Heute Abend: Lola Blau

Begonnen von Alexander, 01. April 2005, 12:01:57

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Alexander

DEM DIREKTOR ERST IM KABARETT VORGESUNGEN

Georg Kreislers ,,Heute Abend: Lola Blau" in den Kammerspielen Seeb (CH), 9.11.2007

Die Kammerspiele Seeb sind ein nobles Kleintheater nördlich von Zürich in Bachenbülach. Intendant und Regisseur Urs Blaser hat dort eine der Vorlage weitgehend gerecht werdende, sehr ambitionierte ,,Lola Blau" inszeniert.

Seine ,,Lola Blau" ist die souveräne Christine Lather, eine in jeder Nuance professionelle Künstlerin, bei der man spürt, dass der Facettenreichtum dieser Glanzrolle keineswegs den ganzen Facettenreichtum dieser vielseitigen Könnerin abdeckt. Diese ,,Lola Blau" agiert nicht an der Grenze ihres Könnens, sie ist von Anfang an enorm präsent. Das ist höchstes Schauspiel- und Chansonniveau. Der Vorhang geht auf, ein Sprecher sagt den Musicaltitel, und mit dem Rücken zum Publikum, im Abendkleid, steht Lola Blau in kerzengerader Starpose, und sie singt (zur Überraschung des Kenners) ,,Fängt´s schon wieder an" an, das ist jene Nummer, die in Topsy Küppers´ Originalaufnahme als Shownummer in Amerika eingeflochten ist. Dann geht Lola ab und spricht aus dem Off ein Stück vom Text ,,Was man allen alles sagen könnte" (aus dem Lied ,,Sie war liab").

Jetzt beginnt das Stück gemäß der Vorlage, Onkel Paul ruft in der Pension Aida an und überrascht Lola, die vor Kriegsbeginn vor einem Engagement am Landestheater Linz steht, mit der Nachricht von der Flucht in die Tschechoslowakei. Das Spiel nimmt seinen Lauf, auch Lola muss weg, sie gelangt in die Schweiz, später in die USA, macht Showkarriere, erleidet Alkoholabstürze und landet schließlich als resignierende Kabarettistin wieder in Wien. Man setzt in dieser Inszenierung (Bühnenbild: Carla Schilling) auf Szenenwechsel mit Ab- und Aufblenden, mit diversen Requisiten, mit einer herunterrollenden Nazifahne, mit Rauchschaden des Orientexpress in Basel, mit der Projektion des nächtlichen Himmels bei den Schiffsreisen, mit einem Bett für die Alkoholikerin, mit den Zuspielungen der Musik vom Radio, der Reden und der neu eingespielten Nebenrollen vom Band. Der erste Teil folgt streng dem Original. Herr Bergers Worte an Lola auf dem Schiff nach Amerika sind – wie in anderen Inszenierungen auch – um den ,,Zweitältesten Frauenberuf der Welt" gespannt, nicht als längerer Monolog nur danach zu hören. Pianist Peter Estermann sitzt rechts am Piano, er spielt auswendig und kann sich daher umso mehr auf die feine Nuancierung mit der Sängerin konzentrieren. Ein starkes Zusammenspiel!

Als Shownummer im zweiten Teil singt Christine Lather ,,Please Do It Again". Auffallend bei dieser Produktion sind die sehr bewusst und ausführlich inszenierten Schauspielszenen. Sie dienen nicht nur der Überleitung zwischen den Chansons, man lässt sich Zeit dabei. Dadurch droht der zweite Teil ,,etwas ausführlich" zu werden. Und schon sieht sich der oftmalige Besucher von ,,Lola Blau"-Vorstellungen bestätigt, auf der Rückreise nach Europa gibt es nach der Einspielung des Monologs vom Herrn Schmidt keine ,,Frau Schmidt". ,,Alte Tränen" singt Christine Lather aus dem Publikum kommend. Und dann eine vermeintlich eklatante Kürzung, zumindest schaut es zunächst so aus: Von der großen Nummer ,,Im Theater ist nichts los" mit der Verwandlung der Künstlerin in eine Schlagersängerin, eine Chansonette, eine Wiener Operettensängerin, eine Ungarin und eine Berlinerin ist nur das Resümee übrig, nun mit Kabarett weiter zu machen. Muss das Publikum (wie in Ingolstadt) auf diese Glanznummer verzichten? Wir werden gleich ins ,,Kabarett Kaiserschmarrn" versetzt, und dort singt Lola Blau nicht die ,,Frau Schmidt", nicht Kreislers Bearbeitung von Mozarts Sonata facile, nein, sie bringt als Bravournummer ,,Ja Herr Direktor" aus ,,Im Theater ist nichts los", allerdings doch etwas gekürzt (Chansonette gekürzt, Wienerin ganz weg). Als zweite Nummer im Kabarett gibt es dann doch auch noch die ,,Frau Schmidt". Vom Finallied ,,Zu leise für mich", mit schönem fade out inszeniert, fehlt der Beginn, die Reprise ,,Sie war liab".

Dem nach der großartigen Leistung der beiden Mitwirkenden (Lola Blau wie Pianist) hörbar total begeisterten Publikum sind diese Umstellungen und Kürzungen natürlich egal. In sich ,,stimmt" diese Produktion, und wen es demnächst mal nach Zürich oder Umgebung verschlägt, der sollte einen Abend in Bachenbülach bei ,,Heute Abend: Lola Blau" einplanen. Er wird ein unter die Haut gehendes Stück Zeitgeschichte aus dem Blickwinkel eines Künstler-Einzelschicksals auf künstlerisch höchstem Niveau erleben.

http://kammerspiele.ch/seite.php?id=12
,,Die Kunst ist eben keine hübsche Zuwaage – sie ist die Nabelschnur, die uns mit dem Göttlichen verbindet, sie garantiert unser Mensch-Sein." (Nikolaus Harnoncourt)

whoknows

Weisst Du, was mich interessieren würde: jeweils die psychologische Sicht der inszenierung: WEISS Lola, wenn sie in Amerika ist, was da in europa passiert, oder ist sie oberflächlich geblieben, desinteressiert, und kriegt alles erst mit, als sie wieder in Europa ist - quasi als Schock. Es geht nämlich vom Stück her irgendwie auch beides - sie könnte in den Staaten eine Tussi sein, Erfolg und Drinks und Männer - bis sie die Realität wieder einholt... Wie die Lola psychologisch dargestellt wird, und ob es da unterschiede gibt - das wäre spannend zu hören.

Alexander

#127
Bei den meisten ist es der Schock - umso mehr geht oft "Alte Tränen" unter die Haut.
Die Zuspielungen vom Band und Lolas persönlicher Weg laufen bis dahin nebeneinander.
Allenfalls wird ein bewußtes Ignorieren oder Wegblenden mitinszeniert.
(Sehr deutlich gleich am Anfang: "Weißt du Onkel Paul, ich interessiere mich nicht für Politik." Und dann jedes Mal der Lacher im Publikum, wenn sie schön naiv sagt: "Der Hitler kann vertragsbrüchig werden, Lola Blau nicht.")
In den meisten Inszenierungen sind die Einblendungen vom Band auch gleichzeitig Szenenwechsel.
Da wirken die am stärksten, die Film- und Bildmaterial anbieten. Ist halt aufwendiger und teurer.
Ich finde jene Inszenierungen am stärksten, wo die Interaktion Künstlerin-PianistIn spannend ist.
Manche lassen die Lola oder den Pianisten den zeithistorischen Hintergrund sprechen. Das kommt aber dann oft etwas penetrant und belehrend rüber, wie mit dem Holzhammer, nicht subtil, etwa mit einer Reaktion Lolas darauf. Das lese ich aber auch nicht aus der Buchvorlage. Ich glaube, sie "verdrängt", bis sie nach Europa zurückkehrt ("Frau Schmidt", "Alte Tränen").
,,Die Kunst ist eben keine hübsche Zuwaage – sie ist die Nabelschnur, die uns mit dem Göttlichen verbindet, sie garantiert unser Mensch-Sein." (Nikolaus Harnoncourt)

whoknows

#128
In der Ur- Lola war das nicht so - da war sie sich SEHR bewusst, seit der Schweiz und der "Ausschaffung", was da läuft, und beim Telefonat mit Leo wird ganz klar, dass sie alles verfolgt hat "und nach.....Dachau", sie brachte das Wort kaum raus. Daher auch das Besäufnis, daher auch "der Herr ist mir fremd" - der Abscheu vor dem Tanz auf dem Vulkan war immer deutlich. Und die Alten Tränen kamen eher als Bestätigung.
Sie hatte auch die Zuspielungen jeweils für den Szenenwechsel, beispielsweise gab es ein Foto von ihr auf dem Bahnhof, wartend, und dann eines mit einem alten Zug, und Rauch von links und dann rannte sie  (im gleichen Kostüm wie auf dem Foto) vor dem Foto auf und ab, suchte Leo - und es kam "man lächelt manchmal einen an".

Alexander

Beim Telefonat mit Leo wiegeln die meisten ab, verdrängen weiter. Betonung auf: "Ich kann das jetzt nicht hören."

Ideal wäre ein Video von der Uraufführung. Gibt es wohl nicht...

Sollte ich jemals als Klavierspieler wieder eine Lola (mit)machen, werde ich ganz genau darauf achten!
,,Die Kunst ist eben keine hübsche Zuwaage – sie ist die Nabelschnur, die uns mit dem Göttlichen verbindet, sie garantiert unser Mensch-Sein." (Nikolaus Harnoncourt)

whoknows

Ich glaub, damals gabs noch nicht mal Video, oder? Nur super 8. Uff. Ich bin alt.

Burkhard Ihme

#131
MAZ gabs schon (fällt ja wohl auch unter Video - Nam June Paik macht seit 1963 "Videokunst"), aber VHS erst seit 1976.

ZitatUff. Ich bin alt.
Wann haste denn Geburtstag? ;)

whoknows


Burkhard Ihme


whoknows


Burkhard Ihme

Von den 150 Mark, die ich dir 1953 geliehen habe ...

Alexander

Es gibt jetzt auch eine "Lola Blau" Produktion in Schwetzingen.

Hier die Premierenkritik. Wenn sie´s ab Februar weiter spielen, fahr ich vielleicht hin.

http://www.morgenweb.de/nachrichten/kultur/20080107_srv0000001982723.html
,,Die Kunst ist eben keine hübsche Zuwaage – sie ist die Nabelschnur, die uns mit dem Göttlichen verbindet, sie garantiert unser Mensch-Sein." (Nikolaus Harnoncourt)

Maexl

gut, dass du mich drauf hinweist - sag bescheid bevor du gehst... wäre bei mir in der nähe ;-)

Margarte

Schleswig-Holsteinisches Landestheater, Kleine Bühne Flensburg

"Heute Abend: Lola Blau"

Premiere am 13. Januar um 19 Uhr

Als Lola Blau: Gabriela Kuhn

www.sh-landestheater.de

Alexander

Ich war in der Premiere. Bericht folgt. Für mich eine sensationell gute Produktion (was an sich nicht viel heißt, weil ich relativ schnell Lola-begeistert bin wie man weiß, aber die war wirklich außergewöhnlich gut - keine, die Lola gespielt hat, sondern eine, die Lola Blau "lebte"). Mehr demnächst.
Nur soviel: Wer dort in der Gegend wohnt (ich kam von München, Schönes Wochenende Ticket 35 Euro, 2:20 Uhr ab München, neunmal Umsteigen, 17:52 Uhr Flensburg, zurück dann mit dem Nachtzug, war also "ein kleiner Sonntagsausflug") - UNBEDINGT hingehen. Das wird Georg Kreislers Vorlage wirklich in bestem Sinn gerecht. In allen Belangen.
,,Die Kunst ist eben keine hübsche Zuwaage – sie ist die Nabelschnur, die uns mit dem Göttlichen verbindet, sie garantiert unser Mensch-Sein." (Nikolaus Harnoncourt)

Maexl

#140
ZitatEs gibt jetzt auch eine "Lola Blau" Produktion in Schwetzingen.

Hier die Premierenkritik. Wenn sie´s ab Februar weiter spielen, fahr ich vielleicht hin.

http://www.morgenweb.de/nachrichten/kultur/20080107_srv0000001982723.html

Zitatremiere :
Samstag, 5. Januar 08, 20 Uhr

Weitere Vorstellungen :
Samstag, 12.Januar 08, 20 Uhr
Samstag, 19. Januar 08, 20 Uhr
Sonntag, 20.Januar 08, 19 Uhr
Donnerstag, 21. Februar 08, 20 Uhr
Freitag, 22 Februar 08, 20 Uhr
Ostersonntag, 23. März 08, 20 Uhr
Donnerstag, 3. April 08, 20 Uhr
Donnerstag, 10. April 08, 20 Uhr
Freitag, 25. April 08, 20 Uhr
Freitag, 2. Mai 08, 20 Uhr
Samstag, 10. Mai 08, 20 Uhr
Sonntag, 11. Mai 08, 20 Uhr

www.theater-am-puls.de/repertoireset.html

www.christine-rothacker.de

soll ich mit dem besuch warten?

lg, Max

Alexander

Freitage, Samstage oder auch Ostersonntag kann ich am ehesten. Kann mich aber erst Anfang Februar festlegen.
Bin am 25.1. zunächst mal in Erfurt.
,,Die Kunst ist eben keine hübsche Zuwaage – sie ist die Nabelschnur, die uns mit dem Göttlichen verbindet, sie garantiert unser Mensch-Sein." (Nikolaus Harnoncourt)

Alexander

LOLA BLAU, TOTAL GELEBT

,,Heute Abend: Lola Blau" von Georg Kreisler auf der Kleinen Bühne im Landestheater Flensburg, Premiere am 13.1.2008

Am Samstag (12.1.) bis 15 Uhr noch bei einem Verwandtenbesuch in Wien, um 21 Uhr kurz im Münchner Büro, und dann doch der endgültige Entschluss, die Nacht weitgehend aufzugeben, denn den Süchtigen lockt ,,Lola Blau", Hinfahrt mit DB Schönes Wochenende Ticket statt um 63 um 35 Euro, fünfzehneinhalb Stunden durch Deutschland: 2:10 Uhr ab München Hauptbahnhof, 3:27 Uhr ab Augsburg, 5:53 Uhr ab Nürnberg, 7:04 Uhr ab Lichtenfels, 8:19 Uhr ab Saalfeld (Saale), 9:21 Uhr ab Neudietendorf, 11:07 Uhr ab Göttingen, 14:00 Uhr ab Uelzen, 15:20 Uhr ab Hamburg Hauptbahnhof, 16:33 Uhr ab Neumünster, 17:50 Uhr Ankunft in Flensburg, 19 Uhr Vorstellungsbeginn im Landestheater. (Die Rückfahrt quer durch die Nacht mit City Night Line, aus Kopenhagen kommend, Flensburg 22:32 Uhr – München 8:57 Uhr, kostet dann schon 63 Euro, aber das ,,Sitz-Bett" erspart immerhin ein Hotelzimmer. Ein ,,Sonntagsausflug" in den Norden gewissermaßen.)

Die Bühne (Martina Lüpke) zeigt sich als Werkstatt: viele Requisiten, links das Pianino, vorne viele alte Wähltelefone am Boden. (Einige wird Lola Blau nutzen.) Hinten verschiebbare große Quader, auf die man auch Bilder projizieren kann. Von Anfang an ist klar: Dies ist eine Inszenierung (Jürgen Pöckel), die sehr genau darauf achtet, der Vorlage gerecht zu werden, ja mehr noch, die diese Figur Lola Blau (Gabriela Kuhn) ihr Schicksal von 1938 bis nach dem Zweiten Weltkrieg derart intensiv durchleben lässt, zwischen künstlerischer Total-Ambition und zeitgeschichtlich bedingter Total-Betroffenheit, dass man selbst nach so vielen Inszenierungen wie sie der Schreiber dieser Zeilen schon miterlebt hat, völlig verblüfft, hingerissen und bewegt von dieser Theaterarbeit ist. Man hat eigene Schlager-Zuspielungen ausgewählt und teilweise die Kriegsreden verwendet, die man auch aus anderen Aufführungen kennt. Die Stimmen der Nebenrollen (statt Frau Fini ist ein Herr Gruber zu hören) kommen aus dem Hintergrund, wahrscheinlich vom Band. Die Umbauten erledigt Lola Blau auf offener Bühne selbst. Man hält sich ziemlich streng ans Original, und die beherzte, sehr natürlich agierende Gabriela Kuhn nimmt den Zuschauer mit von Wien nach Basel und in die USA und dann wieder zurück nach Wien, und man geht staunend und fiebernd mit mit ihr, staunend ob der virtuosen Aufbereitung der Shownummern (,,Die Wahrheit vertragen sie nicht", ,,Sie ist ein herrliches Weib", ,,Im Theater ist nichts los"), fiebernd ob der wie sonst kaum betonten inneren Betroffenheit dieser Lola über die sie überrollenden politischen Ereignisse. Da werden Hitlers Brandreden nicht zu Umbaupausen degradiert, nein, da hört Lola und hören wir diese Wahnsinnsworte und sie treffen Lola wie uns mitten ins Herz. Viele Inszenierungen zeigen Zeitgeschichte und Lola, diese zeigt Lola mitten in der Zeitgeschichte. Gabriela Kuhn hat eine ausgezeichnete Chanson- und Operettenstimme für die Lieder des Georg Kreisler. Dass sie auf ihrem Weg durch großartige Hintergrund-Projektionen der Schauplätze der Handlung und mit genauso großartig ausgewählten Kostümen unterstützt wird, macht diesen Abend noch stimmiger.

Im zweiten Teil (nach der Pause) ist die Bühne weniger angeräumt, Lola hat mehr Platz. Nichts ist routiniert, hinter allem steht der fühlbare Wunsch, der Vorlage in jeder Nuance gerecht zu werden. Pianist Peter Geilich bleibt auch ziemlich streng am Original-Klavierauszug, auf ihn kann sich die Lola immer verlassen. Bei den virtuosen Shownummern gibt er ein höllisches Tempo vor, aber Lola schafft es, auch in diesem Tempo stets wortdeutlich zu bleiben. Ihre Gesangsstimme ist leicht verstärkt, das hilft etwas dabei. Die großen Charakternummern wie ,,Sie war liab" oder ,,Zu leise für mich" kommen sensationell intensiv und gehen unter die Haut wie nur selten. Gabriela Kuhn spart nichts aus, nicht die ,,jüdischen Glanznummern" noch ,,Sex is a wonderful habit" mit blonder Perücke im Dirndl, noch den ,,Mozart", nur die freigestellte große Shownummer im zweiten Teil. (Hier wird lediglich durch angedeuteten Applaus und mit Verbeugungen der Erfolg der Künstlerin in Amerika angedeutet.) Der lang anhaltende Applaus des Premierenpublikums wird dieser Leistung mehr als gerecht.
,,Die Kunst ist eben keine hübsche Zuwaage – sie ist die Nabelschnur, die uns mit dem Göttlichen verbindet, sie garantiert unser Mensch-Sein." (Nikolaus Harnoncourt)

Margarte

Beeindruckend zu lesen. Das werde ich mir wohl nicht entgehen lassen. Danke Alexander!

Maexl

also von der will ich ne DVD - aber mit gutem ton *heul*

welche der cds von lola blau würdet ihr mir denn empfehlen? topsy oder was neueres?

Max

PS: in schwetzingen kostet sie übrigens 16€/12€erm.

Alexander

#145
Topsy Küppers ist immer gut, weil authentisches Original (auch mit Georg Kreisler an einem der beiden Klaviere). Hört sich an wie ein Hörspiel.
Auch Jutta Czurda geht als Hörspiel durch, das ist sogar eine Liveaufnahme.
Stella Fürst, Ewa Teilmans, Ursula Ruhs, Morag McLaren (englisch, siehe Thread "Tonight Lola Blau") und Ines Martinez bringen nur die Lieder, allenfalls kurze Textausschnitte eingeflochten oder im Coverbereich abgedruckt. Hab auf den vorangegangenen Seiten dieses Threads einiges zu den meisten CDs geschrieben.
Wenn es darum ginge, nur eine Aufnahme "auf die einsame Insel" mitzunehmen, würde ich die mit Topsy Küppers nehmen.
,,Die Kunst ist eben keine hübsche Zuwaage – sie ist die Nabelschnur, die uns mit dem Göttlichen verbindet, sie garantiert unser Mensch-Sein." (Nikolaus Harnoncourt)

Maexl

ZitatTopsy Küppers ist immer gut, weil authentisches Original (auch mit Georg Kreisler an einem der beiden Klaviere). Hört sich an wie ein Hörspiel.

gibt es denn noch aufführungen / einspielungen mit 2 klavieren?

also ich war jetzt am samstag mal bei lola blau in schwetzingen. ob ich so ohne live-vergleiche dazu was sagen kann / soll hab ich noch nicht ganz entschieden  ;)

Max

Alexander

Zitat
ZitatTopsy Küppers ist immer gut, weil authentisches Original (auch mit Georg Kreisler an einem der beiden Klaviere). Hört sich an wie ein Hörspiel.

gibt es denn noch aufführungen / einspielungen mit 2 klavieren?

also ich war jetzt am samstag mal bei lola blau in schwetzingen. ob ich so ohne live-vergleiche dazu was sagen kann / soll hab ich noch nicht ganz entschieden  ;)

Max

Die anderen mir bekannten CDs setzen auf ein Klavier (bzw. tlw. Keyboardsounds), bei Ursula Ruhs kleine Jazzband.
,,Die Kunst ist eben keine hübsche Zuwaage – sie ist die Nabelschnur, die uns mit dem Göttlichen verbindet, sie garantiert unser Mensch-Sein." (Nikolaus Harnoncourt)

Alexander

#148
GROSSE OPER LOLA BLAU

,,Heute Abend: Lola Blau" von Georg Kreisler im Theater Erfurt, 25.1.2008

Auf einer großen Opernbühne kann man Georg Kreislers Musical einer Künstlerin, die 1938 von Österreich über die Schweiz in die USA emigrieren muss und nach dem Krieg als Kabarettistin wieder in Wien Fuß zu fassen versucht, derzeit in Erfurt sehen. Das heißt: Viel Platz auf der Bühne, links der Flügel mit dem Pianisten, in der Mitte ein Laufsteg nach vorne (bis in die ersten drei Publikumsreihen – eine logische Möglichkeit, die Lola näher ans Publikum zu bringen), dessen drei Stufen hinten in den Vorhang münden. Wenn dieser sich öffnet, sehen wir zeithistorische Filmaufnahmen oder atmosphärisch stimmen wollende Filmmotive (Schienen, Schiffsdetails).

Gleich der Beginn kommt etwas plakativ daher. Man hört ,,Les Preludes" von Liszt und sieht Filmaufnahmen jubelnder Nazis, und Hitler verkündet den Eintritt Österreichs in das deutsche Reich. Mit dem Holzhammer wären wir in der ,,richtigen" Zeit angekommen. Ein Pianist wartet, bis die Künstlerin kommt, mit der er proben möchte. Lola hat in der rechten Bühnenhälfte einen Schrank zur Verfügung, der gleichzeitig Schminktisch und Kleiderständer ist, wenn man ihn öffnet. Mehr braucht auch die große Bühne nicht an Ausstattung (Susanne Besser). Die sprachlich sehr deutsche, alles andere als wienerische Lola Blau (Maria-Elisabeth Wey) hält (wie übrigens auch in der Meininger Inszenierung) einen Monolog über Juden, Neger und Inder, während sie sich umkleidet. Dann fragt sie den Pianisten (Veit Wiesler), ob Leo angerufen hat. Erst jetzt beginnt sie mit dem ersten Lied ,,Im Theater ist was los".

Regisseur Karl-Heinz Krause vertraut Georg Kreislers Vorlage, vor allem in den Zwischentexten, nur teilweise. Offenbar empfindet Krause diese Zwischentexte als Korsett, das aufgebrochen werden muss. Entsprechend frei gehen seine Lola Blau und ihr Pianist damit um. Im ersten Teil kommt noch ein für den Kenner des Originals befremdliches Element hinzu: Einige Lieder werden szenisch unterbrochen (etwa mit Telefonaten) und dann fortgesetzt. Obwohl Lola Blaus Betroffenheit über die zeitgeschichtlichen Ereignisse deutlich herausgearbeitet erscheint, bleiben die Zuspielungen (Film und Ton) plakativ, allzu aufgesetzt, wohl um dem großen Theaterraum gerecht werden zu wollen. Maria-Elisabeth Wey ist von der Regie häufig zu Outrage angehalten. Sie macht ihr Handeln vielfach ,,größer" als es sein müsste. Kreislers ,,Lola Blau" passt aber nun mal eher in kleinere Räume als in ein großes Opernhaus.

Das Plakative, das Überbetonte, überdeckt manchmal leider das große Plus der Aufführung, die musikalisch eindringliche und kongeniale Interpretation der Kreisler-Lieder, vor allem der Charakterlieder wie ,,Sympathie" oder ,,Alte Tränen". Und hier wiederum erlebt man mit Veit Wiesler, der unter anderem bei Leonid Chichik und Lazar Berman studiert hat, einen der denkbar besten Pianisten für dieses Werk. Zur zu erwartenden Souveränität (er ist in dieser Fassung quasi zweiter Mitwirkender neben Lola) kommt bei ihm genau jenes Element großer künstlerischer Präsenz, das seine Arbeit außergewöhnlich macht. Die Symbiose mit der Lola ist grandios ausbalanciert. Wie er etwa ,,Die Wahrheit vertragen sie nicht" bluesig beginnt, wie er jede Nummer einzufangen weiß, wie er stets mitatmet mit der Lola: sensationell gut! (Die "Wahrheit" beginnt Lola übrigens sich umziehend, erst zur zweiten Strophe ist sie ,,auf der Bühne" damit.)

Herr Berger heißt hier Herr Grünstein, und Lola spricht Teile des Monologs selbst, in dessen Rolle schlüpfend. Im ersten Teil spart man in Erfurt nur ,,Ich hab a Mädele" aus. ,,Sie ist ein herrliches Weib" singt diese Lola mit einer Vogelscheuche als ,,Weib" neben sich. ,,Sex is a wonderful habit" macht sie als Monroe-Verschnitt, ,,Der Herr ist mir fremd" als Vamp. Man erspart sich eine große Shownummer, Lola zieht sich um, dazu spielt der Pianist einen Blues. Er nimmt auch den Anruf von Leo entgegen, der Lola quasi zurückruft nach Wien. Und er macht auch den Herrn Schmidt. (Die musikalische Nummer dazu wird gekürzt – oder an diesem Abend verhaut, das ist nicht so ganz klar.) ,,Im Theater ist nichts los", die große Nummer mit der Schlagersängerin, der Pariserin, der Wienerin und der Ungarin sowie der Berlinerin, kommt gut routiniert. Man wechselt direkt in ,,Wo sind die Zeiten dahin", gekürzte Fassung, Lola wie eine Puppe an Schnüren agierend. Auch das große letzte Lied ,,Zu leise für mich" wird gekürzt. Hat sich Regisseur Krause zu Beginn viel einfallen lassen, um ,,etwas zu machen", so verlor er offenbar im zweiten Teil (vieles näher am Original, aber etwas lieblos durchgezogen) die Lust am Stück und ließ es ,,ablaufen".

Am Ende sehen wir eine Projektion eines leeren Theater-Publikumsraumes. Das Bild könnte stark sein, wirkt aber wieder nur plakativ. Das Publikum im leider nur halbvollen großen Opernhaus anerkennt die künstlerische Leistung der Lola wie des Pianisten herzlich. Die beiden hätten sich eine kleiner dimensionierte, liebevollere Inszenierung, deutlicher an Georg Kreislers Vorlage, verdient.
,,Die Kunst ist eben keine hübsche Zuwaage – sie ist die Nabelschnur, die uns mit dem Göttlichen verbindet, sie garantiert unser Mensch-Sein." (Nikolaus Harnoncourt)

Margarte

Wiederaufnahme "Heute Abend: Lola Blau"
Junges Studio, Theater Lübeck

14. und 15. Februar, jeweils 20 Uhr