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Kunst-Entartung

Begonnen von Anke, 15. September 2007, 19:13:45

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Anke

Und gleich das nächste Politikum:

http://afp.google.com/article/ALeqM5hh4NklxUlbwmGZHp1BaoNuJ3es1Q

ZitatKöln (AFP) — Mit seinen Äußerungen zu "entarteter" Kultur hat der Kölner Erzbischof Joachim Meisner Empörung bei Politikern und Künstlern ausgelöst. Der Kölner Künstler Gerhard Richter warf dem Kardinal in der "Bild am Sonntag" eine "schlimme Entgleisung" vor, nachdem Meisner das der Nazi-Terminologie entlehnte Wort "entartet" bei einer Museumseröffnung in Köln verwendet hatte.

[...]

Meisner hatte am Freitag in seiner Festpredigt zur Eröffnung des neuen Kölner Diözesanmuseums die Auffassung vertreten, es gebe einen "unaufgebbaren Zusammenhang zwischen Kultur und Kult". "Dort, wo die Kultur vom Kultus, von der Gottesverehrung abgekoppelt wird, erstarrt der Kultus im Ritualismus und die Kultur entartet. Sie verliert ihre Mitte", sagte der Kardinal im Kölner Dom. Im Kölner "Domradio" hatte Meisner anschließend seine Wortwahl verteidigt. Er habe "nur ganz schlicht damit sagen" wollen, dass, "wenn man Kunst und Kultur auseinander bringt", beides Schaden erleide.

ZitatDie Reaktionen der Öffentlichkeit und das Presseecho habe Meisner getroffen, räumte Schwaderlapp ein: ,,Zumal es diametral entgegengesetzt ist zu dem, was er gemeint hat."

Hat der Kardinal mit seiner These Recht?  :question

Und wollte uns der Kardinal noch etwas anderes damit sagen?  :question



Mal so in den Raum gefragt:

Darf man nicht mehr behaupten, dass "Kunst entarten kann", weil die Nazis das schon behauptet haben  :question,

oder nur deswegen nicht, weil diese Aussage, dass Kunst entarten könne, vielleicht nicht stimmt?  :question

Lanie

#1
"Dort, wo die Kultur vom Kultus, von der Gottesverehrung abgekoppelt wird, erstarrt der Kultus im Ritualismus und die Kultur entartet.Sie verliert ihre Mitte"

1.

Damit unterstellt der Herr ja quasi, dass ohne Gottesverehrung Kultur nicht möglich wäre. So ist er vieleicht ein guter Marktschreier, aber doch kein guter Theologe oder gar Philosoph.

Selbstverständlich geht Kultur ein transzendaler Moment voraus, jedoch zu behaupten, jener Moment könne nur im göttlichen gefunden werden, ist natürlich absurd. Rituale sind immer etwas Starres, da sie eben nur reproduzieren, auch wenn ihnen die Möglichkeit zusteht, sich zu verändern, um dann etwas neues zu schaffen, so ist dies nicht ihr Zweck.
Sie sind eben nur Wiederholungen, um den Gottes-/transz. Moment überhaupt für die Masse begreiflich, ja teilbar zu machen, und um dabei sozial intigrativen Nutzen zu ziehen, welcher einem Kunstwerk ansich ja eher selten beschieden ist. Die Mitte der Kunst kann nur die begriffliche Reflexion des Künstlers sein, jene ist eben unteilbar, individuell, unsagbar, bis sie sich dem Künstler selbst übersteigert, im geistigen Erguss endet.

Der christliche Philosoph Cusanus hatte das ja gut verstanden. Er teilte die Denkwelt des Menschens ins sensatio, ratio, intellectus ein und sprach dem letzteren eben den göttlichen bzw. den transzendal übersteigerten Moment zu.
Dieser Moment allerdings kann genauso im Materialismus stattfinden wie im kirchlichen Idealstaat, eben weil Kreativität, Kulturschaffung, Metaphysik ein geistiges Produkt ist, das die Geschichte nicht vernichten kann, höchstens unterdrücken.
Da  jene Kultur unter Dauerfeuer im Kapitalismus steht, wird wahrscheinlich seine christliche Welt als Gegenstück herhalten müssen, jedoch ist dies ekelhaft: Dem neuen Grauen, die alte Verklärung entgegensetzten anstatt beiden zu überflügeln.

2.

Natürlich darf man "entartet" sagen, man darf auch "Scheisse", "Rudelfick im Altersheim" und "ich mag Stalin" sagen, jedoch zeugt die Benutzung von "entartet" schon von einer ganz bestimmten Denkensweise. Entartet bedeutet ja schlichtweg, dass die Kultur der Art nicht gerecht ist. Dabei ist es umso erstaunlicher, dass früher der Expressionismus bzw die Moderne Kunst nicht der Zeit und Art gerecht gewesen sein soll, wo sie doch, im Nachhinein eine, wenn nicht die beste, Quelle zum emotionalen Zeitverständniss bieten. (auch in christlichen Fragen)
Eher habe ich das Gefühl, dass der Herr Kultur mit Kulturindustrie verwechselt.
Denn jene artet wirklich in materielle, hohle, unemanzipierte Werte aus, die sich gegen den heutigen Anspruch des Christentums wie gegen die Ideale des Humanismus oder des freien Menschen richten.Ergo möchte ich sogar behaupten, hier spricht jemand von etwas, von dem er keine Ahnung hat, aber immerhin einen tiefsitzenden Schmerz.

kurz gehaltene grüße Lanie

whoknows

Wobei mir der Rudelfick im Altersheim ziemlich gut gefällt. ;D
Kunst kann nicht "entarten" - entweder es IST Kunst, oder jemand findet eben, irgendwas, was angeblich als Kunst gemeint war, sei eben keine. Das ist jedermanns gutes Recht. Und lässt in den meisten Fällen (!)mehr Rückschlüsse über den jeweiligen Rezipienten zu, als über den Künstler.

Kunst, die ich nicht mag, ist eben Kunst, die ich nicht mag. Ich finde, man hat das dann aber auch anders zu begründen.
Jedenfalls: Ich kann Dir nur Recht geben, Lanie.

Andrea

Derjenige, der findet, dass Kunst entartet, spricht jemandem, der sie macht, sein Können ab, finde ich. Das ist ganz schön heikel.
Hierzu fällt mir Kunst ein, die ich in Kassel in der Hand hatte. Ich habe mich mit dem Künstler sehr lange darüber unterhalten, was er damit bewirken und bezwecken möchte. Mir persönlich ist das zu ääm zu esotherisch. Aber es wäre vermessen von mir, Christian seine Kunst mit dem Wachsblock abzusprechen, indem ich sie als "entartet" bezeichnen würde.
Und damit Ihr Euch selbst ein Bild dazu machen könnt:
www.wachsblock.de
Zum Licht gehört der Schatten, zum Tag die Nacht. Das musst du dir so oft sagen, bis du es weißt und für selbstverständlich hältst. Dann kannst du nicht enttäuscht darüber sein. Denn leben heißt: Das

whoknows

Mir persönlich ist diese Art von Kunst - inzwischen schon nachgerade ein eigenes Genre - zu verkopft.
Ich mag Kunst, die mir quasi automatisch einen Gedanken oder ein Gefühl gibt, mehr als jene, die mehrere Seiten Erklärung braucht, damit man was dazu denken oder fühlen kann.

Andrea

Wenn Du den Wachsblock meinst: Mir ist es irgendwie viel zu kompliziert, mir einen kleinen Wachsblock geben, nein, schicken zu lassen, den ich dann später wieder zurück schicken muss, damit er mit dem Ursprungswachsblock, aus dem alle verschickten Wachsblöcke bestehen, wieder verschmolzen wird. Und ein Wachblock im Rollstuhl ääm nö, das ist mir echt zu abgefahren. Was werden denn die Leute in Kassel gedacht haben, die dem Wachsblock-Rolli begegnet sind?
Der Wachsblock wurde übrigens nach jeder Fahrt zum Publikum wieder ganz weit oben in der Station 15 im Treppenhaus geparkt, mit einer Leiter, damit ihn niemand zu sehr anfassen kann... Ich durfte ihn anfassen. Und die Verbindung Wachsblock und Politik ist mir auch zu hoch.
Zum Licht gehört der Schatten, zum Tag die Nacht. Das musst du dir so oft sagen, bis du es weißt und für selbstverständlich hältst. Dann kannst du nicht enttäuscht darüber sein. Denn leben heißt: Das

whoknows

Zitatdie Verbindung Wachsblock und Politik

Also DA fällt mir schon einiges dazu ein. ;)

Anke

#7
@ Lanie

Dein Beitrag hat mich beeindruckt, und ich stimme dir zu.  :)



@ andrea, whoknows

Ich krieg schon Kopfschmerzen, wenn ich so lange kleine, schlecht gegliederte Texte sehe, noch dazu als Erklärung zu einem Kunstwerk.  :-/

Auch wenn viele das als banausisch ansehen, bin ich nach wie vor der Meinung, dass Kunst aus sich selbst sprechen muss und echte Kunst das auch tut - egal, ob Malerei, Bildhauerei, Musik, Tanz oder sonst etwas.  :P Die prähistorischen Höhlenmaler oder Bildhauer haben auch keine Erklärungstexte dazugeschrieben und trotzdem bleibt einem spontan der Atem stehen, wenn man sie zu sehen oder hören bekommt. So muss es m.E. sein und so ist es m.E. auch.  

Deswegen habe ich den Wachsblock-Text nicht gelesen.

Allerdings übt Wachs an sich eine große Faszination auf mich aus, und mir gefällt der Block deswegen schon rein optisch-ästhetisch-chemisch. Man kann ihn ja wohl sogar essen.  8-) Vielleicht hätte der Künstler sich den ganzen theoretischen Unter- und Überbau dazu sparen können.  ;)



Andrea

Nachdem ich den Künstler live erlebt habe, hat mir die Erzählung zum Objekt schon gereicht. Für Wachsblock.de hab ich mir noch nicht die Zeit genommen. Soweit ich weiß, hatte er in letzter Zeit auch nicht den Erfolg, den er sich von dem ganzen Bremborium versprochen hat. Stimmt, Whoknows, es ist verkopft, was er da macht. Deshalb könnte ich auch nicht wiedergeben, was er mir alles erzählt hat. Denselben Sermon, der halt auf der Homepage steht.
Zum Licht gehört der Schatten, zum Tag die Nacht. Das musst du dir so oft sagen, bis du es weißt und für selbstverständlich hältst. Dann kannst du nicht enttäuscht darüber sein. Denn leben heißt: Das

Katinka Koschka

Ich denke auch dass ein Wort wie entartet mit Vorsicht behandelt werden sollte wenn man etwas wie Kunst kritisieren will.
Allerdings glaub ich auch, dass es z.B. bei Keimzeits harmlosen Popstück "Kling Klang" auch harmlos gemeint ist:
An der Westküste dann die Promenade runter
wo schon der Kapitän wartet.
"Guten Tag, zweimal bis nach Feuerland bitte!"
Das Schiff ist leicht entartet.


Und bei dem Wachsblock muss ich irgendwie an diese "Installation" denken, die ein hehrer Künstler hergestellt hat und die versehendlich von einer Putzfrau entsorgt wurde... :o ;D [smiley=old_lipsrsealed.gif] ;)
Apripi -das heißt- apropos, Halli halli hallo