Georg Kreisler Biografie

Begonnen von Guntram, 12. Dezember 2005, 13:50:38

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Guntram

#25
http://de.wikipedia.org/wiki/Sebastian_Haffner

http://www.kuenstlerkolonie-berlin.de/bewohner.htm?RahmentestUmleitung:/bewohner/haffner.htm
Kann sein das der Link nicht richtig funktioniert. Dann einfach Haffners namen in der Liste suchen uznd anklicken.

Wer Kritik übt wird wohl auch kritisiert werden.  ;) Ich glaube seine Integrität ist über Zweifel erhaben.
Träume sind nicht Schäume, sind nicht Schall und Rauch,
sondern unser Leben so wie wache Stunden auch.
Wirklichkeit heißt Spesen, Träume sind Ertrag. Träume sind uns sicher schwarz auf weiß wie Nac

angel

#26
Die GK-Biografie wurde vorweihnachtlich auch in der "Jungle Word" rezensiert, die wiederum nun in haGalil-Online zu finden ist:

Zitat[size=14]Black Music[/size]
Der missverstandene Entertainer und Schriftsteller Georg Kreisler sollte dringend wieder entdeckt werden.

von jörg sundermeier

Wenn man in der U-Bahn ein Buch liest, auf dem Georg Kreisler abgebildet ist, kann es durchaus sein, dass man von älteren Damen und Herren angesprochen wird. Jüngeren dagegen sagt der Name Georg Kreisler selten etwas, mögen sie nun auch gern Tim Fischer sehen oder eine der neueren Punkrockversionen von Kreislers Liedern kennen.

»Mein Vater, ein Hotelportier, ging schwimmen einst im Wörthersee / Ich hab vom Strand gewunken, dabei ist er ertrunken / Mein Groß­papa, ein Gasthauskoch, bestieg einmal das Jungfernjoch / Und fiel, weil er dort schlief, ein paar Kilometer tief / Mein Bruder war ein Jäger, eine Großwildjagd macht Spaß / Ich hab einen Bettvorleger von dem Löwen, der ihn fraß / Mein bester Freund war Taucher, der schläft am Meeresgrund / Und trotzdem sagen die Ärzte, und trotzdem schreibt die Zeitung / Und trotzdem hört man überall: Sport ist gesund!«

Der Kabarettist, Chansonnier und Schriftsteller Georg Kreisler machte in den sechziger, siebziger und achtziger Jahren Furore mit seinen Programmen, in denen er sich selbst und seine Gattin Barbara Peters am Klavier begleitete. Die beliebtesten Programme waren schöner Quatsch, gekennzeichnet durch schwarzen Humor, doch offensichtlich taten viele Songs niemandem weh. Gerade das machte sie so begehrt. »Schatz, das Wetter ist wunderschön / Da leid ich's net länger zu Haus / Heute muss man ins Grüne geh'n / In den bunten Frühling hinaus / Jeder Bursch' und sein Mädel / Mit einem Fresspaketerl / Sitzen heute im grünen Klee / Schatz, ich hab eine Idee / Schau, die Sonne ist warm und die Lüfte sind lau / Geh' mer Tauben vergiften im Park!«

Kreisler selbst hat bis heute unter dem gelitten, was ihn berühmt gemacht hat. In der Biographie »Georg Kreisler gibt es gar nicht«, die die Journalisten Hans-Jürgen Fink und Michael Seufert in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler erstellt haben, zeigt es sich, dass Kreisler stets versucht hat, als ein Künstler aufzutreten, dessen politische Überzeugung mit Schiller heißt: Ästhetik wirkt stärker als Parolen. Doch sein Publikum wollte anderes sehen. Und seine Regisseure, Intendanten und Labelbosse wollten dies ebenfalls.

Georg Kreisler wurde 1922 geboren und musste bald lernen, ein Jude zu sein. Seine Eltern, sagt er, hätten den in Österreich zum guten Ton gehörenden Antisemitismus so verinnerlicht, dass sie ihn auch gegen sich wandten. Sie kuschten, weil sie es für richtig hielten. Sie waren, sagt Kreisler, selbst Antisemiten.

Sein Vater war ein kleiner, biederer Rechtsanwalt, der sich für seinen Sohn wünschte, dass er etwas Anständiges werde. Daher sah er es mit Missfallen, dass der Junge, der den Ansprüchen seiner Eltern nicht genügte, plötzlich am Klavier Fortschritte machte und zu ersten Konzerten eingeladen wurde. Kreisler übrigens, der wenig übte, hält sein weithin gepriesenes Klavierspiel für nicht sehr gut, der außerordentlich selbstkritische Künstler weiß, was besser sein könnte.

Als die Familie nach vielen Schwierigkeiten 1938 aus Wien emigrieren kann, hat Georg bereits zu Genüge die Nationalsozialisten kennen gelernt. Und er hat sich gemerkt, wie schnell sich die Österreicher, die sich ja bis heute als »erste Opfer des Nationalsozialismus« gerieren, den neuen Machthabern an den Hals geworfen haben.

In den USA dann, in Hollywood, verändert sich sein Leben, denn plötzlich wird der blutjunge Mann der Ernährer der Familie, er kommt beim Film unter, arbeitet Chaplin zu, lernt Friedrich Hollaender kennen und dessen Tochter lieben, bringt Schauspielern die richtige Haltung am Klavier bei und schreibt nebenher kleine, freche Songs, etwa »Please shoot your husband«, mit denen er durch die Bars tingelt. Sechs Songs nimmt er sogar auf, doch die Plattenfirma will diese Lieder nicht veröffentlichen, sie entsprechen nicht den US-amerikanischen Moralvorstellungen. Sie liegen nun, als seine ersten Aufnahmen, auf einer CD der Biographie bei. Nur durch einen Zufall blieben sie in einem Archiv erhalten.

Kreisler lernt in den USA das Hand­werk des Unterhalters am Klavier, er versteht, wie mit dem Publikum umzugehen ist, und er weiß den Markt einzuschätzen, doch schließlich verlässt er die Staaten, um in Österreich neu anzufangen. Der große Erfolg stellt sich in den USA nicht ein, überdies befürchtet der Künstler, auf die Bühnenfigur festgelegt zu werden, die er sich geschaffen hat. In Wien jedoch, so sagt man ihm, seien die Chancen größer.

Kreisler versucht sich zunächst müh­sam an der für ihn zwischenzeitlich ungewohnt gewordenen deutschen Sprache, findet jedoch bald in sie zurück und verfügt – weil er Abstand zu ihr gewonnen hat – nun über ein außergewöhnliches Sprachgefühl. Seine »Everblacks«, wie er seine einen sinistren Humor verströmenden Chan­sons später selbst nennt, finden bald ein großes Publikum, er selbst jedoch wird immer mürrischer. Sein Lied »Taubenvergiften« wollen die Zuschau­er immerzu hören. Vom Antisemitismus, den er benennt, will jedoch keiner etwas wissen. Die Wiener, die er in seinen Liedern vorführt (»Wie schön wä­re Wien ohne Wiener«), sind für sein Wiener Publikum immer die anderen, man selbst fühlt sich nicht betroffen. Arbeitet er an anderen Stoffen, nimmt man sie ihm nicht ab. Fernsehsender zieren sich, Opernhäuser behandeln ihn wie einen Debütanten. Lieder gegen Franz Josef Strauß finden in den Radiosendern keine Beachtung, Kommunisten hingegen echauffieren sich und pöbeln im Saal, wenn Kreisler auf der Bühne die Revolution eines Einzelnen dem Massenaufstand vorzieht.

Der Mann, den es immer zum Theater gezogen hat, schreibt eine Parodie auf das Drama »Andorra« von Max Frisch, da er in dem Stück antisemitische Züge entdeckt, doch die Parodie wird, obschon zunächst in Auftrag gegeben, abgelehnt. Andere Dramen, auch sie Auftragswerke, werden von den Intendanten empört zurückgegeben. Nur selten, etwa im Falle des Stücks »Heute Abend: Lola Blau«, feiert Kreisler Erfolge, doch ist es seine mittlerweile dritte Ex-Ehefrau, die ihm die Urheberschaft an dem Stück streitig macht. Zugleich gibt sie sich, die im Dritten Reich als »arisch« galt, allerorten als Jüdin. Kreisler sieht sein Werk von einer »Arisierung« bedroht.

Dieses Misstrauen dem Publikum und den Theaterleuten gegenüber kann er nicht ablegen, zu Recht nicht. Im vergangenen Jahr schrieb er in einem Zeitschriftenartikel: »Hatten sich vorher Juden zu Christen gewandelt, so erklärten sich nach 1945 etliche ›Arier‹ zu Juden – oder wenigstens zu ›Halbjuden‹, manchmal auch nur zu ›Menschen jüdischer Abstammung‹, eine jüdische Großmutter genügte da schon. Auch sie taten es der Karriere wegen, denn siehe da, sie wurden in Talkshows und unzähligen Artikeln der deutschen Illustrierten zu willkommenen Gästen, schrieben Bücher über ihre Leiden in der Nazizeit und waren in der deutschen Unterhaltungsindustrie eine allseits beliebte Attraktion. Nach der alten Schauspielerregel, dass ein Zwerg keinen Zwerg spielen kann, sondern nur Schauspieler, ließ man auch in den Medien die echten Juden lieber von selbst ernannten spielen. Wo hätte man auch in der Schnelligkeit echte Juden hernehmen sollen, die so gut wie die unechten sprechen, singen und weinen konnten?«

Daran hat sich bis heute nichts geändert. Eine soeben erschienene Biographie versucht nun, Kreisler ins rechte Bild zu setzen, doch die Autoren können dabei nicht recht verhehlen, dass sie selbst den Kabarettisten Kreisler interessanter finden. In ihrem Text verdeckt der Spaßmacher Georg Kreisler oft den ernsten Künstler Georg Kreisler. Daher lohnt es sich, statt nur zu seiner Biographie auch zu seinem Werk zu greifen, schließlich sind die Satiren, Romane, Liedtexte und Tonträger noch lieferbar. Sie zeigen Kreislers Kunst in aller Schärfe und Schönheit.

Hans-Jürgen Fink / Michael Seufert: Georg Kreisler gibt es gar nicht. Scherz Verlag, Frankfurt/M. 2005, 320 Seiten, 19,90 Euro

Georg Kreisler: Leise flehen meine Tauben. Gesungenes und Ungesungenes. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2005, 320 Seiten, 8,95 Euro

Pimärquelle:
http://www.jungle-world.com/seiten/2005/51/6887.php

Sekundärquelle:
http://www.hagalil.com/archiv/2006/01/kreisler.htm
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p.s.: apropos: "Eine soeben erschienene Biographie versucht nun, Kreisler ins rechte Bild zu setzen, doch die Autoren können dabei nicht recht verhehlen..."

Die nüchterne, trockene und bürokratisch-bürgerliche Rechtsanstalt braucht halt auch ihre Kabarettisten, die sie jedoch zumeist links ansiedelt!

§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§

Und damit wären wir beim Elend des Kabarettisten:

Ich muß immer was Lustiges schreiben
Da ich davon leb', läßt's sich nicht vermeiden
daß bei mir das Kabarett vor dem Recht steht

doch daß Ihr mich im Bild sogar rechts seht ...


....
(wer mag, kann dies ja weiterdichten ... ich hadere gerade nicht nur mit Wortwitz-Verlust und Überdruß, weshalb mir will nichts rechtes oder gar linkes mehr einfallen will..., sondern fühle mich obendrein wieder mal wie eine Linkhänderin in einer Rechtshändlergesellschaft)  [smiley=old_undecided.gif]

Damit auch ich mir ein "Bild" (?) machen kann: Haben die beiden Autoren der Biographie nebst Publizistik auch Jura studiert?  [smiley=old_mata.gif]

Bezüglich des Rechts-Streites um "Lola Blau" habe ich eine Idee: GK könnte das Stück doch einfach seiner Tochter schenken! Oder ist die etwa Vegetarierin bzw. wäre das ein Grund, der ihn davon abhalten könnte? [smiley=huh.gif]

Maexl

so, hab sie letzte nacht komplett gelesen... (obwohl ich eigentlich hätte auf klausuren lernen müssen - aber was solls, das ist bei mir immer so *grml*)


whoknows

Naja, GK ist diesbezüglich ja auch kein Lercherlschas. Er spricht der Küppers das Judentum rundweg ab - ohne jegliche Grundlage, ausser seiner Meinung. Er schreibt ein Stück - gemeinsam mit ihr und aufgrund ihrer Idee, bitteschön - aber natürlich: die Texte sind von ihm, das sind sie. Nur: Ohne sie wäre es nie entstanden - und  da streiten sie und streiten sie - Stellvertreterkriege nenne ich sowas. Und mangelnde Kommunikationsfähigkeit.
Ich will nicht sagen, dass GK total im Unrecht ist - aber total im Recht ist er auch nicht. Wann ist man das schon, bei einem Disput, nb.
Nur, diese Heiligsprechung nur weil er ein genialer Chanson-Autor ist, die ist mir denn doch ein bissel viel.
Auch Brecht war genial - und nicht heilig.
Oder Wagner.
Oder wasweissichwer.

Bastian

Hab die Bio jetzt auch. Andrea hat sie mir geschenkt! :-* Ich  hab während der Zugfahrt ein wenig gelesen, und ich denke schon jetzt, dass ich Kapitelweise Kreuz und Quer lesen werde. Ich hab schon immer Probleme mit Biographien gehabt: Überall stehen Namen und Menschen und Beziehungen, Jahreszahlen usw...,d ei ich mir niemals merken werde. Ich hab mich damals durch Brecht und Chaplin- Bio gekämpft, bei Kreisler werde ich einfach nur schmökern!

whoknows


Maexl

kenn nat. auch ein schöneres von ihm - aber mir gefällt sein blick nach links... andere avatare habe ich sonst manchmal auch gespiegelt

das mit der heiligsprechung stimmt absolut - die tendenzen des buches sind allerdings gerade gegen ende sehr deutlich. über dinge, die sich nicht verschweigen lassen schreiben sie wenige sätze - sicher interessante themen lässt er völlig weg.

angel

#32
ZitatNaja, GK ist diesbezüglich ja auch kein Lercherlschas. Er spricht der Küppers das Judentum rundweg ab - ohne jegliche Grundlage, ausser seiner Meinung.

Wenn sie Jüdin ist, kann er ihr das doch gar nicht absprechen! Es gibt die halachische Definition und daran muß er sich auch halten!  >:(

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Bezüglich der Biografie interessiert mich, wie er darin das Kapitel mit seinem Lied über das "Taubenvergiften" reflektiert.

Ich habe mir bezüglich des Taschenbuchtitels "leise flehen meine Tauben" folgende Gedanken gemacht:

In dem Titel steckt Mehrdeutigkeit, Vielsinnigkeit und es ist sicherlich nicht nur eine "Verballhornung" seines "schwarzhumorigen Liedes". Eine pure "Verballhornung" würde nicht das "leise Flehen" enthalten, sondern würde sich einer anderen Sprache bedienen, oder?

Kreisler ist ja im Grund gegen "Tauben vergiften" und hat sein Lied als sarkastische Gesellschaftskritik (bzw. Kritik an der perversen Moral) verstanden wissen wollen. Das Gurren der Tauben im Frühling stand bekanntlich auch immer als Zeichen für ein fröhlich-friedliches Aufblühen der Liebe. Gerade im Frühjahr "ins Grüne" zu gehen, um dort - statt mit einem geliebten Menschen zu lustwandeln und zu schmusen - Tauben zu vergiften, zeigt sowohl mangelnde Liebesfähigkeit wie die immer noch vorhandene Tendenz hin zum Grausamen auf, d.h. sich am Krepieren von Tieren zu erfreuen.

Es könnte also sein, daß er mit dem Titel nicht "durch die Blume", sondern "durch die Taube" darum bittet, daß die Leser dies verstehen/begreifen mögen, oder?

Die Taube ist außerdem füher Bote/Brieftaube gewesen. Ich habe zeitweise bei meiner Großmama gewohnt, über deren Wohnung ein Taubenzüchter Brieftauben züchtete und ich habe diese Tauben von Kindheit an geachtet - ja fast mit ihnen zusammengewohnt und bin niemals krank geworden. Klar, es war viel Lärm im "Taubenschlag" über unseren Köpfen, aber daran habe ich mich irgendwann gewöhnt.
 
Ich hatte auch im letzten Frühjahr mit einem Taubenpärchen ein ca. 10minütiges Gespräch. Ich saß im Garten auf der Veranda und las ein Buch. Plötzlich kam dieses Pärchen angeflogen und setzte sich 1 m entfernt von mir auf das Geländer und beide schauten interessiert zu mir hin. Ich sagte ihnen plötzlich, daß ich wütend darüber sei, daß Menschen sie als "Ratten der Lüfte" bezeichnen und wies auf die gefährlichen A-B-C-Waffen-Labore des Menschen hin bzw. deutete an, daß diese Waffenforscher und -hersteller viel gefährlicher für Mensch, Tier und Natur seinen als die Tauben. Die Tauben haben ganz interessiert dabei zugehört und ihre Köpfchen immer wieder interessiert zu mir hingestreckt bzw. die Seite mit dem Ohr meiner Stimme zugewandt, daß ich fast den Eindruck hatte, sie würden mich verstehen... :). Als ich den Vortrag beendet hatte flogen sie wieder weg.

Aber ggf. projeziere ich auch nur meine eigene "Befindlichkeit" incl. die Bedeutung der Taube(n) für das Judentum und den Frieden/Shalom in den Titel hinein und dieses - mein Empfinden - hat vielleicht ganz und gar nichts mit Georg Kreisler und seiner Titelwahl zu tun?
 
Was denkt Ihr dazu bzw. was schreibt er in seiner Biografie zu Tauben?

Maexl

Ich vermute, dass er den Titel einem Gedicht von Ludwig Rellstab (1799-1860)  entnommen hat. es wurde von Franz Schubert (1797-1828) (Schwanengesang D. 957 Op. 80 Nr.4) vertont. Das hab ich früher gern gespielt - also Noten habe ich für Mittelstimme (c-moll) und Hoch (d-moll).
Kreisler fühlt sich von den Menschen unverstanden weil viele ihn auf lustige, für ihn weniger essentielle Lieder reduzieren, wie eben seinen Renner, die Taubenvergifter Nummer. Allerdings verstehen sie seine wichtigen Botschaften in anderen Liedern nicht. Weil die Menschen ihn also als Taubenvergifter nur auf seinen schwarzen Humor reduzieren nennt er also seine Lieder Tauben.

In der Biografie steht allerdings ein anderer Bezug - ich will jetzt nur nicht danach suchen.
Du wirst ihn also schon noch lesen.

whoknows

#34
ZitatEs gibt die halachische Definition
Es gibt aber auch reformierte Definitionen.
Und bezüglich der Tauben: das Lied ist nicht von ihm - also kann er sich auch nix von dem, was du insinuierst, dabei gedacht haben.
Und @maexl: Du hast natürlich Recht, klar ist das von dem Lied. Er macht das doch gern, solche Verballhornungen.

angel

#35
Zitat
ZitatEs gibt die halachische Definition
Es gibt aber auch reformierte Definitionen.
Ich weiß, daß es in den USA viel (mehr) liberalere Gemeinden gibt..., hier in D-Land und soviel ich weiß in Österreich ebenso, gelten recht starre halachisch-orthodxe Regeln (auch bezügl. des Gijur), sonst hätten sich Friedman und Schäfer die Flugkosten in die USA sparen können...

Ich verstehe nicht, daß der Anarchist Georg Kreisler gegenüber Topsy Küppers einen orthodox-halachischen Standpunkt einnimmt, wo der doch lt. eigener Aussage Religionen ablehnt. Ich verstehe auch nicht, daß die Jungle-Word-Redakteure dies nicht hinterfragen und diesen Widerspruch nicht sehen wollen. So ein Verhalten muß entweder was mit dem autoritäten Charakter, ihrem Philosemitismus oder auch Hang zu patriarchalen Attitüden  (nach dem Motto: "Was die Frau ist, bestimmt der Mann" ) zusammenhängen...  :-?

ZitatUnd bezüglich der Tauben: das Lied ist nicht von ihm - also kann er sich auch nix von dem, was du insinuierst, dabei gedacht haben.
Ich dachte weniger an das "geistige Eigentum", sondern welche Intention er mit und welchen Bezug er zu dem Lied hat(te). Mit anderen Worten: ich finde es deshalb nicht so wichtig, ob es in der modernen und schwarzhumorigen Fassung von Lehrer oder Kreisler stammt, da GK - zumindest im deutschen Sprachraum - damit identifiziert wurde, wie dies auch Maexl prägnant beschrieb.

whoknows

na, aber womit wer identifiziert wird, liegt nur selten in der eigenen Hand, oder? Wenn GK sich gedacht hätte, dass das Lied ein Leben lang an ihm kleben wird, hätte er's wohl nicht rausgebracht....

Und dass er über topsy herzieht, hat andere Ursachen. Da sucht jeder der Beiden, was den Anderen am Meisten verletzen kann - das ist Privat. Nur leben sie es leider nicht so ::) :-?

angel

#37
I've got it!  :)
Ich nehme an, daß er mit dem Buchtitel der Liedersammlung, die ja parallel der Biografie erschienen ist, darum bittet, daß sein Gesamtwerk berücksichtigt wird und er nun nicht mehr auf die "schwarzhumorigen" Lieder, insbesondere die "Tauben" reduziert wird. Dies scheint ihm imo auch gelückt zu sein.

Ich hoffe, daß irgendwann auch mal der Streit mit TK beendet sein, der ja auch Schatten in dieses Forum wirft.

Andrea

Die Geschichte dauert doch schon Jahrzehnte. Da können wir als außenstehende gar nicht "mitreden". Warum sollten wir uns also ernsthaft weiter darüber Gedanken machen? Es ist privat und geht uns nix an.
Zum Licht gehört der Schatten, zum Tag die Nacht. Das musst du dir so oft sagen, bis du es weißt und für selbstverständlich hältst. Dann kannst du nicht enttäuscht darüber sein. Denn leben heißt: Das

Bastian

#39
So, ich hab sie auch gelesen. Die interessanten Passagen sind in meinen Augen die Beschreibungen der Vorkriegsjahre, die Zeit des "Anschlusses" von Österreich, und der Flucht nach Amerika.

Es ist auch schön, über die Arbeit mit Charles Chaplin zu erfahren: Beispielsweise wie Kreisler in der Pause Klavier übt, und Chaplin die anderen ermahnt still zu bleiben bis er fertig ist...usw. Und dass Chaplin allen Beteiligten auch in den ausfallbedingten tagelangen Drehpausen die Gehälter weiterzahlte. Es ist, wie immer in Biographien: Es fallen Namen anderer, über die man sich ein wenig mehr Information wünschen würde. Aber es ist, wie immer in Biographien: Es geht immer nur um einen. Hab übrigens in Chaplins Bio Georg Kreislers Name nicht gefunden. Hab ihn dann hinter "Korda, Sir Alexander" in die Leerzeile hineingeschrieben, aber es hilft nix...

Was es mit Topsy Küppers' Jüdischsein auf sich hat, ist mir schleierschwanz. Darf es aber auch bleiben- ich finde es unerheblich. Ebensowenig werde ich aus den Urheberrechtsstreitigkeiten schlau. Aber auch das darf ich bleiben.

Die CD hat in meinen Ohren eher anekdotischen Wert, das einzige Lied, das mir neu und zugleich amüsant war, ist "Frikastasny". Die anderen Lieder gibts auf den offiziellen Platten.

Alles in allem ein Buch mit CD.
... und Bildern:
Kreisler in Badehose am Flügel.

Sehr elegant.

Dagmar

Ich bin halb durch das Buch durch - und es fällt mir schwer, es zuenede zu lesen. Mich stört das extreme name-dropping. Es wird Name an Name gereiht, ohne das ich wirklich etwas erfahre über die Geschehnisse. Wenn ein Buch mich dazu bringt, dass ich schnell Seiten vorblättere, um zu gucken, wann denn endlich wieder etwas Interessantes kommt, ist das Buch langweilig geschrieben.
Je fester dir einer die Wahrheit verspricht, in Programmen und Predigten, glaube ihm nicht. Und geh' zu den Gauklern, den Clowns und den Narr'n: Dort wirst du zwar nix, doch das in Wahrheit erfahr'n.

angel

Hier möchte ich noch die einleitenden Worte von Dr. Wolfgang Trautwein zur Lesung mit GK in der Akadamie der Künste, Berlin am 8.11.2005 publizieren:

Guten Abend, meine Damen und Herrn,

die Einsicht, dass es wichtiger ist, den Künstler selbst zu Wort kommen zu lassen als über ihn zu sprechen, verkürzt so eine Begrüßung beträchtlich. Nur zwei Bemerkungen zum kulturgeschichtlichen Zusammenhang, in dem die Biographie ,,Georg Kreisler – gibt es gar nicht" steht, möchte ich der Lesung voranstellen. Sie entstammen meiner Perspektive als Direktor des Akademie-Archivs, eines Archivs, das zum Kabarett und zur Unterhaltungskunst insgesamt die wohl bedeutendsten Bestände für die Zeit vor Machtantritt der Nationalsozialisten betreut.

Zum einen: Die erzwungene Emigration der jüdischen Künstler zerstörte definitiv auch eine reiche Unterhaltungskunst, an die nach 1945 nicht mehr angeknüpft werden konnte. Diese Einsicht stimmt im allgemeinen, doch gibt es eine Ausnahme. Als Georg Kreisler 16jährig mit seiner Familie aus Wien emigrierte, hat er den literarischen und musikalischen Geist jener Zeit auf- und mitgenommen und dieser  hat über die Zeit des zweiten Weltkriegs hinweg weiter in ihm gearbeitet. So entstand seit den fünfziger Jahren ein singuläres Werk, in dem sich literarische und musikalische Qualität die Waage halten, während das Kabarett rundum seine eigenständige musikalische Dimension und einen Großteil seiner darstellerischen Qualität verloren hatte.

Zum andern war jedoch auch für Kreisler ein Charakteristikum der zwanziger und dreißiger Jahre unwiederbringlich. Hatte es damals einen kulturellen Gesamtzusammenhang gegeben, in dem  Komponisten, Autoren und Schauspieler - beinahe selbstverständlich und ohne Schaden - zwischen Theater, Kabarett, Film und Operette, somit auch zwischen der sog. ernsten und der Unterhaltungskunst wechseln konnten, wurden sie nach dem zweiten Weltkrieg auf ihr Genre festgelegt. Ein Kabarettist, der auch als Theaterautor oder Komponist musikalischer Bühnenwerke anerkannt würde - kaum vorstellbar. Ein Künstler aber, dessen Talente und Ambitionen nicht an der Rampe der Kleinkunstbühne endeten und der sich allen Festlegungen entzog, musste zwangsläufig darunter leiden. Dennoch hat sich Georg Kreisler gegen diese Widerstände auch als Schriftsteller und Komponist behauptet.

Im Saal begrüße ich seine Frau, Barbara Peters, und auf der Bühne: Georg Kreisler

whoknows

#42
Das finde ich sehr interessant und sehr richtig, was der Dr Trautwein da sagt. Danke Dir, dass du es hier reinstellst!!!

Vor allem das:
Zitatin dem  Komponisten, Autoren und Schauspieler - beinahe selbstverständlich und ohne Schaden - zwischen Theater, Kabarett, Film und Operette, somit auch zwischen der sog. ernsten und der Unterhaltungskunst wechseln konnten, wurden sie nach dem zweiten Weltkrieg auf ihr Genre festgelegt. Ein Kabarettist, der auch als Theaterautor oder Komponist musikalischer Bühnenwerke anerkannt würde - kaum vorstellbar.

Das genau ist es, das ich so bedauere, und genau diesem Manko versucht Wortfront nun die Stirn zu bieten. :D

Alexander

Aus dem aktuellen Newsletter des österreichischen Musikproduzenten Günther Wildner:

(2) Georg Kreisler gibt es gar nicht - Die Biografie
Aufgeschrieben von Hans-Juergen Fink und Michael Seufert
Scherz, ISBN 3-502-15021-4, 320 Seiten, gebunden, ? 24,90

Immer wieder stößt man in Biografierezensionen auf das gerne bemühte Klischee bzw. das in diesem Fall positiv gemeinte Urteil der Kriminalromanspannung, das der Leser  im Nachvollzug der jeweiligen Lebensgeschichte verspürt. Die seit Herbst 2005 vorliegende Kreisler-Bio darf getrost auch diesen Anspruch erheben. Da es bisher keine derartige Publikation gab, war sie schlicht überfällig. Denn wer von Kreislers vielfältigem Schaffen angezündet und begeistert ist, möchte mehr und genaueres über den virtuosen kritischen Geist mit dem so reichlichen musikalischen Füllhorn erfahren, ganz besonders auch wegen der vielen kolportierten und nur teilweise zu verifizierenden Geschichten aus Beruf und Privatleben des unbequemen und deshalb so sympathischen Klang- und Theaterpoeten.
Wie die ?Aufschreiber" Fink und Seufert berichten, hat sich Georg Kreisler umfangreich und detailgenau erinnert, was dem entstandenen Werk natürlich äußerst zuträglich ist. Was die Autoren darüber hinaus aber leisten ist eine sehr genaue, bestens recherchierte und in Ausführlichkeit und Sprache ausbalancierte Analyse der Kultur- und Geisteswelt rund um Georg Kreisler, seine Lebensorte und -stationen. Man erfährt nicht nur, was Kreisler getan und geschaffen hat, sondern man spürt Bedrohung, Unrecht und Ohnmacht des Jahres 1938 in Wien, man ist in Hollwood mit dabei, und tingelt durch die New Yorker Theater und Music-Clubs und inhaliert die muffigen Nachkriegs- und Wirtschaftswunderaufbauzeiten des ab 1955 neutralen Österreich.
Ein Buch zum Lachen und Weinen, und das beides zugleich!
Die beiliegende CD mit sechs englischsprachigen Songs, aufgenommen 1947 in New York, zeigt den jungen Kreisler schon mit allen beißenden Pointen und raffinierten Klavierbegleitungen, die Markenzeichen seines ?Kabarettschaffens" werden sollten.

http://kreislerbuch.notlong.com
,,Die Kunst ist eben keine hübsche Zuwaage – sie ist die Nabelschnur, die uns mit dem Göttlichen verbindet, sie garantiert unser Mensch-Sein." (Nikolaus Harnoncourt)

angel+

#44
ZitatIch bin halb durch das Buch durch - und es fällt mir schwer, es zuenede zu lesen. Mich stört das extreme name-dropping. Es wird Name an Name gereiht, ohne das ich wirklich etwas erfahre über die Geschehnisse. Wenn ein Buch mich dazu bringt, dass ich schnell Seiten vorblättere, um zu gucken, wann denn endlich wieder etwas Interessantes kommt, ist das Buch langweilig geschrieben.

Ich habe das Buch immer noch nicht gelesen. Aber ich habe jemanden gefragt, der sich das Buch gekauft und es gelesen hat, ob GK darin "name-dropping" betreibt. Dieser Mensch darauf hin geantwortet: "Die Beschreibung und Erwähnung von Menschen, die Einfluss auf das eigene Leben hatten, gehört halt nun einmal zu einer Biografie dazu, da sich ja der Mensch als gesellschaftliches Wesen entfaltet. Wenn jemand dies als 'name-dropping' bezeichnet, so projeziert diese Person wahrscheinlich eigene Verhaltensweisen auf das Buch bzw. Georg Kreisler."

Dagmar

Je fester dir einer die Wahrheit verspricht, in Programmen und Predigten, glaube ihm nicht. Und geh' zu den Gauklern, den Clowns und den Narr'n: Dort wirst du zwar nix, doch das in Wahrheit erfahr'n.

angel+

#46
Gefunden in gkif:

Georg Kreisler liest aus "Georg Kreisler gibt es gar nicht".

Davor singend, sprechend am Piano Sebastian Krämer.

Am 14.5.06 um 11:00 Uhr in Karlsruhe beim Karlsruher Lesefrühstück im Stephansaal.

http://www.konzertkarten-online.com/georg_kreisler_sebastian_kraemer_karlsruher_lesefruehstueck_tickets.html

whoknows

Sebastian Krämer ist definitv sehenswert.
Und das Namedropping machen natürlich die Autoren, weil sie (nicht ganz unberechtigt) annehmen, dass ein Publikum derartiges gern liest. Die Leute wollen auf das Umfeld und Leben von Promis gucken, sogar Affen haben mal in einem Test vor allem auf die Affenbilder geschaut, die mehr Bananen bei sich hatten oder Weibchen. Wenn Dein Freund das nicht abstrakt sehen kann, so wie das Business läuft, ist er ein eindimensionaler Denker, um nicht zu sagen. ein bissel schlicht.

whoknows

#48
Vielleicht passt das am Besten hier in diesen Thread.
Sandra  gestattet  ausnahmsweise in diesem Forum die Vorabveröffentlichung diese Textes, der in der ö1 Programmzeitschrift "gehört" erscheinen wird.

ZitatMein Vater wird nie mit mir über das sprechen, was ich hier sage. Ich fürchte, er wird überhaupt nie mehr mit mir sprechen. Denn er spricht schon seit Jahren nicht mit mir, und nichts, was ich bisher tat oder noch tue, kann das ändern.
Trotzdem ist er ein wichtiger Mensch, nicht nur für mich, und trotzdem ist er ein guter Mensch, nicht nur für mich. Vor allem aber: Es wäre ein Fehler, von den Familiengeschichten, von dem Menschen Georg Kreisler auf den Künstler zu schließen. Der Künstler ist das Eine – der Mensch das Andere.
So ähnlich würden sicherlich auch Verwandte von Brecht, Rousseau und vielen anderen Genies sprechen – und ein Genie ist er zweifellos, der Georg Kreisler, mein Vater.

Auch einem genialen Menschen purzeln die Ideen und Gedanken nicht einfach aus dem Hirn – man muss sie zwingen, sich quälen, und hat ergo (so vermute ich) wenig Platz in der Seele für die richtige Welt.
Jeder nimmt die Welt durch seinen eigenen Filter wahr, das gilt für Künstler ebenso wie für Künstlerkinder. Und wenn die Künstlerkinder dann auch noch selber Künstler werden, wird's erst richtig kompliziert.

Mein Vater war ein paternalistischer Vater. Immer ein bisschen von oben herab, so habe ich ihn zumindest empfunden. Er war auch warmherzig und verantwortungsvoll – ganz sicher, aber ich hatte immer das unbestimmte Gefühl, das sei mehr  Pflicht als Interesse. Seine späteren Worte geben mir da irgendwie Recht. Er schreibt zum Beispiel im Beiblatt zu einer CD: ,,Was sollen uns die Kinder, wenn sie keine Kinder mehr sind? Was haben unsere Kinder mit uns zu tun, außer, dass sie durch uns zur Welt kamen und von uns mehrere Jahre lang abhängig waren?"
Folgerichtig hat er seit Jahrzehnten zu seinen immerhin drei Kindern absolut keinen Kontakt.
Trotzdem kann man ihn nicht als ,,Rabenvater" bezeichnen, denn solange zumindest seine beiden Kinder aus dritter Ehe – also mein Bruder und ich – klein waren, hat er sich gekümmert, wie man das von einem Vater erwartet. Als wir dann in die Pubertät kamen, wurden wir schwierig, akzeptierten nicht mehr so leicht die Autorität eines Mannes, der uns immer gepredigt hatte, sich gegen Autoritäten aufzulehnen – und das wurde ihm dann zu anstrengend. Er hätte sich auf andere komplizierte Seelen einlassen müssen; zumindest die Möglichkeit einräumen, sich auch mal zu irren. Es gab Kämpfe wie in vielen Familien, denn Kinder nabeln sich ab und Eltern müssen sie neu kennen lernen. Das Problem in unserer Familie ist nur: Wir alle – mein Vater, meine Mutter, mein Bruder und auch ich, wurden mit einem Rechthabe-Gen geboren.  Es fällt uns sehr schwer, die Tatsache, dass es mehrere Wahrheiten nebeneinander geben kann, zu erkennen oder gar zuzugeben.
An diesem Rechthabe-Gen ist die Familie zerbrochen.
An diesem Rechthabe-Gen sind auch, wie es scheint, die anderen Ehen und Familien meines Vaters zerbrochen. Vielleicht sind deshalb auch alle langjährigen Freundschaften- zB die mit Erwin Ringel  - letztlich gescheitert.
Georg Kreisler hat heute im Alter von immerhin 85 Jahren keine einzige Freundschaft, die älter ist als seine jetzige Ehe. Doch er scheint absolut glücklich zu sein.
Ich gönne ihm das von Herzen.
Ich persönlich halte zwar nicht besonders viel von seiner jetzigen Frau, aber vielleicht ist das für Töchter normal – und vor allem: es ist völlig gleichgültig.
Wichtig ist, dass er sich in seinem Leben wohl fühlt, denn er ist – und damit sind wir beim Künstler – ganz unbestritten  eine wesentliche Figur der künstlerischen und politischen Geschichte des deutschsprachigen Raumes.
Im gesamten deutschsprachigen Raum muss bis heute jeder Chansonnier, jeder musikalische Kabarettist Lieder von Georg Kreisler in seinem Repertoire haben – einfach weil: es geht nicht ohne. Niemand ist bisher aufgetaucht, der auch nur annähernd handwerklich so perfekt und inhaltlich so blitzgescheit und wahrhaftig Lieder bauen kann.
Es sind gefährlich gute Lieder.
In den späten 80er Jahren habe ich mal nach den Platten von Georg Kreisler im Wiener Funkhausarchiv gestöbert. Es war fast alles da. Und neben den Titeln stand jedes Mal ,,Vorsicht Text" oder ,,Nicht einsetzen" mit drei Rufzeichen. Das wird bis heute so gehandhabt.
Folgerichtig ist Georg Kreisler heute in Deutschland wesentlich anerkannter als in Österreich.
Und folgerichtig wird er wohl in Österreich erst dann so richtig ,,berühmt" werden, wenn er  - G'tt behüte - gestorben ist.
In Österreich wird nicht geschätzt, wer zu Recht kritisiert. Und wenn man noch dazu kritisierender Jude ist, werden einem alle Türen, die einen beruflich weiter führen könnten, aus fadenscheinigen Gründen vor der Nase zugeknallt. (Auch menschlich wird man missachtet, zum Beispiel ist in den letzten 60 Jahren noch nicht einmal jemand auf die Idee gekommen, dem Emigranten Kreisler ehrenhalber seine österreichische Staatsbürgerschaft zurück zu geben.)
Kreisler hat das immer wieder betont, und lange Jahre fand ich: Er übertreibt. Aber seit ich  in Berlin lebe weiss ich: er hat völlig Recht.
Abgesehen davon, dass der politische Diskurs in Deutschland ein Anderer ist, merke ich ganz persönlich: In kürzester Zeit wird meine Arbeit allgemein wahrgenommen, findet Anklang und Würdigung - in Österreich bin ich auch nach Jahrzehnten nichts anderes als Mietstimme, darüber hinaus gehendes Interesse ist nicht in Sicht.

Es ist so traurig wie typisch, dass Georg Kreisler in Österreich nicht ,,Autor, Komponist und Intellektueller" ist,  sondern der ,,schwarzhumorige Kabarettist".
Auch so kann man Inhalte marginalisieren.
Natürlich, er ist - ganz dem Rechthabe-Gen entsprechend - kein Diplomat, vielleicht hätte er, wäre er in Manchem etwas konzilianter gewesen, auch mehr erreichen können. Aber: Ihm ging es immer um eine Aussage, eine Haltung. Das mag zwar Hürden geradezu generieren – es ist trotzdem ein Lebenselixier, und zwar: nicht nur für den, der diese Haltung hat!

Aber – um wieder auf die familiäre Seite zu kommen: diese Art der Unbeugsamkeit ist zweischneidig.
Wenn ein Mensch in erster Linie Genie ist, so kann er nur in zweiter Linie Vater sein.
Wir waren auch Vorzeige-Kinder, so sehe ich das im Rückblick. Wenn Journalisten kamen, wurden wir vorgeführt, durften stolz Farkas-Doppelconferencen auswendig zum Besten geben und mussten dann in unser Zimmer. Wir hatten ständig wechselnde Kindermädchen, und das Wort, das mir am Meisten aus meiner Kindheit in Erinnerung blieb, ist das Wort ,,Rücksicht" – die mussten wir immer nehmen, zB auf den im Arbeitszimmer verschwundenen Vater.  
Heute weiss ich, dass es sehr kompliziert sein muss, Kinder im hochdisziplinierten  und zugleich chaotischen Ablauf künstlerischer Arbeit unterzubringen – und mein Vater hatte damals noch dazu das Ideal einer ,,antiautoritären Erziehung". Leider war er aber nicht nur paternalistisch sondern auch von Natur aus eher autoritär – und das kann zu einem ziemlichen Wechselbad führen.
Trotzdem: ich möchte eigentlich keine andere Kindheit haben, sie war aufregend und lehrreich, und ich könnte tausende Anekdoten erzählen, wie Georg Kreisler uns in der Volksschule gegen bornierte Lehrer unterstützte, wie wir auf langen Autofahrten Reim- und Wortspiele spielten, wie er meinem Bruder zeigte, wie man am Besten Mädchen anbaggert und so fort.

Doch bis heute kann er weder meinem Bruder noch mir das Erwachsen-werden verzeihen, und vor allem: bis heute – immerhin fast 30 Jahre später! -  setzt er voraus, dass er weiss, was wir für Menschen geworden sind. Ich hingegen bin überzeugt: er weiss nicht mal, was wir für Kinder waren – und er ahnt nicht, wie viel er von uns Kindern heute profitieren könnte.

Es ist für die ältere Generation von Vorteil, von den Kindern zu lernen, auch wenn es mit den Jahren immer mehr Kraft kostet, die Gegenwart zu begreifen. Wenn man allerdings ein unbeugsamer Charakter ist, dann fällt es schwer, zuzugeben, dass man doch noch manchmal umdenken könnte – Ausserdem ist es das Wesen der Menschen, Andersdenkenden ungern zuzuhören.
Mir bleibt also nur, mich zu bemühen, meinem Vater in Manchem eben nicht gleich zu werden. Ich möchte offen und warmherzig sein, nicht es spielen, und wenn ich etwas von einer  Bühne singe, dann meine ich es auch so.


© Sandra Kreisler
Preis der deutschen Schallplattenkritik 03/06
Lale Andersen Preisträgerin 06 -07


Burkhard Ihme

#49
Hast du deine Freundin Sandra mal gefragt, ob sie ihrem Vater mal im öffentlichen Raum "versehentlich" über den Weg gelaufen ist? Rennt der dann weg?