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Diskussionen => Kunst => Thema gestartet von: Franz08 am 09. Juni 2006, 12:05:41

Titel: Kunst & Krieg
Beitrag von: Franz08 am 09. Juni 2006, 12:05:41
Beides unterschiedliche Seiten der selben Medaillle?
Wie geht "das Eine" mit "dem Anderen" um?
Wie hängt beides zusammen?
Wer sind die Schaleks unserer Zeit? Blogger?


(https://www.georgkreisler.net/proxy.php?request=http%3A%2F%2Fwww.kunsthallewien.at%2F%2Fcgi-bin%2Fimg.pl%3Fid%3D913&hash=0f2dadb785e1995cbcd4cba60db671d8bbc0a05a)
Antonio Riello, Lucy, 2001, US hand-grenade Mk2


(https://www.georgkreisler.net/proxy.php?request=http%3A%2F%2Fwww.kunsthallewien.at%2F%2Fcgi-bin%2Fimg.pl%3Fid%3D1108&hash=db705fe8503fbf9bf9210b42db6b1bfde87ed8b7)
Nin Brudermann: Warten auf Krieg 1998/2003 © Nin Brudermann


(https://www.georgkreisler.net/proxy.php?request=http%3A%2F%2Fwww.kunsthallewien.at%2F%2Fcgi-bin%2Fimg.pl%3Fid%3D1376&hash=503171a53b2b58c9ad5c7541f079df6bf30d0d38)
Klaus Pobitzer: Miss America 2003


Mehr Bilder und Inhalte zum Thema unter
http://www.kunsthallewien.at/cgi-bin/event/event.pl?id=329;lang=de;page=2
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: whoknows am 09. Juni 2006, 16:57:46
Äh...Franz, ich will ja nicht meckern, aber langsam fällt mir auf, dass Du vor allem irgendwelche Zitate hier reinstellst. Kannst du nciht lieber etwas grundsätzliches aus DEINER GEDANKENWELT zu dieser Ausstellung sagen? Fände ich interessanter.
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: Franz08 am 09. Juni 2006, 20:46:10
Hallo whoknows,

ich will einfach nur ein paar Fragen stellen, weil es mich interessiert, was die kleine Kreisler-Gemeinde hier zu dem Thema "Kunst & Krieg" denkt: Die Jungen und die Alten, die KünstlerInnen und die KonsumentInnen, die Frauen und die Männer...

Um diese Fragen zu beantworten, ist meine Meinung vorerst nicht so wichtig.

Aber keine Angst, ich sag' meine Meinung schon, wenn's mir wichtig ist und wenn's passt. Manche Dinge haben aber andere schon sehr gut ausgedrückt, sodass ich nicht doppelt moppeln muss; ich bin weder Künstler noch Originalgenie.

Liebe Grüße
Franz
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: whoknows am 10. Juni 2006, 17:01:38
Also, sorry, was heisst:"Was denkst Du zu Kunst&Krieg"? Wasn das für ne Fragestellung?
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: Franz08 am 11. Juni 2006, 12:00:43
Ich hab's ja viel konkreter gemeint:

Sind Kunst & Krieg Eurer Meinung nach unterschiedliche Seiten der selben Medaillle?  
Wie geht "das Eine" mit "dem Anderen" um?  
Wie hängt beides zusammen?
Wer sind die Schaleks unserer Zeit? Die Blogger?

Das waren nur ein paar Fragen-Vorschläge zum Thema "Kunst & Krieg". That's all.
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: whoknows am 11. Juni 2006, 18:24:27
Tut mir Leid, ich kann mit diesen Fragen nichts anfangen. Genauso könntest Du fragen: sind Krieg und Essen unterschiedliche Seiten derselben Medaille, oder Kunst und Religion. Das sind einfach zwei von Menschen ausgeübte  Entitäten. Punkt.
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: Franz08 am 11. Juni 2006, 22:20:13
Danke, das war doch schon eine sehr konkrete Antwort auf meine Fragen!

Ich persönlich finde ja schon Verbindungen zwischen "Krieg und Essen" (je weniger die Menschen zu essen haben, desto eher sind sie manipulierbar) oder "Kunst und Religion" (angefangen bei Michelangelo) usw. ...
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: whoknows am 12. Juni 2006, 01:39:51
Schon, aber wenn man will kann man für alles und nichts Verbindungen finden. Ich finde das THEMA nicht a priori uninteressant - aber es ist mir SO einfach viel zu unkonkret.
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: Dagmar am 12. Juni 2006, 02:47:34
Weisste, die Bilder, die Du hier gepostet hast: Die sprechen mich an, regen Widerspruch und Worte in mir an. Aber mir fehlt DEINE Position. Deshalb habe ich keine Lust, in eine Diskussion einzusteigen: Es diskutiert sich nicht gut mit "niemand"  :(
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: Maexl am 12. Juni 2006, 03:09:57
hmm - kunst und krieg - da denke ich gleich wieder an handke

übrigens zum interessanteren thema - hunger und krieg gibt es einige schöne beiträge von Brecht... An meine Nachgeborenen und einige andere Exilgedichte... von eisler z.b. das lied vom SA-mann usw.
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: Franz08 am 12. Juni 2006, 11:17:12
Also  bitte, wenn Ihr unbedingt lieber mit einem "vírtuellen Etwas" reden wollt als Euch über die Inhalte von Kunstwerken auszutauschen...  ;)

1. Ich find' das Bild von der "Miss America" zu platt. Das funktioniert wahrscheinlich nur im relaen Kontext einer Ausstellung.

2. Die Liebes-Handgranate find' ich sehr schön - die würde jeder Fanatiker gerne in die Hand nehmen und werfen ("mit Liebesgrüßen von...").

3. Warten auf Krieg: Das ist für mich der Paradigmenwechsel in der Kriegspropaganda. Seit dem ersten Irak-Krieg werden von den US-Amerikanern Kriege in (Video- bzw. PC-)Game-Ästhetik inszeniert. (Sun Tze: "Die Schlagkraft eines Heeres bemißt sich nach seinem Täuschungsvermögen.")

4. Im zweiten Irak-Krieg hatten wir bereits "embedded jounalists" - und deren Berichte wurden doch tatsächlich als authentische Berichterstattung von vielen US-Amerikanern zu Hause wahrgenommen.

5. "Embedded" waren aber auch schon im ersten Weltkrieg Journalisten wie die legendäre Alice Schalek (der Karl Kraus in den "Letzten Tagen der Menschheit" ein Denkmal gesetzt hat). Die "tagebuchhaft-authentische Berichterstattung" gibt's heute wieder, viel schneller und viel breiter angelegt durch die Web-Tagebücher, die sogenannten Weblogs oder Blogs. Blogs von US-Soldaten werden überhaupt als die authentische Informationsquelle angesehen. Dabei stellt sich freilich die Frage, was dabei entsteht, wenn es überhaupt keine professionellen Filter und Kompetenzen gibt, die "gelernte Journalisten" zumindest beachten sollten...

6. Im Gegensatz (oder in Ergänzung?) zum Brecht'schen Diktum würde ich sagen, dass zu viel Sattheit die Moral mindestens so verdirbt wie Hunger.

7. Dass das "System Kunst" immer "kriegsanfällig" war (von Hörbiger bis Riefenstahl, von den Futuristen bis zum System Hollywood), liegt meiner Ansicht nach daran, dass die Kunst immer die Funktion der "Vordenkerin" einer Gesellschaft einnimmt und insofern natürlich versucht, nicht nur zu reflektieren, sondern auch voraus zu gehen - auch in zweifelhafte Richtungen... Kunst muss alles dürfen, auch das Un-Moralische.

Das waren mal meine sieben Thesen.
Franz
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: Franz08 am 31. August 2006, 10:44:05
Da fällt mir ein: War da nicht gerade irgendwo ein Krieg?
Und hat nicht eben ein bekannter Künstler seine Teilnahme in Jünglingsjahren an einer Kriegsorganisation eingestanden?
Krieg als Marketinginstrument für die Kunst?
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: whoknows am 04. November 2006, 11:14:06
Liebe Leute,
Marlene hat allerdings - ich glaube unwillentlich - in mir eine Frage aufgeworfen, die ich gerne mit Euch diskutieren würde.

Was meint Ihr: Ist es denn tatsächlich SO unmöglich, wenn man heutzutage (immerhin Jahrzehnte nachher) gewisse Lieder einfach hintereinander singt, und ihnen vielleicht sogar eine andere Konnotation gibt, (bzw sie auf ihre tatsächliche Aussage "beschränkt") EGAL, ob sie nun von Mitläufern, Feiglingen oder Emigranten geschrieben wurden?

Sie beschwert sich, dass Moser bedeutungsgleich mit GK und Holländer oder waweissichwem gesungen werden, ohne dass man auf das jeweilige Schicksal /Verhalten des Autors während der NS-Zeit eingeht.
Und zwar, notabene, in einem Progamm, das eben nicht diese Zeit thematisiert.

Darf man so unpolitisch sein auf einer Bühne? Ist das ein Versäumnis, das einfach nur schlicht ist? Oder will das (bösartig) eine Reflexion verhindern? Oder ist das einfach eine legitime Beschränkung auf "Liedersingen" - so wie bei einem Arien-Abend?
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: Werner am 04. November 2006, 14:49:37
@whoknows:

Mal nur vorab interessehalber: Gibt es deiner Meinung nach so etwas wie ein "Verfallsdatum" für schreckliche Ereignisse in der Vergangenheit? Wenn ja, wie würde der zu definieren sein?
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: whoknows am 04. November 2006, 19:07:21
Ich glaube, das ist eine Frage, die so nicht zu stellen ist. Die Rezeption ändert sich naturgemäss mit der Zeit,  dadurch muss sich auch der Umgang ändern - man kann über die Schlacht von Wallenstein heute nicht mehr so betroffen sein, wie in der Generation danach. Das heisst aber nicht, dass so etwas "verfallen" kann.
Aber meine Fragestellung war ein bissel anders gemeint - denn meine Frage ist, ob es legitim ist, die Lebensumstände in der politischen Zeit der KÜNSTLER, in der Rezeption von deren WERK bewusst "beiseite zu lassen"? Nicht einfach prinzipiell, sondern beispielsweise, weil man einen Abend in einen anderen Kontext stellt.
Zum Beispiel: Wenn ich eine Ausstellung über die Farbe Grau in der Malerei plane - darf ich dann Picassos Guernica neben zB eine graue Statue von Schreker stellen?
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: Werner am 04. November 2006, 23:55:02
Eine graue Statue von Schre(c)ker? Selbst gemacht? Oder meinst du eine Requisite des Bühnenbildes einer Franz Schreker Inszenierung während der Salzburger Festspiele im letzten Jahr?  ;)
Aber im Ernst: Deine Frage (ich hab sie schon verstanden) stellt sich mir in dieser Form nicht. Je nach Kontext ist der Künstler nur Bestandteil eines Themas und kann m.E. in dieser Funktion problemlos mit anderen Künstlern in eine Reihe gestellt werden. Die Rezeption des Oeuvres möchte ich dem Betrachter selbst überlassen, d.h. auch  keine moralisierenden Regulative vorgeschaltet wissen.
Und Zeit spielt offensichtlich bei der Wahrnehmung keine Rolle. Während im Nahen Osten die politischen und religiösen Konflikte "en bloc" seit der Besatzung Palästinas durch Rom in Köpfen ist (in welcher Form auch immer), hat das Abschlachten von ca. 1Million Menschen in Ruanda 1994 hierzulande niemand sichtbar bewegt. Und die "Kunst", was heisst das hier schon bitteschön, hat ausser "Hotel Ruanda" schlicht nichts zuwege gebracht. Kennt jemand Schindler? Klar doch, certainly! Aber wie stehts mit Paul Rusegabagina? Ich hör jetzt besser auf bevor ich mich ernsthaft aufrege.
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: whoknows am 05. November 2006, 00:40:57
War das nicht dieser geniale Hotelbesitzer?
Anyway. Du hast Recht - darüber, dass sie die Schwarzen bis heute problemlos sterben lassen,  (Ruanda, Darfur, Sierra Leone und und und) kann ich mich auch aufregen never end. Erst, wenn es geostrategisch oder wirtschaftlich interessant ist, kommen plötzlich Menschenrechte in's Spiel. Eine reine Farce.

Aber es ist ein Fakt, dass uns (vielen von uns)  doch ein komischer Nachgeschmack bleibt, allerdings in erster Linie, wenn wir Emigranten und Künstler aus der Nazizeit "vermischen" - bei anderen bleibt das aus.
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: Dagmar am 05. November 2006, 00:58:39
ZitatAber meine Fragestellung war ein bissel anders gemeint - denn meine Frage ist, ob es legitim ist, die Lebensumstände in der politischen Zeit der KÜNSTLER, in der Rezeption von deren WERK bewusst "beiseite zu lassen"? Nicht einfach prinzipiell, sondern beispielsweise, weil man einen Abend in einen anderen Kontext stellt.

Dies ist eine Frage, die mich in meiner künstlerischen Arbeit immer und sehr viel beschäftigt und umtreibt: Ich bejahe das vehement, weil ich glaube, dass sonst das ursprünglich künstlerische Werk "verfällt", auch im Kontext eines noch so schlimmen Verbrechens, leider, aber es "verfällt", wenn es nicht beständig transformiert und auch "angepasst" wird: An Aktuelles, an Zeitgeschichte. In gewisser Weise ist eine solche Kontextveränderung der Erhalt des Ursprünglichen.
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: whoknows am 05. November 2006, 11:52:51
Gibt es da für Dich Grenzen? Oder findest Du das praktisch immer und grundsätzlich?
Versteh mich Recht - ich finde Deine Argumentation durchaus richtig - ich tendiere auch eher dazu - aber ich denke auch andererseits: das WISSEN um die Ursprüngliche Konnotation muss da sein - und es geht auch nicht nur darum, was der KÜNSTLER für ein Mensch war, und was seine Zeit für eine Zeit war, sondern man sollte auch überlegen, was der Künstler mit seinem WERK sagen wollte.
Also - sehr überspitzt gesagt: wenn ich jetzt den "Weg zur Arbeit" verändere in zB "Und ich grüsse freundlich/ den Friseurgehilfen Navratil/ der auch bei Bayern München war, oder war es HertaBSC?" - dann ist das nciht legitim. Oder wenn ich Guernica in einer Ausstellung über Blumenbilder zeige.

Wenn aber das Wissen um die Umstände des jeweiligen Künstlers da ist, wie sehr kann man das dann ignorieren, und das ganze in einen zeitlosen Zusammenhang stellen, einfach so? Und ist das legitimer, je länger das Ereignis her ist? Also bei der NS-Zeit muss man sich bewusst sein, beim dreissigjährigen Krieg isses wurscht? Oder je weiter weg es ist? Aborigines-Bilder kann ich einfach zeigen, weil sie hübsch sind, aber europäische Bilder von KZ-Häftlingen gemalt, darf ich niemals ohne Kontext zeigen, egal wie "hübsch" sie sind? Und gibt es überhaupt wahre Kunst OHNE Konnotation ihrer Zeit?
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: Bill am 05. November 2006, 14:32:02
Zitates geht auch nicht nur darum, was der KÜNSTLER für ein Mensch war, und was seine Zeit für eine Zeit war, sondern man sollte auch überlegen, was der Künstler mit seinem WERK sagen wollte.

Richtig, aber wenn selbiges Werk nicht aus sich heraus in der Lage ist, im Sinne des Künstlers zu uns zu "sprechen", ist es vermutlich tatsächlich keine "große Kunst".
Der Anspruch muss doch sein, ob es dem Künstler gelingt, jenseits seiner unmittelbaren Intention etwas zu schaffen, was über den eigenen Erfahrungshorizont hinaus weist, folglich auch unabhängig davon relevant ist und Bestand hat.
Mögen wir Bach, weil seine Musik selbst uns Heutige noch zu berühren vermag, oder weil er "in seiner Zeit" ein großer Erneuerer der Tonkunst war?
Und was kann ein brillianter Gassenhauer wie "Ein Freund, ein guter Freund" dafür, dass er seine Popularität u.a. dem späteren Mitläufer Rühmann verdankt?
Welche Rolle spielt es für das Lied, dass sein jüdischer Komponist trotzdem 1933 aus Deutschland emigrieren musste?
Sind "Die 3 von der Tankstelle" allein deshalb schon ein größerer Meilenstein der Filmgeschichte als das Nazi-Auftragswerk "Münchhausen"?
Vielleicht wird der Song in einem heiteren Ufa-Schlager-Programm anders funktionieren als in einem Abend über vertriebene Künstler, wenn man ihn wirkungsvoll mit Biographischem in Beziehung setzt, das Lied selbst wird dadurch nicht besser oder schlechter.

Anders verhält sich der Fall, wenn (wie oben von whoknows demonstriert) durch Eingriffe in das "Werk" seine Kernaussage geopfert wird, um es einem bestimmten programmatischen Kontext anzupassen.
Im konkreten Fall ging es wohl um weinselige "Wiener Lieder" einerseits und eine beißend sarkastische Parodie darauf andererseits.
Beides kommentarlos nebeneinander zu stellen, könnte ungeheuer wirkungsvoll sein, auch ganz unabhängig von den Verfassern oder früheren Interpreten und ihren jeweiligen Lebensgeschichten.
Wenn aber die Parodie dann so weit entschärft wird, dass sie vom Original kaum noch zu unterscheiden ist, wird die ursprüngliche Absicht des Autoren in ihr genaues Gegenteil verkehrt, und das kann nun wirklich nicht legitim sein.
Wer darüber in Wut gerät und diese auch entsprechend emotional - also naturgemäß unsachlich - formuliert (wie im auslösenden Thread zu diesem Thema geschehen), hat nebenbei bemerkt meine volle Sympathie.
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: whoknows am 05. November 2006, 19:27:43
Gut gebrüllt, Bill. ;) Nein, ernsthaft, das ist klug formuliert und ich kann dem durchaus was abgewinnen. Trotzdem finde ich, dass es Zeiten gibt, wo man seine Wut über etwas formuliert, und Zeiten, wo man etwas erreichen will durch eine fundierte Kritik.  
Und es bleibt mmer noch die Frage: Wenn ein zB im Nazideutschland verfolgter Künstler ein reines Liebeslied schreibt, völlig bewusst NICHT im Kontext mit seinen Erlebnissen - und jemand singt dieses Lied dann kommentarlos heute neben einem reinen Liebeslied von einem Künstler, der diese Zeit kritiklos und unbeschadet überstanden hat - und der Künstler singt auch einfach nur diese beiden Liebeslieder hintereinander als Liebeslieder, ohne auf die unterschiedlichen Lebensstationen der beiden Künstler in irgendeiner Weise einzugehen - ist das legitim? "Darf" man das? "Darf" man das dann auch als künstlerischen Abend geniessen, oder "muss" man sich empören?
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: Werner am 05. November 2006, 20:59:30
 
ZitatDer Anspruch muss doch sein, ob es dem Künstler gelingt, jenseits seiner unmittelbaren Intention etwas zu schaffen, was über den eigenen Erfahrungshorizont hinaus weist, folglich auch unabhängig davon relevant ist und Bestand hat.
Dazu fällt mir aus einer Doku über Frank Zappa (kurz nach seinem Tod ausgestrahlt) eine Szene ein, in der Zappa definierte was Kunst im Kern ist. Er schlug einen Ton auf dem Klavier an und fragte den Interviewer ob er sich den einen Raum vorstellen könne in dem dieser Ton leben könnte. Nicht bei einem einzelnen Ton, das war Zappa typisch genial verkürzt auf den Punkt gebracht, aber man könnte, oder?
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: Bill am 05. November 2006, 21:08:13
Da hätte mich die Antwort des Interviewers interessiert, aber nochmal zur Frage
Zitat"Darf" man das?
Warum nicht? Man spielt auch Schönberg und Richard Strauss im gleichen Konzert.
Nicht als "Opfer" und "Täter", sondern als zwei der wichtigsten und prägenden Komponisten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Wenn Kunst auf diese subtile Weise das kollektive Bewusstsein mitbestimmt, finde ich das wunderbar, denn es tut viel mehr für die lebendige Weiterexistenz dessen, was vernichtet werden sollte, als wenn man es auf extra große Sockel hebt.
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: whoknows am 05. November 2006, 22:13:11
Strauss war auch jüdischer Abstammung ;D  
ich finde es aber gut, wenn es eine Diskusson darüber gibt, und man nicht einfach alles schluckt. Sagt einer, man "darf" Moser und Kreisler nicht ohne Erklärung hintereinander aufführen, oder sagt einer man "darf" nicht - letztlich, natürlich, darf man alles - ich meine damit die allgemeine Akzeptanz. Für mich ist letztlich die Antwort nicht so wichtig wie die Frage selbst.
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: Werner am 05. November 2006, 22:17:12
Überhaupt keine, nach ca. 3 Sekunden ist Zappa fortgefahren, die Kommerzialität in weiten Teilen seines Werkes als Fundament für sein eigentliches künstlerisches Anliegen zu begründen mit dem, logo, nicht viel zu verdienen sein würde.
Zitatals zwei der wichtigsten und prägenden Komponisten der ersten Hälfte des 20. Jahrhu
Seh ich auch so. Ganz anders bei Auftragskünstlern Himmlers wie z.B. Hippler oder Riefenstahl, die m.E. nur für ein isoliertes Thema geeignet sind.
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: Marlene am 05. November 2006, 23:15:28
Hallo, nun reizt es mich natürlich, auch hierzu etwas zu schreiben. Generell geht es doch nicht darum, ob man etwas "darf" oder ob es "legitim" ist, natürlich "darf" man alles möglich und auch Frau Fuchs hatte ein Recht darauf, einen solchen Abend zu machen: niemand verbietet es ihr oder würde sie deswegen bestrafen - zum Glück leben wir hier in einer Region der Welt, in der  für alles mögliche Platz ist, und das großartige daran ist, daß man dahergehen kann, und sie dafür kritsieren kann. Ich halte dies alles deswegen für wichtig, weil man sonst rasch in eine seltsame "Tabu"- Diskussion gerät, und "Tabu" bedeutet ja , daß man etwas nicht tut, obwohl einem genau danach ist.

Ich nehme nun noch einmal das Lied" Weg zur Arbeit" (deine Umdichtung, Whoknows, wäre meiner Ansicht nach halt einfach ein komplett anderes Lied, und ich fände es grauenhaft, aber dies schreibst Du ja selber.) In einem anderem Thread schrieb ein Werner ( ich schreibe "ein" weil ich es nach wie vor ungewohnt finde, Menschen zu erwähnen, die man gar nicht kennt, es soll nicht als Beleidigung gemeint sein....) "Nazi-Wendehälse machen nach dem Krieg mit einem frischen demokratischen Anstrich weiter als ob nichts gewesen wäre? Genau so war das", es ging darum, daß dies niemanden mehr aufregt und stört, und ich denke, daß er damit Recht hat. Aber ist nicht genau dies furchtbar? Und muß oder will man ich damit abfinden? Gewiß, Friseurgehilfe Navratil ist längst im Ruhestand oder lebt nicht mehr, aber an dem Problem - das Fortbestehen des Nationalsozialismus in Deutschland und auch in Österreich -  hat sich bis heute gar nichts geändert - im Gegenteil, wenn man nur mal  an die peinlichen Verhandlungen um die fast- nicht- Entschädigung von Ehemaligen Zwangarbeitern denkt (und an die vielen, vielen anderen Dinge, die man im Alltag täglich sehen und hören kann, und von dieser Alltäglichkeit handelt das Lied ja eben auch...).

Beim Lesen der letzten Beiträge hier hatte ich den Eindruck, es werden zwei Dinge vermischt, die wohl an einigen Punkten auch zusammenhängen, aber doch nicht identisch sind: Auf der einen Seite geht es um die wahllose (und meiner Ansicht nach sinnlose) Aneinanderreihung von Werken von Moser und Kreisler (also zum Beispiel), also um eine Gleichmachung von Opfern und Tätern, wie es ja nicht nur in der Kunst, sondern überall hier geschieht und auf der anderen Seite geht es um die genaue "werktreue" wiedergabe von Liedern, und die Frage läßt sich natürlich auf anderes (Theater, Oper usw) ausweiten. Zur zweiten Frage tendiere ich sehr dazu, auf die interpretation des Originals zu bestehen: wenn ich ein Stück inszeniere, (also, nur theoretisch, ich inszeniere nicht wirklich) muß ich mir überlegen, ob es heute noch etwas sagt, wenn es das tut, ist es auch nicht nötig, Texte abzuändern. Als ich vor einem guten Jahr zum Beispiel einmal wieder den Othello las, war ich beeidruckt, wie genau hier die Psyche eines Menschen beschreiben wurde.
Zur der anderen Frage habe ich mich ja schon deutlich geäußert. Ich erwarte von Kunst (nicht nur von ihr) eine Reflexion auf  das Unaussprechliche und auch eine Erkenntnis darüber, daß es kein Entrinnen aus der Tatsache gibt, daß einst Auschwitz möglich gewesen ist

Obwohl ich es selber nicht mag, wenn mir Leute einfach Zitate um die Ohren knallen, möchte ich hier einmal Adorno zitieren, nicht als ein Glaubensbekenntnis, es drückt das aus, was ich hier auch nicht besser sagen könnte:

"Auf keine andere Weise jedoch,  als in jener Auseinandersetzung  mit Tradition, die im Stil sich niederschlägt, findet Kunst Ausdruck für das Leiden. Das Moment am Kunstwerk, durch das es über die Wirklichkeit hinausgeht, ist in der Tat vom Stil nicht abzulösen; doch es besteht nicht in der geleisteten Harmonie, der fargwürdigen Einheit von Form und Inhalt,  Innen und Außen, Individuum und Gesellschaft, sondern in jenen Zügen, in denen die Diskrepanz scheint, im notwendigen Scheitern der leidenschaftlichen Anstrengung zur Identität" (Horkheimer/Adorno: Dialektik der Aufklärung; 1997, Seite 155
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: Werner am 06. November 2006, 10:49:47
Zitat( ich schreibe "ein" weil ich es nach wie vor ungewohnt finde, Menschen zu erwähnen, die man gar nicht kennt, es soll nicht als Beleidigung gemeint sein....) "Nazi-Wendehälse machen nach dem Krieg mit einem frischen demokratischen Anstrich weiter als ob nichts gewesen wäre?
Ebenfalls, woher auch, schon recht. Der zitierte Spruch ist auch nicht von mir (passt aber schon).
ZitatAuf der einen Seite geht es um die wahllose (und meiner Ansicht nach sinnlose) Aneinanderreihung von Werken von Moser und Kreisler (also zum Beispiel), also um eine Gleichmachung von Opfern und Tätern, wie es ja nicht nur in der Kunst, sondern überall hier geschieht
Kann man das so allgemein ausdrücken und werten? Ich habe versucht deine Analyse in einem Kontext mit dem o.g. Essay von Horkheimer/Adorno wiederzufinden: Es ist mir nicht gelungen. (Es sei denn, ich werte die Aussage so allgemein, das sie nur noch richtig sein kann). Vielleicht kannst du da noch etwas konkreter werden? Würde mich freuen. :)
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: whoknows am 06. November 2006, 11:55:33
Und ich denke, es ist sehr wohl grundsätzlich zulässig, Kunstwerke auch in einen anderen Kontext zu stellen, sie anders zu deuten - es kommt darauf an, wie sinnhaftig diese Deutung ist, bzw wie "weit hergeholt" - ob man sich "über das Kunstwerk stellt", es zu etwas "zwingt" oder ob man es dem Werk überlässt, zu glänzen.
Zum Beispiel: Das Wiegenlied von GK. Er selbst singt es als Parodie, als Parodie auf die ganzen süsslichen Schubertlieder. Seine Tochter singt es als Liebeslied eines Vaters auf ein behindertes Kind - ganz ernst gemeint. Beides funktioniert. Weder in der einen noch in der anderen Interpretation hat man das Gefühl, der Künstler singt etwas, was das Lied nicht "bringen" kann. Finde ich jedenfalls. Wenn man es aber jetzt so sänge, als sei es zB ein fröhliches, rythmisches Wanderlied - und natürlich GEHT das, rein von der Möglichkeit her - aber ich glaube erstens nicht, dass es "funktionieren", also das Publikum berühren könnte, und zweitens denke ich, man fragt sich dann "wozu?" Das sind, grob gesprochen, für mich Grenzen von "gutem" und "schlechtem" Regietheater.
Ein wirklich gutes Werk kann in verschiedenen Kontexten bestehen und glaubwürdig und berührend sein. Und nebenbei gesagt, auch in verschiedenen Zeiten. Wenn ein Kunstwerk antiquiert wirkt, verstaubt, dann liegt das entweder am Kontext, in den es gestellt wurde (resp. am mangelhaften Interpreten) oder es ist einfach nciht wirklich gut.

Es gibt ganze Abende, wo man nichts anderes tut, als Lieder in einen anderen Zusammenhang zu stellen, und damit eine andere Geschichte zu erzählen - "die Sekretärinnen" hiess glaube ich das Bekannteste davon in Deutschland. Und das hat funktioniert, man hat eine Strophe eines Liedes genommen, die halt gerade gepasst hat. Durchaus legitim, und man hat Lieder aus den letzten 80 Jahren wild durcheinander gemischt. Also, MICH hat da nicht gestört, dass Hits aus der Nazizeit neben Schlagern von jüdischen Autoren, neben amerikanischen Popsongs  standen - es war ganz klar, dass das einfach nicht Thema und Sinn des Abends war.
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: Marlene am 07. November 2006, 03:13:08
Zitat
Zitat
Ebenfalls, woher auch, schon recht. Der zitierte Spruch ist auch nicht von mir (passt aber schon).
Nun wird es langsam etwas peinlich: für diese Verwechselung habe ich nun keine Erklärung... :)


Hallo!
ZitatKann man das so allgemein ausdrücken und werten?  

Nein, man kann es sicher nicht so allgemein ausdrücken, der Umgang mit dem NS ist doch etwas komplexer: Gedenkreden am 27. Januar, 8. Mai, zu Tagen von der Befreiung von Konzentrationslagern usw. stehen einer wachsenden Bereitschaft in Deutschland gegenüber, sich unverblümt selber auch als Opfer zu sehen, zum Beispiel in Filmen über den Bombemkrieg der Alliierten. Und selbst in den Gedenkreden geht es nicht um Trauer um die Opfer oder gar um wirkliche Konsequenzen (siehe Entschädigung, das erwähnte ich ja bereits oben), meist geht es um die nun neu gewonnene Verantwortung Deutschlands, und daraus folgte vor etlichen Jahren, daß eine Rot-Grüne Bundesregierung mit dem Verweis auf Auschwitz einen Krieg gegen Jugoslawien führte. (wogegen sich die Friedensbewegung übrigens kaum zu Wort meldete...) Es wird viel geredet, aber es gibt kein Erschrecken darüber, und dies seit 1945.
Das Zitat, Werner, ist tatsächlich so für sich gesehen allgemein, vielleicht zu allgemein. Wenn man aber das dort erwähnte "Leiden" auf das Leiden an Auschwitz bezieht, und ich denke, dies ist auf jeden Fall statthaft, meint dies Zitat, daß es Kunst möglich ist und sein sollte, dies mitzuflektieren - so hatte ich mir das auf jeden Fall gedacht, auch wenn das " notwendigen Scheitern der leidenschaftlichen Anstrengung zur Identität" natürlich ein allgemeines Problem in der bürgerlichen Gesellschaft darstellt.

Und, whoknows: ich bestreite überhaupt nicht, dass man Werke in verschiedenen Kontexten singen kann und dies auch einen (häufig neuen) Sinn ergeben kann. Zum Beispiel geht die Version des Liedes "Mein Sekretär" in "Adam Schaf hat Angst" so zu Ende, daß er seinen Sekretär entläßt, weil er seine eigene Homosexualität anspricht und der Rauswurf ist sozusagen eine Abwehr gegen Wünsche und Träume, ich war davon überrascht. Das Lied wird hierdurch zu etwas ganz anderem, nämlich zu einer Art coming- out (was es doch in der Originalversion nicht ist, ich bin mir bei diesem Lied aber eh unsicher, was es soll und ist, aber das ist etwas anderes.) Was Du von dem Wiegenlied schreibst, finde ich plausibel, allerdings kenne es gar nicht (dabei kenne ich doch schon so viel...auf welcher Platte ist das denn?)
Leztendlich besteht Kommunikation darauf, Dinge (Sprache) zu kontextualisieren. Interessant finde ich in diesem Zusammenhang auch immer wieder die Geschichte des Liedes Lili Marlen: es ist ein deutsches Soldatenlied und in diesem Kontext widerlich und unerträglich. Höre ich es in einer Fassung von Marlene Dietrich, wird es zu etwas vollkommen anderem: in der Vorstellung, daß sie es vor Amerikanischen Soldaten sang, geriert es fast zu einem antifaschistischen Lied. Oder die Geschichte von "an der Eck stein Jung mit nem Tüddelband": In Nazideutschland war es ein Hamburger Volkslied, während James Wolf (einer der Brüder) in Theresienstadt ermordet wurde. Dies nenne ich Enteignung, so wie es an diesem Abend mit Moser/Kreisler geschah und um diese spezifische Enteignung geht es mir. An diesem Abend spielte für mein Unbehagen eine wichtige Rolle, daß Lieder durch das weglassen von Textzeilen ihres eigentlichen Sinn beraubt wurden. (das ist hier vielleicht etwas redundant, aber es scheint mir erheblich: wäre es anders gewesen, hätte man vielleicht von einer Konfrontation der beiden Künstler sprechen können) An "Hits aus der Nazizeit" hätte ich allerdings überhaupt kein Interesse, wenn ich bedenke, wie totalitär und allumfasend Nationalsozialismus gewesen ist.

Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: Werner am 08. November 2006, 04:32:19
ZitatAlso, MICH hat da nicht gestört, dass Hits aus der Nazizeit neben Schlagern von jüdischen Autoren, neben amerikanischen Popsongs  standen - es war ganz klar, dass das einfach nicht Thema und Sinn des Abends war.
Stimmt genau, schon der Vollständigkeit halber bin ich oft nicht umhin gekommen "durcheinander" zu hören. Z.B. gibts unter: "Bob Hertwig's music store" neben einer geballten Ladung Musik der 20-er bis 40-er Jahre auch "Charlie and his orchstra":You're Driving Me Crazy; You Can't Stop Me From Dreaming; St. Louis Blues; Slumming On Park Avenue; Dinah; Daisy; F.D.R. Jones; Who'll Buy My Bublitchky; I'm Putting All My Eggs In One Basket; The Kings Horses; I've Got A Pocketful Of Dreams; Three Little Fishes; Why'd Ya Make Me Fall In Love; Miss Annabelle Lee; South Of The Border; Hold Tight; The Man With The Big Cigar; I'm Sending You The Siegfried Line; Bye Bye Black-bird; Japanese Sandman; Who's Afraid Of The Big Bad Wolf; Unter'n Linden  Harlequin HQCD 03 Import aus England
Meine Anspielung zielt auf z.B. "Mr. Churchill, let's go bombing", was natürlich in dieser Liste fehlt.
(Auch wenn mich linientreue Pazifisten dafür schräg ankucken werden, die Musik selbst ist klasse!)
Und damit  abschliessend zu Krieg & Kunst: Der einzig relevante Zusammenhang  besteht für mich in der Möglichkeit, Kunst zur Propaganda einzusetzen und somit zum Werkzeug (oder zur Waffe) zu machen.  Und damit ist auch schnell das Gelände der Kunsthandwerklichkeit,bzw. Politik erreicht, in dem die Absicht Kunst (von "Können")  zur Erreichung eines Zieles gebraucht. Das gilt für ein KZ-Orchester (hier ging es primär um die Kunst, mit allen Mitteln zu überleben) genauso wie für die Bilder de Goyas, der seine Fähigkeiten vor allem nutzte Kritik an den napoleonischen Kriegen zu üben. Für mich im eigentlichen Sinne keine Kunst. Die Verantwortung des Künstlers für sein Werk ist eine politische Dimension und keine der Kunst. (Reine Kunst, Abbild des göttlichen Wesens im Menschen ist  für Propagandazwecke unbrauchbar, in Bildern kranker Seelen, z.B. schizophrene Malerei kannst du das erkennen. Oder in der Tönen behinderter Musiker - der Name dieses blinden Authisten, ein begnadeter Jazzer fällt mír gerade nicht ein).

@ Marlene:

Die Rolle der BRD nach dem 2. Weltkrieg hatte unter anderem den Vorteil bei kriegerischen Auseinandersetzungen zum Erhalt des Friedens den militärisch Neutralen geben zu können. Die Notwendigkeit, einem in seiner Freiheit gewaltsam bedrohten Volk militärisch zur Hilfe zu eilen, war mit der grundgesetzlichen Formulierung, das nie wieder ein Krieg von dt. Boden ausgehen sollte nicht zu vereinbaren. Je nach gerade herrschender Realität ist dies u.U. unbrauchbar. Natürlich sind Umstände denkbar unter denen ein militärisches Eingreifen sogar Pflicht ist, den Genozid in Ex-Yugo zähle ich da mit. Die veränderte Stellung Deutschlands in der Staatengemeinschaft bindet uns in derlei Aktionen mit ein, das ist doch keine Folge einer öffentlichen Umkehr von der Täter- zur Opferrolle mit Bezug auf das 3.Reich. Und Rot-Grün? Waren in diesem Zusammenhang wohl zufällig gewählt, ich denke nicht das die Serben diesen Wahlsieg abgewartet haben. Die Friedensbewegung und die Intellektuellen liessen nichts verlauten weil es einfach nichts brauchbares gegen diese Intervention zu sagen gab, wenigstens das waren sie bereit zuzugeben. Nebenbei: Deutschland führte hier keinen Krieg gegen irgendwen, so läuft das nicht. Du kennst doch sicher das Procedere einer Uno-Mandatserteilung etc.
Auch der von dir zitierte Adorno war kurz vor Ende seiner Laufbahn in der Situation, zur Wiederherstellung "seines" Bildungsbetriebes die stets geschmähte Staatsgewalt zu bemühen. Mein
Zitat"notwendigen Scheitern der leidenschaftlichen Anstrengung zur Identität"
würde
ich in einem Nilpferdbassin erleben, obwohl ich - wie das Nilpferd auch - kein Fleisch esse.
Meinst du, das Vieh würde mich deswegen in Ruhe lassen? ;)











Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: francesco am 11. März 2007, 13:43:11
ZitatTut mir Leid, ich kann mit diesen Fragen nichts anfangen. Genauso könntest Du fragen: sind Krieg und Essen unterschiedliche Seiten derselben Medaille, oder Kunst und Religion. Das sind einfach zwei von Menschen ausgeübte  Entitäten. Punkt.

"kunst und krieg" halte ich für eine ziemlich fruchtbare fragestellung:
wie verarbeitet kunst krieg? wie unterstützt, bekämpft kunst (literatur, film, theater, lieder etc) den krieg, besonders sichtbar in der positiven stellung der schriftsteller im 1. weltkrieg, in veränderter frontstellung im 2. wk), plakatkunst, postkartenkunst, leni riefenstahl, "unterhaltung ist kriegswichtig" (goebbels) etc...
kunst hat eine funktion im krieg, eine position zum krieg, auch/gerade , wenn sie sich unpolitisch geriert...
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: francesco am 11. März 2007, 13:46:26
1) die blogger sind beides: die schaleks UND die karl kraus` unserer zeit!

2) die miss america finde ich nicht in irgendeinem künstlerischen kontext (ausstellung) spannend, sondern, wenn man sie flächendeckend in texas oder new york plakatieren würde...dann hätte man die reaktionen, die "der kunst" oft abgehen...
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: Zyankalifreund am 11. März 2007, 13:47:23
Ja, das ist schon ein interessantes Thema, willkommen erstmal, francesco !
Nun, es gibt im Krieg ja nicht DIE Kunst schlechthin, da gibt es Kunst, die sich vor allem aufs Ablenken konzentriert, pure Unterhaltungskunst und dann gibt es z.B. im 2. Weltkrieg oder auch in der DDR propagandistisch gefärbte Kunst, aber auch kriegskritische Kunst, wie im 1.WK "Im Westen nichts Neues"...

Entsprechend ihrer Vielfältigkeit nimmt sie auch immer andere Funktionen und Positionen ein. Deswegen: Das ist ein weites Feld und RIESEN Thema, was hier angeschnitten wurde.
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: whoknows am 11. März 2007, 18:59:35
Und genau deshalb ist die obige Fragestellung auch uninteressant. Konkrete Punkte, die innerhalb des Themenkreises sind, dazu kann man Diskussionen anreissen - aber wenn man einfach nur sagt "Kunst und Krieg" - wo willste da anfangen?
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: Zyankalifreund am 11. März 2007, 22:01:27
Gut, sagen wir es so: Ein interessanter RAHMEN, nicht unbedingt THEMA.  ;)
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: Stroganoff am 12. März 2007, 10:23:25
Zitataber auch kriegskritische Kunst, wie im 1.WK "Im Westen nichts Neues"...
Es ist an dieser Stelle hoffentlich nicht kleinlich anzumerken, dass dieses Buch aber erst 11 Jahre nach dem 1.WK erschien.
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: Zyankalifreund am 12. März 2007, 15:38:43
Und dennoch gehört es in die Beziehung Kunst - 1. Weltkrieg.  ::)
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: whoknows am 12. März 2007, 18:33:19
Da bin ich mir ehrlich gesagt nicht so sicher, Eric - denn es SPIELT zwar im 1. WK - aber seine grösste Wirkung entfaltete es im 2. WK, wurde auch verbrannt und hat massgeblich zu einer Diskussion über Sinn und Nutzen von Krieg beigetragen.
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: Zyankalifreund am 12. März 2007, 20:30:00
Fakt ist: Es verarbeitet den 1.WK künstlerisch und darum geht es mir im Wesentlichen, wenn ich das Werk zu unserem Rahmenthema in Beziehung setze. In welchen Zeiträumen es WIRKT und diskutiert wird, spielt meines Erachtens nach kaum eine Rolle - man steckt alte Opern oder Dramenwerke ja auch nicht unbedingt in zeitlich spätere Schubladen bzw. das Heute, nur weil sie heute noch heiß diskutiert werden und wirken. Bestes Beispiel ist dafür vielleicht die Berliner Idomeneo-Inszenierung - die wird diskutiert und heiß gegessen, aber das ändert nix an der Tatsache, dass Idomeneo kein Werk der Zeit des Terrorismus ist, sondern des 18. Jahrhunderts - selbst wenn diskutierbare und behandelte Themen auch auf andere Epochen und Zeitabschnitte wunderbar übertragbar sind.

Aber das ist vielleicht nicht der richtige Weg zu diskutieren, sondern Krümelkackerei.

Meine persönlichen Erfahrungen mit diesem Buch sind allerdings sehr tiefgreifend und auch die gelungene Verfilmung, die ich dazu mal sah, hat mich in meiner Einstellung zu Gewalt und Krieg sehr geprägt. Es wirkt also heute noch, nicht nur im 2. WK  ;)
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: Guntram am 12. März 2007, 21:01:44
Von welcher Verfilmung sprichst du Eric?

Ich habe vor Jahren die Erste in sw gesehen, inklusive aller Szenen die irgendwelchen Zensuren oder Kürzungen zum Opfer fielen und wiederentdeckt worden waren. Der Film war unheimllich beeindruckend und vermutlich der ersten Antikriegsfilm.

Die zweite Verfilmung (mit John Boy Walton) hat mich dann weniger beeindruckt. Er wird zwar von der Kritik gelobt, ich halte ihn aber eher für einen müden Abklatsch der an den Ersten nicht rankommt. Vielleicht liegt es auch daran das ich Richard Thomas nicht ab kann und ihn für eine Fehlbesetzung halte.
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: Zyankalifreund am 12. März 2007, 21:08:03
Du, ich weiß es leider nicht mehr. Aber nach dem, was du schreibst, könnte es am ehesten auf die erste Variante hinauslaufen - ohne es mit Bestimmtheit sagen zu können. Aber sw war es zumindest - UND sehr beeindruckend.
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: Guntram am 12. März 2007, 21:19:58
Die Zweite ist in Farbe    ;)
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: Zyankalifreund am 12. März 2007, 22:34:04
Wär' ja möglich, dass es noch mehr Verfilmungen davon gibt, keine Ahnung. Auf jeden Fall ein Meisterwerk, in diesem Falle ist der Film sogar fast noch eindringlicher als das Buch, was selbiges aber keinesfalls abwerten soll - im Gegenteil.
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: whoknows am 13. März 2007, 00:39:50
Meines Wissens hat Remarque das Buch aber im Angesicht des 2. WK geschrieben, als bewusstes Statement. Natürlich auch eine späte Verarbeitung seiner Erfahrungen - aber eben ganz bewusst, um zu warnen - oder irre ich mich? Ausserdem denke ich, dass in einer Diskussion, die schon das etwas ausufernde Motto "Kunst und Krieg" hat, sehr wohl wesentlich ist, in welchen Bereich ein besprochenes Kunstwerk hineinreicht - fast mehr, als der Bereich, in dem es erschaffen wurde.
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: RIK am 13. März 2007, 10:00:02
Zu Remarque und "Im Westen nichts Neues" lohnt es sich bei WIKIPEDIA nachzulesen. Sieht nach objektiver
Beschreibung der Umstände und Geschichte um Roman, Filme und Schriftsteller aus.
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: Zyankalifreund am 13. März 2007, 11:26:53
ZitatIm Westen nichts Neues erschien in Deutschland erstmals im Januar 1929

Wie kann es da als bewusstes Statement zum 2. WK verfasst wurden sein ? 1929 war der 2.WK ja noch nicht wirklich vorhersehbar... Insofern kann es nur als allgemeines Statement und allgemeine Warnung gemeint sein.
Man beachte an dieser Stelle Remarques Vorwort:

ZitatDieses Buch soll weder eine Anklage noch ein Bekenntnis sein. Es soll nur den Versuch machen über eine Generation zu berichten, die vom Kriege zerstört wurde - auch wenn sie seinen Granaten entkam.

Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: Katinka Koschka am 13. März 2007, 12:03:34
Über das Thema Kunst und Krieg hab ich mir auch gerade einwenig Gedanken gemacht, als ich meine Elbow-Website aktualisierte.
Wie sollte z.B. ein gutes Antikriegslied klingen? Sollte es tanzbar sein wie "19" von Hardcastle, damit die Generation Dancefloor zum Nachdenken erregt wird oder sollte es eher untanzbar sein, damit die Leute sich nicht durch Tanzen ablenken und auf den Text achten? Sollte es melodisch sein oder schräg?
Ich finde z.B. "Hiroshima" von Wishful Thinking sehr gut, es ist grösstenteils getragen, aber die Leute werden beim "Schmusebacketanzen" aufgeschreckt, wenn der wilde Zwischenteil kommt. Und der Titel drückt ja ganz direkt aus, worum es geht, Hiroshima ist ja ein echtes Schlagwort wie "Tschernobyl", "Tsunami", "Hurricane Katrina" ect.
Und der Elbow-Titel, der mich darüber philosophieren ließ, heißt "Long War Shuffle" und ist ein sehr ruhiger Titel, der zum Schmusebacketanzen aber einwenig zu schnell ist und er hat eine sehr schöne Zeile: "Ich werde nicht jünger, aber die Soldaten."
Und dann finde ich 1916 von Motörhead sehr anrührend, weil das Lied völlig aus der Motörhead-Art geschlagen ist, nämlich sehr ruhig, mit Orgel und Cello und Lemmy klingt beim Singen (!) fast einwenig wie Bruce Springsteen. Und es beschreibt eben genau, wie die jungen Menschen mit ihren zarten 16 Lenzen erst stolz in den Krieg zogen, dann aber bald merkten, dass sie nur Kanonenfutter sind und im Moment des Todes sehnen sie sich zu ihrer Mama zurück, weil sie eben erst 16 sind...
Oder der gute alte Barry McGuire mit seinem Bob-Dylan-artigen Antikriegsklassiker "Eve of Destruction", wo es wütend heißt: "Du bist alt genug zum Töten, aber nicht zum Wählen!"
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: Guntram am 13. März 2007, 12:44:52
Kennst du auch Hundert Mann und ein Befehl? Ist die deutsche Version von Green Baretts und zumindest mit dem deutschen Text als Antikriegslied interpretierbar. Den englischen Text kenne ich nicht, aber der ist glaube ich eher patriotisch. Dann wäre noch der Little Drumm Boy, eigentlich ein Weihnachtslied, aber es gibt einen deutschen Text dazu, da fragt der Junge im Lied nach seinem Vater und im Text kommt "er lief der Trommel hinterher". Sag mir wo die Blumen blühen sollte auch nicht vergessen werden.

Im weiteren Sinne des Themas noch die Moorsoldaten von NS-Regimegegnern im 1933 im KZ Börgermoor komponiert und getextet.

Alles in meinem Augen sehr eindringlich Lieder über die Sinnlosigkeit des Krieges.
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: whoknows am 13. März 2007, 20:05:59
ZitatWie kann es da als bewusstes Statement zum 2. WK verfasst wurden sein ? 1929 war der 2.WK ja noch nicht wirklich vorhersehbar

"Im Angesicht des WK2" heisst nicht "bewusstes Statement" - aber ich gebe zu, ich habe mich missverständlich ausgedrückt. Nur waren 29 die Nazis schon auf dem Vormarsch, und Remarque hat sehr hellsichtig auf die drohende Gefahr reagiert - DAS meinte ich mit: im Angesicht. Es war  damals nämlcih absolut absehbar - zumindest erahnbar, dass man auf einen weiteren Krieg zutreibt, siehe auch die Schriften von Karl Kraus zu dieser Zeit.
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: Katinka Koschka am 16. März 2007, 19:39:56
ZitatKennst du auch Hundert Mann und ein Befehl? Ist die deutsche Version von Green Baretts und zumindest mit dem deutschen Text als Antikriegslied interpretierbar. Den englischen Text kenne ich nicht, aber der ist glaube ich eher patriotisch. Dann wäre noch der Little Drumm Boy, eigentlich ein Weihnachtslied, aber es gibt einen deutschen Text dazu, da fragt der Junge im Lied nach seinem Vater und im Text kommt "er lief der Trommel hinterher". Sag mir wo die Blumen blühen sollte auch nicht vergessen werden.

Im weiteren Sinne des Themas noch die Moorsoldaten von NS-Regimegegnern im 1933 im KZ Börgermoor komponiert und getextet.

Alles in meinem Augen sehr eindringlich Lieder über die Sinnlosigkeit des Krieges.

Oh, ja, "die Moorsoldaten" ist eines der Lieder das mir sehr nahe ging, obwohl wir damit im DDR-Musikunterricht getriezt wurden.
Und dann gab es da noch so ein Lied, das hab ich auf einer Schulveranstaltung kennengelernt "Die Rose war rot", das haben ein paar Mädchen aus der 10. Klasse so schön und traurig gesungen.

Was den Little Drummer Boy betrifft, den Text kannte ich nie, ich erinnere mich nur an eine wunderschöne Version gesungen von einem Knabenchor. Leider hört man heutzutage nur noch diverse mittelprächtige Pop/Rockversionen des Liedes (allerdings wenn ein gewisser Guy Garvey es singen würde, wäre es bestimmt fast so himmlisch wie die Knabenchorversion ;) )

Hundert Mann und ein Befehl kenn ich leider bloß als ironische Begleitmusik in einem Werner-Film, wo Bruno und Helmut, die beiden Polizisten weit ab von ihrem Revierbereich Werner und seine Kumpels verfolgen...
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: Guntram am 16. März 2007, 21:22:59
Freddy Quinn  [smiley=peinlich.gif] (Ich kann nichts dafür aber er hast´s nun mal gesungen. Alternativ kann ich noch Heidi Brühl anbieten)
(B. Sadler; R. Moore; ?)

Irgendwo im fremden Land
Ziehen wir durch Stein und Sand
Fern von zuhaus und vogelfrei
Hundert Mann, und ich bin dabei

Hundert Mann und ein Befehl
Und ein Weg, den keiner will
Tagein, tagaus, wer weisz wohin
Verbranntes Land, und was ist der Sinn?

Ganz allein in dunkler Nacht
Hab' ich oft daran gedacht
Dass weit von hier der Vollmond scheint
Und weit von mir ein Mädchen weint

Und die Welt ist doch so schön
Könnt' ich dich noch einmal sehn
Nun trennt uns schon ein langes Jahr
Weil ein Befehl unser Schicksal war

Wahllos schlägt das Schicksal zu
Heute ich und morgen du
Ich hör' von fern die Krähen schrein
Im Morgenrot. Warum muss das sein?

Irgendwo im fremden Land
Ziehen wir durch Stein und Sand
Fern von zuhaus und vogelfrei
Hundert Mann, und ich bin dabei


Hier noch ein Link zum englischen Text mit Gesang. Achtung er trifft vor Patriotismus.

http://www.brownielocks.com/balladofthegreenberetsWAVE.html
Titel: Re: Kunst & Krieg
Beitrag von: Burkhard Ihme am 27. Juni 2007, 07:26:21
ZitatAlso - sehr überspitzt gesagt: wenn ich jetzt den "Weg zur Arbeit" verändere in zB "Und ich grüsse freundlich/ den Friseurgehilfen Navratil/ der auch bei Bayern München war, oder war es HertaBSC?"
Bei genauer Kenntnis der Geschichte wäre diese Frage (nicht im Kontext des korrekten Kreisler-Zitates allerdings) durchaus von Belang, denn Bayern München war ein jüdischer Verein, der wohl nicht ohne Grund nach der von 1932 so schnell keine Meisterschaft mehr gewann (erst 1969 mit Beckenbauer, Müller, Maier).

ZitatWär' ja möglich, dass es noch mehr Verfilmungen davon gibt, keine Ahnung. Auf jeden Fall ein Meisterwerk, in diesem Falle ist der Film sogar fast noch eindringlicher als das Buch, was selbiges aber keinesfalls abwerten soll - im Gegenteil.
Es gibt bisher nur die Verfilmungen von 1930 und 1979 (wenn man das Musical "Not so Quiet on the Western Front" nicht als solche zählt). Für 2009 ist aber eine weitere angekündigt (außer dem Regisseur scheint aber noch nichts fix zu sein).

ZitatUnd es bleibt mmer noch die Frage: Wenn ein zB im Nazideutschland verfolgter Künstler ein reines Liebeslied schreibt, völlig bewusst NICHT im Kontext mit seinen Erlebnissen - und jemand singt dieses Lied dann kommentarlos heute neben einem reinen Liebeslied von einem Künstler, der diese Zeit kritiklos und unbeschadet überstanden hat - und der Künstler singt auch einfach nur diese beiden Liebeslieder hintereinander als Liebeslieder, ohne auf die unterschiedlichen Lebensstationen der beiden Künstler in irgendeiner Weise einzugehen - ist das legitim? "Darf" man das? "Darf" man das dann auch als künstlerischen Abend geniessen, oder "muss" man sich empören?
Darf man "Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehn" als Durchhaltelied der Nazis anprangern und in diesem Kontext verwenden, wenn man doch weiß:

Bruno Balz wurde insbesondere während der NS-Zeit mehrmals Opfer der schwulenfeindlichen Gesetzgebung. So verbrachte er 1936 mehrere Monate im Gefängnis, wurde jedoch unter der Auflage freigelassen, dass sein Name in der Öffentlichkeit nicht mehr in Erscheinung treten durfte (dies mag dazu beigetragen haben, dass er bis heute weitgehend unbekannt geblieben ist). Er musste, um nach außen den geforderten Anschein zu wahren, eine Alibi-Ehe mit Selma, einer linientreuen Frau aus Pommern, eingehen.

1941 wurde er erneut von der Gestapo verhaftet, nachdem er in kompromittierender Situation mit einem jungen Mann ertappt worden war. Nach tagelanger Folter im Gestapo-Hauptquartier in der Prinz-Albert-Straße drohte ihm der Weg ins KZ. Erst die Intervention von Michael Jary, der die von Propagandaminister Joseph Goebbels geforderten Lieder ohne die Hilfe seines Partners nicht zustandebrachte, kam Bruno Balz innerhalb weniger Stunden wieder frei. In den ersten 24 Stunden nach seiner Freilassung schrieb er zwei seiner größten Erfolge, nämlich ,,Davon geht die Welt nicht unter" und ,,Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh'n".
Info aus der Wikipedia

Zitat
Ich finde z.B. "Hiroshima" von Wishful Thinking sehr gut, es ist grösstenteils getragen, aber die Leute werden beim "Schmusebacketanzen" aufgeschreckt, wenn der wilde Zwischenteil kommt. Und der Titel drückt ja ganz direkt aus, worum es geht, Hiroshima ist ja ein echtes Schlagwort wie "Tschernobyl", "Tsunami", "Hurricane Katrina" ect.
Aber werden hier nicht auch, wie weiter oben in Bezug auf die deutschen Opfer der Bombadierung durch die Alliierten in höchster moralischer Empörung angemahnt, die Täter zu Opfern gemacht? Japan hat den USA den Krieg erklärt.

Zitat
Hundert Mann und ein Befehl kenn ich leider bloß als ironische Begleitmusik in einem Werner-Film, wo Bruno und Helmut, die beiden Polizisten weit ab von ihrem Revierbereich Werner und seine Kumpels verfolgen...
Der deutsche Texter, Ernst Bader, hat im Kabarett angefangen, was uns hoffen läßt, daß das Lied nicht als Aufruf zur Beteiligung am Vietnam-Krieg gemeint war.
Edith Jeske, die hier gelegentlich mitliest, hat ihn ja gekannt. Vielleicht kann sie uns ihre Einschätzung mitteilen.