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Polizeigewalt

Begonnen von Heiko, 11. Juni 2013, 23:24:36

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Heiko

Neulich bei einem Konzert einer russischen Ska-Formation traf ich den Sänger derjenigen Band, die die Parole A.C.A.B. in Deutschland bekannt gemacht hat. Nach einem kurzen Geplänkel, in Erinnerung an diesen Thread und darauf hinaus wollend, ihm das N.A.C.A.B. bekannt zu machen, fragte ich: "Wirklich alle?" Woraufhin ich angeschnauzt wurde: "Komm mir nicht so! Natürlich alle! Die verteidigen freiwillig das System."
"I would prefer not to."

Heiko

#26



"I would prefer not to."


Heiko

#28
Reßpekt einfordernde Zustände des Beleidigtseins - scheinen eine wichtige Koordinate für die psychische Disposition von potentiellen Gewalttätern zu sein.


"I would prefer not to."

Clas

Moin Heiko,

von tatsächlichen auch, und wenn man so Leserbriefe von Moslems zu Karikaturen liest, scheint sogar das Beleidigtsein in Stellvertretung gut zu funktionieren...

Gruß Clas
"Ach, das Risiko...!" sagte der Bundesbeamte für Risikoabschätzung abschätzig...

Burkhard Ihme

Ich frag mich auch, warum ein Muslim deswegen beleigt sein muß.
Es gibt zwar ein Bilderverbot (das allerdings nichts mit dem Koran zu tun hat – ist wohl so ähnlich wie die Jungfräulichkeit Marias), aber ein Verstoß dagegen ist doch keine Beleidigung.

Clas

Moin, moin,

ganz offensichtlich gibt es da diesen Zwang, beleidigt zu sein, bei sehr vielen. Nur belassen sie es ja nicht bei einer Klage oder einem mürrischen Gesichtsausdruck, sie werden bedrohlich und es gibt Tote, Verletzte und Sachschäden.

Moderatere bewerten das offenbar wie eine persönliche Beleidigung und reagieren auf Unverständnis mit Einfühlungsübungen wie: "Deine Mutter ist eine Hure! Ich ficke die! Du bist ein Hurensohn!" Damit man mal versteht, wie schlimm das ist. Ich verstehe es immer noch nicht, aber mir schwindet die Lust, es zu diskutieren.

Gruß Clas
"Ach, das Risiko...!" sagte der Bundesbeamte für Risikoabschätzung abschätzig...

Heiko

Würde meinen, das stellvertretene Beleidigtsein ist sogar der Normalfall und dabei keineswegs ein Monopol vom Muslimen. Auch Jugendliche namens Anton halten Mütterbeleidigung schon mal für einen akzeptablen Grund zur Gewalt. Oder Erwachsene namens Uwe oder Beate, die sich ihren Deutschfühlungen beleidigt wähnten und deswegen fremde Menschen töteten.

Gebe auch zu, selber beleidigt zu sein. Beispielsweise durch gesellschaftliche Verhältnisse, die meinem Sinn für sozialästhetische Vernunft zutiefst widersprechen. Da Gewalt das aber ebenso würde, stellt sie selbstverständlich keine Option dar.
"I would prefer not to."

Clas

Moin Heiko,

nun ja... dazu gehören aber auch noch Unterschiede in der inneren eigenen  und der von außen kommenden fremden Bewertung, sowie der Unwille, das als interessant zu erleben... Auffällig ist zudem, und da wird es vielleicht wirklich spezifisch, eine sich durch viele mühsam gelesene Leserzuschriften, in dem Fall einer österreichischen Zeitung, ziehende Bereitschaft, das Morden wie das Gemordetwordensein als Schuld derer zu sehen, die gemordet wurden und zuvor provoziert hätten... Genau das provoziert gehabt hätten. Und nun durch den Nachdruck wieder provozierten. Zum Teil wirklich im Tone eines Vaters, der nunmehr die doch bewußt in Kauf genommene Prügelstrafe vollstrecken muss. Beängstigend ist sowas schon.

Beängstigend auch die Allgemeinheit, die da in Haftung genommen wird: Was, bitte haben Christen in Niger  oder in Nigeria mit den Achtungsmängeln der vermutlich nicht sehr fromm christlichen Zeichner in Paris oder Jütland zu tun?

Auch so Zuschriften nach dem Muster:"Ich bin gut integriert und lehne grundlosen Terror ab. Aber wenn man unseren Propheten beleidigt, braucht man sich über die Reaktion nicht zu wundern..." Schon grausig.

Und es gab nicht nur eine Zuschrift, die die Bereitschaft bekundete, Darstellungen des Propheten Isa genau so beleidigend zu finden...

Gruß Clas
"Ach, das Risiko...!" sagte der Bundesbeamte für Risikoabschätzung abschätzig...

Heiko

#34
Moin Clas,

keine Frage, das ist furchtbar beängstigend, ohne jedes aber. Eine Kritik der faschistoiden Tendenzen des Islam ist absolut notwendig. Die Erkenntnis, dass islamistisch begründeter Terrorismus auch auf "westlichen" Boden getragen wird, ist zwar nicht neu, erschütternd ist sie allemal.

Auf deutschen Boden müssen sich trotzdem zuvorderst dunkelhäutige und erkennbar migrantische Menschen fürchten. Brennende Asylbewerberheime Anfang der 90er, NSU-Exekutionen über Jahre hinweg, Polizeitote durch erzwungenen Brechmitteleinsatz, Abschiebungsfolter, der Fall Oury Jalloh, ...
Wie viele Tote in Deutschland durch islamistischen Terror gab es in den vergangenen 25 Jahren? Wie viele durch Nationalterrorismus?

Letztlich geht es um Identitäten. Sowas darf und soll man haben pflegen, aber es sind Relativierungsübungen angeraten. Da hat der islamische Diskurs sicherlich etwas Nachholbedarf. Ich glaube aber nicht, wie so manche tapfere Kommentatoren, dass die Probleme des Islams in dessen Wesen liegen sollen. Stattdessen dürfte er nach einer antiautoritären Häutung, deren Abschluss wohl noch auf sich warten lassen wird, nicht weniger kompatibel mit Demokratie und Menschenrechten sein, als es auch der größte Teil der Deutschen geworden ist.

grüßt Heiko
"I would prefer not to."

Heiko

Umstieg am Bahnhof Barmbek. Setze mich beim Bäcker den Starrungen eines bulligen Shirtträgers aus, auf dem weiß auf schwarz droht: " LOVE VIOLENCE - HATE CRIME".

100 Meter weiter ein Wahlplakat der Piraten mit dem Slogan "Wo finde ich bezahlbaren Wohnraum?", das fettrot mit "In deiner Heimat. In Afrika!!!" kommentiert wurde.

Netter Abend mit Freunden. Alle haben Hautfarben.

"I would prefer not to."

Burkhard Ihme

Und wahrscheinlich wundern sich die Freunde der Polizei, warum der Polizeivertreter hier als absolutes Arschloch rüberkommt.
http://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/westart/westart_talk/videowestarttalkdeinfreundundhelferpolizeizwischenanspruchundwirklichkeit102.html

Heiko

Hamburger Oberverwaltungsgericht urteilt, "Gefahrengebiete" waren und sind verfassungswidrig. Die Einschränkung der Freiheit dürfe nicht in das Ermessen der Verwaltung gestellt werden. Eine Revision gegen die Entscheidung wurde nicht zugelassen.

http://www.heise.de/tp/artikel/44/44931/1.html

Grund zur Freude dürfte jedoch erst entstehen, wenn das Urteil von der Polizei verstanden und angenommen würde. Bis dahin schadet sicher nicht, eine Kopie vom Urteil bei sich zu tragen.
"I would prefer not to."

Clas

Moin Heiko,

das Urteil ist gut und wichtig, allein... ich zweifle so ein wenig, ob das sinnentnehmende Lesen des Urteilstextes und die richtige Einordnung in das Aktionsmuster sowie in das Welt- und Verdächtigenbild den einzelnen Beamten in der Situation des Einschreitens diesen nicht doch fallweise würde überfordern können...?

Gruß Clas
"Ach, das Risiko...!" sagte der Bundesbeamte für Risikoabschätzung abschätzig...

Heiko

Moin Clas,
Überforderung könnte im Einzelfall immerhin zu Zweifel und damit zu Zurückhaltung führen. Für das polizeiinterne Gesamtbewusstsein ist sicher nicht davon auszugehen, dass dieser abertausendfache Grundrechtseingriff auch als solcher gesehen wird. Eher wird dort das Wegfallen einer Arbeitserleichterung bedauert, die von der lästigen Aufgabe entbunden hat, für Personenkontrollen halbwegs glaubwürdige Verdachtsmomente zu konstruieren.

grüßt Heiko
"I would prefer not to."

h-j-urmel

Kontrollen und Verhaftungen der geschilderten Befugnisse für die Polizei erinnern an Zustände wie sie über die ehemalige DDR beschrieben wurden und weiter zurück an das nationalsozialistische Deutschland.

Clas

Moin Heiko,

könnte, theoretisch; praktisch kommt es eher zum Durchgreifen, in nicht wenigen Fällen. Vielleicht kommt hinterher der Zweifel...

Moin Urmel,

nö, also davon denn doch noch ein ganzes Ende entfernt... Zum Beispiel hat in beiden Vergleichsfällen kein OVG zeitnah die fehlende Rechtmäßigkeit festgestellt.

Das hindert nicht, dass ich das Argument in Frageform einem Verteidiger polizeilichen Waltens vorhalten würde, jedenfalls den ersten Teil. Hier aber...?

Gruß Clas
"Ach, das Risiko...!" sagte der Bundesbeamte für Risikoabschätzung abschätzig...

Heiko

Moin Clas,
hat sowat nicht auch irgendwie mit déformation professionnelle zu tun?

Moin Urmel,
solche Assoziationen können bei allen Unterschieden schon kommen. Mir steigt eher das Unwesen Noskes in den Sinn. Laut Gremliza war Noske das größte sozialdemokratische Vorbild Helmut Schmidts, welcher wiederum nicht unerheblichauf das Hamburger und Deutsche Sicherheitswesen wirkte. Gremliza weiter zu dieser Kontinuität:

ZitatUnter [dem Hamburger Polizeisenator Helmut] Schmidt konnten alle alten Nazis, aus denen die Hamburger Polizeiführung bestand, im Amt bleiben. Auch die Mitglieder der Polizeibataillone, denen tausende Morde an in Juden in Polen vorgeworfen werden konnten. Vom Hamburger Reservepolizeibataillone 101 hieß es, es habe bei der Vernichtung von Juden so gewütet, dass es sogar die SS grauste.

Nein, von denen lebt keiner mehr, ist keiner mehr im Einsatz. Sagen lässt sich nur, dass die bis heute wie bis gestern leitenden Polizeioffiziere von diesen Leuten ausgebildet worden sind. Und dass das was heute Hamburger Polizeiführung ist, wiederum von diesen Schülern ausgebildet wurde. Ein Bruch nämlich zwischen Denen und Diesen hat nie stattgefunden. Und das führt unter anderem dazu, dass auch heute wie vor 50 Jahren ein Bürger, der sich der Übergriffe wehrt und etwa eine Anzeige wegen Körperverletzung erstattet, wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt angeklagt und auf der Basis von fünf kameradschaftlichen Meineiden verurteilt wird.
"I would prefer not to."

Clas

Moin, moin,

man muss da, glaube ich, unterscheiden zwischen der personellen und strukturellen Kontinuität, die Gremliza meint, und dem heutigen, professionell deformierten Beamten, der privat ein umgänglicher Mensch ist... Mancher vielleicht auch nicht.

Dennoch: im Vergleich zu DDR oder NS-Zeit ist das Umfeld anders. Mancher mag das bedauern, und ich glaube, eine Polizeiführung ist nicht per se ein besserer Verlierer einer rechtlichen Auseinandersetzung. Die Beamten haben ohnehin nicht selten eine spezifische Form der Justizkritik an sich...

Gruß Clas
"Ach, das Risiko...!" sagte der Bundesbeamte für Risikoabschätzung abschätzig...

Heiko

Moin Clas,
klar, Unterscheidbares muss unterschieden werden ... und die Kritik am Hier und Heute sollte nicht durch falsche Gleichsetzungen unglaubwürdig werden.

Und doch ist das Kritisierte ja aus Etwas entstanden und geworden, das nicht abgeschüttelt wurde. Die personelle Kontinuität bei der Polizei ist auch die Kontinuität eines Selbstverständnisses.

Dein letzter Punkt wurde vom Polizeisprecher bereits bestätigt. Man werde an den Gefahrengebieten festhalten.

Gruß Heiko
"I would prefer not to."

h-j-urmel

Meine Vergleiche beziehen sich auf die Berichte, dass ohne konkrete Verdachtsmomente kontrolliert werden kann und Gewahrsamnahme durch die Polizei möglich ist.

Heiko

Hallo Urmel,
so hattest du es geschrieben, so wurdest du verstanden und so stimmt es ja auch.

Derweil werden aus einer Hannover Polizeiwache "Einzelfälle" (nämlich stets ein einzelner vieler vergleichbarer) von "Misshandlung" (Folter kann es ja nicht sein) bekannt. Die nichtdeutschen Opfer hatten sich so schwerer Vergehen wie ner fehlenden Fahrkarte schuldig gemacht. Bisweilen fehlte auch die Fahrkarte für Deutschland, was der Staatsanwaltschaft etwas erleichtert, das Recht nicht beschädigt zu sehen. Die ermittelt stattdessen, weil ein beteiligter Polizist einem anderen Polizisten die Waffe an die Stirn gehalten hat. Denn da hört der Spaß ja nu wirklich auf, nicht wahr?

"I would prefer not to."

Clas

Moin Heiko,

sie ermittelt ja auch wegen der Misshandlungen der nichtdeutschen Opfer und sieht da ein verletztes Recht... Erstaunlich finde ich, was da als Scherz unter Kollegen offenbar doch eine ganze Zeitlang so durchgegangen ist und nun im Rahmen dieser Ermittlungen plötzlich an Tage austritt. Fünf Zeugen, aber unmittelbar aufgehört hat da der Spaß ja denn auch noch nicht, wenn ich recht verstehe.

Immerhin, in diesem Fall spricht man von Mutmaßlichkeiten, was sonst nicht immer so gehalten wird. Sollten sich die Medienmenschen vielleicht mal grundsätzlich wieder angewöhnen.

Gruß Clas
"Ach, das Risiko...!" sagte der Bundesbeamte für Risikoabschätzung abschätzig...

Heiko

Moin Clas,
stimmt, da war ich falsch informiert. Dass solche Scherze nicht außen dringen, finde ich hingegen kaum erstaunlich, eher ärgerlich. Rafael Behr erklärt das so:
ZitatIch betrachte solche Polizeigruppen häufig als Gefahrengemeinschaften, in denen auch eine gegenseitige Abhängigkeit besteht, weil jedem im Laufe seiner Dienstzeit einmal etwas passiert, bei dem er auf die Diskretion der Kollegen angewiesen ist. Das können Kleinigkeiten sein. Aber alle Polizisten wissen etwas von einander, was nicht an die Öffentlichkeit dringen soll - und das macht die Sache so schwierig.

Für die Politik gab es mal eine Idee von Rotation, um gewissen Gefahren vorzubeugen. Ob auch für die Polizei denkbar ... weiß nicht -  aber mehr Transparenz, mehr öffentliche Überwachung über polizeiliche Vorgänge sind dringend notwendig. Mutmaße ich.

Gruß Heiko
"I would prefer not to."

Clas

Moin Heiko,

erstaunlich finde ich, dass es so lange dauert, bis da eine Anzeige kommt. Als Beamter muss einer unverzüglich anzeigen, wenn er Kenntnis erhält, sonst hat er schon angefangen, zu vereiteln, und da scheint mir die Leitung der nunmehr doch schließlich angezeigt habenden Beamten arg lang, oder es lag zuviel falsch verstandene Kollegialität drauf, mutmaßlich.

Gruß Clas
"Ach, das Risiko...!" sagte der Bundesbeamte für Risikoabschätzung abschätzig...