Schule und Gewalt

Begonnen von Bastian, 04. April 2006, 16:21:13

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Bastian

Wo wir hier von Zentralabi und den verschiedenen Abschlüssen sprechen: Es ist offensichtlich, dass die verschiedenen Schulformen nicht nur unterschiedliche Anforderungen stellen, sondern dadurch auch nach der sogenannten "sozialen Herkunft" selektieren und somit im Resultat oft eher spalten als zusammenbringen. Das prominenteste Beispiel ist zur Zeit die Rütli- Schule in Neukölln, die wohl nur stellvertretend für viele Schulen in Deutschland steht.

Jetzt sind wir hier auch alle aus verschiedenen Regionen und Ländern, manche sind gerade in der Schule, andere haben längst alles vergessen, oder wünschen sich vielleicht die Schulzeit zurück... Wie wird/wurde an euren Schulen mit den Problemen der Integration und der "sozialen Herkunft" umgegangen? Und, wo wir schon bei "Rütli" sind: Wie sieht es z.B. bei den Eidgenossen und den Neo- Habsburgern neben ihnen aus?

whoknows

hachja, zu meiner Zeit war das ja alles gaaaanz anders *gg*

Nein, aber ernsthaft: Ich war auf amerikanischen Schulen in Wien und in Berlin. Beide Schulen (und die Schüler!)  waren STOLZ, mehr als 40 verschiedene Nationalitäten unter den Schülern zu haben - es gab auch niemals irgendeine Klüngelei, ich kann mich nciht erinnern, dass irgendwer aufgrund der Hautfarbe und/oder herkunft ausgegrenzt worden wäre. Wegen eines "unpassenden" Haarschnitts, solchen Blödsinn gab's bei uns auch. Aber die Herkunft? Nö.

Als ich jung war, gab es eher positiven Rassismus: man war stolz drauf, jemanden zu kennen, der "Neger" war (damals sagte man das noch ziemlich unbeschwert) oder ein Araber. Ich kenne wen von weit weg, boh, toll.
Die Jugoslawen, die hatten es schwer, denn die waren alltäglich, und wurden auch ausgegrenzt. Das war in Österreich das, was die Türken für Deutschland sind. Aber auch nciht so stark wie heute. Das hat sich alles extrem radikalisiert.
Das allerdings gilt für die JUGEND damals. Die alten, die waren schon noch eher rassistisch, allerdings in der Mehrheit aus Konservatisimus "Wir sind wir, und die anderen haben mit uns nix zu tun" - und eben: die Gewaltbereitschaft war geringer.

Die Jungen heute - gerade in Gegenden wie Neukölln - haben keine Aussicht auf Zukunft. Und DAS macht sie so radikal.
Ihre einzige Art, sich voreinander zu profilieren, ist: NOCH brutaler zu sein. Und junge Männer brauchen das Gefühl, sich profilieren zu können. Na, mit Aussicht auf Job und Ehre....da is heute Essig.

Und ich glaube, verstärkend und radikalisierend wirkt, dass durch die Medialisierung auch schnell alles wie ein Computerspiel wirkt: man ist nicht mehr mitfühlend, denn man sieht tagtäglich irgendwelche Leute, denen es schlecht geht: das wirkt einfach nciht mehr.
9/11 hat bei vielen Jugendlichen als erste Reaktion: boh,cool!! gebracht. Die haben einfach nciht sofort KAPIERT, was das war. Es war halt eine coole Action. Wie ein Videospiel.
Und die Übersättigung, dass man immer mehr, immer grösser, immer stärker braucht: Sensationen nützen sich ab.
unstillbarer Profilierungshunger, gepaart mit Desensibilisierung - eine gefährliche Mischung.


Bassmeister

Die Frage die sich mir dabei stellt: Wie bekomm ich meinen Sohn lebend durch die Schulzeit? Das ist in sechs bis sechzehn Jahren.
[size=9]Nicht alles, was zwei Backen hat, ist ein Gesicht...[/size]

whoknows

Nimm keinen "Vorschuss auf Zores". ;)

Plaristo

Nun, ich bin noch mittendrin, in der Schulzeit.
Und schon seit der ersten Klasse teile ich meinen Raum, meine Pausen und Lösungen mit Ausländern verschiedenster Herkunft. Bisher ohne große Probleme - meinerseits sowieso nicht. Es gab nie Ausgrenzungen bestimmter Nationalitäten.

Natürlich, es gibt ein paar Gruppierungen der einzelnen Nationalitäten. Verständlich. Doch sichtbare Abneigungen und Ausgrenzungen zwischen verschienden Landsleuten gibt es - zumindest an unserer Schule - keine.
Dazu muss man sagen, dass unsere Schule einen evtl. etwas höheren Anteil an ausländischen Schülern vorweisen kann. Also müsste man annehmen, es gäbe an solchen Schulen größere Probleme bzw. überhaupt welche. Doch dem ist nicht so. Unsere Schulgemeinschaft besteht aus vielen Nationalitäten, zu verschiedenen Anteilen, und Rassismus fasst bei uns keinen Fuß.


michael

#5
Tja, ich war wohl zu früh in der Schule: In der Volksschule (so hiess das damals), 1. bis 4. Schuljahr: Nix wie eingeborene.
Gymnasium: Nix wie Eingeborene. Aber im 9. Schuljahr kam die verlockende Ankündigung: Eine neue SchüleriIN (bisher reines Jungengymnasium), geboren in den PHILLIPINEN (oder so).  Die Phantasie schwieff ab und kreiste und kreiste: Und dann war es das Mädel, was im Haus gegenüber (eigentlich:Schlossflügel gegenüber, aber das zu erklären wäre zu langwierig) wohnte,  und eigentlich auch nur eine normale Eingeborene war.
Studium in d'dorf: In meinem Fach auch nix wie Eingeborene der umliegenden Dörfer.....
Erst mit der Prom. in Aachen wurde es richtig international, Kollegen aus der ganzen Welt. Das war wirklich toll und prägend fürs Leben.

So eine internationale Schule, das wäre was gewesen.....     Schade, aber wenigstens später habe ich ein bischen "Flair" mitbekommen.


PS: [size=14]Willkommen, plaristo[/size]

Plaristo

Danke, Michael.

Ich denke auch, dass Schulen, deren Schülerschaft aus verschiedensten Nationen stammt, ein großes Gefühl - ein gewisses Maß -  für Weltoffenheit, Verständnis und Akzeptanz mitgegeben wird.
Man lernt vom Tischnachbarn ganz nebenbei seine Kultur kennen, muss lernen, andere Nationalitäten neben der seinen zu dulden, mit ihnen auszukommen - sie verstehen und entdecken zu lernen. Mit ihnen aufzuwachsen.

Michael, du hast völlig Recht - es prägt fürs Leben, und man kann von Glück sprechen, etwas solches so früh wie möglich zu erleben.

whoknows

Hallo Plaristo!! Schön, Dich da zu haben!!
Ich war in einer internationalen Schule, wir hatten 40 verschiedene Nationalitäten, und das war total selbstverständlich  - aber ich denke, ob sowas zu Rassismus oder Gewalt führt, hat in erster Linie damit zu tun, ob die Schüler sich selbst als "wertvoll" und akzeptiert in der Gesellschaft empfunden wissen. Gewalt und Rassismus und Ausgrenzung sind immer Dinge, die  Menschen anfangen, wenn sie sich midnerwertig fühlen. An einer Schule, an der die Kids in ihrer Eigenart wahrgenommen werden, und wo sie das Gefühl haben, sie haben eine Zukunft und eine Gegenwart, die sinnvoll ist, wird man umgänglicher sein, als in einer Low-Class Schule mit lauter zukünftigen Arbeitslosen, die zuhause geprügelt werden. Die müssen dann irgendjemand oder etwas finden, was sie als "noch tiefer als sich selbst" labeln können...
Rassimus und Gewalt sind ja nur Machtspielchen...

whoknows

#8
Ich glaube, hier passt das am Besten hin.
Bis Ende September sind alle Hamburger Schulen aufgefordert, die Daten ihrer SchülerInnen an das zentrale Schülerregister (ZSR) zu melden. Angegeben werden sollen auch die Meldeadresse und der Aufenthaltsstatus der Kinder. Wir befürchten nun, dass Eltern, die ohne Aufenthaltsstatus in Hamburg leben, ihre Kinder aus Furcht vor Abschiebung der gesamten Familie nicht mehr in die Schule schicken. Das ,,Recht auf schulische Bildung" (§ 1 Hamburgischen Schulgesetzes) dieser Kinder wird dadurch faktisch ausgehebelt.  Nun gibt es einige wenige Schul-Leiter/innen, die sich weigern, diese Daten ihrer Kinder preiszugeben. Und die gilt es zu unterstützen - finde ich.
 Mehr unter:
http://fluechtlingsrat-hamburg.de/content/Schulappell1_270906.pdf

und in der Mail, die ich bekommen habe, heisst es:
Zitatanbei finden sie/ihr den appell und darin die aktuelle liste der
> unterzeichnerInnen - inzwischen gibt es fast 190 unterzeichnerInnen.
> da uns immer wieder anfragen erreichen: der appell läuft weiter - wir
> freuen uns, wenn sie/ihr den appell auch weiterhin verteilt und wenn
> es neue unterzeichnerInnen gibt! wer den appell noch unterstützen
> möchte, bitte weiterhin um rückmeldung an: armin.oertel(at)gal-fraktion.de.