Alte (Kr)Eisler-Platten in der Villa Aurora

Begonnen von angel, 02. Dezember 2005, 17:05:46

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angel

[size=18]In Feuchtwangers Bibliothek[/size]
Das Künstlerhaus Villa Aurora in Los Angeles feiert Jubiläum: Es besteht seit nun zehn Jahren
VON ELKE BUHR

Für Lion und Marta Feuchtwanger war die malerisch am Pazifik gelegene Villa wohl eine Art Schnäppchen. Das vom Hitler-Regime ins Exil getriebene Paar konnte sich 1943 gerade noch den Kaufpreis leisten und breitete zunächst die Schlafsäcke aus, weil das Geld für Möbel erst wieder verdient werden wollte. Später trafen sich in dem "Villa Aurora" genannten Anwesen in Los Angeles deutsche Exilanten von Bertolt Brecht bis Arnold Schönberg mit neuen Bekannten wie Charles Chaplin zum Dinner.

Marta Feuchtwanger hat nach Lions Tod 1958 das Haus mitsamt seiner am Ende sehr umfangreichen Bibliothek der University of Southern California geschenkt, die sich allerdings, nachdem auch Marta 1987 gestorben war, nicht in der Lage sah, das Haus zu unterhalten. Ein deutscher Initiativkreis vor allem aus Politikern und Verlagsleuten organisierte den Kauf des Hauses mit öffentlichen Mitteln.

Vor zehn Jahren wurde die Villa Aurora wieder eröffnet, als Künstlerhaus, in dem viermal im Jahr drei bis vier Stipendiaten aus Deutschland - keinesfalls unbedingt deutscher Nationalität übrigens - für drei Monate wohnen und arbeiten können, dazu gibt es jährlich einen Platz für einen "Writer in Exile", einen Exilanten von heute, aus Burma, Nigeria oder Algerien.

Das Buch, das aus Anlass des Jubiläums erschienen ist, dokumentiert nun all die Besuche liebevoll. Gleich am Anfang hat Heiner Müller zwischen Feuchtwangers Büchern an der Schreibmaschine gesessen: Das Haar zerzaust, den Bademantel über die schmächtigen Schultern gerutscht, so hat ihn Brigitte Maria Mayer fotografiert.

Wolfgang Becker beschreibt, wie er die "humming birds" im Garten besuchte, mit seinen "wunderbaren Mitbewohnerinnen", der Schriftstellerin Judith Kuckart und der Künstlerin Valeska Peschke, Thunfisch aß und zwischendurch das Drehbuch für Good Bye Lenin fertig stellte.

Und die Komponistin Charlotte Seither kann begeistert von einer Begegnung mit der Familie Schönberg berichten, die immer noch in der Nähe wohnt. Nicht wenige sind länger in Los Angeles geblieben als die drei Monate, die das Stipendium währt: Kontakte zu amerikanischen Künstlern wurden geknüpft, Projekte weiterverfolgt, die Kommunikationsmaschine Villa Aurora hat sich bewährt.

"Wie's mir geht hier in Arkadien, willst du wissen? Prima. / Ich vermisse nichts als meinen Schatten.", schreibt Durs Grünbein in dem Gedicht Grüße aus der Hauptstadt des Vergessens. Die eigene Begeisterung ist ihm nicht ganz geheuer: "Seltsam, dass ich nun hierher gehöre. Manches Photo / Zeigt mich schamrot, wie erwischt beim Lotosfressen". In dem dazugehörigen Essay verscheucht er schnell die betörenden Sonnenstrahlen und rafft sich zu der kulturkritischen Demontage der großen Hollywood-Stadt auf, diagnostiziert Geschichtslosigkeit und sieht sich beim nächtlichen Durchfahren der Stadt als "Geisterfahrer in einer rauschenden Nekropole".

Mit Schwung in den Bildertaumel

Wo der Dichter noch scheut, werfen sich die Bildenden Künstler und Künstlerinnen oft mit Schwung in den Bildertaumel hinein: Das zeigt die beachtliche Ausstellung "Transatlantische Impulse", die aus Anlass des zehnjährigen Bestehens des Künstlerhauses alle Stipendiaten der Bildenden Kunst im Berliner Martin-Gropius-Bau präsentiert. Aurelia Mihai zum Beispiel hat archäologische Grabungen unternommen und im kalifornischen Sand ägyptische Pyramiden entdeckt - was ihr Fake-Film dokumentiert, ist allerdings nur die Ur- und Frühgeschichte Hollywoods mit ihrer Ägyptomanie.

Die Fotografen und Fotografinnen haben in der Stadt ganz verschiedene Dinge gefunden: Hans Christian Schink seine fast transparent hellen, menschenleeren urbanen Wüsten, Werner Amann eine glamouröse Sexorgie, und Eva Castringius einfach nur einen spezifischen Blick. Sie hat nach ihrer Rückkehr ostdeutsche Braunkohle-Abbaugebiete so fotografiert und bearbeitet, dass sie aussehen wie Canyons aus einem Western.

Castringius, die gleichermaßen malt wie fotografiert, hat für eine Gemäldeserie über die monströsen Einrichtungen zur Wasserversorgung der Wüstenstadt Los Angeles recherchiert: Draft heißt ihr Bild, das die Konturen des riesigen Hoover-Staudamms in eine abstrakt-assoziative, wunderschön pink-türkise Farblandschaft einbettet. Auch bei ihrem Kollegen Erik Göngrich ist der Blick auf den Moloch gleichermaßen analytisch wie offen für seine Reize: Starving for Embarissing Architecture ist der Titel des Buches und der großen Installation, die seiner Recherche im Stadtraum entsprungen sind. Sein Blick auf die "Peinlichkeiten" der dortigen Sperrholz-Bauten ist so liebevoll wie ironisch; in wild wechselndem Maßstab setzt er die Objekte in einfachen, comic-artigen Zeichnungen nebeneinander und macht so das Surrealistische der oft unorthodoxen Zweckbauten und Wohnschachteln sichtbar.

Feuchtwangers alte Schallplatten

Mit großem Geschick kitzelt Göngrich die ästhetische Form aus dem obskuren Objekt heraus, und die Modelle, die er daraus baut, kann man sogar als Sessel und Tische benutzen. Und wenn man so sitzt, mag man mit Tentakel-Ohren hinüberlauschen zu der Installation von Carsten Nicolai: [highlight]Er hat alte Platten Kreislers geloopt, die er in Feuchtwangers Bibliothek gefunden hat.[/highlight] Von Schellack-Zeiten in die Techno-Gegenwart in einem Takt, auch das geht in der Villa Aurora.

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10 Jahre Villa Aurora

Der "Kreis der Freunde und Förderer der Villa Aurora" hat in Berlin ein umfangreiches Jubiläumsprogramm organisiert. Die Ausstellung "Transatlantische Impulse" im Martin- Gropius-Bau ist bis zum 19. Februar 2006 zu sehen.

Das Musikprogramm "Berlin meets Los Angeles in concert" findet vom 2. bis 4. Dezember im Konzerthaus am Gendarmenmarkt in Berlin statt. Dazu gibt es eine Filmreihe im Kino Arsenal und verschiedene Lesungen. www.villa-aurora.org

Quelle: Frankfurter Rundschau

RIK

Georg Kreisler in Feuchtwangers Bibliothek? Kreisler o.k. - Georg nein!

Zyankalifreund

Meinen die vielleicht den ollen Fritz Kreisler?

whoknows

Naja, ist zwar blöd ausgedrückt, könnte aber - mittelbar - so sein. Denn Kreisler war ja befreundet mit Schönberg und hat für Chaplin gearbeitet - also könnte in der Bibliothek was sein, was "später" dazu kam, als eben das Haus Treffpunkt für all diese Leute war.  DA ist schon warhscheinlich, dass Kreisler auch mal dort war. Und das ist halt dann zur "alten Bibliothek" dazugekommen.

ZitatSpäter trafen sich in dem "Villa Aurora" genannten Anwesen in Los Angeles deutsche Exilanten von Bertolt Brecht bis Arnold Schönberg mit neuen Bekannten wie Charles Chaplin zum Dinner.

Dagmar

Ja ich glaube auch, dass GK das gewesen sein könnte. Ich frage mal Susanne Kessel, meine Korepetitorin. Sie war vor kurzem für längere Zeit in der Villa Aurora und hat Konzerte und mehrere längere Beiträge für den WDR dort und viele Recherchen und Interviews dort gemacht. Neulich habe ich über jemand Drittes gehört, dass sie angeblich dort auch ein Mitglied der GK-Familie getroffen haben soll. Wer weiß, ob das stimmt. Ich sehe sie demnächst und frage mal nach und berichte dann hier.

Je fester dir einer die Wahrheit verspricht, in Programmen und Predigten, glaube ihm nicht. Und geh' zu den Gauklern, den Clowns und den Narr'n: Dort wirst du zwar nix, doch das in Wahrheit erfahr'n.

whoknows

Ein Mitglied der Familie? Das ist tatsächlich erstaunlich. So viele Mitglieder hat die Familie nämlich nicht - und in den USA lebt meines Wissens keines. (Naja, wenn man mal vom Sohn und der Exfrau absieht - aber die Frau ist alt und krank und meschugge und der Sohn ist Alkoholiker)

Dagmar

Ich habe ähnlich erstaunt reagiert, weil mir das ja bekannt ist. Wer weiß ob das stimmt. Ich frage Susanne besser selber.
Je fester dir einer die Wahrheit verspricht, in Programmen und Predigten, glaube ihm nicht. Und geh' zu den Gauklern, den Clowns und den Narr'n: Dort wirst du zwar nix, doch das in Wahrheit erfahr'n.

angel

#7
Hallo Dagmar, whoknows!

Sagt mal, rätselt Ihr so gern? Nach dem Platten-Mysterium kommt nun noch ein Familienmysterium hinzu, das die Plattenfrage nur verkompliziert.

Wäre es nicht einfacher, die Ausstellung aufzuzusuchen und bezüglich der geloopten Kreisler-Platten nachzufragen?

Also hin und wieder finde ich es ganz gut, auch etwas pragmatischer zu handeln. Wenn Ihr jedoch darauf besteht, könnt Ihr natürlich zuerst das Familienmysterium und die Hörensagen (oral legends) klären ;)

Dagmar

Na ja, weisste: Whoknows hat da schon einen direkten Durchblick. Da braucht's kein Raten, da brauch' man nur dort nachfragen. Du weißt ja wahrscheinlich auch einigermaßen über Deine Familie Bescheid, oder musst Du dafür auf Ausstellungen recherchieren????

::) ::) ::)
Je fester dir einer die Wahrheit verspricht, in Programmen und Predigten, glaube ihm nicht. Und geh' zu den Gauklern, den Clowns und den Narr'n: Dort wirst du zwar nix, doch das in Wahrheit erfahr'n.

angel

Lol, ich will doch auf der Ausstellung keine Familienlegenden klären, sondern nur wissen, um welche Kreisler-Platten es sich handelt...  - und darum drehte sich die ursprüngliche Frage ja...

RIK

Elke Buhr vom Feuilleton der Frankfurter Rundschau klärt auf: "...leider war das ein Fehler, es war weder der eine noch der andere Kreisler, sondern Hanns Eisler. Herzliche Grüße, Elke Buhr." Eine richtig schöne Geschichte. Ein falscher Name und ein Rattenschwanz an Vermutungen und Aktivitäten. So entstehen Märchen und Komödien. Ist lustig oder?

angel

@ RIK

Nun hat das Mysterium zwei Buchstaben verloren und schon klärt es sich auf!  :)

angel

Da ich gerade herumgesurft bin und dabei die Feuchtwanger-Gedenk-Bibliothek gefunden habe, setze ich den link dazu einfach mal hier rein:
http://www.usc.edu/isd/archives/arc/libraries/feuchtwanger/index.html

Hier ist eine interessante Seite zur Kunstsammlung der Feuchtwangers in der Villa Aurora:
http://www.usc.edu/isd/archives/arc/libraries/feuchtwanger/VillaArt/webpagehistorical.html

Die "(Kr)Eisler-Platten" ;) scheinen darauf nicht abgebildet zu sein, aber ich konnte ein schönes Foto von B. Brecht entdecken. Und statt auf ein Goya-Bild, stieß ich auf zwei dart-boards...