Philosophie, Wissenschaft und Forschung

Begonnen von Bastian, 07. Januar 2005, 21:51:17

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Alex

#200
Leider aber auch: peg-pumpen zur quasi-ewigen Ernährung (quasi)-hirntoter Menschen :-/

whoknows

Ich denke, sie müssten in der Sterbehilfe -Debatte weiterkommen. Es ist ein super-heikles Thema, keine Frage. Aber man muss selbst entscheiden können. Wenn ich für mich entscheide, dass ich im Notfall sterbehilfe will - dann in so einen Notfall komme, und mich um-entscheide, aber es niemandem mitteilen kann - ich finde: das ist eine Verantwortung, die ich zu tragen bereit bin, und es ist allein MEINE Verantwortung. "Selber Schuld" zwei Worte, die hierzulande zu wenig Beachtung finden....

Zyankalifreund

Ich denke halt, dass die Ethik es sich nicht so leicht macht, von wegen "Selber schuld". Weiterhin eine andere Sache des GG: "Jeder hat das Recht auf körperliche Unversehrtheit und auf Leben", aber ist es auch Pflicht ? Wer will die Verantwortung auf sich nehmen einen Menschen zu töten, selbst auf sein Verlangen ? Wer will entscheiden wann der Notfall konkret eingetreten ist - also ich würd' es nicht wollen. Ich denke nicht, dass man Sterbehilfe gesetzlich so leicht regeln kann, ich gehe aber so weit mit, dass jeder eine Willensbekundung verfassen können sollte, die den Notfall genau klärt und dass Sterbehilfe dann okay geht. Die Sterbehilfe selbst sollten dann Verwandte oder Freunde leisten KÖNNEN (nicht müssen) und es sollte toleriert werden, nicht dass die dann noch ein paar auf den Deckel bekommen oder gar zu harten Strafen verklagt werden.
So viel Freiheit muss also schon sein.

whoknows

Man könnte auch Fachkräfte speziell dafür ausbilden, Sterbegleitung und bei Bedarf mehr. Natürlich muss das geregelt werden, so dass man Fehlentscheidungen so weit es möglich ist, verhindert. GANZ wird das deshalb nicht gehen, weil Menschen auch manchmal ihre Meinung ändern - aber es geht ziemlich weit. Aber ich möchte nicht nur das REcht auf Leben haben, sondern auch das Recht auf Tod - und warum sollte das problemlos gehen, solange ich mich noch bewegen kann - aber just dann, wenn mein Leben für mich nciht mehr lebenswert ist, und ich unfähig bin, selber bis zum Fenster im fünften Stock zu kommen - dann MUSS ich leben?

Sense

Leider ja. Da der Mensch von Natur aus nicht auf Suizid ausgericht ist bleibt nur die Möglichkeit durch Zufügen eines Totalschadens - mit welchen Mitteln auch immer - dem Leben ein Ende zu setzen. Wenn wir in Lage versetzt wären, die lebenserhaltenden Vorgänge in unserem Körper Kraft eigener Gedanken zu stoppen, dann wären wir wirklich frei. Imposant finde ich eigene die Begrenzung der Lebenserwartung wie im Film "Harald and Maude", aber auch hier ist vorrausgesetzt das der böse Zufall nicht unerwartet zuschlägt. Bleibt als Trost nur "Nichts ist ewig..."

Bassmeister

#205
Das ist der einzige ECHTE Trost, den ich kenne. Ganz oft wird ja angeführt "anderen geht es auch nicht besser" -> ist kein Trost, denn das schafft keine Aussicht auf Änderung der Situation.

Von Natur aus ist der Mensch aber auch nicht darauf ausgerichtet, als zahnloses, nicht mehr laufen könnendes und auch sonst sehr desolates Wesen dahin zu vegetieren. Jeder Hase, der nicht mehr so schnell rennen kann, wie es erforderlich ist, der wird vom Fuchs geholt. Nur der Mensch treibt diese seltsame Blüte langer, bisweilen sehr widernatürlicher Lebenserhaltung. Wozu?
[size=9]Nicht alles, was zwei Backen hat, ist ein Gesicht...[/size]

Sense

Offensichtlich hat das mit "Käfighaltung" zu tun. Eine Katze, die 20 Jahre alt wird oder ein Wellensittich den mit 10 Jahren irgendein Zivilisationsleiden rafft - beides waren nicht von der Evolution für diese Art zu Leben (oder zu Sterben)  prädistiniert. Selbst wenn uns in der jüngeren Steinzeit lebend ein Ende mit durchschnittlich 18! ereilt hätte - die Auswertung der Knochenfunde jener Zeit geben Hinweise auf ein so unglaublich hartes Leben und elendes frühes Sterben das wohl keiner, sich dieser Umstände ernsthaft Bewusster, wirklich in diese Zeit versetzen würde. Ich zumindest stelle mir ein langsames Ableben, z.B. wegen einem vereiterten Backenzahn grauenhaft vor. Die subjektiv erlebte "Abfahrt" von einer Krebsstation aus dürfte trotzdem auf das gleiche herauskommen. Zu schade das es keine "Vorher/Nachher" - Berichte von Betroffenen über das eigene Sterben gibt, zumindest kann ich mit den Memoiren sog. Kurztoter nichts anfangen und der Rest sagt ja bekanntermassen auch nichts mehr. Aber was solls - die 70-er Jahre mit der Illusion von ewig sich weiterentwickelndem Wohlstand sind lang vorbei und die Auswirkungen des H. Sapiens auf die Welt wird die Frage der Lebensqualität im vorgerückten Alter schneller überflüssig machen als uns lieb sein wird. Wissenschaftlich scheint klar zu sein, das sich das biologische Alter in den letzten 10000 Jahren nicht verändert hat, d.h. bei guter Ernährung etc. werden die Menschen nur mangels Verschleiss oder besserer medizinischer Versorgung älter. Wünschenswert oder nicht ist immer individueller Bewertung und Konstitution überlassen. Objektiv könnte aber argumentiert werden, das nach unserem Beitrag zur potentiellen Unsterblichkeit der Menschheit ( also Kindern) und deren Begleitung bis zur erfolgreichen Selbstversorgung unsere Anwesenheit nur noch unnötig Platz und Energie verbraucht. Der unbedingte Wille des Individuums zu überleben  ist jedoch nicht an Alter und Umstände gebunden. Der von und für uns selbstkonstruierte, zentralgeheizte Käfig mit automatischer Futterversorgung lässt uns momentan älter werden als dies jemals zuvor in Geschichte möglich war. Dies entspricht nicht den üblichen Umständen in der Natur.  Erbanlagen, die Fitness und Gesundheit bis ans Lebensende garatieren, sind unter diesen Umständen keine Glückssache sondern reiner Zufall. Eine Anpassung unser Physis an den z.Zt. herrschenden Wohlstand dürfte mit dem Tempo der Evolution noch einige tausend Generationen in Anspruch nehmen, also keine realistische Option, so wie's momentan scheint.

whoknows

Was ich weiters faszinierend finde, ist, dass sich auch die Jugend ändert: Die Kinder werden heute früher geschlechtsreif.

Bastian

Aber die Alten werden schneller impotent.

Also: Was haben sie davon??
[smiley=old_rolleyes.gif]

whoknows

Ach?
du sprichst aus eigener Erfahrung, nehme ich an. ;) ;D

Bassmeister

#210
Sense, Dein Beitrag bekräftigt noch, was ich sagen wollte. Je weiter der Mensch das mit dem Wohlstand treibt, desto mehr entfernt er sich damit von seinen natürlichen Wurzeln.
Und zerstört die Natur damit auch. Oder warum sonst steht wirtschaftlicher Erfolg (scheinbar??) immer im Widerspruch zum so genannten Umweltschutz?
Er (der Mensch) hat leider keine Chance, dem zu entrinnen, denn das beginnt schon, indem das Baby wenige Minuten nach der Geburt die ersten Klamotten übergestreift bekommt. Immer mehr ist der Mensch auf Hilfe "von da draußen" angewiesen.
Wenns mal wirklich hart auf hart käme (z.B. wenn eine ganz große Katastrophe unsere ganze Infrastruktur zerstören würde), dann wäre es ziemlich schnell vorbei mit uns.
[size=9]Nicht alles, was zwei Backen hat, ist ein Gesicht...[/size]

whoknows

Es ist auch immer wieder verblüffend, wenn man sich bei irgendwas mal einschränken muss - zB aus Geldmangel oder weil man halt grad kein Hotelzimmer mit Dusche drin kriegt, oder weil das Auto nu mal auf eine Weile in der reparatur ist- und zuerst denkt man: Huch? Aber dann merkt man, was man alles eigentlich NICHT braucht....

Bassmeister

Auch wieder sehr wahr. Wie finde ich nun die Balance zwischen Überfluß-Wahnsinn und Askese?
[size=9]Nicht alles, was zwei Backen hat, ist ein Gesicht...[/size]

Bastian

#213
ZitatEr (der Mensch) hat leider keine Chance, dem zu entrinnen, denn das beginnt schon, indem das Baby wenige Minuten nach der Geburt die ersten Klamotten übergestreift bekommt. Immer mehr ist der Mensch auf Hilfe "von da draußen" angewiesen.

Nun, der Mensch ist in Punkto Selbstschutz von Mutter Natur wahrlich nicht begünstigt worden:

Er kommt viel zu früh auf die Welt, mit Glatze und ohne Weitblick. Er kann zwei Jahre lang kaum gehen und kackt sich dabei ständig in die Hose (wenn er denn eine hat). Dann beginnt er komisches Zeug zu reden, niemand versteht ihn, bis er etwa einen Meter groß ist. Dann beginnt er "fangen" zu spielen, und kann sich dabei selbst nur schwer auf den Beinen halten. Er fällt oft um und brüllt ungeniert in der Savanne herum.

Später wachsen ihm Haare an völlig lächerlichen Stellen, dafür bekommt er zum Ausgleich Sonnenbrand auf den Schultern und Akne im Gesicht. Wenn er schwimmen kann, dann schafft er es allenfalls quer über den Fluss zum anderen Ufer. Wenn er nicht schwimmen kann, dann schafft er es eben nicht. Fliegen kann er schon gar nicht, und wenn er auf einen Baum klettert, weiß er nicht wie er herunterkommen soll.

Wird der Mensch alt, schrumpft er wieder ein wenig. Um die Kurzsichtigkeit aus Säuglingszeiten auszugleichen, wird er jetzt weitsichtig, er klagt über Lendenwirbel und Hörschwierigkeiten. Er bekommt wieder eine Glatze (die lächerlichen Stellen werden nur grau), er fängt wieder an komisches Zeug zu reden, das niemand versteht. Er kann ohne Hilfsmittel nur noch schwer gehen, und wenn er Pech hat, passiert ihm auch schon wieder die Sache mit der Hose...

(Wenn er denn eine hat.)

Wer soll den ernst nehmen?!

Ja, und jetzt zahlt der Mensch es Mutter Natur zurück, indem er sie nach seinem Gusto umbaut... Auch nicht gerade ein Zeichen von Reife.

Bassmeister

Du bringst das wunderbar auf den Punkt.

Und das seltsamse ist: Der Mensch kann sich selber seltsam finden! Dieses Meta-Denken ist wohl in der Natur einmalig, jedenfalls kenne ich kein Tier, das sich diesen Luxus leistet.
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whoknows

ZitatDer Mensch kann sich selber seltsam finden! .

Schlimmer noch. Wenn er auch nur eine Gehirnzelle hat, dann MUSS er. ;)

Alexander

#216
Ich seh´s nicht (nur) schlimmer.
Das ist eine wenn nicht die Grundlage für kreatives Potential (von Shakespeare bis Priklopil).
,,Die Kunst ist eben keine hübsche Zuwaage – sie ist die Nabelschnur, die uns mit dem Göttlichen verbindet, sie garantiert unser Mensch-Sein." (Nikolaus Harnoncourt)