Weg zur Arbeit

Begonnen von Cora, 02. Dezember 2006, 21:10:03

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Cora

Nun will ich auch mal ... bin schon ein paar Monate hier registriert, dankbar für dieses wunderbare Forum, das mehr Fragen zu GK beantwortet, als ich je hatte. Kreisler war in unserer Gymnasialzeit, lang ists her, eine Art Offenbarung. Der schwarze Humor, damals noch verpönt, die nichtarischen Arien, die beinah dadaistischen Wortspiele, Binnenreime, wurden als Erkennungszeichen zitiert, dergestalt Wissende von Unwissenden geschieden. Als GK Ende der Siebziger (?) nach Berlin umsiedelte, erste Abende mit Barbara Peters gab, kam er hier aus verschiedenen Gründen im Ganzen nicht richtig an. Was schade war. Seit zwei Jahren höre ich wieder gelegentlich Kreisler, finde ihn immer noch genial, entdeckte dieses Forum – und eine fast familiäre Atmosphäre hier, KünstlerInnen, die unter anderem GKs Werk weiter pflegen und - Wortfront! (Ich find einiges davon wirklich atemberaubend, und, nein: das ist kein Sammeln von 100 Schleimpunkten! Wann sieht man die mal in Berlin?)
– Nach so langer Einleitung jetzt ne kurze Frage. Weg zur Arbeit, da kommt eine Wendung drin vor: ,,...mit einem Lächeln an der Leine", als Metapher klingts mir so unnötig angestrengt, paßt für mein Ohr gar nicht richtig da hinein, ist das ein Zitat? Oder sagt man in Wien so? Kommts nur mir komisch vor? Oder wie?
- Danke für Antwort :)

whoknows

Mir kommt der Spruch extrem geläufig vor - vielleicht klassisches Wiener Bildungsjudentum - aber vielleicht auch nur, weil ich das Lied so lange schon kenne - und weil ich sofort ein Bild dazu im Kopf habe. Leider kann ich also auch nur vermuten....
Die Übersiedlung nach Berlin war 76. Warum kam er hier nicht gut an? Das wusste ich noch nicht.
(wundert mich wenig, wie ich die Berliner kenne - die sind laaaaaangsam. Das dauert, bis hier was funktioniert. Mit ein Grund übrigens, warum Wortfront noch zuwarten will, bis sie Gigs in Berlin ansteuern: Berlin zahlt grottenschlecht, das heisst, man muss sich drauf verlassen können, dass man voll ist - und das kann man in Berlin sowieso kaum, und als neue Band garnicht....

Übrigens: [highlight]Willkommen Cora!! Schön, dass Du "Laut gibst"  ;)[/highlight]

Cora

Das war vielleicht ein bissl mißverständlich weil verkürzt formuliert. Bei den Berlinern kam GK schon sehr gut an, soweit sie ihn verstanden haben. Man muß sehen, daß die damalige Berliner Kabarettszene in der Breite noch nicht weit vom Frontstadt-Stachelschwein-Niveau entfernt war, die Alternativszene spielte in Zelten und an weniger bekannten Stätten vor jungem Publikum, die legendäre Talkshow mit Wolfgang Neuss und Richie ,,Silberzunge" Weizsäcker war erst 1983 ... was wollt ich sagen? Mit Kreisler kam 1976 ein künstlerisch ganz anderes Kaliber in die Stadt. Die Kulturverantwortlichen hätten dem Rechnung tragen, dem Manne Raum geben müssen. Statt dessen waren sie mißtrauisch, GK paßte in keine Schublade, äußerte sich politisch, statt von vergifteten Tauben und tangotanzenden Tanten zu singen, da macht man besser gar nichts. Auf jeden Fall nicht unterstützen. Das meinte ich mit ,,nicht angekommen", sie haben ihn nicht richtig reingelassen. GKs Fankurve war und blieb hingegen beachtlich, ich kann mich an Abende mit nicht endenwollendem Beifall in den alten Wühlmäusen erinnern!
@whoknows Stimmt schon, die Bedingungen für Wortfront live in Berlin sind grad nicht optimal, aber das muß ja nicht so bleiben  ;)

whoknows

So, wie Du das schreibst, scheint es Wortfront nicht viel anders zu gehen: "nicht einzuordnen, da macht man lieber nix" - aber nicht nur in Berlin, sondern allenthalben.
Übrigens ging es GK auch allenthalben so - er ist zwar unmittelbar wegen der Scheidung von TK aus Wien weg, war aber schon ziemlich desilliusioniert von wegen "Hilfe und Anerkennung von oben" - in Wien ist es nur noch dazu dann so, dass auch das Publikum wegbleibt. Er ist auch bis heute in Wien nicht so präsent und bekannt wie in Germanien. Österreich ist seit dem "Verschwinden" der Bildungsjüdischen Oberschicht völlig anti-intellektuell, habe ich den Eindruck. In Deutschland bemüht man sich wenigstens ein bisschen. Ein Bisschen!! Immerhin titelt die Zeit diese Woche mit einem Lamento über das Verschwinden der Musik aus den Lehrplänen - das wird zwar nix ändern, aber wenigstens merkt es wer....