Immer diese Journalisten...

Begonnen von Bastian, 24. Mai 2005, 21:08:41

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Sandra



Bastian

#27
Na, so schön finde ich ihn ehrlich gesagt nicht. Der Artikel ist nämlich ein eben solches Symptom für die Schiefe im politischen J., wie das Thema, dessen er sich anzunehmen versucht. Leider ohne sich mit diesem Thema wirklich auseinanderzusetzen. Er hat schon sehr den Unterton: "Wir Journalisten können nicht anders, es ist eben so. Kritik trifft uns nicht, weil es eben so ist wie es ist..." Eine bloße Beschreibung, keine Reflexion.

Auch dem Autor dieses Artikels würde ich sagen: "Du hast einen reinen Bericht verfasst und vor Allem nichts hinterfragt oder überprüft. Wie viele derjenigen, die heute in der Kritik stehen. Das Thema 'Politischer Journalismus' hätte zwar eindeutig nach einer Analyse desselben verlangt, ja, geradezu gedrängt, aber ich lese eine unreflektierte Collage einzelner Erlebnisse und Ereignisse. Allerdings, da du den Text auch nur "Frontbericht" nennst, hast du zwar das Thema verfehlt, aber immerhin die Form gewahrt. Also darfst du dich wohl setzen aber bekommst keine sechs. Aber eben auch keine zwei oder drei. Du hast dir eben wenig vorgenommen und dieses auch erfüllt. Du hast einige, für dich alltägliche Situationen gesammelt (von der "Front") und sie in einem Bericht aneinandergereiht. Nichts erhellt, keine Information selektiert, nichts analysiert, nichts bewertet und nichts daraus geschlossen. Ein Fähnchen in der lauen Luft. Getrieben ohne eigenen Antrieb oder eigene Möglichkeiten...

Die einzige Conclusio, die ich aus diesem Bericht ziehen kann, ist dass ich als Leser ein wenig Verständnis für J. aufbringen soll. Nicht Interesse oder tiefergehende Neugierde an den Dingen, denn die werden nicht bedient. Sondern Verständnis gegenüber dem, das halt so ist wie es ist. Diesen Schluss ziehst du auch selbst, denn du schließt mit den Sätzen:
ZitatSo geht es hin und her. Jeder Bericht erzwingt den nächsten, immer gibt es ein Thema, immer ist jemand am Zug. Nur so, nicht anders kann es weitergehen.  Es gibt diese Shows, Sendungen, Zeitungen, Zeitschriften und Magazine. Es gibt leere Seiten, Kassetten und Bänder. Es muss weiter geschrieben und gesendet werden. Dieser Text ist da keine Ausnahme. Es gab den Platz dafür.

Und?? Hätte man diesen Platz nicht nutzen können?

Ein Fähnchen- wie gesagt. Keine "vierte Gewalt", nicht einmal annähernd. Aber eines muss ich dann doch lobend erwähnen. Der wichtigste Satz steht in der Einleitung: 'Falls Sie von Politik und Palaver genug haben, müssen Sie schon selber abschalten.'

Ich bedanke mich für den Hinweis. Von dieser Möglichkeit mache ich täglich gebrauch. Für diesen Artikel habe ich nur eine Ausnahme gemacht."

Bastian

 :D Aber danke, dass du ihn gepostet hast, Sandra. :-* :D

Sandra

#29
ZitatAuch dem Autor dieses Artikels würde ich sagen: "Du hast einen reinen Bericht verfasst und vor Allem nichts hinterfragt oder überprüft.

Das ist das Wesen des reinen Berichts, der subjektive Blick, und genau das ist auch, was mir daran so gefällt: Dass er eben mal nicht dem Leser eine Meinung geben will, jedenfalls nicht ganz so glatt und undurchdringlich wie meistens. Man guckt - oder besser: man bekommt das Gefühl, man guckt mal so dem Treiben zu und kann sich dann selbst einen Reim drauf machen. Es fasst durch diesen "subjektiven Blick von oben" auf eine für mich sehr passende Weise genau das Unbehagen zusammen, dass man angeischts der politischen Schreibe so verspürt. Man versteht plötzlich, warum man das spürt. Und dass er am Schluss ganz klar benennt, dass der Artikel eine Art  Vexierspiel ist - also genau das tut, was es bekrittelt - halte ich für sehr ehrenhaft. Dadurch wird auch klar, dass diese "Kamerablicke", die man da gelesen hat, eben keine Kamerablicke waren, sondern ganz genauso ein politischer Journalist, der davon lebt, so zu tun, als hätte er eine Einsicht, die andere nicht haben. Damit stellt er sich selbst in Frage - und hilft dem Leser dabei, sich von dem Text wieder zu disktancieren - was andere derartige: ich schreibe einen Bericht-Artikel nicht tun. Die tun so, als seien sie die objektive Kamera.
Mir hat der Artikel etwas deutlich gemacht, was ich diffus vorher verspürte. Und das gefällt mir daran.

Andrea

Ich konnte leider aus mir schleierhaften Gründen nur die erste Seite des Artikels lesen. Und da ich von meinem PC zum Abschalten gezwungen wurde, bitte ich euch, mir den Artikel zu schicken. Danke!!!
Zum Licht gehört der Schatten, zum Tag die Nacht. Das musst du dir so oft sagen, bis du es weißt und für selbstverständlich hältst. Dann kannst du nicht enttäuscht darüber sein. Denn leben heißt: Das

Andrea

Der, der diesen Artikel geschrieben hat, hat nicht gut recherchiert, denn
hätte er das getan, wüsste er, dass sein Artikel jeder Grundlage entbehrt,
weil das Blindengeld ein Nachteilsausgleich für blinde und Sehbehinderte
Menschen ist , das - eben wegen des Nachteils - einkommensunabhängig bezahlt
wird bzw. hoffentlich noch lange bezahlt wird. Der Typ hat nicht begriffen
oder nicht nachrecherchiert, dass das Blindengeld für blindenspezifische
Ausgaben wie Taxi, Blindenhilfsmittel, Putzfrau etc. da ist.

Die Blinden mit dem scharfen Blick
Kolumne
von Konrad Adam

Der Mob, sagt Hannah Arendt in ihrer Untersuchung über die Ursprünge
totalitärer Herrschaft, der Mob ist das Volk in der Karikatur. Vor ein paar
Tagen habe ich es gesehen, in Erfurt, wo sich die Blinden zu einer
Großdemonstration gegen die Pläne der Landesregierung versammelt hatten, das
Blindengeld für viele zu kürzen, um es für wenige bündeln zu können.
5000 Leute, die sich selbst als Betroffene ausgaben, waren gekommen, um mit
den üblichen Mitteln des gewerkschaftlich organisierten Arbeitskampfes, mit
gelben Kappen, Trillerpfeifen und wüsten Parolen, ihrem Ärger Luft zu
machen.

Die erste, nicht ganz überraschende Entdeckung, die man bei dieser
Gelegenheit machen konnte: Die meisten Blinden sind gar nicht blind. Nur ein
Bruchteil war auf den Blindenhund, den Blindenstock oder den Beistand von
Mitreisenden angewiesen, um sich beim Weg über die Treppen und durch die
Gänge des arg verwinkelten Hauptbahnhofs nicht zu verirren. Der große Rest
kam ohne solche Hilfen aus. Sowohl auf dem Bahnhofsvorplatz, wo man sich
einstimmte, als auch beim Weg durch die Straßen der Stadt fand er sich
offensichtlich gut zurecht. Er mag sich sehbehindert nennen, blind ist er
nicht.

Der zuständige Verband war eben clever, als er sich neben den Blinden auch
die Sehbehinderten einverleibte. Auf diese Art erhält man sich die Klientel
und damit die Geschäftsgrundlage. Sehschwach sind schließlich viele, im
vorgerückten Alter fast alle; wenn dann auch noch der Graue oder Grüne Star
hinzukommt und man mit Netzhautablösung zu kämpfen hat, ist man schnell
sehbehindert. Kein schönes Schicksal, aber auch kein Grund, von Almosen zu
leben - ich weiß, wovon ich spreche. Und ganz gewiß kein Grund, sich einem
Verband anzuschließen, der die Schwächsten voranschickt, um Vorteile für
alle herauszuschlagen. Auch für die also, die sie erwiesenermaßen gar nicht
nötig haben.

Das ist die Basis sämtlicher Sozialverbände. Sie tragen ihren Namen zu
Unrecht, weil es das Gegenteil von Nächstenliebe, Caritas oder Solidarität
bedeutet, den Kreis der Begünstigten so weit zu ziehen, daß die wirklich
Bedürftigen zwangsläufig zu kurz kommen. Organisationen wie der
fälschlicherweise immer noch sogenannte Sozialverband oder der VdK leben
davon, Leistungen, die einstmals aus ganz anderen Gründen versprochen worden
waren, und Ansprüche, die unter längst verjährten Umständen entstanden
sind,ohne Rücksicht auf die veränderte Lage auf Biegen und Brechen zu
verteidigen.

Das Blindengeld stammt aus derselben Zeit wie die Sektsteuer und erweist
sich als genauso zählebig wie diese. Einmal eingeführt, wird es als ein
Besitzstand angesehen, den anzutasten Sünde ist. So wie die Sektsteuer den
Untergang der deutschen Hochseeflotte überlebt hat, zu deren Aufbau sie
geschaffen worden war, hat das Blindengeld die Nachkriegszeit überstanden.
Was damals als sozial gelten mochte, der Anspruch auf Hilfe unabhängig von
Einkommen und Vermögen, ist mittlerweile unsozial geworden - vorausgesetzt,
man verständigt sich auf den gemeinhin als sozial geltenden Grundsatz, daß
Ansprüche an öffentliche Kassen einen Bedarf voraussetzen, der nachgewiesen
werden muß.

Genau das wollen die Sozialverbände aber nicht. Der Anspruch aufs
Blindengeld soll in hergebrachter Form bestehen bleiben, einkommens- und
vermögensunabhängig also - so hält man seine Klientel beisammen. Der
Landesvorsitzende des Blinden- und Sehbehindertenverbandes ließ die Katze
aus dem Sack, als er nicht mehr von Hilfe in der Not, sondern vom Recht der
Blinden sprach, das eigene Vermögen zu verschonen. "Nur weil wir blind sind,
dürfen wir kein Vermögen bilden!" lamentierte er. Er kämpft um das perverse
Recht, die anderen auch dann einzuspannen, wenn man das gar nicht nötig hat.

In guten Zeiten tut sich der Sozialstaat leicht, Leistungen zu versprechen,
Ansprüche zu verbriefen und Wohltaten zu verteilen. Sie in schlechten Zeiten
wieder einzusammeln, zu kürzen oder auch nur den Versuch zu machen, sie auf
die wahrhaft Bedürftigen zu konzentrieren, ist ihm dagegen offenbar
unmöglich. Mitleid verdient er deshalb nicht, im Gegenteil, denn ihm
geschieht ja nur, was er gewollt hat. Wenn er den Menschen klarmacht, wie
schön es ist, auf Kosten anderer zu leben, darf er sich über das Ergebnis
nicht wundern. Sie tun ja nur, was sie von ihm, dem Staat, gelernt haben.

Artikel erschienen am Mo, 17. Oktober 2005
http://www.welt.de/data/2005/10/17/790019.html
Zum Licht gehört der Schatten, zum Tag die Nacht. Das musst du dir so oft sagen, bis du es weißt und für selbstverständlich hältst. Dann kannst du nicht enttäuscht darüber sein. Denn leben heißt: Das

Bastian

Reaktionärer Müll. Wenn einer schon die acht- und streitbare Hannah Arendt und ihre Thesen zum Nazionalsozialismus sachfremd gebraucht, muss einem schon nach dem ersten Satz klar sein, dass der Rest der Glosse offenbar diese Aufblähung braucht um überhaupt Gehör zu finden.

Möge er mir einen blinden Spitzenverdiener zeigen, dann könnte ich in Ansätzen nachvollziehen was er meint. So kann ich es jedenfalls nicht.

whoknows


Andrea

Wir machen jetzt schon kleine Radiobeiträge zu dem Thema, und wir schreiben Leserbriefe. Ich mach das morgen. Falls noch jemand möchte:
forum@welt.de
Was ich am Härtesten - persönlich am Härtesten - an dem Artikel finde, ist dass er die angreift, die es viel schwerer haben als ich. Er greift die Sehbehinderten an. Okay, wenn bei jemandem die Sicht gleich bleibt wie sie von Geburt an war, geht es ihm wie mir, er vermisst nix. Aber die, die früher ganz normal sehen konnten, die sich vom Sehen trennen müssen, entweder durch einen Unfall oder durch die langsame Erblindung bei Retinitis Pigmentosa, die vermissen das, was sie hatten. Die haben's viel schwerer als wir Vollblinden. Oder besser: als wir Geburtsblinden. Und die, ob die sicher oder unsicher gheen und wieviel sie sehen, das vermag ein normal Sehender nur schwer zu beurteilen, weil das bei jedem anders ist. Der eine hat einen Führhund und kann Zeitung lesen (Röhrensichtigkeit), der nächste sieht was weiß ich... Aber für die meisten Sehenden gibt's nur entweder sehend oder blind. Alles, was dazwischen ist, kennen die nicht. Die difamieren die Leute täglich, und dann noch durch so einen Artikel.
Alles andere, dass er sowieso nix verstanden hat, das hat mich zwar geärgert, aber nicht so betroffen gemacht.
Zum Licht gehört der Schatten, zum Tag die Nacht. Das musst du dir so oft sagen, bis du es weißt und für selbstverständlich hältst. Dann kannst du nicht enttäuscht darüber sein. Denn leben heißt: Das

Bastian

#35
Schröder bleibt sich treu:

09:45 -- Tages-Anzeiger Online
Schröder wird Berater bei Ringier
Der Zürcher Ringier-Konzern hat den abgetretenen Bundeskanzler Gerhard Schröder als Berater engagiert.

Schröder wird sein Amt im kommenden Januar antreten, wie Ringier-Verwaltungsratspräsident Michael Ringier an einer Medienkonferenz bekannt gab. Schröder werde nicht im Verwaltungsrat oder einem anderen Gremium Einsitz nehmen, sondern als Gesprächspartner zur Verfügung stehen, präzisierte er.
Er sei überzeugt, dass Schröder mit seiner internationalen Erfahrung eine Bereicherung für das Unternehmen sei, zumal man als Verleger auch politisch aktiv sein müsse. (grü/ap)


Hätte ich gewusst, dass der "Blick" einen Berater sucht, wäre ich heute früh nicht zum Arbeitsamt gefahren, sondern nach Zürich.
Aber leider wusste ich es nicht.

Alexander

#36
Die hätten Dich sowieso nicht genommen. Die nehmen Blender und Opportunisten, keine Könner und Idealisten.
Herzlicher Gruß
Alexander
PS: Selbst wenn sie Dich genommen hätten: Einer der am Klavier und mit der Gitarre so einfühlsam begleiten kann (und sicher noch viel mehr, ich kenn´ halt bisher nur das und die spannende Maxi CD), der kann sich nicht auf Dauer verstellen und "souverän mitspielen in der Medien-Maschinerie".
,,Die Kunst ist eben keine hübsche Zuwaage – sie ist die Nabelschnur, die uns mit dem Göttlichen verbindet, sie garantiert unser Mensch-Sein." (Nikolaus Harnoncourt)

Guntram

http://morgenpost.berlin1.de/content/2005/11/25/politik/794226.html

Ich findes es bezeichnend das der neue Arbeitgeber Schröder wörtlich als "Türöffner" für die Auslandsgeschäfte benennt. Vom Politiker zum Lobbyisten - paßt zu ihm :P
Träume sind nicht Schäume, sind nicht Schall und Rauch,
sondern unser Leben so wie wache Stunden auch.
Wirklichkeit heißt Spesen, Träume sind Ertrag. Träume sind uns sicher schwarz auf weiß wie Nac