume sind nicht Schäume, sind nicht Schall und Rauch,
sondern unser Leben so wie wache Stunden auch.
Wirklichkeit heißt Spesen, Träume sind Ertrag. Träume sind uns sicher schwarz auf weiß wie Nac

Bastian

#91
[img ]www.Bild.jpg[ /img]
(ohne Leerzeichen)

Heute früh klingelts an der Tür. Ich geh hin, mach sie auf, und was glaubt ihr, wer da steht?

Genau: ein Alien und seine Mutter! Hab ich einen Schreck bekommen!

Der Kleine schaute mich sehr böse an und schwankte immer bedrohlich vor und zurück, als wolle er mir an den Hals springen. Als er mich dann fragte, ob ich zwei Wochen lang kostenlos die NRZ testen wollte, hab ich ihn ausgelacht und die Tür zugeknallt.

Was für ein Trottel, so wird das doch nie was...

Has Been


Bastian

#93
Hehe, aber davor hab ich keine Angst. Die machen mit einem doch angeblich ganz nette Dinge in diesen Raumschiffen...


Zu der Karikatur der iranischen Fußballmannschaft:

Solidarität mit Stuttmann

Karikaturisten schreiben an den Tagesspiegel

Mit Bestürzung haben wir von den einschüchternden E-Mails und Anrufen, ja sogar Morddrohungen erfahren, denen sich Ihr Zeichner Klaus Stuttmann aufgrund seiner Karikatur vom letzten Freitag ausgesetzt sieht und die allem Anschein nach dem Protestaufruf eines iranischen Sportmagazins folgen.

Im Fall des gegenwärtigen Streites um Mohammed-Karikaturen galt schon, dass Reaktionen, die zu Gewalt auffordern oder sich ihrer bedienen, absolut intolerabel waren; hier aber gingen die Drohbriefschreiber noch einen Schritt weiter, denn die betreffende Zeichnung hat keine religiöse, sondern eine sehr weltliche, dazu rein innenpolitische Zielrichtung und operiert mit der Ironie, ein Szenario darzustellen, das eben gerade nicht der Realität entspricht. Diese Ironie wurde entweder nicht verstanden oder aber bewusst übersehen und fehlinterpretiert, um als Trittbrettfahrer des Karikaturenstreits die Stimmung weiter anheizen zu können. Und selbst wenn die Zeichnung missverständlich wäre: Dürfen wir von nun an – nach dem Propheten – auch die iranische Fußballnationalmannschaft nicht mehr karikieren, ohne um unsere Sicherheit fürchten zu müssen?


Gerade aber dies zeigt, auf welch gefährlichem Weg wir uns befinden, wenn wir hinnehmen, dass die Tabuzonen der Satire und Meinungsäußerung je nach politischem Kalkül und Interesse (denn um nichts anderes handelt es sich dabei) willkürlich immer stärker ausgeweitet werden. Als Karikaturisten haben wir die Aufgabe, alle Probleme und Konflikte, die die Öffentlichkeit und somit auch uns bewegen, zu kommentieren, seien sie politischer, gesellschaftlicher oder auch kultureller Art. Und wir bedienen uns dabei jener Mittel, die eine Karikatur per definitionem erst zur Karikatur machen: nämlich der Kritik, Polemik, Übertreibung und Ironie. Würden wir durch den Druck von außen oder auch durch die eigene ihm vorauseilende Selbstzensur ständig wachsende Zugeständnisse bei der Wahl der Themen oder der Mittel machen müssen, so wären wir, so wäre das Medium Karikatur bald am Ende.

Umso mehr und einhelliger begrüßen wir es, wie deutlich und offensiv Sie Ihrem Zeichner den Rücken stärken, denn Sie verteidigen damit auch unser Recht, frei und unzensiert zu arbeiten. Wir alle sind darauf angewiesen, dass die Redaktionen unserer Zeitungen sich in einem ähnlichen Fall ebenso verhielten. Klaus Stuttmann ist einer der erfahrensten und besten Karikaturisten Deutschlands, und er verteilt seine Kritik ohne ideologische Beschränktheit auf alle, die es verdient haben: Er hat die Kirche ebenso kritisiert wie die politischen Parteien, er hat Karikaturen ebenso gegen islamistischen Terror gezeichnet wie gegen den Krieg im Irak, und er wird auch in Zukunft hoffentlich die Möglichkeit und geistige Freiheit haben, sich beispielsweise mit dem iranischen Atomprogramm auseinander zu setzen, wenn es ihm geraten scheint. Klaus Stuttmann verdient und erhält unsere, seiner Kollegen, Solidarität.



Es unterzeichnen:

Gerd Bauer, Harm Bengen, Gabor Benedek, Peter Butschkow, Thomas Richter Eigenhufe, Klaus Espermüller, Ulf Graupner, Greser + Lenz, Burkhard Fritsche, Pepsch Gottscheber, Utz Peter Greis, Horst Haitzinger, Walter Hanel, Dieter Hanitzsch, Barbara Henninger, Wolfgang Horsch, Tom Körner, Erik Liebermann, Eckart Löser, Luff, Dirk Meissner, Gerhard Mester, Til Mette, Burkhard Mohr, Nel, Andreas Nicolai, Thomas Plaßmann, Ari Plikat, Marlene Pohle, Andre Poloczek, Bernhard Prinz, Albert Radl, Tassilo Rau, Peter Ruge, Stephan Rürup, Andreas Rulle, Heiko Sakurai, Diana Sasse, Gerhard Schlegel, Karlheinz Schönfeld, Reiner Schwalme, Berndt A. Skott, Peter Thulke, Jan Tomaschoff, Jürgen Tomicek, Ernst Volland, Goetz Wiedenroth, Freimut Wössner, Yavou


Quelle: http://www.tagesspiegel.de/dritte-seite/archiv/15.02.2006/2354644.asp

angel

#94
Es hätte heißen müssen: "Dürfen wir von nun an – nach dem Propheten – auch die iranische Fußballnationalmannschaft und die deutsche Bundeswehr nicht mehr karikieren, ohne um unsere Sicherheit fürchten zu müssen?
 
Bezügl. der oben von mir geposteten Karikaturen: Es könnten auch Kerzen mit Dochten sein... und wenn man sich den Kitschmarkt so anschaut: Solche gibt es sicherlich. Auch der Vatikan handelt damit...  ;)

whoknows

#95
Warum stellt hier keiner die offensichtliche Frage: cui bono?
Das ist doch nicht zufällig, was hier passiert.


Und: es hat nix damit zu tun, ob "zu doof" um Satire zu verstehen - es ist einfach ein Kulturkreis in dem das Instrument der Satire nicht bekannt ist - von wegen der nicht stattgefunden habenden Aufklärung und so. (so habe ich auch Gernhardt verstanden) Aber DAS ist das Kulturgut, dass der Westen tatsächlich exportieren könnte - (ich meine jetzt die Errungenschaften, mit der Aufklärung einher kamen, Menschenrechte etc) und der Westen versäumt es sträflich (auch im Zusammenhang mit der Türkei/EU Debatte) die hier bereits bis zu einem gewissen Grad integrierten Muslime zu instrumentalisieren um genau dieses Kulturgut, das der Westen anzubieten hätte, etwas mehr zu propagieren. Stattdessen werden auch die Muslime, die "zu uns helfen" könnten, ausgegrenzt oder bestenfalls ignoriert. Diese Borniertheit wird noch schlimme Folgen zeitigen.

Andrea

Ein dänisches Fischerboot in Jerusalem:
Manchmal ist es sehr schwer ein Mensch zu sein

Gestern brachten wir einen Text Einsteins über neue Medien und Chancen wahrer Demokratie. Heute möchten wir auf einen zweiten Text Einsteins hinweisen.
Hier geht es um den Umgang mit einer totalitären Bedrohung, um Zivilcourage und um ein kleines Land, dessen Bevölkerung sich erfolgreich daran machte,
seine jüdische Bevölkerung zu retten.

Die Geschichte vom dänische König, der den gelben Stern als erster trug und dessen Beispiel alle Dänen nachahmten, nachdem die deutschen Besatzer die Juden
zur Kennzeichnung zwingen wollten, ist wohl nur eine Legende, die den Widerstand der Dänen symbolisch und inspirierend festhalten wollte.
In Wahrheit brauchten die Dänen keinen beispielhaften König, der ihnen den Weg gewiesen hätte. Sie nutzten ihre eigene Phantasie und Courage, um fast alle
Juden erst zu verstecken und danach mit Booten ins freie Schweden zu retten.

In Jerusalem gibt es deshalb einen Platz, den Kikar Dänemark. Dort befindet sich neben dem Supermarkt mit der besten rumänischen Pastrami und einer der
ältesten Filialen von "Sami Burekas" ein aus Eisen nachgebildetes Boot.

Nach dem Einkauf haben wir uns hier gerne eine Kartoffel- oder Spinattasche in Blätterteig gegönnt, während unser Sohn auf dem dänischen Fischerboot schon
mal auf sein adriatisches Kapitänsdiplom übte.

Dänische Beschaulichkeit also, am Freitagmittag, mitten in Jerusalem, kurz vor dem Wettkampf um einen Sitz- oder mindestens Stehplatz in einem der mit Einkaufskörben
und Menschen vollgestopften Stadtbusse der Linien 13, 20, 23 oder 27 nach Kirjath haJowel. Alle gleich gut und alle gleich voll.

Vollgestopfte Busse in Jerusalem sind übrigens etwas wunderbares, und zu verdanken haben wir dieses Wunder unter anderem dem Mut der Dänen.
Daran habe ich mich erinnert, als die Rufe "Tod den Dänen" immer lauter wurden, als die dänische Flagge vor der Al-Aksa Moschee zum Fußabstreifer wurde
und dänische Mitarbeiter in internationalen Hilfsorganisationen von der Regierung in Kopenhagen aufgefordert wurden, ihre rot-weiße Flagge am Revers zu
verstecken.

Deshalb haben wir unsere Eingangsseite während der Notausgabe mit dem "Dannebrog" geschmückt. Und deshalb haben wir die Karikaturen der Aarhuser "Jyllands
Posten" gezeigt.
Nicht weil diese Karikaturen so gelungen sind. Sie sind plump und dumm und die Motive im Stab der "Jütländer Post" waren sicher nicht ehrenwert. Könnte
ich dänisch, wäre ich wohl kaum ein Leser dieser konservativen Tageszeitung. Wären sie mir aufgefallen, hätte ich die Karikaturen genervt weggeblättert,
vielleicht kritisiert. Ein billiger Gag ist es nicht Wert, Menschen zu beleidigen, und beim Thema Selbstmordattentäter empfinde ich grundsätzlich einen
Würge- und keinen Lachreiz.

Als aber vier Monate nach der Veröffentlichung in der Jyllands Posten, drei Monate nach Veröffentlichung in Al-Fajr und zwei Tage nachdem sich der Herausgeber
der "Post" entschuldigt hatte, die Wogen so hoch schlugen, dass Dänen in der gesamten islamischen Welt um ihr Leben bangen mussten, galt es nicht mehr
auf religiöse Empfindsamkeiten hinzuweisen, sondern auf die Gefährdung menschlichen Lebens.

Diese Relationen scheinen viele aus den Augen zu verlieren. Im Osten wie im Westen. Es geht nicht um Bilder - und das ist der Grund für das Gebot "Du sollst
Dir kein Bild machen". Der Mensch soll sich eben nicht niederwerfen, denn der höchste Wert ist nicht G'ttes Heiligkeit sondern das menschliche Leben. So
sieht es jedenfalls G'tt, der Heilige, gelobt sei er. Und so lesen wir im Talmud, dass wir, sollten wir uns je entscheiden müssen, zwischen den Geboten,
die den Dienst an G'tt befehlen und jenen, die den Dienst am Menschen befehlen, wir uns für den Dienst am Menschen entscheiden müssen.

Albert Einsteins Rede über Dänen und andere Gerechte unter den Völkern der Welt können Sie hier  als mpg anhören oder als Text nachlesen:

http://www.hagalil.com/archiv/2006/02/060215.htm
http://www.juedische-musik.de/sound/geschichte/einstein/denmark.mp3

www.hagalil.com
Zum Licht gehört der Schatten, zum Tag die Nacht. Das musst du dir so oft sagen, bis du es weißt und für selbstverständlich hältst. Dann kannst du nicht enttäuscht darüber sein. Denn leben heißt: Das

angel

Ein guter Kommentar. Er zeigt auch auf, daß diese Karikaturen keine gute Kunst im Sinne guter Satire waren, beantwortet aber die Frage von whoknows nicht.

Bastian

#98
Die Antwort auf die Frage "Cui bono?" ist doch offensichtlich. Ich hab dazu heute mittag schon einmal einen langen Beitrag geschrieben, dann ist mir kurz vor dem Abschicken die Kiste abgestürzt und alles war weg.

Jetzt kann ich nur noch darauf hinweisen, dass er wirklich ein sehr guter Beitrag war. Umfassend, ausgleichend und von höchster Präzision...

Tja... :'(

angel

#99
Oh je! Das tut mir aber leid  :'(

Hinter die moralisch herumtobende Erscheinung geguckt ist es doch bemerkenswert, daß  das gesamte Unterfangen "Clash Of Cultures", an dem die Islamisten eifrig mitzündeln, der Militärindustrie dient. Klar spielt darin auch die Psychopathologie niederer Beweggründe, wie primitive und brutale Machtinstinkte [Habermas nannte dies das GMS-Syndrom (GMS= Geld, Macht, Sex)] eine bedeutende Rolle.

Wer sich für Psychoanalyse/Psychologie interessiert, dem sei der Aufsatz von Robert Bösch "Zwischen Allmacht und Ohnmacht" empfohlen:
http://www.krisis.org/r-boesch_allmacht-und-ohnmacht_krisis23_2000.pdf