Aktive Sterbehilfe, assistierter Suizid

Begonnen von Andrea, 27. September 2005, 16:36:13

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Andrea

Sendung vom 27.09.2005, 09:20 Uhr

Aktive Sterbehilfe, assistierter Suizid - wie weit kann humanes Sterben gehen?

Ludwig Minelli, 72 Jahre alt, Rechtsanwalt in der Nähe von Zürich, hat in der Schweiz den Verein "Dignitas" gegründet - und gestern in Hannover den deutschen
Verein dazu aus der Taufe gehoben. Dignitas tritt für den assistierten Selbstmord ein und begleitet Sterbewillige auf ihrem letzten Weg im Dignitas-Haus
in der Schweiz. Für Ludwig Minelli ist seine Art, Menschen ins Jenseits zu verhelfen, assistierter Suizid, auf keinen Fall aktive Sterbehilfe. Gegner seines
Vereins, und dazu zählen neben den Kirchen die Ärzte, machen keinen Unterschied und werfen Dignitas vor, mit dem deutschen Verein Hannover zum "Euthanasie-Zentrum"
zu machen - nachdem viele bereits in der Schweiz Abschied von Sterbewilligen genommen haben.

Was denken Sie:
Wo sind die Grenzen des humanen Sterbens? Sind aktive Sterbehilfe, assistierter Suizid weiterhin kategorisch in Deutschland abzulehnen im Vergleich mit
der Schweiz oder Belgien und Holland, in denen es Lockerungen gibt?

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Gast: Ludwig Minelli

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Moderation:
Jürgen Wiebicke

Das Tagesgespräch kann man sich auf WDR5 im Internet anhören
Zum Licht gehört der Schatten, zum Tag die Nacht. Das musst du dir so oft sagen, bis du es weißt und für selbstverständlich hältst. Dann kannst du nicht enttäuscht darüber sein. Denn leben heißt: Das

Andrea

Endlich kümmert sich mal ein Verein darum! Vielleicht kriegen es die Menschen, die sich selbst töten wollen, endlich hin, es auf eine angenehmere Weise zu tun als sich vor den Zug zu schmeißen, von einer Brücke zu springen usw.
Ich persönlich finde es auch scheiße, wenn jemand sich umbringt. Aber ich kann ihn nicht davon abhalten. Und wenn ich eine Krankheit hätte, die mich völlig hilflos machen würde, wenn ich nicht mehr sprechen, schreiben, lesen, selbstständig essen, was weiß ich - könnte, dann würde ich vielleicht dieses Leben nicht mehr als sinnvoll erachten und sterben wollen. Okay, dann müsste ich mich von Freunden nach Zürich oder Hannover bringen lassen.  Aber dann hätte ich noch die letzten Minuten MIT diesen ausgewählten Menschen und ich hätte nicht mehr das Gefühl, was Verbotenes zu tun.
Nicht jeder pubertierende Jugendliche sollte die Möglichkeit haben, sich mit Hilfe dieses Vereins zu töten. Das ist klar. - oder jedenfalls für mich. -
Wie seht Ihr das?
Zum Licht gehört der Schatten, zum Tag die Nacht. Das musst du dir so oft sagen, bis du es weißt und für selbstverständlich hältst. Dann kannst du nicht enttäuscht darüber sein. Denn leben heißt: Das

Suse

Das ist ein ganz schön schwieriges Thema. Ich teile Deine Meinung, daß es Suizidentscheidungen gibt, die ich nachvollziehbar finde. Über den Verein habe ich bereits vor längerem einen Bericht gesehen und habe einen sehr zwiespältigen Eindruck gewonnen. Irgendwas hat mich damals sehr mißtrauisch gegenüber den altruistischen Motiven gamcht. Leider ist der Bericht schon länger her, ich kann mich nicht mehr an Einzelheiten erinnern. Daß jemand, der sein Leben bei klarem Verstand und ohne Beeiträchtigung seiner Entscheidungsfähigkeit nicht mehr leben möchte, durch die Justiz eingeschränkt wird, seinen freien Willen umzusetzen finde ich nicht angemessen. Auf der anderen Seite gibt es ja das Problem, daß ich eventuell in der Situation dann meinen Willen nicht mehr deutlich machen kann, d.h. ich müßte eine rechtsgültige Patientenverfügung vorher hinterlegen, die klar genug ist und möglichst alle Eventualitäten berücksichtigt. Dazu gibt es Hilfe, denn gerade die Rechtswirksamkeit ist häufig ein Stolperstein. Schwierig ist bestimmt immer auch die Einschätzung, wie freiwillig der Entschluß zu sterben ist. Vielleicht benötigt der Betreffende eigentlich ganz andere Unterstützung? Gegen aktive Sterbehilfe wird auch häufig vorgebracht, daß sie in der Gesellschaft eine Veränderung der Akzeptanz von Beeiträchtigungen zur Folge haben könnte. Z.B. könnten sich ältere, pflegebedürftige Menschen von Angehörigen oder auch durch die "Solidar"gemeinschaft unter Druck gesetzt fühlen, ihr Leben, daß für sie trotz allem lebenswert erscheint, zu beenden. Und so Aktionen, wie sich vor einen Zug zu werfen finde ich total übel, denn dadurch macht man einen Mitmenschen zu einem Täter und der darf sich dann weiterhin mit diesem Mist rumplagen. Letztlich hoffe ich, daß immer Menschen um mich herum sein werden, die mich gut genug kennen, um mir ein Leben, daß ich nicht akzeptieren möchte, zu ersparen.
Für einige Menschen wäre es sicher hilfreicher, sich damit auseinanderzusetzen, wie Leben auch in schwierigen Situationen besser zu gestalten ist, so daß es für Betroffene lebenswerter wird. Lebenserhaltung um jeden Preis unter Ausschöpfung aller medizinischer Möglichkeiten ist bestimmt nicht immer der richtige Weg. Gerade unter Ärzten habe ich den Eindruck, daß eine Auseinandersetzung mitdiesem Aspekt vermieden wird, mit dem Argument, man habe halt den Auftrag, Leben zu "retten" und dürfe hier nicht intervenieren. Dabei ist ja die Therapie auch eine Intervention. Und manchmal ist auch klar, daß eine erforderliche Therapie gleichzeitig das Leben verkürzt. Ich glaube, die Hospizbewegung hat da schon manches verbessert.

Bassmeister

#3
Vor zwei Jahren hat sich ein Mitglied unserer Gruppe barock a.c.c.u.u.t.[/u] aufgehängt. Seitdem denke ich sehr viel an dem Thema herum. Auf jeden Fall ist - meiner Meinung nach - so eine Entscheidung zu hundert Prozent zu respektieren!! Niemand kann in einen anderen Menschen hinein sehen und NIEMAND hat das Recht, darüber zu urteilen, ob der Betroffene das "darf" oder nicht. denn jeder Mensch und jede Lebenssituation ist einzigartig.
Ob und unter welchen Umständen man allerdings dabei Hilfestellung geben (dürfen) sollte, ist sehr schwer zu entscheiden, weil die Grenzen so fließend sind.
Was ist, wenn man einen todkranken Menschen gar nicht erst an die Herz-Lungen-Maschine hängt? Darf man hier noch "natürlichen Todes" sterben?

(mein eigener Traum: tief in der Taiga vom Fahrrad fallen und keiner merkt was davon...)
[size=9]Nicht alles, was zwei Backen hat, ist ein Gesicht...[/size]

Suse

Gestern hab ich Ulalala Schmidt im Fersehen zu diesem Thema gesehen. Tenor: wir bieten mehr und bessere Versorgung Schwerstkranker an und befassen uns deshalb dann nicht mehr mit dem Thema Sterbehilfe. Ich wünsche mir, daß Menschen über sich selbst bestimmen können, daß sie aber eben auch eine angemessene Auswahl haben und nicht aus der Not, die durch schlechte Versorgung heraus entsteht, sich zum Suizid genötigt fühlen. Also Ausbau der Hospizarbeit, der Palliativmedizin UND Möglichkeit zur Sterbehilfe.  

whoknows

#5
ZitatAlso Ausbau der Hospizarbeit, der Palliativmedizin UND Möglichkeit zur Sterbehilfe.
Jawoll.
Was allerdings gut ist an der Diskussion, ist, dass man wieder merkt, wie sehr der Mensch seine Souveränität gegenüber den Wissenschaften einbüsst. Der Herr Doktor hat xogt - und schon ist alles, was man selbst denkt, wurscht. Diese Souveränität über das eigene Leben müssen wir zurückerobern.

Ich glaube, die Diskussion sollte darüber ansetzen, wie so eine Patientenverfügung auszusehen hat. Was es für Möglichkeiten gibt, bei einem Menschen klar zu erkennen, was der Mensch wünscht. Das ist schon schwierig genug. Denn gesetzt der Fall, ich schriebe, als gesunder Mensch, eine Verfügung, dass ich nicht an Schläuche gehängt werden will. Und dann muss ich mal an Schläuche - und änderte meine Meinung. Wie kann man das (oder das Gegenteil? kundtun? so dass es über jeden Zweifel klar ist, was MEIN Wunsch ist.
Da gbit es schon Zwischenbereiche wo es recht schwierig ist, das zu erkennen.