Nichtarisches und "Nichtarisches"

Begonnen von Heiko, 18. Oktober 2009, 16:26:01

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Heiko

Gleich zweimal benutzt Kreisler den Begriff Nichtarisch im Albumtitel.
Jetzt stellt sich mir die Frage, weshalb er einmal Anführungsstriche setzt ("Nichtarische" Arien) und das andere mal nicht (Literarisches und Nichtarisches).
Hat jemand ein Erklärungsansatz oder wurde das gar schon annodazumal in den Abgründen des Forums thematisiert? Habe jedenfalls nichts gefunden.

"I would prefer not to."

Bastian

#1
Hab ich mich ehrlich gesagt noch nie gefragt.

These 1: es gibt keinen Grund, es war ihm schnurz.

These 2: vielleicht ist er zwischen '66 und '71 einfach schlauer geworden und hat erkannt, dass Gänsefüßchen die Konnotation von Distanz zum Geschriebenen haben. Wenn man einen Begriff prägen und etablieren will, hat das natürlich keinen Zweck. Man sollte zu ihm stehen, ihn einfach gebrauchen.



Da hat das Untere schon eher etwas von dem, was man auf Marktdeutsch "ein Statement" nennt. Wie wirkte das mit Anführungsstrichen?



These 3: mit dem selben einleitenden Anführungsstrichlein im unteren Bild sähe es so aus, als ob Georg Kreisler sich ungeniert einen beeindruckenden Rotz in die Hand hustet. Und weil er das für nicht besonders gesellschaftsfähig hielt, hat er auf die Strichlein verzichtet.


Mehr fällt mir z.Zt. dazu nicht ein. Ich tendiere zu 1 (schnurz).

Anke

ZitatThese 3: mit dem selben einleitenden Anführungsstrichlein im unteren Bild sähe es so aus, als ob Georg Kreisler sich ungeniert einen beeindruckenden Rotz in die Hand hustet. Und weil er das für nicht besonders gesellschaftsfähig hielt, hat er auf die Strichlein verzichtet.
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Ich denke, bei "Nichtarische" Arien wollte er sichergehen, dass die Leute seine Wortwahl nicht für bare Münze nehmen. Schließlich war das ja die Terminologie und Mentalität der Nazis.  :-?


Hingegen soll es sich m.E. bei "Literarisches und Nichtarisches" primär um ein Wortspiel handeln:
"Liter-arisches und Nicht-arisches". Das würde durch Anführungesstriche beim zweiten Wort kaputtgehen.  ::)

Heiko

#3
Danke, dass ihr auf meine banale Frage Antworten gefunden habt!   :)
Vielmehr gibt es wahrscheinlich dazu auch nicht zu sagen.

Zitat
Ich denke, bei "Nichtarische" Arien wollte er sichergehen, dass die Leute seine Wortwahl nicht für bare Münze nehmen. Schließlich war das ja die Terminologie und Mentalität der Nazis.  :-?
So sehe ich das auch, als eine Art Vorsichtsmaßnahme.


Zitat
These 2: vielleicht ist er zwischen '66 und '71 einfach schlauer geworden und hat erkannt, dass Gänsefüßchen die Konnotation von Distanz zum Geschriebenen haben. Wenn man einen Begriff prägen und etablieren will, hat das natürlich keinen Zweck. Man sollte zu ihm stehen, ihn einfach gebrauchen.

Da hat das Untere schon eher etwas von dem, was man auf Marktdeutsch "ein Statement" nennt. Wie wirkte das mit Anführungsstrichen?
Meine Vermutung ist (jetzt) ähnlich. Nur dass er nicht schlauer, sondern ,,mutiger" geworden ist. Das Weglassen der Striche ist m. E. Zeichen seiner wachsenden Politisierung, die zu jener Zeit einsetzte. Wenn ich die Liederlistenbei GKIF zu Grunde lege, entdecke ich diesen ,,politischen" Schnitt 1969 mit ,,Der Tod, das muss ein Wiener sein", spätestens aber mit ,,Hurra, wir sterben!".
Dass es ihm völlig schnurz gewesen sein soll, im Sinne, er hat nicht drüber nachgedacht, möchte ich hingegen nicht so gerne glauben.
"I would prefer not to."

Bastian

Ist das der Zeitpunkt, an dem ich zugeben muss, dass ich seit Ankes Beitrag heimlich ebenfalls zu ihrer Abgrenzungs- These tendiere?

(Die schnurz- These war meine Nullhypothese, und meine anderen hatten mich nicht restlos überzeugt. :))

urmel

Das Buch > Nichtarische Arien< erschienen im Sanssouci-Verlag  (1967) und der Titel beim dtv  (1969) sind ohne Anführungsstrichen geschrieben. Wenn es einen tieferen Grund geben sollte, dann neige ich zur Ansicht von Anke oder es ist als Spitze gegen die "Arier" gedacht. Den Gedanken fortgesetzt, sind die übrigen Lieder des Juden Georg Kreisler dann "arische Arien" Kommt dem jiddischen Humor nahe.