Es kommt näher....

Begonnen von Sandra, 13. Oktober 2004, 16:08:53

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Andrea

Klar. Für mich ist das einfach ein Beispiel dafür, dass je weniger die Leute haben oder zu haben meinen, umso mehr reagieren sie ausländerfeindlich (Hätten die nicht so viel Geld vom Staat, dann wären wir jetzt nicht so weit...). Aber eben das ist eine Milchmädchenrechnung, denn es liegt nicht an den Ausländern - also an uns -, dass Hartz 4 eingeführt wird. So Sätze wie: "Warum hast du denn als Österreicherin solche Schwierigkeiten, während doch den anderen Ausländern die Kohle in den Arsch geschoben wird?" hab ich nicht nur einmal gehört undzwar auch von Leuten, von denen ich das nicht erwartet habe. Jetzt hab ich die Schwierigkeiten ja nicht mehr. Jetzt hab ich ja eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung. Ich glaube aber auch nicht, dass andere Ausländer es einfacher haben oder hatten als ich.
Zum Licht gehört der Schatten, zum Tag die Nacht. Das musst du dir so oft sagen, bis du es weißt und für selbstverständlich hältst. Dann kannst du nicht enttäuscht darüber sein. Denn leben heißt: Das

Dagmar

Doch das glaube ich schon (Das ist jetzt ganz unabhängig von Dir, Andrea)! Es ist  eine Tatsache, dass in Krisenzeiten Menschen ihre Ängste auf das Andersartige projizieren. Wenn gesagt wird "den Ausländern wird das in den Hintern geschoben", dann denken solche Leute an Farbige, an Russlanddeutsche, an Türken, an anders Wirkende. Österreicher wirken auf Deutsche dieser Gattung wie Deutsche. Tumb und dumb stellen sie fest: Die sehen genauso aus, haben die gleiche Hautfarbe und sprechen die gleiche Sprache - also sind sie wie Deutsche. Der dahinten ist dunkel, spricht so'nen komischen Akzent, den versteht man ja gar nicht, der hat 'ne andere Religion, der hat keine Arbeit, der lebt von meinen Steuergeldern, der ist schuld, dass ich keine Arbeit hab' ". So - oder so ähnlich.

Die eigenen (übertriebenen ?) Ängste lassen die Leute nach Verantwortlichen suchen - DIE Ausländer sind die Andersartigen, und die sind schuld.
Je fester dir einer die Wahrheit verspricht, in Programmen und Predigten, glaube ihm nicht. Und geh' zu den Gauklern, den Clowns und den Narr'n: Dort wirst du zwar nix, doch das in Wahrheit erfahr'n.

Bassmeister

Dabei hat der "Dunkle" doch selber keine Arbeit und wenn der nicht hier wäre, würden die paar Sozialarbeiter, die diese Menschen betreuen, auch noch arbeitslos.
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christian

Sooo, ich muss nochmal drauf zurückkommen - wer soll auch diesem so schnell explodierendem thread noch folgen?!

Zitat... Verbieten, das ist auch meine Meinung, ist wirklich das letzte Mittel, wenn nix anderes mehr hilft. Und ich finde auch, dass es zu oft das erste Mittel ist...

Eine annekdote dazu aus dem echten leben (und meiner echten umgebung):

In köln meldete ein rechtsradikaler 'kampfbund' in einem stadtviertel, das kultutrell nett durchmischt ist, eine demo an. Letztendlich kamen 160 rechtsradikale und 1.500 gegendemonstranten. Der Kölner polizeipräsident konnte die demo aus irgendwelchen juristischen gründen nicht mehr verbieten lassen - und deshalb kam er auf die idee, die demo zu erlauben, ABER bei dort keine rechtsradikalen symbole zuzulassen. Was zur folge hatte (und das ist jetzt kein witz), dass polizeibeamte den nazis müllsäcke auf die bomberjacken und hakenkreuze klebten. Skinheads durften auch keine springerstiefel tragen, sondern mussten in ebendiesen müllsäcken über die straßen schlurfen; was natürlich ein absolut lächerliches bild abgab.

Das ist natürlich schon wieder so etwas wie karneval, aber zeigt auch auf schöne art, dass man mit verbieten nicht überall zum ziel kommt, aber mit ein wenig mehr fantasie den gegner durch seine eigene idiotie herrlich diskreditieren kann.

christian

so, jetzt habe ich den rest auch schon mal gelesen... wir sind also mittlerweile bei de verbindung zwischen sozialraub und wachsendem rassismus angelangt - und die gibt es, auch meiner meinung nach.

ZitatAber es ist auch in vielen Fällen nur wirre panikmache. SOOO viele Leute kommen wegen Hartz 4 nicht in's strudeln, aber ALLE glauben es...

Hmmm, sandra, teils teils, es gibt dinge, die die damen und herren in den letzten jahren verabschiedet haben, die (sagen wir mal im ansatz) ganz vernünftig sind, wie z.b. einige (aber auch nur einige wenige) aspekte bei bildung und gesundheit, die irgendwie sein müssen - aber leider nicht greifen werden, weil diese bereiche einfach für die politik unterste (un-)priorität sind. Und deswegen werden diese sog. reformen auch nix positives bringen, weil die gesellschaftl. rahmenbedingungen andere sind (mäuse statt menschen).

Auch glaube ich, dass man einen ANDEREN sozialstaat braucht, wie den, den wir von früher kennen oder den, den wir heute noch in restbeständen haben. Das heißt ja aber auch nicht wieder, dass wir jede gesellschaftlich geregelte solidarität total über bord werfen sollten - und in diese richtung geht es leider (siehe kopfpauschale der cdu: millionäre und arbeitslose zahlen die gleiche krankenversicherung)

Was ich überhaupt nicht einsehen kann, ist dass es gesellschaftliche bereiche gibt, wo die größten gewinne aller zeiten erwirtschaftet werden, die steuerverflüchtigt dann in die taschen einer weniger manager und gewissenloser zocker an internationalen börsen gehen - und gleichzeitig mitteleuropäer ihre kinder in schulgebäude ohne fenster (is halt kein geld da...) shcicken müssen...

Natürlich kommt auch der rechtsradikalismus der heutigen zeit - auf der einen seite, wie dagmar sagte, durch die bedrohung und dann feindbilder etc. zustande - aber ist, so wie ich ihn sehe, einfach dumpfer egoismus. Nach dem motto: ich teile nicht mit schmarotzern.

Sandra

Zitatmillionäre und arbeitslose zahlen die gleiche krankenversicherung

Meiner Information nach wird das aber durch interne zahlungsumschübe dann schon wieder irgendwie ausgeglichen - aber klar, die Botschaft ist dieselbe. Und deswegen sägen sie ja jetzt auch die Merkel ab.

Klar, es ist viel Blödsinn auch dabei - und vor allem, das sit sicherliche die Hauptkrux wie Du sagst: Es ist alles keine STRUKTURELLE Veränderung - und die müsste es eigentlich geben.
Allein schon die Trennung in Arbeit-habende und Arbeitslose müsste sich ändern, weil es in der technologisierten Welt einfach imemr weniger Arbeit GIBT - daher ist dieses "Wir oben Ihr unten" nicht mehr funktionstüchtig. Ich hab auch keine Ideen für Alternativen, leider. Aber es krankt an der Struktur - dass man nämlich "Leistung" in Kategorien empfindet, die nicht mehr lange halten - und so diese Schmarotzer-Geschichte Zulauf kriegt.

Sandra

In Österreich - das sich mehr auf die Dienstleistungen stützt, geht's sogar nocht, denn Diestleistungen boomen. In Deutschland ist Dienstleistung keine mögliche kategorie, denn sogar die, die im Dienstleistungsgewerbe sind, empfinden sich als Gnädig, weil sie tun, was sie tun... Und hier baut man Dienstleistungen aus - daher ist die Arbeitslosigkeit bei uns auf mageren 7% - aber hier kommt es auch.

Leider: revolutionen hat es auch in Deutschland schon eine ganze Weile nicht mehr gegeben - die Verordnungen kommen von oben. In deutschland war es ja historisch so, dass das Volk eine Veränderung angemahnt hat, die dann von oben realisiert wurde. In Frankreich hat das volk immer SELBST verändert, und die oberen danach ausgesucht. Undin ösiland haben sie immer geguckt, was machen die anderen für Veränderungen, und dann - ohne dass das volk irgendwas davon wusste oder wollte oder sagen konnte - diese Veränderung dann auch bei uns durchgezogen. Hirstorisch gesehen. Wenn's jetzt wieder so ist, müssma die Franzosen motivieren, sonst geht hier nie was weiter  ;)

Bassmeister

Zitat
weil es in der technologisierten Welt einfach imemr weniger Arbeit GIBT - daher ist dieses "Wir oben Ihr unten" nicht mehr funktionstüchtig. Ich hab auch keine Ideen für Alternativen, leider. Aber es krankt an der Struktur - dass man nämlich "Leistung" in Kategorien empfindet, die nicht mehr lange halten - und so diese Schmarotzer-Geschichte Zulauf kriegt.


Darin sehe ich genau das Problem - in der Verflechtung  von Erwerbsarbeit und sozialen Leistungen. Praktisch gesagt: der Arbeiter ist zu teuer. Und dann  - weiter gedacht - überhaupt in der Verflechtung von Arbeit und Davon-Leben-Können. Denn die meiste Arbeit, die der Mensch macht  ist keine mehr im eigentlichen Sinne. Er läßt nur noch Maschinen für sich arbeiten. Wie entwickelt man nun ein System, das den Menschen nun auch in den Genuß seiner selbstgeschaffenen, lebenserleichternden Technologien bringe, ohne, daß er dabei um seine Existenz bangen muß? Alles kaputtschlagen, wie es Radikale und Revolutionäre mitunter tun, löst das Problem nicht.

Zur Naziproblematik hatte ich gestern ein hoch spannendes gespräch mit meiner Oma, einer der wenigen Menschen, die darüber nicht schweigen. Evtl machen wir noch ein richtiges Interwiew, weil die letzten, die das noch live miterlebt haben wohl nicht mehr lange auf der Welt sein werden...
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Sandra

Das ist spannend!!! Erzähl mehr darüber, bitte!

Bassmeister

Worüber? Über das Strukturproblem? Da denke ich selber schon seit Jahren dran herum, ohne eine befriedigende Lösung zu finden. Denn noch kann nicht ALLE Arbeit von den Maschinen übernommen werden, ein wenig bleibt immer noch für uns übrig. Vor allem das uns-einig-werden.

Oder über meine Oma und die Nazizeit?
Sie hat halt so´n paar geschichten aus ihrer Jugend erzählt, aus ihrer - ganz persönlichen - Sicht, die es mir schwer machen, mit der pauschalisierenden Herangehensweise ("sie waren ALLE Verbrecher") umzugehen. Das Volk ist ganz schön dumm gehalten worden, denen wurden vor allem die schönen Seiten des Lebens gezeigt, plötzlich hatten viele Arbeit, es gab Organisationen wie "Kraft durch Freude", die Reisen organisiert haben und so weiter.

Ich habe meine Großmutter das Selbe gefragt, wie Euch hier auch, wie denn die Menschen damals die Freiheitsbeschränkungen aufgenommen haben -  überraschenderweise antwortete sie mir, daß man es damals nicht so empfunden hat. Selbst JUDEN, die gewarnt worden waren, sie sollten Deutschland doch verlassen, haben das nicht gean, nach dem Motto "so schlimm wirds schon nicht" Erst gegen ENDE des Krieges gab es das böse Erwachen.

Für mich ergibt sich daraus die Frage:

Was nehmen wir heute alles nicht wahr mit unserem zugemüllten Geist? Was ist da möglicherweise schon fertig in der Schublade der Mächtigen und wovor verschließen wir die Augen? Daß es genau so wird wie bei Hitler, das glaube ich nicht, das wäre zu einfach.
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Sue

Nee, haargenauso eher nicht. Aber genau diese Frage beschäftigt mich auch, wenn ich mir die derzeitige Lage so anschaue.
Wenn man in den Bau wandert dafür, dass man bestimmte Dinge äussert ist es zu spät, wir alle müssen einfach sehr wachsam sein.
Ich finde es beim Blick in die Geschichtsbücher immer unheimlich schwer nachzuvollziehen, dass nicht urplötzlich Menschen umgebracht wurden, sondern dass es auch damals ein schleichender Prozess war.

Bassmeister

Wachsam sein ist sehr gut. Und wie umgehe ich, daß ich meine Wachsamkeit auf die falschen Dinge lenke und genau die Entscheidenden übersehe? Glück? Glaube? Scharfsinn? Die richtigen Menschen zur richtigen Zeit treffen? Kommunizieren ohne Ende?
Auf jeden Fall zuerst mal: Nicht zu sehr fürchten. Denn Furcht verstellt den Blick.
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Sandra

Das ist wohl wahr, Bassmeister.
ich denke, vor allem in Punkto Überwachungsstaat muss man beosnders achtsam sein. Denn wir kriegen es ja nicht so mit, wenn anfangs einzelne Menschen einfach verschwinden - oder wir sagen: Sie werde schon irgendwas angestellt haben. Aber vielleicht waren die auch nur "unbotmässig" oder zu weit von der Norm oder was weiss ich. Und der Datenschutz ist eine der gefährlichsten Entwicklungen der neuzeit, finde ich - denn der gläserne Menschen heisst automatisch auch: dem sich "wohlverhaltenden" passiert nix. Und was ist jetzt Wohlverhalten? Immer nur das, das gerade en vogue ist....

Gluehwuermchen

Wie kommt ihr zu der Annahme, wir müssten uns derzeit wieder fürchten? Oder sprecht ihr die ganze Zeit nur hypothetisch?

Bassmeister

#64
Zitat. Denn wir kriegen es ja nicht so mit, wenn anfangs einzelne Menschen einfach verschwinden

Genau das war es, was meine Oma im Nachhinein am meisten betroffen macht. Sie hatten drei Jüdinnen in der Klasse. Mit einer von den dreien war sie gut befreundet. Eines Tages waren sie weg. Auf die Frage, wohin, kam nur "die sind nach London gezogen". Alle drei? Und - wenn es ne freundin ist, warum hat sie nichts gesagt? Diese fragen hat sie sich leider erst hinterher gestellt.

Datenschutz und so: hier scheint der Mensch, insbesondere der deutsche Mensch mal wieder der Illusion zu erliegen, es könnte eine Sicherheit geben. Man bedenke dabei (ich sags immer wieder), daß auf der anderen Seite der Kamera ebenso Menschen sitzen. Auch die können korrupt und machtgeil und wasweißich was noch alles sein. Sicherheit oder auch Freiheit  oder Sozialismus oder nimm was du willst, setzt immer einen "besseren" Menschen voraus und den gibt es nun mal nicht. Und wenn welche sich einbilden, sie seien besser, dann geht das über kurz oder lang schief. Ich wiederhole meine (rhetorische) Frage: Wer entscheidet, was gesagt und getan werden darf? Wer beobachtet und überwacht wen? Zu welchem Zweck?
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Dagmar

#65
ZitatWie kommt ihr zu der Annahme, wir müssten uns derzeit wieder fürchten? Oder sprecht ihr die ganze Zeit nur hypothetisch?

Herzlich willkommen in unserer Mitte Glühwürmchen - falls ich das noch nicht gesagt habe.

Ich für meinen Teil spreche hier absolut gar nicht hypothetisch. Ob man sich gleich fürchten muss - weiss ich nicht. Aber sehr ernsthaft besorgt sein und sehr sehr wachsam sein, muss man auf jeden Fall in den momentanen Zeiten, finde ich.

Dass was Bassmeister zuletzt anspricht z.B.: Bei der neuen Gesetzgebung eines Otto Schily zum Beispiel, die ja aktuell schon gilt, weisst Du nicht genau, wessen Telefon gerade abgehört wird, und was mit den Daten passiert. Das finde ich sehr heftig. Muss ich demnächst bei jedem Gespräch vorsichtig sein, was ich sage? Sehr bedenklich sowas.

Oder dass in einem deutschen Fernsehsender übelst diskriminierende "Witze" von sich gegeben werden, ohne dass der Sender die Live-Schalte sofort stoppt. Das Ganze kommt dann mit fast zwei Wochen Verzögerung überhaupt erst in die Print-Presse.

Vielleicht muss man tatsächlich den geplanten Zusammenschluss von NPD und DVU nicht so bedrohlich sehen, weil eine Demokratie das tragen kann. Die hohe Anzahl von Wählerstimmen, die die bei den letzten Wahlen bekommen haben, finde ich aber schon sehr zum Fürchten. Die Stimmung in diesen Bundesländern in Sachen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus ist - zumindest nachdem was ich da erlebe, mehr als übel. Ich bin mit meiner knapp achtjährigen farbigen Tochter durch die Fußgängerzone von Dessau gelaufen. Das war ganz furchtbar - und das habe ich mir in keiner Weise eingebildet (ich lauf' ja auch sonst überall mit ihr herum und habe das so krass noch nirgendwo erlebt). Der kurze Weg durch die Fußgängerzone kam einem Spießrutenlauf gleich. Ich bin kein besonders ängstlicher Typ - ganz im Gegenteil. Aber da habe ich Angst gehabt und zwar richtig. Ich habe die ganze Reise abgebrochen und bin auf schnellstem Wege noch am selben Abend da weg. Das finde ich auch sehr zum Fürchten, vor allem wenn ich mich frage, wie das weiter geht. In welcher Gesellschaft meine Tochter zurecht kommen muss, wenn sie mal erwachsen ist.

Gestern abend habe ich eine Dokumentation im WDR gesehen über Bandenkriege im Kölner Nachtleben. Nicht im Rotlichtmillieu - nee nee, im ganz normalen Nachtleben: Discos, Kinos, Cafes und so. Ich war entsetzt: Da tobt ein Krieg (und ich meine das Wort, was ich benutze: Kriegszustand mit schweren Waffen, Pistolen, pumpguns, Handgranaten, die auf den Kölner Ringen regelmässig zum Einsatz kommen) zwischen Arabern und Türken darüber, wer die Macht hat. Das ist nichts anderes als ein Rassenkrieg im kleinen. Auch das finde ich eigentlich zum Fürchten.

Ich könnte noch mehr Beispiele bringen.

Nicht bös' sein, Glühwürmchen, aber das ist genau das Problem: "Wieso fürchten, was gibt's denn hier zu fürchten? Soooo schlimm, ist es ja nun nicht."

Und Bassmeister, wenn ich das richtig verstanden habe, was Du aus den Gesprächen mit Deiner Großmutter berichtest, dann ging das den Menschen damals ähnlich.

Die Verharmlosung - davor habe ich total Angst. Ich möchte nicht eines morgens aufwachen und feststellen müssen, dass lange schon schreckliche Dinge passieren, die ich "bloss" nicht mitbekommen habe. Ich habe Angst davor, meine Wachsamkeit zu verlieren, eingelullt zu sein in der Informationsüberflutung und in den Bildern einer Wirklichkeit, die von Medien gemacht ist, zu glauben "soo schlimm ist es ja auch nun wieder nicht". Genauso Angst habe ich davor, dass Wachsamkeit schleichend verwechselt wird mit rigider Überwachung und Kontrolle. Dann würde ich eines morgens aufwachen und feststellen müssen, dass ich zwischenzeitlich in einem Überwachungsstaat mit ein paar verbliebenen Scheinfreiheiten lebe.
Je fester dir einer die Wahrheit verspricht, in Programmen und Predigten, glaube ihm nicht. Und geh' zu den Gauklern, den Clowns und den Narr'n: Dort wirst du zwar nix, doch das in Wahrheit erfahr'n.

Gluehwuermchen

#66
Zitat

Herzlich willkommen in unserer Mitte Glühwürmchen - falls ich das noch nicht gesagt habe.

Nicht bös' sein, Glühwürmchen, aber das ist genau das Problem: "Wieso fürchten, was gibt's denn hier zu fürchten? Soooo schlimm, ist es ja nun nicht."

Keine Sorge, ich bin nicht böse, im Gegenteil, vielleicht spiele ich tatsächlich nur gerne des Teufels Anwalt.
Das Zitat, das Du mir da in den Mund legst, würde ich aber so nicht von mir gegeben haben.
Meine Zweifel habe ich eher a) an Diskussionen in einer solchen Pauschalität allgemein - da tun wir uns doch schwer
und  b) an dieser "Es kommt näher..." These, die mir ebenfalls etwas zu pauschal ist.
Ich fände es dann doch sinnvoller, wenn man die Diskussion auf Antisemitismus (anlässlich von Big Brother), gläserne Bürger oder das finstere Treiben von Genosse Otto Schily begrenzen würde. (Bezüglich letzterem liegst Du im übrigen falsch, wenn Du meinst, er würde wahllos Telefone abhören - mein letzter Stand zu dem Thema ist das Verfassungsgerichtsurteil, wenns noch neuere Entwicklungen gibt klärt mich bitte auf).

Dagmar

ZitatBezüglich letzterem liegst Du im übrigen falsch, wenn Du meinst, er würde wahllos Telefone abhören

Wahllos vielleicht nicht. Aber die Frage von Bassmeister bleibt doch:

ZitatIch wiederhole meine (rhetorische) Frage: Wer entscheidet, was gesagt und getan werden darf? Wer beobachtet und überwacht wen? Zu welchem Zweck?
Je fester dir einer die Wahrheit verspricht, in Programmen und Predigten, glaube ihm nicht. Und geh' zu den Gauklern, den Clowns und den Narr'n: Dort wirst du zwar nix, doch das in Wahrheit erfahr'n.

Gluehwuermchen

Das sind doch Fragen, die sich genau so auch konkret stellen lassen - die Entscheidung wird von Richtern getroffen, die wegen Arbeitsüberlastung die Überwachung leichtfertig genehmigen (das allerdings darf uns nachdenklich stimmen). Aber es ist doch immer noch so, daß sich die Beteiligten an das geltende Recht halten müssen, und über das kann man sich informieren. Im letzten Jahr gab es ca. 24.000 Telefonüberwachungen. Und weil im Moment gerade heiß diskutiert wird, wie lange Verbindungsdaten aufbewahrt werden, hier noch ein Bonmot:"Der internationale Terrorismus investiert 20 Cent, um an die Telefonzelle zu gehen, und hebelt damit die Vorkehrungen aus."
Mein Standpunkt: Über diese ganzen Vorgänge wird berichtet, und man kann sich informieren - warum pauschale Befürchtungen, wenn ich auch konkrete haben kann?

Sandra

Zitatwarum pauschale Befürchtungen, wenn ich auch konkrete haben kann?

hähä. ein wahres Wort.
Aber leider: Es gibt auch bei den konkreten genügend Beschwichtiger....
Und vor allem: Es gibt, wie immer, wie damals (wie auch immer) genügend, die zwar was sagen - aber nix tun - und sich vor allem im konkreten Fall - wo sie vielleicht sogar aufstehen KÖNNTEN - plötzlich still verhalten...

es sind die Tuer garnicht so gefährlich, wie die geschehen-lasser.

Bassmeister

#70
Oh je - dann kann ich mich ja sogleich einsargen lassen, damit ich durch mein Geschehen lassen (aus Angst blockiert, nicht oder zu spät mitgekriegt, mit irgend was gaanz anderem beschäftigt. . . ) nicht noch mehr Schaden anrichte.
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Andrea

Warum siehst du dich selbst als Geschehenlasser?
Zum Licht gehört der Schatten, zum Tag die Nacht. Das musst du dir so oft sagen, bis du es weißt und für selbstverständlich hältst. Dann kannst du nicht enttäuscht darüber sein. Denn leben heißt: Das

Bassmeister

Ich erinnere mich nicht, jemals bei einer Pöbelei durch Nazis, rassistischen Worten und dergleichen mehr liebevoll-kreativ eingegriffen zu haben. Also habe ich es geschehen lassen.
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Sandra

#73
Aber ich bin sicher, in sinnvollen diskussionen (und das sind die mit solchen Menschen denn doch eher selten) hältst Du nciht mit Deiner Meinung hinter dem Berg. Und wenn es hart auf hart geht - würdest Du einem Verfolgten helfen? Würdest Du Unterschriftenlisten mit Deinem richtigen Namen beglücken - ohne Rücksicht darauf, ob es jemand lesen könnte, der Dir dann schaden könnte? Versuchst du, in Deinem persöncihen Umfeld auch meinungsbildend aufzutreten?
Dann bist du kein Geschehenlasser.

Bassmeister

Heute marschieren sie wieder in Leipzig.
Nicht nur, daß diese Menschen durch die Stadt und durch die linken Viertel (!) marschieren dürfen, die Polizei spült ihnen den Weg auch noch mit Wasserwerfern frei... Kann man eigentlich nur noch auswandern?

http://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/1937073.html
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