Heute Abend: Lola Blau

Begonnen von Alexander, 01. April 2005, 12:01:57

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Alexander

Soeben erst erfahren - noch bis 17.2. gibt es eine Lola Blau in Salzburg:
http://www.schauspielhaus-salzburg.at/
,,Die Kunst ist eben keine hübsche Zuwaage – sie ist die Nabelschnur, die uns mit dem Göttlichen verbindet, sie garantiert unser Mensch-Sein." (Nikolaus Harnoncourt)

Alexander

LOLA BLAU MIT RUBATO

,,Heute Abend: Lola Blau" im Foyer des Schauspielhauses Salzburg, 14.2.2008

Die Bühne (Rico Schubert) in diesem Foyer, einem ,,modernen Gewölbe", macht sich wie in vielen anderen Inszenierungen des Musicals um eine jüdische Schauspielerin, die zu Kriegsbeginn von Wien aus über die Schweiz nach Amerika emigriert und nach einer Alkoholkrise als Kabarettistin wieder zurück kommt: kein wirkliches Bühnenbild, nur eine Spielfläche mit den notwendigen Requisiten, Stuhl, Telefon am rechts postierten Pianino, Kleiderständer. Für die Post in der Schweiz tut es ein von oben wie eine Spinne herunterfallendes Posthorn, für das Schiff ein Rettungsring.

Regisseur Florian Eisner fängt die Zeit, in der das Musical spielt, mit einem Erzähler (vom Band) ein, der sich Georg Kreisler nennt (aber nicht dessen Stimme hat) – damit erspart er sich die meisten Musik- und Hörfunkdokumente vom Band. Von diesem kommen aber sehr wohl die diversen Stimmen der Nebenrollen.

Allfällige musikalische Überleitungen obliegen dem sizilianischen Pianisten Fabio Buccafusco, der so Klavier spielt, als hätte er die Melodiestimme vor sich und improvisiere wie es ihm gerade einfällt eine Begleitung dazu. Das geschieht aber in offenbar sehr genauer Übereinstimmung mit der wunderbar natürlich spielenden und unverstärkt singenden Lola Blau der Daniela Gnoycke. Die Musiknummern atmen alle ein wie in nur ganz wenigen anderen Aufführungen erlebbares, von besonders deutlicher Verständlichkeit jeder Textnuance geprägtes Rubato. Der Gefahr des Zerfalls vieler Lieder in diese oft winzigen Details zu ungunsten der Geschlossenheit der Gesamtaufführung entgeht die Regie mit der ausgefeilt intensiven Interpretation durch Lola und den Pianisten, mit leichten Kürzungen in einigen Nummern (etwa ,,Im Theater ist nichts los", das die Pariserin und die Berlinerin ausspart) und mit dem Wegfall einiger Szenen überhaupt.

Das Stück wird ohne Pause durchgezogen. Gemäß Vorlage sollte es auf dem Schiff nach Amerika zwei jüdische Nummern geben. Hier regt Herr Berger vom Band Lola sehr wohl dazu an, auf dem Zwischendeck für die nicht so betuchten Passagiere zu singen, doch sie tut es (,,Sie ist ein herrliches Weib") sogleich - erst in Amerika als erster Showauftritt. Der zweite gehört ,,Sex is a wonderful habit" (mit einer Federboa), und bis zur Rückreise nach Europa bleibt Lola nun in Strapse auf der Bühne. Die an sich vorgesehene große Shownummer entfällt, auch ,,Ich liebe dich" wird hier ausgespart.

Nette kleine Regieideen lockern auf, etwa wenn Lola mit dem Theaterdirektor telefoniert. Da hört man sie, obwohl sie auf der Bühne steht, vom Band, und der Pianist zeigt die ,,falsch verbundenen" Handpuppen dazu. Sehr gut macht sich Daniela Gnoycke als Wienerin, auch in der Mozart-Verwortung ,,Wo sind die Zeiten dahin", die hier optisch alle Klischees rund um die Mozartkugeln auskostet.

Ganz am Ende hören wir doch noch Georg Kreisler. Nachdem ,,Zu leise für mich" ausgeklungen ist, singt er vom Band ,,Ich fühl mich nicht zu Hause". Der Verstärkungseffekt heimatverlorener Unzufriedenheit wird vom Publikum wie schon der ganze Abend eher beiläufig hingenommen, es applaudiert einer sehr guten Lola Blau Darstellerin nur beschämend kurz (Friedrich Torberg: ,,Der Applaus war enden wollend."). Sie hätte mehr Anerkennung verdient.
,,Die Kunst ist eben keine hübsche Zuwaage – sie ist die Nabelschnur, die uns mit dem Göttlichen verbindet, sie garantiert unser Mensch-Sein." (Nikolaus Harnoncourt)

Alexander

EINE BRILLANTE LOLA BLAU

,,Heute Abend: Lola Blau" von Georg Kreisler im Theater am Puls (Schwetzingen), 23.3.2008

Eigentlich müsste man sich angegriffen fühlen nach dem bewusst aggressiv vorgetragenen letzten Lied, der resignativen Bilanz ,,Zu leise für mich" einer älter gewordenen Lola Blau, die aus der Emigration zurückgekehrt ist und erkennen muss, dass die Menschen (offenbar alle, auch die, die jetzt gerade vor ihr im Publikum sitzen) nichts dazugelernt haben – ,,Zu leise für mich" ist alles andere als reine Schlussnummer eines Einpersonen-Musicalabends in Schwetzingen, es ist der im wahrsten Sinn stimmige Abschluss einer großartigen Lola Blau Darstellung, getragen von einer ungemein feinfühligen Regie (Joerg Steve Mohr), die der Textvorlage Kreislers vom zeithistorischen Hintergrund her, vom Charakter der Hauptperson her und von ihrer Betroffenheit im Zeitbezug her in jeder Faser gerecht wird.

In Schwetzingen (Premiere dieser Produktion war am 5.1.2008) geht es darum, Georg Kreislers Vorlage ganz gerecht zu werden. Einziger Zusatz ist ganz zu Beginn der Versuch, die Geschichte der Lola Blau aus Problemen der Gegenwart heraus verständlich zu machen, indem Lola in einer Zeitung liest, dass Vietnamesinnen niedergeschlagen wurden. Danach folgt diese Aufführung streng dem Original, mit Zuspielungen (Musik, zeithistorische Reden, Telefon, Bahnhofsgeräusche etc.), mit Bildprojektionen, mit sparsamer Bühnengestaltung (Teresa Ungan), zweckdienlich wechselnd von Szene zu Szene (oft nur Tisch und Sessel, das Schiff mit Metallgestell angedeutet, Vorhänge nutzend, hinten angedeutete Wände mit Türen, verschiebbar, ein Schminktisch, Bettlager am Boden) – und mit einem Spiegel links, in (Juden)Sternform, den Lola im Lauf des Abends für Zeichenfragmente nutzt. Der Pianist (Christian Hahne) sitzt rechts an einem Pianino. Er hat mit seiner Lola Blau hörbar jede Nuance geprobt, zeigt genauso wie sie immensen Respekt vor Kreislers Vorlage (was der Vorstellung sehr gut tut) und bietet ihr ansonsten routiniert die musikalische Grundlage, die Entwicklung dieser Figur enorm präsent darzustellen.

Christine Rothacker heißt die Lola Blau in Schwetzingen, und sie reiht sich nahtlos ein in die Reihe herausragender Interpretinnen dieser vielschichtigen Gestalt, die Betroffene der Zeit genauso wie Entertainerin zu sein hat. Sehr natürlich und feinfühlig schafft sie es, das Älterwerden dieser Frau einzufangen (auch dank der hervorragend gewählten Kostüme), grandios nimmt sie jedes Charakterlied genauso souverän und verinnerlicht wie jede Shownummer. Da sie unverstärkt singt und spricht, riskiert sie gelegentlich, nicht nur im übertragenen Sinn wie im Schlusslied ,,zu leise" zu sein – andererseits zwingt sie den Besucher damit, noch aufmerksamer hinzuhören.

Einziger Wermutstropfen ist die einzig ausgesparte Nummer ,,Ich hab a Mädele" im ansonsten vollständig gebrachten Werk. Immens schade drum, nur hier hat die Regie offenbar gedacht, der erste Teil wäre sonst zu lang. Für den Herrn Berger hat man die Zuspielung mit Georg Kreisler selbst aus der Originalaufnahme mit Topsy Küppers gewählt, den Herrn Schmidt hat man (wie vieles andere) neu eingespielt. ,,Sex is a wonderful habit" zeigt Lola als Cowgirl, von einem stummen Nebendarsteller als Indianer (und ,,Percussionist") am Schaukelpferd herein- und wieder hinausgezogen. Es gibt auch eine Shownummer, mit Jazzband vom Band. Eine Qualität dieser Inszenierung besteht darin, auch noch genügend Luft zu lassen für die große Nummer ,,Im Theater ist nichts los", die Christine Rothacker fulminant wie nur wenige hinlegt, als Pariserin übrigens auch mit Akkordeon. Beim Mozart (,,Wo sind die Zeiten dahin") verzichtet man auf jeglichen inszenatorischen Firlefanz. Umso mehr kann sich der Besucher auf den zeitkritischen Text konzentrieren. Dann also ,,Zu leise für mich": Lola sitzt auf einem Stuhl neben dem Klavier. Der Pianist klopft die Töne herunter, sie singt das Lied hörbar ,,angewidert". Der Pianist geht ab. Unser stummer Nebendarsteller kommt auf die Bühne und beginnt sie zu säubern. Lola steht auf und singt noch einmal: ,,Andere singen, ebenso, sicherlich – aber zu leise für mich.", nimmt die Zeitung und geht ab. Abblende, Applaus. Natürlich. Weil diese Lola einfach wirklich gut war.

,,Die Kunst ist eben keine hübsche Zuwaage – sie ist die Nabelschnur, die uns mit dem Göttlichen verbindet, sie garantiert unser Mensch-Sein." (Nikolaus Harnoncourt)

Alexander

,,Die Kunst ist eben keine hübsche Zuwaage – sie ist die Nabelschnur, die uns mit dem Göttlichen verbindet, sie garantiert unser Mensch-Sein." (Nikolaus Harnoncourt)

Alexander

#154
Neuinszenierung ab 8.11.2008 in Duisburg, Konzertsaal der Jüdischen Gemeinde:

http://www.lolablau.net/
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Alexander

Und Karin Troendle, die die Lola Blau schon länger im Repertoire hat, gibt in Leipzig von September bis November im Frosch Theater drei Vorstellungen:

http://www.sachsendiva.de/Programm/Lola_Blau/lola_blau.html

http://www.frosch-cafe.de/Spielplan/spielplan.html

Ich werde mich bemühen, wieder für das Kreisler Forum zu berichten - über alle drei Produktionen.
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Alexander

#156
Ab 17.10.2008 wird auch die ambitionierte, sehr dem Original verpflichtete Produktion in Krefeld wieder aufgenommen.
Aufführungstage: 17.10., 18.10., 22.11. und 23.11.2008.

Link zum Theater:
www.theaterhintenlinks.de

Auch die unter die Haut gehende Flensburger Produktion ist weiter im Spielplan.
http://www.sh-landestheater.de/de/spielzeit/08-09/Heute-Abend-Lola-Blau/index.php

Auch die Schwetzinger Produktion steht noch auf dem Spielplan.
http://www.theater-am-puls.de/repertoireset.html

Somit kann man Georg Kreislers "Heute Abend: Lola Blau" im Herbst 2008 zumindest in Graz, Leipzig, Duisburg, Schwetzingen, Krefeld und Flensburg erleben.
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Alexander

#157
LOLA BLAU, HANDGEMACHT

,,Heute Abend: Lola Blau" von Georg Kreisler, Premiere im Schauspielhaus Graz (Ebene 3), 14.10.2008

Die übliche Werkstattbühne mit den üblichen Requisiten (Tanja Kramberger), links der Pianist (Klaus von Heydenaber) am schwarzen Pianino. Er präludiert Barmusik, während das Puiblikum hereinkommt, und Lola (Steffi Krautz) ist auch schon da, sie vertreibt sich die Zeit bis zum Stückbeginn zwischen Bühne und Publikum, kokettiert mit dem Pianisten und gibt schon mal ein Autogramm zwischendurch.

Dann geht es los. Als unverstärkt sprechende und singende Entertainerin stellt Steffi Krautz  die Dame am Lichtpult (Michaela Prosser) und den Pianisten vor, führt sich als Lola Blau ein und das Publikum ins Wien des Jahres 1938.

Es ist eine betont handgemachte Sparinszenierung (Katharina Schmidt), ohne jegliche Zuspielungen, weder vom Band noch per Videoprojektion, auch mit nur wenigen Kostümwechseln. Vieles wird nur angedeutet. Lola erklärt immer wieder, wo sie sich gerade befindet, das Publikum ist aufgefordert, sich den Rest dazu zu denken. Mit ein bisschen Interaktion zwischen Lola und dem Pianisten werden die sehr frei nach dem Original (aber inhaltlich diesem sehr wohl genau folgenden) Passagen zwischen den Liedern lebendiger.

Graz erlebt eine quirlige, herzliche Lola Blau. Steffi Krautz agiert und singt sehr natürlich, sie zieht keine Trennlinie zum Publikum und sorgt mit ihrer beherzten Art dafür, dass die Leute von Anfang an sehr gut mitgehen, jede von Kreisler angebotene Pointe verstehen und auch hörbar gerne positiv reagieren. Vom Frauentyp her ist sie in etwa eine Mischung aus Maria Bill, Mireille Mathieu und Martina Gedeck, mit sehr ausdrucksstarker Chanson-Altsimme ohne Höhe, was sie aber großartig kaschiert und sehr viel zur spontanen Natürlichkeit ihrer Interpretation beiträgt.

Pianist Klaus von Heydenaber gibt optisch den souveränen Phlegmatiker, gehört aber zu den bestmöglichen musikalischen Gestaltern des Lola Blau Klavierparts. Er spielt alles auswendig und ist damit immer total ,,am Puls der Interpretin", er fächert die Klavierstimme zwischen jazzoidem Einschlag und beiläufiger Barmusik intelligent und spannend kreativ auf, ohne das Original allzu sehr zu verändern, und vor allem sorgt er neben seiner quirligen Lola für das großartig durchgehaltene Tempo, für den Drive der Aufführung. (Graz zeigt eine der flottesten Inszenierungen dieses Werks.) Die Musiknummern kommen stark, sie verfehlen ihre Wirkung in keinem Fall, hier wurde sehr sorgfältig gearbeitet, musikalisch wie choreografisch.

Leider verliert die Regie (wieder einmal) die Geduld, fürchtet, zu langatmig zu werden. Bis zum ,,Mäderle" (Lola musste von Wien aus in die Schweiz emigrieren und reist nun in die USA weiter) zeichnet sie sich durch Genauigkeit im Ablauf aus, dann wird plötzlich fast radikal gestrichen. Sicher, die große Leistung, eineinhalb Stunden durchgehend auf der Bühne zu agieren, noch dazu mit solcher Power wie sie Steffi Krautz einbringt, mag dazu anhalten, sie etwas zu ,,entlasten", aber dann hätte es doch eine vollständige Fassung eventuell mit Pause (üblicherweise nach der Ankunft Lolas in den USA) oder mit mehr kleinen Pausen zwischendurch nur mit Klaviermusik (ohne Lola auf der Bühne) auch getan. Nein, das Grazer Publikum erlebt zwar eine bewundernswert voll durchpowernde Lola, hört aber nicht bzw. fast nicht: ,,Ich hab a Mäderle", ,,Sie ist ein herrliches Weib", ,,Der Herr ist mir fremd", ,,Heut will ich mich besaufen" (wird nur angedeutet), ,,Wie kommt es" und bei ,,Im Theater ist nichts los" ,,Ich hab die Liebe in der Tasche" (extrem gekürzt) sowie die Pariserin. (Lola hat den Showrummel nicht verkraftet und kehrt nach Wien zurück, wo sie Kabarettistin wird, soviel zum weiteren Verlauf der Handlung.)

,,Sex is a wonderful habit" bleibt die einzige Shownummer in Amerika, im Abendkleid mit Mikro, dann mehrere falsche Abgänge (mit unterschiedlichen Perücken) mit dieser Nummer, immer routinierter und besoffener auftretend, jeweils nur mit einer Sonnenbrille kurz auch zum Ansager mutierend, so wie diese Lola auch Frau Fini und Herrn Schmidt kurzerhand selbst, virtuos aufs Dialogische mit sich selbst umschaltend, diese Rollen in ihr Spiel integriert. Reizvoll ,,aktualisiert" wurde das vergebliche Bemühen, mit dem Theaterdirektor zu telefonieren. Den zu erreichen ist zum Beispiel deswegen nicht möglich, weil er sich gerade eine Hose kauft und mit einem berühmten Dichter essen geht. ,,Wo sind die Zeiten dahin" (Kreislers Verwortung vom 1. Satz aus Mozarts ,,Sonata facile") macht diese Lola mit einer Serviererin-Schürze und rotem Hut.

Lolas persönliche Betroffenheit wird stark in ,,Alte Tränen" ausgespielt, sonst bleibt sie sehr beiläufig. Es ist keine Inszenierung, die dem zeithistorischen Hintergrund allzu viel Gewicht gibt. Dieser Aspekt hätte deutlichere Konturen vertragen.

Der Premierenapplaus wird sehr herzlich, immerhin hören wir als Zugabe noch ,,Sie ist ein herrliches Weib". Diese jüdische Nummer, laut Steffi Krautz ,,der Dramaturgie zum Opfer gefallen", gelingt gut und demaskiert eben diese ,,Dramaturgie" erst recht als übertrieben vorsichtig. Insofern schade um eine ansonsten sehr gute, handgemachte (somit auch für Tourneezwecke gut geeignete) Lola Blau Produktion.

Hier der Link zur Kurzkritik aus der "Kleinen Zeitung":
http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/kultur/1583677/index.do
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Alexander

EINE DAME LOLA BLAU

,,Heute Abend: Lola Blau" im Frosch Café (Leipzig), 27.10.2008

Das Stück ist und bleibt in seiner Wirkung stark, auch wenn man es (so wie der Schreiber) bereits sehr oft (in unterschiedlichsten Inszenierungen) gesehen hat. Im sympathischen, familiär anmutenden Leipziger Frosch Café ist die kleine Bühne groß genug, der Dame, die das Stück trägt, Raum zu geben, ihre souveräne Kunst zu entfalten.

Klaus Schleiff, der Regisseur (die Premiere fand im März 2004 statt), arbeitet mit den üblichen wenigen Requisiten auf der leeren Bühne. Rechts steht das Pianino, der Pianist schaut zum Publikum. Vorne (also auf der Klavierrückseite) kann er Tafeln mit den Schauplätzen wie Pension Aida, Bahnhof Basel oder Ruban Blue aufhängen. Der zeithistorische Aspekt wird wieder einmal (und das kommt stark in derartigen Produktionen!) mit Schlager- und Radio- bzw. Redezuspielungen sowie vor allem mit vielen projizierten Bildern aus der Kriegszeit aufgefächert. Nebenbei ermöglicht es der Lola Zeit zum Umziehen hinter der Bühne. Hervorzuheben ist die abwechslungsreiche Kostümauswahl für die Lola (Kostüme und Auisstattung: Constanze Dinnebier).

Ja, Katrin Troendle ist in Klaus Schleiffs mit großem Respekt vor der Vorlage inszenierter Produktion eine Dame durch und durch, sie hat sich einen Ruf als ,,Sachsendiva" erarbeitet und strahlt, ganz die Lokalmatadorin, die mit jeder Faser ihres Auftretens ,,Bühne total" lebt, völlige Souveränität aus, vom ersten bis zum letzten Moment. Das macht die Vorstellung beschwingt und frisch, es gibt keine Längen, ob bei den heiteren oder bei den ernsten Teilen. Das von einigen anderen Inszenierungen sehr genau erarbeitete Älterwerden der Lola Blau bleibt mehr inhaltlich als darstellerisch stringent. Katrin Troendle, die unverstärkt singt, macht den erzwungenen Aufbruch der jungen Künstlerin aus Österreich im Jahr 1938, oder dann etwa ,,Die Wahrheit vertragen sie nicht" (gestrapst) in der Schweiz genauso ,,reif" wie den von Georg Kreisler als Alternative zur Shownummer in den USA im Buch vorgeschlagenen Strip oder auch die große Vorstellungsnummer vor dem Wiener Theaterdirektor nach ihrer Rückkehr. (Dabei ist sie klug genug weiterhin nicht vorzugeben Wienerin zu sein, sie macht aus dem Wiener Wäschermädel kurzerhand ein Sachsenmädel und räumt damit beim Leipziger Publikum klarerweise ab.)

Ihr Pianist Helge Nitzschke ist ein Universal-Entertainer dazu, er schlüpft neben seinem kongenialen, auch ziemlich streng am Original orientierten Klavierspiel (das Pianino ist leicht verstimmt, das gibt der Musik aber ein noch höheres Maß an Authentizität) in alle möglichen und unmöglichen Kostüme und Nebenrollen, von der Frau Fini über die Schweizer Bahnhofsstimme bis zum Show-Ansager in den USA (immer mehr Karikatur als Figur), und – Höhepunkt – bei ,,Wo sind die Zeiten dahin" machen die beiden als Mozart und Nannerl mit entsprechenden Perücken Kreislers bissige ,,Sonata facile" Verwortung (Helge Nitzschke spielt stehend dazu am Klavier) zu einem besonderen ,,Kabinettstückerl". (Sie überspielen auch fulminant einen veritablen Schmiß bei der Nummer. Was soll´s, das sind Menschen. Es machte die vom Schreiber besuchte Vorstellung noch sympathischer.)

,,Sex is a wonderful habit" gibt diese Lola in einem USA-Kostüm mit Gitarrenkoffer. Das Telefonat mit dem Direktor wird zugespielt, genauso wie jenes mit Leo vor dem Mozart, jeweils mit einem Bild der telefonierenden Lola dazu. Dass ausgerechnet ,,Sie war liab" gestrichen wurde (neben dem oft weggelassenen ,,Ich hab a Mädele"), ist schade. Diese Nummer wird (wenn sie kommen sollte) nur kurz vom Klavier angespielt. Vor ,,Zu leise für mich", ganz am Ende, singt sie Lola ja dann doch einmal an. Immerhin hier hört man ein kurzes Stück davon.

Alles in allem ist dies eine Georg Kreislers Vorlage sehr gerecht werdende Produktion. Die nächste Vorstellung ist am 24.11.2008.

Link zum Spielort:
http://www.frosch-cafe.de/  

Link zur Sachsendiva (mit Fotos aus der ,,Lola Blau" Produktion):
http://www.sachsendiva.de/Programm/Lola_Blau/lola_blau.html
,,Die Kunst ist eben keine hübsche Zuwaage – sie ist die Nabelschnur, die uns mit dem Göttlichen verbindet, sie garantiert unser Mensch-Sein." (Nikolaus Harnoncourt)

Alexander

#159
,,Die Kunst ist eben keine hübsche Zuwaage – sie ist die Nabelschnur, die uns mit dem Göttlichen verbindet, sie garantiert unser Mensch-Sein." (Nikolaus Harnoncourt)

Alexander

,,Die Kunst ist eben keine hübsche Zuwaage – sie ist die Nabelschnur, die uns mit dem Göttlichen verbindet, sie garantiert unser Mensch-Sein." (Nikolaus Harnoncourt)

Alexander

Hier der Link zu einer Premierenkritik aus Duisburg.

http://www.rp-online.de/public/article/duisburg/636165/Sensationelle-Lola-Blau-in-der-Synagoge.html

Meine Eindrücke (ich war dort) zu dieser in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlichen Produktion folgen heute am Abend.
,,Die Kunst ist eben keine hübsche Zuwaage – sie ist die Nabelschnur, die uns mit dem Göttlichen verbindet, sie garantiert unser Mensch-Sein." (Nikolaus Harnoncourt)

Bastian

#162
Zitat aus der rp:
"Die Förster, die Lola Blau aus Kreislers 1971 uraufgeführten ,,Musical", geht an ihre Grenzen und ist darin wirklich umwerfend, wohlwissend, dass sie das tun muss, wenn sie mit ihren zwei, unglaublich tolldreisten Spielpartnern, mithalten will."

Hm, eine seltsame Art eine Sängerin und Hauptdarstellerin zu loben... Ungeachtet dessen werd ich schauen, dass ich zu einem der angegebenen Termine auch mal einen Abstecher nach Duisburg mache. Danke, Alexander.

Alexander

#163
UND LEO SINGT DIE ,,MOORSOLDATEN" IM KZ

,,Heute Abend: Lola Blau", Premiere in der Jüdischen Gemeinde Duisburg, 8.11.2008

Ein in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlicher ,,Lola Blau" Abend.

Es ist für mich die erste ,,Lola Blau" Vorstellung, vor der ich am Eingang nach Waffen in den Taschen gefragt werde.

Es ist die erste Theaterproduktion der Jüdischen Gemeinde in Duisburg, und es ist die Premiere dieser Produktion.

Es ist eine ,,Lola Blau" Vorstellung, wo ein Regietheaterkonzept (Konrad Chr. Göke) mit nicht originell sein wollenden, sondern mit kreativ-intelligenten Ideen schlüssig greift und total unter die Haut geht. Georg Kreislers Vorlage wird klug aufgebrochen – nicht mutwillig, sondern spannend kreativ, gerade auch für jemanden, der das Werk sehr gut kennt.

Es ist die erste Vorstellung mit einem Akkordeon als Haupt-Begleitinstrument.

Und es ist die erste Vorstellung mit einer faszinierend vielschichtigen Nebenfigur namens Eva.

Konventionell für den Besucher vieler ,,Lola Blau" Produktionen ist die Grundausstattung: links auf der Bühne Platz für den Akkordeonspieler, rechts ein Tisch mit einem Telefon drauf, wenn der Vorhang hochgeht eine Tür. Im Publikumsbereich wird vor allem auch der Mittelgang zum Spielraum. Es wird viel mit Licht gearbeitet. Und mit Tonzuspielungen, die den 2. Weltkrieg verdeutlichen, in Amerika auch den musikalischen Unterschied. Genauso grundsätzlich koventionell ist der Einsatz des Musikers für die diversen Nebenfiguren, wenngleich die Bedeutung gegenüber anderen Produktionen enorm aufgewertet wird. So tritt der Mann zu Beginn als Leo persönlich auf, und was sonst aus Lolas Telefonat herauszuhören ist, wird hier zum handfesten Streit ausgespielt.

Heike Maria Förster als Lola Blau kommt aus dem Opern- und Operettenfach. Daran gewöhnt man sich rasch (wie in Lübeck), sie singt (mikrophonverstärkt) sehr wortdeutlich und weiß sehr gut, wo es besser ist nur mit Sprechgesang zu arbeiten. Man spürt vor allem bei ihr, dass die Produktion mit der Premiere noch nicht ,,abgeschlossen" ist, sie (die Produktion) wird weiter wachsen, sich verfestigen. Vor allem aber hat Heike Maria Förster eins: das totale ,,Feeling" für die Jüdin. (Das wird auch durch die Regie verstärkt.) In kaum einer Inszenierung ist die persönliche Betroffenheit vom Anfang an so herausgearbeitet wie hier. Ihr Ausstoß aus der Gesellschaft wird fast plakativ, jedenfalls enorm emotional vorgeführt. Und wenn sie am Schiff nach Amerika zur Klarinette singt, wenn das Geschehen mitten im Lied ,,Sie ist ein herrliches Weib" beim Gedenken an ihre Eltern plötzlich zum Stillstand kommt, nicht nur dann ist das spezifisch Jüdische so berührend deutlich wie sonst kaum herausgearbeitet.

Das Akkordeon von Marko Kassl (er spielt auch Klarinette!) ist enorm präsent. Wenn diese Lola nicht verstärkt singen würde, es erdrückte sie akustisch. Dabei erweist sich der Musiker als enorm sensibler Gestalter mit faszinierendem Facettenreichtum. Den Vorlagen in jeder Nuance gerecht werdend (ja sie teilweise sogar völlig überraschend für den Kenner spannend durchbrechend und erweiternd), beweist er, dass es so, ohne Klavier, auch geht – und wie. Als Schauspieler kehrt Kassl die Grobschlächtigkeit der Opportunisten hervor.

Die Szenen zwischen den Liedern folgen inhaltlich weitgehend Kreislers Vorlage, sind teilweise aber stark erweitert worden. Unzählige kreative Ideen machen den Ablauf enorm präsent. Lola Blau beginnt einige Lieder monologisierend und mutiert sie erst nach und nach (im sensiblen Zusammenwirken mit dem Musiker) zu Liedern.

Und dann diese Eva, Stella Louise Göke: Man kann deren Funktion verbal äußerlich zur mutwillig eingeflochtenen Talentprobe einer jungen Künstlerin degradieren. Damit würde man weder der Leistung noch der Vielschichtigkeit der neuen Rolle gerecht werden. Wir sehen und hören sie unter anderem als HJ-Mädchen einen Marsch singend, als Vergewaltigte und Getötete mit ,,In einem hohlen Städtchen", sie spielt Geige, spricht Monologe von Shakespeare und Goethe (genialer Moment: das Hinführen zu Lolas Erinnerung an Leo, zu ,,Ich hab dich zu vergessen vergessen"), sie singt, nach dem Krieg, aber im Stil und Kostüm die Vergangenheit nicht leugnend, ,,Auferstanden aus Ruinen", und Lola und sie teilen sich (zunächst als Konkurrentinnen) die Glanznummer ,,Im Theater ist nichts los", die Vorstellung beim Theaterdirektor.

Regieideen, die das Geschehen noch eindringlicher machen: Leo singt im KZ die ,,Moorsoldaten", Lola macht einen Hampelmann dazu. Oder: ,,Der Herr ist mir fremd" kommt so düster und brutal wie nur selten. Danach bricht die völlig betrunkene Lola zusammen.

Kleine Abweichungen von der Vorlage: Lola tritt hier mehr in Paris statt nur in der Schweiz auf, und der Musiker nimmt sie zur Bordkapelle aufs Schiff mit. Sie singt am Schiff auch ,,Er heißt Waldemar". Statt von Herrn Berger wird Lola am Schiff bei der Hinfahrt von einem österreichischen Nazi angesprochen (sie gibt ihm aber couragiert Kontra – wie gesagt: es ist eine von Anfang an eminent politische Lola). Und vor der Pause gibt es eine Klezmer-Reprise von ,,Weder noch" mit Klarinettenbegeleitung. Der zweite Teil beginnt mit ,,Sie ist ein herrliches Weib". Wie bei anderen Liedern auch nimmt sich das Liedende bewusst zurück, verweigert den Applaus.

Kleine Wermutstropfen für den Kenner des Werks: ,,Ich hab a Mädele", ,,Heut will ich mich besaufen", ,,Wo sind die Zeiten dahin"und speziell ,,Zu leise für mich" sind rausgefallen. Stattdessen endet diese Produktion etwas überraschend mit ,,Wie kommt es" gleich nach der Nummer vor dem Theaterdirektor. Über das Schicksal von Leo erfahren wir nichts mehr.

Diese wohl nur dem Kenner des Originals doch eklatant auffallenden Änderungen trüben keineswegs den enorm starken Gesamteindruck der Aufführung.  

Schnell zur Bushaltestelle, doch der Bus zum Bahnhof kommt erst in etwa zwanzig Minuten. Also noch einmal zurück, vielleicht kann ich den Mitwirkenden gratulieren. Ein paar Leute stehen vor dem Gebäude, doch der Eingang ist aus Sicherheitsgründen bereits gesperrt. (Nur für Herauskommende wird er geöffnet.) Ich kommuniziere mit der Gegensprechanlage, die mich nicht besonders einladend fragt was ich da möchte, und als ich es erkläre, komme ich mir schon etwas peinlich vor und sage im selben Atemzug, ich könne auch per Mail gratulieren.

Ein in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlicher ,,Lola Blau" Abend.
,,Die Kunst ist eben keine hübsche Zuwaage – sie ist die Nabelschnur, die uns mit dem Göttlichen verbindet, sie garantiert unser Mensch-Sein." (Nikolaus Harnoncourt)

Anke

#164
Am Dienstag, 18.11.08 in München im Rahmen der jüdischen Kulturtage; 20 Uhr, Gasteig Black Box:

momentan noch 27 Restkarten vorhanden: Ränder und 1 Platz ganz hinten.

Preis 19,80 im Vorverkauf.

Anke

#165
Es war die Inszenierung, die Alexander aus Ingolstadt berichtet hat.
Veranstalter: www.juedischekulturmuenchen.de

Was ich und andere Besucher sich gefragt haben:

Auf dem doppelseitig bedruckten DIN-A5-Programmblatt wurden alle 3 Künstler beschrieben, aber kein einziges Wort zum Autor Georg Kreisler!

Geht man davon aus, dass er so bekannt ist, dass das nicht nötig ist? :o
Oder davon, dass er so unwichtig ist, dass es nicht nötig ist?  :o

Beides wäre völlig falsch!  :(

Meine Nachbarin z.B., ca. 60 Jahre alt, fragte mich, ob Georg Kreisler ein Verwandter von Fritz Kreisler gewesen sei. Als ich sagte, nein und außerdem lebe er noch, fiel sie aus allen Wolken. Und das, wie gesagt, bereits IN einer Lola-Vorstellung.

Ich finde das skandalös, dass G. Kreisler da so völlig übergangen wurde.  :(

Im größten einschlägigen Musikladen wird G. Kreisler stets nur unter "Wien" einsortiert - nicht unter Kabarett oder Chanson oder sonst etwas, nur unter "Wien". Dabei kommt Wien in seinen Werken ja wohl kaum vor.  :o Da wäre wirklich Aufklärungsarbeit nötig.



Burkhard Ihme

ZitatMeine Nachbarin z.B., ca. 60 Jahre alt, fragte mich, ob Georg Kreisler ein Verwandter von Fritz Kreisler gewesen sei. Als ich sagte, nein und außerdem lebe er noch, fiel sie aus allen Wolken. Und das, wie gesagt, bereits IN einer Lola-Vorstellung.
Fritz und Georg sind allerdings verwandt, wenn auch nur entfernt.

Anke

Zum Glück sagte ich: "Ich glaube, nein."  :)


Alexander

,,Die Kunst ist eben keine hübsche Zuwaage – sie ist die Nabelschnur, die uns mit dem Göttlichen verbindet, sie garantiert unser Mensch-Sein." (Nikolaus Harnoncourt)

Alexander

,,Die Kunst ist eben keine hübsche Zuwaage – sie ist die Nabelschnur, die uns mit dem Göttlichen verbindet, sie garantiert unser Mensch-Sein." (Nikolaus Harnoncourt)

urmel

Für Alexander!

"Georg Kreislers Lola Blau - dem Kabarett entwachsen - ist ein musikalisches Frauensolo. Sängerisch aufschlussreich ist vor allem die Bewerbungsszene Im Theater ist nichts los. Lola singt ein Lied über die Liebe. Da es im Original mies ankommt, erfindet sie eine Pariser, eine Wiener, eine ungarische und eine Berliner Variante und bedient sich dabei bestimmter Klischees, die sich in Haltungen und im Kostüm niederschlagen. Mit jeder Variante färbt sich aber nicht nur das gestische Verhalten um - die Stimme sitzt auch immer anders. Sie schlägt an einem anderen Resonanzort an. Diese Variationen sind also auch eine kleine Resonanzstudie.

Das melodische Grundmotiv des Originals ist ein anlaufender Impuls, der in der Klangdehnung hineinsinkt. Dadurch bekommt die Melodie den Gestus des beschwingten Sich-Anbietens. Die Stimme dieser Variante schlägt klassisch in der Kuppel des Gaumens an. Das ergibt einen eher klaren Klang. Die Vibrationen lassen sich vor allem auf der Stirnkuppel abtasten. Die französische Fassung ist >> slower<<. Die Melodie bewegt sich - im Gegensatz zum frischen, lebhaften, knapp über dem Knie endenden Kleid der deutschen Fassung - sozusagen in einem bordeauxroten langen Abendkleid. Die gedehnten Bewegungen des Körpers, auch die der preziös geführten Arme folgen gezielt den Sinnimpulsen >>lámour<< - >>ma poche<< ->>pour Didi<< usw. Die Augen sind sehr aktiv - sogar wenn sie geschlossen sind, präsentieren sie das Gesicht. Die Stimme stützt vor allem auf die körperlichen Bewegungsimpulse aus der Mitte, die Bauchpartie führt. Der Anschlagsort liegt weiter hinten im Mundraum und bezieht die nasalen Resonanzen stärker ein, der Klang schlägt im hinteren Kuppel- und hinteren Nasenraum an. Die Vibrationen lassen sich charakteristisch an den Schläfenpartien abfühlen.

Da diese Fassung >>für Wien<< etwas >>zu kokett<< ist, folgt die Wiener Operettenfassung. Diese Variante ist ebenfalls langsamer als das Original. Die Melodie strömt nicht gleichmäßig schwingend, sondern stellt sich eher aus. Sie trägt gleichsam ein kurzes fesches  Dirndl und postiert sich in herzigen Posen. Die Stimme ruht auf dem hochgestellten Brustbein. Sie schärft sich, setzt im vorderen Nasenraum an und rückt so dominierend ins Nasale. Der Resonanzpunkt liegt leicht über Nasenwurzel. Im Gegensatz dazu rutscht die ungarische Fassung weit in den Rücken und den Bauchraum. Der Klang ist vollmundig, die hintere Mundresonanz dominiert. Die charakteristischen Vibrationen sind am Hinterkopf abzufühlen. Die Stimme trägt sozusagen prächtigste Nationaltracht. Der Gestus orientiert sich an den Bewegungen und Posen der aufstampfenden Tänze des Volkes, vor allem in den abschließenden Rufen >>Joi - joi - eljen!<< Den Abschluss bildet eine Berliner Fassung. Die Melodie setzt in der tiefen Sprechlage an.  Der Ton ist trocknen und lakonisch. Diese Stimme trägt Hosen, die Hände sind selbstverständlich in die Taschen gestemmt. Die Berliner Klappe ist weit gestellt, die Nasenklänge eher ausgeschaltet . Die charakteristischen Resonanzen sind am Schädeldach und - fast an deutlichsten - am Unterkiefer zu fühlen. "

Text aus Der Schauspieler und die Musik von Hans Martin Ritter Henschel Verlag September 2001

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Alexander

Vielen Dank für diesen Textauszug!

Ich war am 21.12.2008 in der Vorstellung im Kempten. (Es gibt noch eine am 27.12.!) Eine "große" Inszenierung, in der die Zuspielfilme neben der Hauptdarstellerin und dem Pianisten (beide hervorragend!) eigentlich die dritte Hauptrolle spielen, weil sie stärker als in den meisten anderen Inszenierungen eingesetzt werden, sowohl den zeitgeschichtlichen Hintergrund verdeutlichend als auch die psychische Befindlichkeit von Lola Blau. Besonders unter die Haut geht das Schlußlied "Zu leise für mich", das Lola Blau "demaskiert" in Großaufnahmen zeigt. Eine sehr ambitionierte Inszenierung!
Ein genauerer Bericht folgt voraussichtlich noch heuer...
,,Die Kunst ist eben keine hübsche Zuwaage – sie ist die Nabelschnur, die uns mit dem Göttlichen verbindet, sie garantiert unser Mensch-Sein." (Nikolaus Harnoncourt)

Alexander

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Alexander

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Alexander

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