Tim Fischer

Begonnen von Dirk_Vetter, 26. April 2003, 21:36:58

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whoknows

#150
Also, zunächst - schon Goethe sagte: "Man muss nicht eine Suppe kochen können, um zu wissen, ob sie schmeckt".
Ich möchte mich jetzt darauf beziehen, ob ich oder wer anderer es besser kann. Mir geht es darum: TF ist sicher nciht schlecht. Aber er ist kein Chanson-sänger. Pigor zB, der ist einer, und modern auch, wobei der eher der kabarettistischen Seite des Genres zugewandt ist.
Zitataußerdem würde ich nicht sagen, dass ich ein idiot bin nur weil ich ihn einfach klasse finde. sein idealbild beginnt sich sicher zu relativieren, wenn man sich mit anderen auch beschäftigt. aber egal ob chanson, oder tiefster ghetto-rap, eines steht fest: ich will unterhalten werden. und tim schafft es

ich habe NIEMALS behauptet, Du seist ein idiot, ganz sicher nicht, und ich habe auch gesagt, das TF unterhalten kann.  Ein Beispiel zum Verständnis, was ich unter Interpretation verstehe:
Harald Juhnke hat unbestritten enorm schlechte Lieder gesungen. Fielen irgendwie in ein Zwischenfach zwischen Schlager und Chanson. Aber wenn ER die Lieder gesungen hat, hat man kaum gemerkt, wie schlecht sie tatsächlich sind, denn man hatte das Gefühl, er erzählt einfach etwas über sich selbst, ungemein authentisch, was halt zufällig auch Musik dabei hat. (Abgesehen davon, dass er auch richtig swingen konnte) Man hat, wenn er das Wort "Durst" gesungen hat, seinen echten Durst nachfühlen können - okay, Durst ist jetzt vielleicht ein blödes Beispiel  ;) - aber wenn er gesungen hat "der Weg ist weit" dann fühlte man ganz deutlich, wie müde ihn dieser Weg gemacht hat. Es waren plötzlich nicht nur Worte.

DAS ist Interpretation. Wenn nicht der sänger etwas singt, und die Musik und das eigene Hirn geben den Worten irgendwie Sinn, sondern wenn die Worte plötzlich einen Inhalt kriegen, der unter die Haut geht, den man nachfühlen kann, wenn man das Gefühl hat, der Interpret erlebt etwas, ganz tief in sich drin, und wir, die Zuhörer, können das miterleben.
Und das, sorry, kann TF nicht. Und das, sorry, ist das Um und Auf eines Chansonsängers. Und deshalb, sorry, ist das Genre durchaus ein überschaubares. Es ist allerdings unüberschaubar, wenn man alle mitzählt, die sich als ChansonsängerIn gerieren. Aber Interpretieren, so richtig ein Lied LEBEN, was eigentlich zum Chanson dazugehört - das können die wenigsten.

Im Übrigen wollte ich noch anfügen, dass es zahllose Lieder gibt, die nur mit Klavier (oder einem einzelnen anderen Instrument) begleitet werden, und die trotzdem Airplay haben und die trotzdem als "modern" gelten. Von Kip Hanrahans unübertroffenem "Life is like a Cigarette"(Voice: Carmen Lundy) über x Lieder von Billy Joel , Peter Hammill, Elton John, bis zu dem nur von einem Bass begleitetem "Occasionally" von Melissa Etheridge - das Begleitinstrument ist kein Argument für oder gegen Modernität oder Unterhaltungswert. Das nur Grundsätzlich.

Guntram

Ich kann bestimmt nicht fachlich darlegen was ein guter oder ein schlechter Chansonsänger ist. Aber ich kann sagen was mir gefällt und was nicht. wie war das mit der Suppe  ;)

Bei Chanson fällt mir zuerst immer Edit Piaf ein. Ich habe keine Ahnung was sie singt weil ich kein französch kann, die Stimme ist ... keine Ahnung ... was, zumindest unverwechselbar, aber wenn ich irgendwas von ihr höre Stellen sich mir die Nackenhaar, weils mir unter die Haut geht. Es ist traurig, das solche gesanglichen Charaktäre es heutzutage nicht nach oben schaffen weil sie von der Musikindustrie keine Chance kriegen und nur Einheitsbrei verlangt wird.
Träume sind nicht Schäume, sind nicht Schall und Rauch,
sondern unser Leben so wie wache Stunden auch.
Wirklichkeit heißt Spesen, Träume sind Ertrag. Träume sind uns sicher schwarz auf weiß wie Nac

Adrian Faust

juhnke mit fischer zu vergleichen ist nicht unbedingt ideal gewählt. juhnke war u.a. ein singender schauspieler und fischer ist halt ein schauspielender sänger... das is doch ein großer unterschied finde ich.

naja, billy joel, elton john etc. sind seit fast 40 jahren existent und ich denke, dass sie es heute nicht mehr schaffen könnten. alicia keys (die ja ja auch hauptsächlich mit klavierbegleitung arbeitet) ist ja auch nur deswegen so erfolgreich, weil sie einfach verdammt gut aussieht und einen gegenpol im pop-geschäft geschafft hat mit dem klavier. im chanson is das mit dem solo-instrument aber eher gang und gebe, und um trend-setter werden zu können muss man nun mal gegen den strom schwimmen.

außerdem sehe ich kaum einen unterschied zwischen dem pigor original "was willste denn in wien" und "der fette elvis" und fischers kopie... wenn da welten dazwischen wären würde ich mich ja von fischer unfähigkeit überzeugen lassen, aber so... nö   :)

ach noch was: halt den guten alten johann wolfgang da raus, er kann ja nix dafür  ;D

Zyankalifreund

#153
Zitat

außerdem sehe ich kaum einen unterschied zwischen dem pigor original "was willste denn in wien" und "der fette elvis" und fischers kopie... wenn da welten dazwischen wären würde ich mich ja von fischer unfähigkeit überzeugen lassen, aber so... nö   Smiley

Lieber Adrian, GENAU DAS ist es ja!!! Ich muss vornweg nehmen, dass ich zum Chanson üerhaupt erst durch Tim Fischer gekommen bin. Es muss mir also schon rgendwie gefallen haben, was er da macht. Ansonsten wär ich gar nicht in diesem Forum, weil ich Kreisler ohne ihn gar nicht kennen würde.

Der Punkt ist eben genau der, dass er entweder:

a) kopiert bzw. manchmal billig abklatscht

oder Gegenseite:

b) Was ganz Neues versucht zu machen und gar nicht bemerkt, was für ein Schmarren das manchmal ist.

Ein wirklich guter INTERPRET kopiert nicht, ein wirklich guter INTERPRET bemerkt, wenn er risen Gesten macht und das alles bis zum Getno ausschmückt und illustriert, dass es schon gar nicht mehr glaubhaft ist
WENN er aber was macht, was er furhtbar ernst meint (wie z.B. sein Aidsprojekt, was ich ihm sehr hoch anrechne), dann kann er das rüberbringen. Das hab ich auch schon erlebt, dass ich mal drinnen saß bei ihm und dachte "Holla, DAS meint er jetzt wirklich ernst" und da konnte man sich dann auch reinversetzen.

Was ich ihm außerdem hoch anrechnen kann ist, dass er Kreisler publiziert, es mit seinen glamourösen Shows massenkompatibel präsentiert und somit bekannt macht. Er ist aber für viele eben wirklich nur der Einstieg in die Materie. Wem wirklich was an diesen Chansons liegt, der spürt schnell, dass es noch andere Interpreten gibt und wenn er das erkennt, dann findet er auch recht schnell Bessere.

Ich kenne z.B. eine Chansoninterpretin, der merkt man es richtig an wie sie mit Leib und Seele und Haut und Haaren INTERPRETIERT. Jede Silbe bekommt einen ganz besonderen Geschmack und das ohne Pomp und Gloria, allein mit ihrer Stimme und ihren Emotionen. Ich hab sie leider noch nie live erleben dürfen in ner Show, aber allein aus ihren CDs spricht so viel, man MUSS sie nichtmal mehr dazu sehen, so lebendig sind allein diese Aufnahmen. Da kommt Fischer einfach nicht ran, tut mir leid.

Wenn ich mir da die Fischer-CDs in meinem Repertoire anschaue... Tut mir Leid, aber die CDs sind eine Beleidigung für meine Ohren! Fischer muss man live erleben, dann unterhält er und MANCHMAL bewegt er auch was in mir. Ansonsten ist und bleibt er ein Meister der Selbstinszenierung mit dem Talent, sich gut zu präsentieren, etwas massenverträglicher zu machen und mit einer recht guten Stimme. Die wirklichen Emotionen erlebt man bei anderen Interpreten / Interpretinnen . (Also finde ich)



angel

#154
Lieber Adrian,

Du darfst Tim Fischer ruhig weiterhin gut finden, aber verlange bitte nicht, daß whoknows oder Eric ihn "nachmachen"... Ich persönlich bin auch mehr für's Vormachen, das ist meiner Erfahrung gemäß viel spannender ... [smiley=old_smiley.gif]

LG,
angel

Adrian Faust

naja, etwas 1:1 zu kopieren ist ja kein verbrechen - da kann man wenig falsch machen. ich mekr nur, dass die geschmäcker auch innerhalb dieser doch sehr eingeschränkten szene ziemlich verschieden sind :-) dennoch: er ist derjenige der mich von allen die ich kenne am meisten unterhält. und emotionen vermittelt er allemal - der wortwitz der in machen liedern durchkommt ist schon verdammt gut.

so finde ich es doch sehr seltsam, dass malediva den deutschen kleinkunstpreis 2006 bekommen haben, da man bei denen ja nach 5 minuten einschläft.. aber das mit den geschmäckern und ohrfeigen hat schon was für sich *g*

ich finde z.b. georgette dee (und einige andere auch) in einigen punkten um vieles besser als TF, aber man muss immer wieder auf das gesamte zurückkommen und da... naja, du weisst schon :-)

Bastian

#156
Hätte ich nur einen Satz zur Verfügung, dann würde ich "Tim Fischer ist gut, für die Dinge, mit denen ich nicht viel anfangen kann." sagen. Da steckt alles drin.

Im Übrigen haben wir es nicht mit einem knallharten Gesetzeswerk zu tun, wenn es um "Chansons" geht. Ob ein Chanson ein Schauspiel sein muss, oder ob der klare Vortrag reicht... ob es szenisch sein muss oder nicht... ob der Interpret auf der Bühne steht, oder das Publikum der eigentliche Interpret ist..., ist durch die Bank fakultativ und eben Interpretationssache. Und ob ein Lied nun ein "Chanson" ist oder nicht, ist ebenso uneindeutig, wie die Frage ob eine leere Bühne nun eine Kulisse ist oder nicht...

Ich muss immer noch an diesen einen Satz denken, von dem ich noch immer nicht weiß, von wem er stammt. Er tut uns allen ein wenig weh, also ggf weghören:
"Wer etwas kann, singt "Lieder";
wer weniger kann, singt "Songs";
und wer gar nichts kann, singt "..."

... genau. :P Und da ist eben auch was dran. Es sind graduelle Unterschiede, keine echten Kategorien. Und ebendies gilt m.E. auch für das Interpretieren.

Zyankalifreund

#157
Zitatnaja, etwas 1:1 zu kopieren ist ja kein verbrechen - da kann man wenig falsch machen

Stimmt, falsch machen kann man dabei nichts. Sowas nennt sich aber dann nicht Künstler, sondern "Dünnbrettbohrer." Auf dieses Wort würde ich Tim Fischer aber nicht reduzieren wolle, nur dass seine Kunst eben leider nicht die des Interpretierens ist, ich aber genau das von einem Chansonkünstler bzw -interpeten erwarte.
Er ist Künstler der Unterhaltung, des Kitsches und der Selbstinszenierung, der Klischees ausnutzt - aber meiner Meinung nach kein wirklicher Chansonnier. (Jedenfalls kein univeral guter)  :)  

Zyankalifreund

PS: Außerdem ist es langweilig, einen Chanson zwei mal auf die selbe Art und Weise zu hören, da fehlt der Reiz und der eigene Arbeitsanteil beschränkt sich dann auf wenige Sachen. Das ist keine große Kunst, das kann fast jeder -kopieren -, aber interpretieren können nur wenige.

whoknows

Zitataußerdem sehe ich kaum einen unterschied zwischen dem pigor original "was willste denn in wien" und "der fette elvis" und fischers kopie..

Da hast Du aber was wichtiges übersehen: Die Originale von Pigor sind von ihm als Autor - und von Autoren wird erwartet - und es ist völlig ok - wenn sie ihre Texte und Chansons einfach vorstellen, mit wenig Interpretation - die sie ja auch garnicht haben können, denn die Sachen sind ja von ihnen. Aber wenn jemand das Lied dann nachsingt, sollte ein Chansonsänger, der was auf sich hält, es eben nciht einfach nachsingen, sondern interpretieren, das heisst: ihnen seinen höchst eigenen Stempel aufdrücken.

Alles andere ist schon gesagt.

Volker

Also, hier gibt es ja einige Mitglieder, die das ganze Thema aus professioneller Musiker-Sicht betrachten und eine ganze Menge von Chansons, Noten, Interpretation etc. sozusagen von Haus aus verstehen.

Aus meiner Sicht stellt es sich so dar: Ich bin zufällig über eine CD von Tim Fischer gestolpert, hab vorher eigentlich nichts mit Chansons zu tun gehabt (naja, die Popmusik von Beautiful South und Sophie B. Hawkins ist ja auch nicht zu verachten ;-)). Durch Fischer bin ich erst auf Kreisler aufmerksam geworden. Und das nur, weil ich seine Interpretation aus meiner subjektiv-amateurhaften Sicht einfach toll finde, und zwar trotz dieses androgynen Gehabes und den komischen Kostümen. Ich habe schon einige Konzerte von Tim Fischer gesehen und bin immer glücklich und begeistert rausgegangen. Das waren so schöne Erlebnisse, dass ich eine Gänsehaut bekommen habe – und das passiert nun wirklich nicht so oft. Langer Rede kurzer Sinn: Solange es mir gefällt, ist mir egal, ob ein Lied objektiv oder subjektiv gut gesungen oder interpretiert wird. Das ist doch letztendlich eine Geschmacksfrage. Und über Geschmack lässt sich ja bekanntermaßen nicht streiten.

Damit will ich auch nicht sagen, dass mir jedes Lied von Tim Fischer und wie er es interpretiert gefällt. Aber das gilt auch für GK und andere.

Ich kenne keinen – und ich gebe zu, so viele sind es auch nicht, die ich kenne – die Kreisler besser rüberbringen – teilweise auch besser als das Original (hoffentlich ist das keine Majestätsbeleidigung), Beispiele sind für mich "Das Tigerfest", "Er hat mich so verrissen" oder "Als der Zirkus in Flammen stand".

Da ich täglich dazu lerne, muss ich natürlich auch sagen: Die "Lieder"-CD von Sandra Kreisler ist grandios, "Wenn ich lieben dürfte" und "Was willst du noch mehr" finde ich ebenfalls besser als das Original. Die Lieder "Der Mensch muss weg", "Lassen Sie nur meine Tante" und "Auf der Flucht" sind großartig (ich kann mir nicht vorstellen, dass GK besser ist, aber ich hab für die Songs keine Vergleichsmöglichkeit).

So, und was wollte ich jetzt mit diesen vielen Zeilen sagen? Ach ja, für Tim eine Lanze brechen...

Noch eins: 90 Prozent der Bundesbürger kennen Tim Fischer nicht. 90 Prozent derjenigen, die ihn kennen, lieben ihn. Und 90 Prozent der "echten" Chanson-Interpreten finden, dass er zuviel Mainstream in das Genre bringt. Das ist zumindest mein Eindruck.

(Wo ich schon mal so viel schreibe: Beautiful South erinnert mich irgendwie an Kreisler: bös-kritische Texte in süßen Melodien verpackt)

whoknows

Zitatteilweise auch besser als das Original (hoffentlich ist das keine Majestätsbeleidigung), Beispiele sind für mich "Das Tigerfest", "Er hat mich so verrissen"
die sind sicher besser als das Original - denn das Original hat sie nie gebracht. Die wurden für die Küppers geschrieben. :-*

Ja, er ist mainstreamig. Das ist kein Qualitätsurteil. Aber es ist ärgerlich für "echte" Chansonsänger, weil er dadurch, dass er diesem Genre zugeordnet wird, die Massstäbe eben dieses Genres dasavouiert.
Die gute Nachricht ist: WEIL er mainstreamig ist, hat er viele Leute zu GK gebracht, die sonst nie davon erfahren hätten.
Die schlechte Nachricht ist: Die bleiben dann trotzdem  meistens im seichten Teil seines Oevres stecken.

Und Sandra Kreisler solltet Ihr mal hören, wenn sie "Wortfront"-Sachen bringt. DAS ist erst genial.  8-) ;)

Volker

naja, Original ist für mich eben auch "Topsy Küppers und Georg Kreisler muss begleiten" oder "Barbara Peters und Georg Kreisler muß begleiten"...

Guntram

Noch was zu Chanson und GK. Ich finde alles was Kreisler geschrieben oder gesungen hat jetzt als Chanson einzuordnen ist zwanghaftes Schubladendenken. Kreisler ist unmöglich in eine Schublade zu stecken. Man braucht vielmehr einen riesen Schrank wenn man seine Lieder einordnen will. Bei ihm ist für jeden was dabei, wenn man sein gesamtes Schaffenswerk betrachtet.
Träume sind nicht Schäume, sind nicht Schall und Rauch,
sondern unser Leben so wie wache Stunden auch.
Wirklichkeit heißt Spesen, Träume sind Ertrag. Träume sind uns sicher schwarz auf weiß wie Nac

whoknows

Da hast du völig Recht, Guntram, das finde ich auch. Aber das tigerfest zB ist unzweifelhaft ein Chanson.

ZitatBarbara Peters und Georg Kreisler muß begleiten"...
:P
;D

Guntram

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sondern unser Leben so wie wache Stunden auch.
Wirklichkeit heißt Spesen, Träume sind Ertrag. Träume sind uns sicher schwarz auf weiß wie Nac

Volker

Gestern habe ich das neue Programm von Tim Fischer "Regen" im Hamburger Tivoli gesehen. Es war mal wieder toll, und auch die Kreisler-Interpretationen waren einmalig – von "Blumengießen" bis "Mein Mann ist verhindert" (das ist doch auch von GK oder? Hört man so selten).
Empfehlenswert.

whoknows

Mein Mann ist verhindert ist Hollaender.

Bastian

#168
Ah jetzt verstehe ich, bin Schweizer.

Dagmar

Je fester dir einer die Wahrheit verspricht, in Programmen und Predigten, glaube ihm nicht. Und geh' zu den Gauklern, den Clowns und den Narr'n: Dort wirst du zwar nix, doch das in Wahrheit erfahr'n.

Volker

Mea culpa, "Mein Mann ist verhindert" hätte aber von Kreisler sein können...
aber es ist von Cole Porter.

whoknows

#171
Die Musik. Stimmt.
Ich finde allerdings, es ist deutlich nicht von Kreisler: die Sprache, die "Reime" - ist einfach so dermassen anderer Stil.... ganz davon abgesehen, dass man anhand der Sprache auch merkt, dass es älter ist als Kreislers erste Lieder.
Kommt mir vor, als würde man sagen ein Lied von Reinahrd Mey und von den Fanta4 sei ein ähnlicher Stil.

Hokus_pokus

Der Text wurde von Lothar Metzl geschrieben. Lothar Metzl gehörte ebenfalls wie Georg Kreisler zu den Verfolgten, die 1938 emigrieren mußten. Er galt als der beste Autor der "Literatur am Naschmarkt". Lothar Metzl soll ungeheuer fruchtbar und vielseitig in seinem Schreiben gewesen sein. "Mein Mann ist verhindert" oder "Miss Otis Regrets" war für Hanne Wieder eine Paradenummer.  Marlene Dietrich hatte diese Lied auch im Repertoire. Wird heute noch gerne und viel gesungen.

whoknows

#173
Eeecht? Meinen wir dasselbe Lied? Ich kenne das als Hollaender. Wo die Frau den Mann umgebracht hat. Na, oarg.Aber im Stil ist es in jedem Fall nicht mit Kreisler zu vergleichen. Weder in der Zeit (Kreisler war 38 16 Jahre alt) noch im literarischen.

Volker

Stimmt, die Argumente leuchten ein, warum die Lieder nicht zu vergleichen sind. (Aber schwarzhumorig sind sie doch alle!) (Wenn Mario Adorf die "Humoreske" singt, klingt das auch nicht mehr noch Kreisler)

Wen es interessiert:

HAMBURG - Auf Beerdigungen regnet es. Tim Fischer spielt mit dem Klischee. Im Schmidts Tivoli prasselte es Sonntag herab. Akustisch. Und der zarte Sänger ließ sich von Musikern im Sarg auf die Bühne tragen, um mit Ludwig Hirschs "I lieg am Rucken" über den Verfall zu räsonieren. Einen Scheitel hatte er sich frisiert. Wie mit Schuhcreme poliert, glänzte sein Haar. Dio Wangen leuchteten rot, die Lippen erst recht.
Gut 30 Stücke hat der 32jährige für sein Programm "Regen" interpretiert. Von Dalidas "Am Tag, als der Regen kam" über Friedrich Hollaenders ,,Circe" bis zu Knefs "Grauer Regen". Aufgehübscht mit Kachelmannschen Wetterprognosen und homosexuellem Humor: "Was macht ein schwuler Regenwurm im Kopfsalat? Er schmeißt erst mal die Schnecken raus." Der Saal tobte.
Ob ,Chanson, Schlager oder Funk - stets fand Fischer Posen die nicht peinlich waren. Mal gab er den Stehsänzer, der das Kinn nach vorn schiebt, mal die Charleston-Maus. Darin liegt seine Stärke: Amüsement und Verletzlichkeit zugleich zu transportieren. Das Naßwetter, das Fischer produzierte, hatte Folgen: Mit Bernhard Bentgens "Beide Dase däuft" wandelte sich der Entertainer zum Schnupfenpatienten, dem auch Tucholskys ,,Rezepte gegen Grippe" nicht halfen.
Raus aus dem Frack und rein ins Dirndl stieg Fischer zur zweiten Hälfte der Show. Die Balkonbepflanzung vor seiner Brust eignete sich prima, um Georg Kreislers "Blumengießen" gestisch zu untermalen. Großartig, wie Keyboarder Gert Thumser den tumben Bayern gab, in kurz darauf den Lederkerl zu mimen, der Fischer in einem zum Spucke-Wegbleiben transparenten Glitzerkleid beschützte. Nach zweieinhalb Stunden endete ein Abend, der alles zuließ: Trauer, Kitsch, Sarkasmus und Lachen. Ein Abend, der "vier Meter unter der Erde" begann und mit himmlischen Jubelstürmen endete. (bk, Hamburger Abendblatt, 29.11.05)