"Geklautes", Wiederverwendetes

Begonnen von whoknows, 12. Oktober 2005, 11:33:45

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Anke

#50
ZitatVersteh ich das richtig? Reiser soll das Lied über den Zaun gehört haben? Ein Lied, dessen Existent nur im Rückschluß postuliert wird? Das halte ich wirklich für gewagt.
Es soll dafür auch quasi Zeugen gegeben haben, soweit ich das verstanden habe.

Immerhin benannte TR diesen Marsch ja "Zigeuner" sowie nach dem Ort "Maxglan", in dem das Zigeuner-KZ stand. Warum sollte er das sonst gemacht haben, wenn er es nicht von Zigeunern und aus diesem Ort hatte? Dass in dem KZ musiziert werden durfte, geht ja aus dem Bericht hervor. In dem o.z. Artikel steht "entdeckt" - falls das nicht eine reine Interpretation des Autors ist, dann ...

whoknows

#51
Karsten Troyke hat eine ganze CD gemacht mit Liedern, die ihm eine alte Frau, die kaum noch einen Ton getroffen hat, vorgesungen hat - diese Frau hatte die Lieder noch in Erinnerung von ihrer Grossmutter - die sie als kleines Kind verloren hat. Das ist ebenso "weit hergeholt" - aber es gibt ganze Archive, die davon leben, dass sich irgendwo Grosseltern an Lieder erinnern, die deren Grosseltern gesungen haben. Lieder wurden bekanntlich über Jahrhunderte mündlich tradiert. Wie sehr sie dann tatsächlich mit dem "Original" übereinstimmen, ist jedem klar, der als Kind "stille Post" gespielt hat - trotzdem.

Und dass ein Nazi-Mitläufer ausgerechnet mit etwas Erfolg hat und reich wird, dass von Juden stammt - auch das gibt es in jeder erdenklichen Variante. Disney hat schliesslich Bambi auch von einem Juden - und Disney war vielleicht kein Nazi, aber immerhin sehr sehr weit von einem Philosemit und Sozialdemokrat entfernt.

Ich denke, es ist schon sinnvoll, immer wieder auf die Herkunft von Liedern hinzuweisen - und ich finde es durchaus ehrenwert und schön, so wie Karsten Troyke eine Cd mit "vergessenen Liedern" zu machen. Aber andererseits ist es eben immer wieder der Lauf der Dinge, dass Lieder ihr "Elternhaus" verlieren. In Europa ist diese verlieren  dann aufgrund der Geschichte des Kontinents immer wieder nachgerade ein perfider Treppenwitz der Geschichte. Wer kennt heute noch Leo Fall? Aber seine Wienerlieder werden von allen Mündern gesungen, ungeachtet der Gesinnung des Sängers.

Marlene

Hallo, ich will hier zwar gar nichts zum Thema schreiben, aber den Satz

Dass in dem KZ musiziert werden durfte, geht ja aus dem Bericht hervor.

kann ich in gar keinem Fall hier unommemtiert stehen lassen: Ich kenne zwar nicht die detaillierte Geschichte dieses KZs, aber ich weiß aus vielen anderen Konzentrations- und Vernichtungslagern, daß es dort Häftlingsorchester gegeben hat. Dies hatte allerdings mit "musizieren dürfen" rein gar nichts zu tun: diese Orchester waren quasi Arbeitkommandos, in denen Häftlinge dazu gezwungen wurden, Musik aufzuspielen, während andere Häftlinge zur Arbeit getrieben wurden oder von dort zurückkamen. Vor allem am Abend ging es dabei um Häftlinge, die teilweise ihre toten Mithäftlinge mit ihrer letzten Kraft ins Lager trugen (damit man sie beim Apell mitzahlen konnte...) Diese Orchester waren Teil des Vernichtungsprogramm und eine besonders perfide Art, die Häftlinge zu quälen und zu ernierigen. Die Überlebende Fania Fenelon hat ein Buch dazu geschrieben: Das Mädchenorchester von Auschwitz

Anke

Hallo Marlene,

du hast natürlich leider Recht mit dem, was du über die "musizierenden Insassen von KZs" schreibst.  :'(

Ich hatte das etwas verkürzt - aber zugegeben missverständlich - dargestellt:

ZitatLeni Riefenstahl rekrutierte aus dem ,,Zigeunerlager Maxglan" Komparsen, so auch den dreizehnjährigen Josef Reinhardt und den zwölfjährigen Engelbert Schöpf, dem gestattet wurde, sich auf eigene Kosten bei einem Salzburger Trödler eine gebrauchte Ziehharmonika zu kaufen.

Gruß,
Anke

Anke

#54
ZitatWer kennt heute noch Leo Fall?

Ich, ich, ich!  8-)

Und zum Glück gibt es noch andere, die ihn sogar noch aufführen, hier z.B.:
http://www.theater-erfurt.de/repertoire/content_dollar.html
http://www.neukoellneroper.de/archiv/rosevonstambul/pressemappe.pdf
http://www.dillingen-saar.de/kultur/ktermin.htm

Aber du hast sicher Recht, ein normaler und vermutlich sogar ein musikalisch überdurchschnittlich gebildeter Jugendlicher wird nicht im Regelfall den Namen Leo Fall kennen.  :-? Dabei sind einige der populärsten Operettenarien von ihm.

Anke

Woher ist diese Aufnahme denn geklaut?  8-)




whoknows

Klingt irgendwie ungarisch für mich.

Anke, Du faszinierst mich: hast Du sooooo viel Zeit? :o

Anke

#57
ZitatKlingt irgendwie ungarisch für mich.

Anke, Du faszinierst mich: hast Du sooooo viel Zeit? :o

Möchtest du damit andeuten, whoknows, dass dich mein Geschreibsel zu viel dünkt?

Das würde mich ehrlich betrüben ... :'(

Guntram

Falsch Anke - schreib so viel wie du willst und noch mehr - es ist der pure Neid. Zeit ist etwas was whoknows deutlich zu wenig hat.
Träume sind nicht Schäume, sind nicht Schall und Rauch,
sondern unser Leben so wie wache Stunden auch.
Wirklichkeit heißt Spesen, Träume sind Ertrag. Träume sind uns sicher schwarz auf weiß wie Nac

Anke

ZitatFalsch Anke - schreib so viel wie du willst und noch mehr - es ist der pure Neid. Zeit ist etwas was whoknows deutlich zu wenig hat.
Moanst?  :-?

Also, es hat alles seinen Preis im Leben, youknow.  8-)

Es ist wie mit dem Glück im Spiel und dem Glück in der Liebe. ;) Man kann nicht beides haben. Sagt man jedenfalls.  

Stroganoff


Katinka Koschka

Wie sagte doch schon Harald Nielsen? Wo alles klaut kann ich allein nicht dichten [smiley=old_grin.gif]
Ich finde es immer wieder faszinierend wie Musiker es anstellen Melodien zu schreiben, die offenbar noch nicht geklaut sind. Oder wenn Lieder untereinander Ähnlichkeit haben, wo man so ziemlich genau weiß, dass die jeweiligen Interpreten sich eigentlich nicht kennen dürften. Ich glaube z.B. nicht, dass Semisonic je von den Puhdys gehört haben, dennoch erinnert mich der Gitarrenlauf in "Chemistry" irgendwie an die Keyboardmelodie in "Rockerrente" :mata
Oder wie erzählte Guy Garvey; er hat mal eine schöne Textzeile gedichtet: "Kiss me like a final meal, kiss me like we die tonight" und hat gegooglet was das Zeugs hielt um herauszufinden ob es das schon gibt. Er fand nix. Nachdem der Text vertont worden war und nun "One day like this" heißt (übrigens zu meinem leichtem Befremden musikalisch ziemlich heftig bei "Hey Jude" von den BEATLES bedient!!) merkte er beim Ipodhören mit Schrecken, dass Howe Gelb von Giant Sand etwas sehr ähnliches gedichtet hatte, es diese Textidee also doch schon gab!
Nun würde mich bloß noch interessieren, ob die frappierende Ähnlichkeit des Liedes zu "Hey Jude" eine Hommage ist, denn Guy Garvey mag die Beatles... :o
Apripi -das heißt- apropos, Halli halli hallo

Burkhard Ihme

Das  oder es ist ihm gar nicht aufgefallen.
Ich hab auch mal ein Lied komponiert (es ging dabei um Bundeswehrveteranen) und nach 20 Jahren (!!!!) fiel mir plötzlich auf, daß die Bridge aus "Der Graben" von Kurt Tucholsky/Hanns Eisler war. Musikalische Ähnlichkeiten sind manchmal wie diese Vexierbilder, wo man entweder die Vase oder die Mädchenköpfe sieht.

Bastian

Was Akkordfolgen angeht, ist es natürlich kaum möglich, noch nie Dagewesenes zu fabrizieren (Ich glaube, Du, Burkhard, hattest irgendwo im Forum mal einen "My Sweet Lord"- Variante erörtert. Ich weiß nur den Zusammenhang nicht mehr.) In Punkto Melodien sieht es unwesentlich besser aus. Hat man die berühmten drei Akkorde, kann man davon ausgehen, dass jeder Melodieweg bereits von jemand anderem begangen worden ist. Die schiere Menge machts, dass man Ähnlichkeiten findet.

Hat man eine etwas kuriosere Akkordfolge, wird es insgesamt weniger an Vergleichbarem geben. Da aber die Variationsbreite der möglichen (einigermaßen lauschbaren) Melodien durch die Akkordfolge eingeschränkt wird, werden Ähnlichkeiten wiederum umso deutlicher. Da mag man eher ein echtes Plagiat vermuten, aber möglicherweise ist die Ähnlichkeit genau so unbeabsichtigt. Unser Gehör beherrscht Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Noch vor vierzig Jahren hat es eine ziemliche Weile gedauert, bis beispielsweise eine amerikanische Platte Europa erreichte. Heute, durchs Internet, ist alles ad hoc verfügbar. Letztlich kann man den Plagiatsvorwurf konstant aufrechterhalten, es wird immer etwas geben, das ähnlich klingt. Man muss nur lange genug suchen...

Ich bin dafür, das "retrograde Plagiat" (AT) einzuführen. Ich kann gar nicht sagen, was Gernhardt und Kreisler schon bei mir geklaut haben. Außerdem würde "Twist and Shout" gegenüber "La Bamba" rehabilitiert.

Burkhard Ihme

#64
Zitatch glaube, Du, Burkhard, hattest irgendwo im Forum mal einen "My Sweet Lord"-Variante erörtert.
Das war in diesem Thema, Beitrag 44:
ZitatBei Texten kann man wohl eher von Klauen ausgehen, aber bei Musik ist das meist ein unglücklicher Zufall. Wecker stand z.B. bei Kir Royal unter Zeitdruck, nachdem Dietl alle seine Vorschläge abgelehnt hatte und pfiff ihm eine Melodie vor, die ihm grad durch den Kopf ging.

Oder glaubt wirklich jemand ernsthaft, George Harrison habe bewußt "My Sweet Lord" bei "You're so Fine" abgekupfert? Der hatte sicher einfach den netten Akkordwechsel E-moll - A-Dur gefunden und darauf herumimprovisiert.

Man sollte übrigens mal versuchen, Tom Lehrer zu befragen, wann er "Poisoning Pigeons" geschrieben hat. Würde eventuell einiges klären.

Der arme Gary Moore ist ja gerade wegen eines Plagiats verurteilt worden. Das Gitarrensolo in "Still got the blues" soll geklaut sein. Und das mit der dämlichen Begründung, daß Stück sei vor dreißig Jahren mindestens einmal im Radio gespielt worden und Moore sei ja immer wieder in Deutschland unterwegs ...

Bastian

#65
ZitatWinters Werk Nordrach aus dem Jahre 1974 war nicht auf Tonträgern erhältlich, sondern lediglich in Konzerten seiner Band Jud's Gallery und mindestens einmal im Radio zu hören.

so ab Minute 9:


Ja, wirklich dämlich. Wenn ich mir vorstelle, man legte mir diese Akkordfolge von mollen und maj7en vor, und ich sollte eine Melodie drüberlegen, würde ich nach einigem Feilen wahrscheinlich zu einem sehr ähnlichen Ergebnis kommen. (Da ich die Songs kenne, natürlich erst recht...)

Noch so einer, der an diesem Tag das Radio angehabt hat. Er hat nur nicht aufmerksam genug hingehört, drum hakt die Melodie ein wenig...:
Carlos Moore spielt "Still got the Nordrach"

Nachtrag:
(Hehe, achtet mal drauf, wie hilflos er dasteht und immer aufs Griffbrett schielt, dieser Kopist! Und wie er sich zu den anderen umdreht! Er will "Nordrach" kopieren, weiß aber nicht mehr wie's geht. Drum wurde es nie ein echtes Plagiat.)