Georg Kreisler Forum

Georg Kreisler => Georg Kreisler: Bücher => Thema gestartet von: Guntram am 12. Dezember 2005, 13:50:38

Titel: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Guntram am 12. Dezember 2005, 13:50:38
Ich fang mal neu an, der Ordnung wegen  ;)

Hat inzwischen noch jemand die Biografie gelesen? Dann könnten wir hier anfangen drüber zu diskutieren. Ich bin jetzt Mitte der 60er. Wenn ich fertig bin kommt mal ein Gesamteindruck und dann, nach und nach,  auch noch Anmerkungen zu den einzelnen Kapiteln.

Also wer hat sie noch gelesen???
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: whoknows am 12. Dezember 2005, 19:51:55
Ich nicht. 8-)
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Zyankalifreund am 12. Dezember 2005, 22:52:05
Auch nicht.  :( Ist ja auch ziemlich teuer, vor allem weil man ja diese CD automatisch mitkauft.  ::)
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Dagmar am 12. Dezember 2005, 23:39:58
Ich auch nicht. Zuviel zu tun.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Peter Silie am 13. Dezember 2005, 02:00:32
 Ich schon.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: whoknows am 13. Dezember 2005, 12:52:10
Und???????
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Dunkelblaue Dille am 13. Dezember 2005, 17:07:26
Ich auch :-)
Sie liest sich gut, ist aber "zeitlich" nicht ganz ausgewogen - die Lebensphasen, über die Kreisler selber schon mehr geschrieben hat, sind ausführlicher beschrieben. Warum auch immer...
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Volker am 13. Dezember 2005, 19:42:51
Also, ich hab sie natürlich auch schon gelesen.

Vorher haben kaum etwas von oder über GK gelesen. Die Veröffentlichung der Biographie war eigentlich Anlass, mich mal etwas genauer mit ihm zu beschäftigen. Von daher kann ich auch nicht beurteilen, was bisher so bekannt war.
Ich finde das Buch ganz informativ und interessant geschrieben. Allerdings habe ich nie wirklich den Eindruck gehabt, dass tatsächlich "aufgedeckt" wurde, woher der Antrieb für soviel schwarzen Humor, bizarre Poesie oder wie man es immer nennen will gekommen ist.

Als Hitchcock-Fan erinnere ich mich gut an die Biographie "Die dunkle Seite des Genies" von Donald Spoto, und im Vergleich finde ich, das GK ein bisschen zu gut wegkommt. Ich vermisse ein bisschen die Distanz der Autoren zu ihrem Titelhelden. Nie wurde auch mal die andere Seite befragt oder bemüht. Ob es nun um Philine Hollaender, Topsy Küppers, seine Kinder oder Brommer geht. Das hat bei mir viele offene Fragen hinterlassen: Was wurde aus seinem ersten Sohn? Warum hat es mit den drei Ehe nicht geklappt – zwei endeten in einer Katastrophe... Wieso ist der Kontakt zu den Kindern abgerissen, obwohl er sie mit nach Berlin genommen hatte?
Und: Hat jemand eigentlich mal die Lieder-Texte analysiert: Mir fällt auf, wenn von (Ehe)Frauen die Rede ist, kommt diese Spezies nie sonderlich gut weg. Mich hätte z.B. auch interessiert, was GK so alles gemeinsam mit TK gemacht hat. ("Der kälteste Winter seit 17" war damals doch bestimmt ein Hit) Übrigens: Das Buch enthält kein einziges Foto von TK, dafür aber 7 von BP. Das ist nicht professionell von den Autoren.

Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Es ist ein gutes Buch, aber es lässt allerhand Fragen offen. Zum Preis: Alle Hardcover kosten heutzutage ähnlich viel Geld, hier gibt es sogar noch (eine einmalige) CD dazu.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Zyankalifreund am 13. Dezember 2005, 20:08:22
Ja du hast schon Recht, schade wenn viele Fragen offen bleiben. Ich hab ja nur ein paar Ausschnitte gehört, war ja auf der Lesung. Und auch da war es so, dass man leider auf TK GAR NICHT einging und nat. auf die Kinder auch nicht, genau all dieFragen die du auch schilderst blieben in der Lesung genau so offen. Klar, wo sollen die Antworten auch herkommen wenn sie nich im Buch stehen.

Der Punkt ist der: Ich find es gar nicht wichtig, dass in Kreislers Biographie Familieninterna besprochen werden. Aber ich find es auch falsch, TK gar nicht zu erwähnen. (Wenn ich von der Lesung ausgehe).
Überhaupt hätte ich es als begrüßenswert empfunden, wenn die Biographie etwas kritischer auf Kreislers Leben blicken würde. 8 Bilder von BP und 0 von TK etc... Da wird Kreisler selbst ganz viel verboten haben zu drucken bzw. halt einfach ein Mitspracherecht gehabt haben, was rein darf und was nicht.

Dadurch find ich das Buch aber auch nicht mehr so spannend, denn es zeigt Kreislers Leben eben nur verzerrt, es fehlen wichtige Etappen seines Lebens die er uns vorenthält und daduch ist die Bio (wenn ich deinem BEricht glauben darf, dass man so viel offen lässt) unvollständig und lückenhaft.

Schade eigentlich...  :(

Aber wie gesagt, das war auf der Lesung schon vorherzusehen. Ich war deswegen (Vor allem dieses Topsy-nicht-Erwähnen) etwas verknatzt über Kreisler. Das schließt nat. auch Sandra mit ein. Erwähnt er Topsy nicht, erwähnt er auch sie nicht. Aber auf der Lesung überhaupt... Da war nie die Rede von seinen Kindern.  >:(

Unehrenhaft...
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Dunkelblaue Dille am 13. Dezember 2005, 20:28:45
...in diese Schublade passt er sicher nicht hinein.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Zyankalifreund am 13. Dezember 2005, 22:43:25
Sorry, bin etwas verstimmt diesbezüglich. *seufz*
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Volker am 13. Dezember 2005, 22:57:59
Eric, du hast aber recht. Es ist schade, dass für GK bestimmte Sachen tabu sind. Aber es ist vollkommen unprofessionell von den Autoren, diese Themen auszublenden oder nur zensiert (zensuriert) wiederzugeben.

Hat Philine oder Topys ihn zu dem schönen Lied inspiriert...
"Mein Weib will mich verlassen – Gott sei dank! ... Hoffentlich! ... Wunderbar!"
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: whoknows am 14. Dezember 2005, 00:17:10
ZitatDas Buch enthält kein einziges Foto von TK, dafür aber 7 von BP. Das ist nicht professionell von den Autoren.


Kommt drauf an, von welcher Seite man es sieht. Die Autoren wurden ja von GK BEAUFTRAGT, das Buch zu schreiben, und mussten ihm daher auch alles vorlegen. Übrigens haben sowohl TK als auch Bronner und beide Söhne einfach verweigert, mit den Autoren zu sprechen. Sandra hat zwar mit einem gesprochen, (Nach Rücksprache über Dritte mit GK, und der Ankündigung, dass sie, WENN sie gefragt werde, ihre persönliche und ungeschönte Wahrheit erzählen würde. Das wurde dann "erlaubt") ihre Seite wurde aber dann doch  von GK zensiert.

Jedenfalls: Wenn ein Autor von einer Seite beauftragt wird, ist es im Gegenteil eher professionell, dem Auftraggeber zu Diensten zu sein, oder?

Und zu den Fotos: Ich schätze mal, wenn TK und SK nicht so ...nennen wir es mal: firm in dem gleichen Beruf wären, wäre BP vielleicht nicht so abgeneigt, Fotos zu zeigen. :-X
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: michael am 14. Dezember 2005, 00:21:16
Also, ich habe das Buch verschlungen. Der Preis ist zwar ....üblich, aber die Aussicht auf die CD hat mich kritiklos kaufen lassen.
Irgendwie, warum auch immer, war mir bei Kauf und beim Lesen bewusst, dass ich eine von IHM autorisierte (genehmigte)  Fassung seines Lebens zu lesen bekomme.
Und da stehen nun mal nur die Dinge drin, die mensch da drin haben möchte. Würde ich auch nicht anders machen.
Und zum Punkt "Kinder" sind Aussagen zum ersten Sohn enthalten, die auf eine tiefe Verletzung schliessen lassen.

Am neuesten für mich war aber, das das Leben von GK viel mehr vom Theater geprägt ist, als ich jemals geträumt hätte.

Für mich war so viel neu, das die fehlenden Informationen -für mich-wirklich nicht ins Gewicht fallen.


Michael



Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Dagmar am 14. Dezember 2005, 01:50:30
Na nun bin ich doch ziemlich neugierig geworden - ich habe mir rasch die Biographie noch kurzfristig zu Weihnachten gewünscht. Bin gespannt auf das Buch!

ZitatUnd da stehen nun mal nur die Dinge drin, die mensch da drin haben möchte. Würde ich auch nicht anders machen.

Also ich würde das gewaltig anders machen. Das finde ich ziemlich unspannend, das so zu handhaben. Dann kannst Du ja auch eigentlich gleich Deine Biographie selber schreiben mit allem Drum und Dran und großem "tatatataaaa" und dann unter einem Pseudonym veröffentlichen. Oder Du fragst 'nen Freund, ob der gerade mal kurz als Autor seinen Namen hergibt. Das ist ja superlangweilig, die Legende von sich selbst weiter zu spinnen und paßgerecht, geschönt und angehübscht unter Auslassung von Wesentlichkeiten in die Welt zu setzen (und Ehefrauen und die eigenen Kinder SIND Wesentlichkeiten. Das kann man sich höchstens weggucken, wegmachen kann man das damit allerdings nicht!).

Ich kenne das Buch noch nicht und werde es jetzt erst einmal lesen. Vorher kann ich natürlich nur ohne eigene Lese-Erfahrung mit diskutieren.

ZitatJedenfalls: Wenn ein Autor von einer Seite beauftragt wird, ist es im Gegenteil eher professionell, dem Auftraggeber zu Diensten zu sein, oder?

Ja, solange ich das Ganze als Auftragsproduktion erkenntlich mache. Tue ich das nicht und gebe vor, als quasi "objektiver" Autor geschrieben zu haben, ist es streng genommen journalistisch extrem unprofessionell.

ZitatSandra hat zwar mit einem gesprochen, (Nach Rücksprache über Dritte mit GK, und der Ankündigung, dass sie, WENN sie gefragt werde, ihre persönliche und ungeschönte Wahrheit erzählen würde. Das wurde dann "erlaubt") ihre Seite wurde aber dann doch  von GK zensiert.

Warum wohl?? Ich finde, man muss sich schon entscheiden: Will man die eigene Legende weiter stricken und jeden, der da nicht mitspielt gnadenlos abstrafen (kI), oder will man eine echte und damit auch farbige und bunte Biographie des eigenen Lebens beauftragen? Wie gesagt, ich habe das Buch noch nicht gelesen, aber es hört sich hier vieles nach "Legende weiter stricken" an. Dann allerdings würde ich das Buch wahrscheinlich nicht sehr spannend finden.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Andrea am 14. Dezember 2005, 02:24:54
Ich habe das Buch noch nicht gelesen. 1. Gibt es das gute Stück noch nicht als Hörbuch und 2.  Wenn da Passagen fehlen, dann bin ich zwiegespalten, ob ich's überhaupt lesen möchte. Für den Fall, dass mir das Lesen dieses Buches irgendwann leicht gemacht wird, dann greife ich zu.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Volker am 14. Dezember 2005, 09:44:16
Als Auftragsarbeit habe ich das gar nicht so wahrgenommen, weil die Autoren ja von sich aus auf Kreisler zugegangen sind, um das Buch zu schreiben.

Aber wenn man das so sehen muss...

Hätte aber nicht gedacht, dass ein Mann wie GK, der einen Finger ja oft in die Wunde gelegt hat, nicht auch mal Schmerzliches ertragen kann. Nur Lobhudelei kann man im Rückblick auf ein ganze Leben doch auch nicht ertragen...
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: whoknows am 14. Dezember 2005, 10:30:32
ZitatUnd zum Punkt "Kinder" sind Aussagen zum ersten Sohn enthalten, die auf eine tiefe Verletzung schliessen lassen.

Hm. Inwieweit in Kind, das noch keine vier Jahre alt ist, als er es verlassen hat, "Tiefe Verletzungen" zufügen kann, sei allerdings dahingestellt. :-/

Wobei es hier eine interessante Wiederholung gibt: seinen ersten Sohn hat Kreisler auch "entführt", um ihn der Ehefrau zu entziehen, sie hat ihn sich dann mit Hilfe der Gerichte zurückgeholt. (GK war eine Zeitlang als Kindesentführer von den amerikanischen Behörden gesucht ::)) Die beiden anderen Kinder hat er ebenfalls nach der Trennung mitgenommen - die waren schon alt genug, um selbst zu entscheiden. Beide Söhne haben heute überhaupt keinen Kontakt mehr zu ihm, auch nicht via Dritte.  Aber: der erste Sohn hatte  immer Kontakt zu GKs Vater (bis zu dessen Tod) - wobei ich durch diese Tatsache eher das Gefühl habe (weiss es aber nicht) , das der mangelnde Kontakt mit GK eher auf GKs Wunsch zurückzuführen ist.  Der zweite Sohn, das weiss ich, wünscht keinen Kontakt mit seinem Vater.


ZitatNur Lobhudelei kann man im Rückblick auf ein ganze Leben doch auch nicht ertragen...

Wer war das, Farkas? - der gesagt hat: Sie glauben gar nicht, wieviel Lob ich ertragen kann. ;D
Jedenfalls, eines ist sicher: Kritik konnte GK immer schon schwer ertragen.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Peter Silie am 14. Dezember 2005, 17:03:37
 Mein Eindruck ist daß GK froh ist daß ihm jemand die Arbeit abgenommen hat, eine Autobiografie zu schreiben. Bei der Lesung im Antiquariat "Buch und Wein" machte es ihm diebische Freude, immer wieder sich selbst in der dritten Person zu zitieren: "Kreisler erzählt...", "...wie Kreisler sagt...", "Kreisler erinnert sich..." usw.
Die Quellen für das Buch sind hauptsächlich ein langes Interview, das die Autoren mit Kreisler während eines mehrtägigen Besuchs in Basel führten sowie Kreislers sämtliche Werke.
Dazwischen eingestreut sind Zeitungskritiken und antike Wetterberichte. So erfahren wir z.B. daß der 18. Juli 1922 ein "mäßig warmer Sommertag" war, "an dem Sonne und frischer Wind bald die Wolken des frühen Morgens vertrieben haben."
Es gibt auch liebenswürdige Stilblüten wie "Jetzt sei er eine Sensation in Deutschland [prophezeien Freunde und Feinde], aber das werde sich abnutzen. Wie man weiß, nutzte es sich nicht ab."
Der Leser erfährt wie es "zu schrecklichen Szenen" kam, als Kreislers Tochter Sandra "Kontakt mit der Drogenszene" bekommen hatte, und erhält Einblick in das "kuriose" Ablehnungsschreiben des Staatstheaters Darmstadt zum "Aufstand der Schmetterlinge".
Der Vorteil der ein-sichtigen Schilderung ist, daß es immer wieder originelle Details aus Kreislers Leben zu entdecken gibt, die nur er selber erzählen kann. Wie er als Kleinkind fast aus dem Fenster gefallen wäre. Wie er auf dem Schiff nach Kalifornien mit Bugsy Siegel Schach gespielt hat. Wie er mit Barbara Peters ein Krankenbett auf der Urologie geteilt hat. Was er mit Marcel Prawy und Tante Anni besprochen hat. Wie er in New York zwei Tage auf Benzedrin war, um eine deadline einzuhalten.
Spektakuläre neue Enthüllungen über Georg Kreislers Seelenleben darf man sich nicht erwarten. Sowas will er bestimmt nicht. Und was er nicht will ist nicht in dem Buch.
Ich finde aber, daß seine Schilderungen der Kindheit, der Flucht aus Wien und der Zeit bei der US Army ausführlich und ehrlich genug sind, um sich ein Bild von seiner Persönlichkeit zu machen. Die Bilder der Zeit sind lebendig, und das Buch liest sich hervorragend. Ich habs verschlungen.
Ich bin ja eh einer von den eher unkritischen Fans ;) also stört mich die subjektve Sichtweise des Buches nicht.
Als "Künstlermemoiren" ist das Werk super und unverzichtbar für GK Fans, als wissenschaftliche Arbeit wäre es unbrauchbar.
Wir hatten übrigens im Forum vor längerer Zeit mal einen thread über die verschollenen New York-Aufnahmen, mit einem link zu einem Artikel über einen Archivar von RCA Victor. Ob das die Autoren der Autobiografie gelesen haben?
 
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: angel am 14. Dezember 2005, 17:19:34
Verzeihung, daß ich mich hier so dazwischenmische: Ich konnte mir letztens das Buch nicht leisten, aber ein guter Freund von mir hat es und von dem kann ich es mir leihen wenn er es ausgelesen hat. Ich habe mir "Leise flehen meine Tauben" gekauft. Mir gefiel die Einleitung der beiden Autoren recht gut.
Darin steht "Kreislers Lieder geben ihm Gelegenheit, sich gut sechzig Jahre lang immer wieder neu zu erfinden, ja, in jedem Lied einen eigenen Mikrokosmos von Beobachtungen, Verwirrungen und Erkenntnissen zu schaffen." (S. 17)
Von Euren Berichten incl. seiner Lesung habe ich den Eindruck, als ob er aus seiner Biografie ein Lied (eine Oper?) gemacht hat, d.h. sich selbst neu darin (er-)findet. Als Mitkomponisten darin ragt insbesondere Charlie Chaplin noch hervor, von dem er sehr liebenswürdig spricht.
Doch wenn er seine menschlichen Schwächen so ausblendet, obwohl er auch sagt "Einem Kabarettisten sollte nichts Menschliches fremd sein, nur Unmenschliches" (S. 19), so muß nachgefragt und -gedacht werden, woran das liegen könnte.

Ich sehe die Ausblendungen eher nüchtern: Er wurde durch die Lebensumstände dazu gezwungen, Kabarettist und "Liedermacher" zu werden und sich als solcher zu verkaufen. Die Biografie ist ebenfalls ein Marktartikel. Doch auch diesbezüglich existiert ein Lied: "Im Warenhaus".
Darüber hinaus konnte er sein Talent aufgrund gesellschaftlicher Mechanismen und ihm nicht sonderlich gewogener Kräfteverhältnisse in der Kulturindustrie nicht wirklich entfalten (wie übrigens alle Menschen) und komponierte/textete im Wesentlichen "Anecklieder" gegen die Gesellschaft, die er nicht liebt(e). Er fügte sich der Notwendigkeit und blieb wendig trotz Not, ohne jedoch zu einer Spezie von "Wendehals" zu werden.

Nach der Beschreibung von whoknows hat er sein Leben auf Basis realer Töne und unter Unterlassung vieler Zwischentöne komponiert und komponieren lassen, die Einzelfragmente der Komoposition zusammengefügt und dirigiert sie nun, d.h. er geht taktvoll mit sich um. Das Werk mag denen mit mehr Insiderwissen wie eine Illusion erscheinen. Doch: Vielleicht ist es/sie weniger seiner Unfähigkeit mit Kritik umzugehen, denn seinem Harmoniebedürfnis (einer liebevollen Harmonie auf hohem Niveau?) geschuldet?

Aber aus der Sicht des Konsumenten kann ich erst dann wirklich mitreden, wenn ich das Buch gelesen/konsumiert oder sogar genossen habe.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Guntram am 15. Dezember 2005, 14:20:27
Also es geht doch :) wir können noch über GK diskutieren

Vorneweg, ich lese normalerweise keine Biografien (wegen der Selbstbeweihräucherung) aber bei Kreisler mache ich eine Ausnahme, weil ich mich in den letzten Jahren intensiv mit seinem Werk beschäftigt habe und durchs Forum einiges über ihn weiß. Also hat das Verlangen nach mehr gesiegt und auf die Lieder war ich auch neugierig.

Meinen Senf zum Buch will ich häppchenweise, schön Kapitel für Kapitel, damit wir noch eine Weile drüber schreiben können, von mir geben.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Guntram am 15. Dezember 2005, 14:24:47
Allgemeines zum Buch

Es muß eigentlich von vorneherein klar sein, das die Biografie nicht objektiv ist. Kreisler hat sie per Interview den Autoren diktiert. Auch wird aus vielen alten Büchern von Georg Kreisler zitiert. Wessen Idee die Biografie war, die der Autoren oder ob es einen Auftragsarbeit war, wie es weiter oben angedeutet wurde, egal. Georg Kreisler hat die Biografie offiziell anerkannt, sonst würde er damit nicht auf Lesereise gehen. Somit bestimmt er letztlich den Inhalt. Vielleicht schreibt Sandra in vielen Jahren das Buch ,,Georg Kreisler – Erinnerungen" würde sicher einen guten Kontrast abgeben.

Unverkennbar ist Kreislers Handschrift in vielen Wortwendungen die ich für eher österreichisch/wienerisch oder für ihn typisch halte, als das ich sie den Autoren die eher aus dem nördlicheren deutschen Raum kommen zuordnen würde. Auch kannte ich einiges schon das Kreisler mehr oder weniger wörtlich als Kommentar auf verschiedenen CDs von sich gibt. Auffällig sind auch die vielen Passagen die als Zitat von Kreisler gebracht werden.

Man muß anerkennen die Autoren waren gründlich. Ein langes Quellenverzeichnis, inklusive Deutschem Wetterdienst, oder das Auffinden der alten Aufnahmen verdeutlicht dies.  :D Georg Kreisler sagt auch in einem Interview zum Buch, er hätte die beiden Autoren nicht belügen können, weil sie alles durch andere Quellen abgesichert haben. Ich will es glauben, den ich glaube nicht das Seufert und Fink ihre guten Namen durch irgendwelche Märchen aufs Spiel setzen. Eher wird die Kunst des weglassens und des herunterspielens praktiziert aber dazu mehr bei den einzelnen Kapiteln.

Auch unser Forum ist aufgeführt, falls H.-J. Fink oder M. Seufert immer noch mitlesen, können sie sich ja mal zu Wort melden!

Das außer Sandra niemand mit den Autoren sprechen wollte ist schade. Es wäre im Buch wahrscheinlich ebenfalls nicht veröffentlicht worden – wegen der Zensurierung – aber man hätte Material für die Zukunft gehabt, aus dem man etwas hätte machen können. ;-) Irgendwann wäre es sicher veröffentlicht worden und hätte dann das Bild von Georg Kreisler abgerundet.

Noch zum Preis. Bücher haben schon immer ihr Geld gekostet. Diesem liegt noch eine CD bei. Wenn ich bedenke was einen CD von Kreisler alleine oder der neue Harry Potter kostet ist das ok. Man muß auch bedenken das das Buch keine Millionenauflage hat und somit die Produktionskosten im Verhältnis höher sind und in die Bestsellerliste wird es sicher auch nicht kommen (leider).

Ich finde es auf jeden Fall sehr informativ und es war gut zu lesen.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Guntram am 21. Dezember 2005, 08:36:27
Ich werde mich grob an die Kapitel halten, aber nicht sklavisch. Ich mache es aus dem Gedächnis um nicht den Text sondern meine Eindrücke und das was hängen geblieben ist wiederzugeben. Es wird also sehr subjektiv sein. Gleichzeitig werde ich versuchen es mit dem was ich sonst so von GK weiß zu verknüpfen und gegeneinander abzuwägen. Also los gehts.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Guntram am 21. Dezember 2005, 09:35:39
Kindheit

Dem Urteil von Peter_Silie schließe ich mich an, das der Bericht von Kindheit und Jugend ehrlich sind.

Das Elternhaus ist "gutbürgerlich", die Erziehung streng, der Vater ist der Patriarch. Ich denke ein normal für die damalige Zeit, in der Kinder ihre Eltern teilweise siezten. Leistung ist oberstes Gebot wenn Georg einen Zwei ind der Schule bekommt fragt der Vater warum es keine Eins ist. Ich glaube das Elternhaus prägt Georg mehr als er bis heute wahrhaben will. Auf der einen Seite extreme Selbstkritik, auf der anderen Seite kaum Akzeptanz von Kritik von außen und die Auflehnung gegen jede Art von Autorität.

Die Religion spielt in der Familie keine Rolle, aber das Umfeld in Wien ist antisemitsch geprägt. Eigentlich fühlt man sich als Österreicher (der Vater wurde im 1. WK verwundet), verkehrt aber fast nur bürgerlichen jüdischen Kreisen, man will Österreicher und nicht Jude sein. GK bezeichnet seine Eltern als "Anitsemiten", denn auf die zugewanderte Juden aus Osteuropa, die unter erbärmliche Verhältnissen in Wien leben wird herabgeschaut.

Bei Sebastian Haffner (dt. Historiker, war während des 3. Reiches nach England emigriert) habe ich ähnliches gelesen. In einem seiner Bücher schreibt er, das die Juden in Deutschland nach dem 1. WK, in dem viele für Deutschland gefallen waren, sich auch eher als Deutsche jüdischer Religion verstanden und ein Assimilationsprozeß im Gang war, der ohne Hitler, so seine Einschätzung,  zu einer mehr oder weniger vollständigen Integration geführt hätte.

Auf jeden Fall führt diese Abwesenheit von Religion dazu das sich GK erst recht mit seiner Religion beschäftigt, auch wenn er letztendlich bis heute nicht religiös ist.

Die Mutter kann sich nicht oft gegen den Vater durchsetzen, als es um den Musikunterricht (Klavier, Geige, Musiktheorie) geht tut sie es aber (zu unserem Glück), der Vater ist gegen eine künstlerische Zukunft von Georg, damit könne man kein Geld verdienen. GK hat Talent. Ist aber nicht gut genug um wirklich ein ganz großer Pianist zu werden, er hat wohl zu spät angefangen und das Üben wird ihm wird verleidet, weil der Vater auch wieder erstklassige Leistungen sehen (hören) will, letztendlich fehlt wohl auch etwas der Ehrgeiz wie in der Schule und später bei der US-Army mogelt er sich gernen ein bischen durch.

Trotz allem ist er sehr gut und spielt neben klassischem auch populäres aus der damaligen Zeit, mit beidem kommt er sehr gut bei Schulaufführungen und Anlässen an.

Der Anschluß Österreichs an das 3. Reich unterbricht alles. Er erlebt die zunehmenden Repressialien und Übergriffe gegen die Juden. Er selbst muß das Gymnasium wechseln. Jeder Gang auf die Straße ist ein Risiko. Das alles führt letztendlich zu dem Entschuß des Vaters, das zuerst nur Georg, dann aber die ganze Familie nach Amerika gehen soll.

Eines ist noch auffällig. GK berichtet das er so viele Onkels und Tanten hat das er nur einen Teil überhaupt kennt. Er selbst ist aber ein Einzelkind. Nicht unbedingt typisch für die Zeit. Und noch eins. Es werden unzählige Verwandte aufgezählt von denen einige sich einen Namen gemacht haben. Fritz Kreisler den wir hier auch schon kurz erwähnt haben, wird im Buch mit keiner Silbe erwähnt. Einen kurzen Hinweis über diese Verwandschaft hätte ich erwartet.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: whoknows am 21. Dezember 2005, 15:19:16
Diese Verwandtschaft ist aber soo entfernt, dass sie eigentlich nicht mehr als solche gelten kann. Irgendwas mit  Grosscousin zweiten Grades oder wasweissich.

Ansonsten hat Sandra zB ihren Grossvater anders erlebt - weder streng noch humorlos. Wobei man da vermutlich einberechnen muss, dass  Grosseltern häufig zu den Enkeln milder sind, als sie es zu den Kindern waren - da sind sie nicht mehr so unter Druck.

Übrigens ist Sebastian Haffner meines Wissens auch irgendwie umstritten - ich vergessen, worum es sich da genau handelt, ich kann mich nur erinnern, dass es da Unstimmigkeiten gab, zwischen dem, was ER sagte, seine Rolle in WW2 war, und was andere sagten.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Guntram am 22. Dezember 2005, 12:13:46
http://de.wikipedia.org/wiki/Sebastian_Haffner

http://www.kuenstlerkolonie-berlin.de/bewohner.htm?RahmentestUmleitung:/bewohner/haffner.htm
Kann sein das der Link nicht richtig funktioniert. Dann einfach Haffners namen in der Liste suchen uznd anklicken.

Wer Kritik übt wird wohl auch kritisiert werden.  ;) Ich glaube seine Integrität ist über Zweifel erhaben.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: angel am 03. Januar 2006, 11:13:35
Die GK-Biografie wurde vorweihnachtlich auch in der "Jungle Word" rezensiert, die wiederum nun in haGalil-Online zu finden ist:

Zitat[size=14]Black Music[/size]
Der missverstandene Entertainer und Schriftsteller Georg Kreisler sollte dringend wieder entdeckt werden.

von jörg sundermeier

Wenn man in der U-Bahn ein Buch liest, auf dem Georg Kreisler abgebildet ist, kann es durchaus sein, dass man von älteren Damen und Herren angesprochen wird. Jüngeren dagegen sagt der Name Georg Kreisler selten etwas, mögen sie nun auch gern Tim Fischer sehen oder eine der neueren Punkrockversionen von Kreislers Liedern kennen.

»Mein Vater, ein Hotelportier, ging schwimmen einst im Wörthersee / Ich hab vom Strand gewunken, dabei ist er ertrunken / Mein Groß­papa, ein Gasthauskoch, bestieg einmal das Jungfernjoch / Und fiel, weil er dort schlief, ein paar Kilometer tief / Mein Bruder war ein Jäger, eine Großwildjagd macht Spaß / Ich hab einen Bettvorleger von dem Löwen, der ihn fraß / Mein bester Freund war Taucher, der schläft am Meeresgrund / Und trotzdem sagen die Ärzte, und trotzdem schreibt die Zeitung / Und trotzdem hört man überall: Sport ist gesund!«

Der Kabarettist, Chansonnier und Schriftsteller Georg Kreisler machte in den sechziger, siebziger und achtziger Jahren Furore mit seinen Programmen, in denen er sich selbst und seine Gattin Barbara Peters am Klavier begleitete. Die beliebtesten Programme waren schöner Quatsch, gekennzeichnet durch schwarzen Humor, doch offensichtlich taten viele Songs niemandem weh. Gerade das machte sie so begehrt. »Schatz, das Wetter ist wunderschön / Da leid ich's net länger zu Haus / Heute muss man ins Grüne geh'n / In den bunten Frühling hinaus / Jeder Bursch' und sein Mädel / Mit einem Fresspaketerl / Sitzen heute im grünen Klee / Schatz, ich hab eine Idee / Schau, die Sonne ist warm und die Lüfte sind lau / Geh' mer Tauben vergiften im Park!«

Kreisler selbst hat bis heute unter dem gelitten, was ihn berühmt gemacht hat. In der Biographie »Georg Kreisler gibt es gar nicht«, die die Journalisten Hans-Jürgen Fink und Michael Seufert in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler erstellt haben, zeigt es sich, dass Kreisler stets versucht hat, als ein Künstler aufzutreten, dessen politische Überzeugung mit Schiller heißt: Ästhetik wirkt stärker als Parolen. Doch sein Publikum wollte anderes sehen. Und seine Regisseure, Intendanten und Labelbosse wollten dies ebenfalls.

Georg Kreisler wurde 1922 geboren und musste bald lernen, ein Jude zu sein. Seine Eltern, sagt er, hätten den in Österreich zum guten Ton gehörenden Antisemitismus so verinnerlicht, dass sie ihn auch gegen sich wandten. Sie kuschten, weil sie es für richtig hielten. Sie waren, sagt Kreisler, selbst Antisemiten.

Sein Vater war ein kleiner, biederer Rechtsanwalt, der sich für seinen Sohn wünschte, dass er etwas Anständiges werde. Daher sah er es mit Missfallen, dass der Junge, der den Ansprüchen seiner Eltern nicht genügte, plötzlich am Klavier Fortschritte machte und zu ersten Konzerten eingeladen wurde. Kreisler übrigens, der wenig übte, hält sein weithin gepriesenes Klavierspiel für nicht sehr gut, der außerordentlich selbstkritische Künstler weiß, was besser sein könnte.

Als die Familie nach vielen Schwierigkeiten 1938 aus Wien emigrieren kann, hat Georg bereits zu Genüge die Nationalsozialisten kennen gelernt. Und er hat sich gemerkt, wie schnell sich die Österreicher, die sich ja bis heute als »erste Opfer des Nationalsozialismus« gerieren, den neuen Machthabern an den Hals geworfen haben.

In den USA dann, in Hollywood, verändert sich sein Leben, denn plötzlich wird der blutjunge Mann der Ernährer der Familie, er kommt beim Film unter, arbeitet Chaplin zu, lernt Friedrich Hollaender kennen und dessen Tochter lieben, bringt Schauspielern die richtige Haltung am Klavier bei und schreibt nebenher kleine, freche Songs, etwa »Please shoot your husband«, mit denen er durch die Bars tingelt. Sechs Songs nimmt er sogar auf, doch die Plattenfirma will diese Lieder nicht veröffentlichen, sie entsprechen nicht den US-amerikanischen Moralvorstellungen. Sie liegen nun, als seine ersten Aufnahmen, auf einer CD der Biographie bei. Nur durch einen Zufall blieben sie in einem Archiv erhalten.

Kreisler lernt in den USA das Hand­werk des Unterhalters am Klavier, er versteht, wie mit dem Publikum umzugehen ist, und er weiß den Markt einzuschätzen, doch schließlich verlässt er die Staaten, um in Österreich neu anzufangen. Der große Erfolg stellt sich in den USA nicht ein, überdies befürchtet der Künstler, auf die Bühnenfigur festgelegt zu werden, die er sich geschaffen hat. In Wien jedoch, so sagt man ihm, seien die Chancen größer.

Kreisler versucht sich zunächst müh­sam an der für ihn zwischenzeitlich ungewohnt gewordenen deutschen Sprache, findet jedoch bald in sie zurück und verfügt – weil er Abstand zu ihr gewonnen hat – nun über ein außergewöhnliches Sprachgefühl. Seine »Everblacks«, wie er seine einen sinistren Humor verströmenden Chan­sons später selbst nennt, finden bald ein großes Publikum, er selbst jedoch wird immer mürrischer. Sein Lied »Taubenvergiften« wollen die Zuschau­er immerzu hören. Vom Antisemitismus, den er benennt, will jedoch keiner etwas wissen. Die Wiener, die er in seinen Liedern vorführt (»Wie schön wä­re Wien ohne Wiener«), sind für sein Wiener Publikum immer die anderen, man selbst fühlt sich nicht betroffen. Arbeitet er an anderen Stoffen, nimmt man sie ihm nicht ab. Fernsehsender zieren sich, Opernhäuser behandeln ihn wie einen Debütanten. Lieder gegen Franz Josef Strauß finden in den Radiosendern keine Beachtung, Kommunisten hingegen echauffieren sich und pöbeln im Saal, wenn Kreisler auf der Bühne die Revolution eines Einzelnen dem Massenaufstand vorzieht.

Der Mann, den es immer zum Theater gezogen hat, schreibt eine Parodie auf das Drama »Andorra« von Max Frisch, da er in dem Stück antisemitische Züge entdeckt, doch die Parodie wird, obschon zunächst in Auftrag gegeben, abgelehnt. Andere Dramen, auch sie Auftragswerke, werden von den Intendanten empört zurückgegeben. Nur selten, etwa im Falle des Stücks »Heute Abend: Lola Blau«, feiert Kreisler Erfolge, doch ist es seine mittlerweile dritte Ex-Ehefrau, die ihm die Urheberschaft an dem Stück streitig macht. Zugleich gibt sie sich, die im Dritten Reich als »arisch« galt, allerorten als Jüdin. Kreisler sieht sein Werk von einer »Arisierung« bedroht.

Dieses Misstrauen dem Publikum und den Theaterleuten gegenüber kann er nicht ablegen, zu Recht nicht. Im vergangenen Jahr schrieb er in einem Zeitschriftenartikel: »Hatten sich vorher Juden zu Christen gewandelt, so erklärten sich nach 1945 etliche ›Arier‹ zu Juden – oder wenigstens zu ›Halbjuden‹, manchmal auch nur zu ›Menschen jüdischer Abstammung‹, eine jüdische Großmutter genügte da schon. Auch sie taten es der Karriere wegen, denn siehe da, sie wurden in Talkshows und unzähligen Artikeln der deutschen Illustrierten zu willkommenen Gästen, schrieben Bücher über ihre Leiden in der Nazizeit und waren in der deutschen Unterhaltungsindustrie eine allseits beliebte Attraktion. Nach der alten Schauspielerregel, dass ein Zwerg keinen Zwerg spielen kann, sondern nur Schauspieler, ließ man auch in den Medien die echten Juden lieber von selbst ernannten spielen. Wo hätte man auch in der Schnelligkeit echte Juden hernehmen sollen, die so gut wie die unechten sprechen, singen und weinen konnten?«

Daran hat sich bis heute nichts geändert. Eine soeben erschienene Biographie versucht nun, Kreisler ins rechte Bild zu setzen, doch die Autoren können dabei nicht recht verhehlen, dass sie selbst den Kabarettisten Kreisler interessanter finden. In ihrem Text verdeckt der Spaßmacher Georg Kreisler oft den ernsten Künstler Georg Kreisler. Daher lohnt es sich, statt nur zu seiner Biographie auch zu seinem Werk zu greifen, schließlich sind die Satiren, Romane, Liedtexte und Tonträger noch lieferbar. Sie zeigen Kreislers Kunst in aller Schärfe und Schönheit.

Hans-Jürgen Fink / Michael Seufert: Georg Kreisler gibt es gar nicht. Scherz Verlag, Frankfurt/M. 2005, 320 Seiten, 19,90 Euro

Georg Kreisler: Leise flehen meine Tauben. Gesungenes und Ungesungenes. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2005, 320 Seiten, 8,95 Euro

Pimärquelle:
http://www.jungle-world.com/seiten/2005/51/6887.php

Sekundärquelle:
http://www.hagalil.com/archiv/2006/01/kreisler.htm
________________________________________________________________

p.s.: apropos: "Eine soeben erschienene Biographie versucht nun, Kreisler ins rechte Bild zu setzen, doch die Autoren können dabei nicht recht verhehlen..."

Die nüchterne, trockene und bürokratisch-bürgerliche Rechtsanstalt braucht halt auch ihre Kabarettisten, die sie jedoch zumeist links ansiedelt!

§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§

Und damit wären wir beim Elend des Kabarettisten:

Ich muß immer was Lustiges schreiben
Da ich davon leb', läßt's sich nicht vermeiden
daß bei mir das Kabarett vor dem Recht steht

doch daß Ihr mich im Bild sogar rechts seht ...


....
(wer mag, kann dies ja weiterdichten ... ich hadere gerade nicht nur mit Wortwitz-Verlust und Überdruß, weshalb mir will nichts rechtes oder gar linkes mehr einfallen will..., sondern fühle mich obendrein wieder mal wie eine Linkhänderin in einer Rechtshändlergesellschaft)  [smiley=old_undecided.gif]

Damit auch ich mir ein "Bild" (?) machen kann: Haben die beiden Autoren der Biographie nebst Publizistik auch Jura studiert?  [smiley=old_mata.gif]

Bezüglich des Rechts-Streites um "Lola Blau" habe ich eine Idee: GK könnte das Stück doch einfach seiner Tochter schenken! Oder ist die etwa Vegetarierin bzw. wäre das ein Grund, der ihn davon abhalten könnte? [smiley=huh.gif]
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Maexl am 10. Januar 2006, 18:13:45
so, hab sie letzte nacht komplett gelesen... (obwohl ich eigentlich hätte auf klausuren lernen müssen - aber was solls, das ist bei mir immer so *grml*)

Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: whoknows am 10. Januar 2006, 21:22:15
Naja, GK ist diesbezüglich ja auch kein Lercherlschas. Er spricht der Küppers das Judentum rundweg ab - ohne jegliche Grundlage, ausser seiner Meinung. Er schreibt ein Stück - gemeinsam mit ihr und aufgrund ihrer Idee, bitteschön - aber natürlich: die Texte sind von ihm, das sind sie. Nur: Ohne sie wäre es nie entstanden - und  da streiten sie und streiten sie - Stellvertreterkriege nenne ich sowas. Und mangelnde Kommunikationsfähigkeit.
Ich will nicht sagen, dass GK total im Unrecht ist - aber total im Recht ist er auch nicht. Wann ist man das schon, bei einem Disput, nb.
Nur, diese Heiligsprechung nur weil er ein genialer Chanson-Autor ist, die ist mir denn doch ein bissel viel.
Auch Brecht war genial - und nicht heilig.
Oder Wagner.
Oder wasweissichwer.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Bastian am 10. Januar 2006, 21:35:54
Hab die Bio jetzt auch. Andrea hat sie mir geschenkt! :-* Ich  hab während der Zugfahrt ein wenig gelesen, und ich denke schon jetzt, dass ich Kapitelweise Kreuz und Quer lesen werde. Ich hab schon immer Probleme mit Biographien gehabt: Überall stehen Namen und Menschen und Beziehungen, Jahreszahlen usw...,d ei ich mir niemals merken werde. Ich hab mich damals durch Brecht und Chaplin- Bio gekämpft, bei Kreisler werde ich einfach nur schmökern!
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: whoknows am 11. Januar 2006, 00:41:27
Schönes Bild, Maexl!!
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Maexl am 12. Januar 2006, 13:32:00
kenn nat. auch ein schöneres von ihm - aber mir gefällt sein blick nach links... andere avatare habe ich sonst manchmal auch gespiegelt

das mit der heiligsprechung stimmt absolut - die tendenzen des buches sind allerdings gerade gegen ende sehr deutlich. über dinge, die sich nicht verschweigen lassen schreiben sie wenige sätze - sicher interessante themen lässt er völlig weg.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: angel am 12. Januar 2006, 18:35:34
ZitatNaja, GK ist diesbezüglich ja auch kein Lercherlschas. Er spricht der Küppers das Judentum rundweg ab - ohne jegliche Grundlage, ausser seiner Meinung.

Wenn sie Jüdin ist, kann er ihr das doch gar nicht absprechen! Es gibt die halachische Definition und daran muß er sich auch halten!  >:(

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Bezüglich der Biografie interessiert mich, wie er darin das Kapitel mit seinem Lied über das "Taubenvergiften" reflektiert.

Ich habe mir bezüglich des Taschenbuchtitels "leise flehen meine Tauben" folgende Gedanken gemacht:

In dem Titel steckt Mehrdeutigkeit, Vielsinnigkeit und es ist sicherlich nicht nur eine "Verballhornung" seines "schwarzhumorigen Liedes". Eine pure "Verballhornung" würde nicht das "leise Flehen" enthalten, sondern würde sich einer anderen Sprache bedienen, oder?

Kreisler ist ja im Grund gegen "Tauben vergiften" und hat sein Lied als sarkastische Gesellschaftskritik (bzw. Kritik an der perversen Moral) verstanden wissen wollen. Das Gurren der Tauben im Frühling stand bekanntlich auch immer als Zeichen für ein fröhlich-friedliches Aufblühen der Liebe. Gerade im Frühjahr "ins Grüne" zu gehen, um dort - statt mit einem geliebten Menschen zu lustwandeln und zu schmusen - Tauben zu vergiften, zeigt sowohl mangelnde Liebesfähigkeit wie die immer noch vorhandene Tendenz hin zum Grausamen auf, d.h. sich am Krepieren von Tieren zu erfreuen.

Es könnte also sein, daß er mit dem Titel nicht "durch die Blume", sondern "durch die Taube" darum bittet, daß die Leser dies verstehen/begreifen mögen, oder?

Die Taube ist außerdem füher Bote/Brieftaube gewesen. Ich habe zeitweise bei meiner Großmama gewohnt, über deren Wohnung ein Taubenzüchter Brieftauben züchtete und ich habe diese Tauben von Kindheit an geachtet - ja fast mit ihnen zusammengewohnt und bin niemals krank geworden. Klar, es war viel Lärm im "Taubenschlag" über unseren Köpfen, aber daran habe ich mich irgendwann gewöhnt.
 
Ich hatte auch im letzten Frühjahr mit einem Taubenpärchen ein ca. 10minütiges Gespräch. Ich saß im Garten auf der Veranda und las ein Buch. Plötzlich kam dieses Pärchen angeflogen und setzte sich 1 m entfernt von mir auf das Geländer und beide schauten interessiert zu mir hin. Ich sagte ihnen plötzlich, daß ich wütend darüber sei, daß Menschen sie als "Ratten der Lüfte" bezeichnen und wies auf die gefährlichen A-B-C-Waffen-Labore des Menschen hin bzw. deutete an, daß diese Waffenforscher und -hersteller viel gefährlicher für Mensch, Tier und Natur seinen als die Tauben. Die Tauben haben ganz interessiert dabei zugehört und ihre Köpfchen immer wieder interessiert zu mir hingestreckt bzw. die Seite mit dem Ohr meiner Stimme zugewandt, daß ich fast den Eindruck hatte, sie würden mich verstehen... :). Als ich den Vortrag beendet hatte flogen sie wieder weg.

Aber ggf. projeziere ich auch nur meine eigene "Befindlichkeit" incl. die Bedeutung der Taube(n) für das Judentum und den Frieden/Shalom in den Titel hinein und dieses - mein Empfinden - hat vielleicht ganz und gar nichts mit Georg Kreisler und seiner Titelwahl zu tun?
 
Was denkt Ihr dazu bzw. was schreibt er in seiner Biografie zu Tauben?
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Maexl am 12. Januar 2006, 19:18:25
Ich vermute, dass er den Titel einem Gedicht von Ludwig Rellstab (1799-1860)  entnommen hat. es wurde von Franz Schubert (1797-1828) (Schwanengesang D. 957 Op. 80 Nr.4) vertont. Das hab ich früher gern gespielt - also Noten habe ich für Mittelstimme (c-moll) und Hoch (d-moll).
Kreisler fühlt sich von den Menschen unverstanden weil viele ihn auf lustige, für ihn weniger essentielle Lieder reduzieren, wie eben seinen Renner, die Taubenvergifter Nummer. Allerdings verstehen sie seine wichtigen Botschaften in anderen Liedern nicht. Weil die Menschen ihn also als Taubenvergifter nur auf seinen schwarzen Humor reduzieren nennt er also seine Lieder Tauben.

In der Biografie steht allerdings ein anderer Bezug - ich will jetzt nur nicht danach suchen.
Du wirst ihn also schon noch lesen.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: whoknows am 12. Januar 2006, 20:11:46
ZitatEs gibt die halachische Definition
Es gibt aber auch reformierte Definitionen.
Und bezüglich der Tauben: das Lied ist nicht von ihm - also kann er sich auch nix von dem, was du insinuierst, dabei gedacht haben.
Und @maexl: Du hast natürlich Recht, klar ist das von dem Lied. Er macht das doch gern, solche Verballhornungen.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: angel am 12. Januar 2006, 23:22:48
Zitat
ZitatEs gibt die halachische Definition
Es gibt aber auch reformierte Definitionen.
Ich weiß, daß es in den USA viel (mehr) liberalere Gemeinden gibt..., hier in D-Land und soviel ich weiß in Österreich ebenso, gelten recht starre halachisch-orthodxe Regeln (auch bezügl. des Gijur), sonst hätten sich Friedman und Schäfer die Flugkosten in die USA sparen können...

Ich verstehe nicht, daß der Anarchist Georg Kreisler gegenüber Topsy Küppers einen orthodox-halachischen Standpunkt einnimmt, wo der doch lt. eigener Aussage Religionen ablehnt. Ich verstehe auch nicht, daß die Jungle-Word-Redakteure dies nicht hinterfragen und diesen Widerspruch nicht sehen wollen. So ein Verhalten muß entweder was mit dem autoritäten Charakter, ihrem Philosemitismus oder auch Hang zu patriarchalen Attitüden  (nach dem Motto: "Was die Frau ist, bestimmt der Mann" ) zusammenhängen...  :-?

ZitatUnd bezüglich der Tauben: das Lied ist nicht von ihm - also kann er sich auch nix von dem, was du insinuierst, dabei gedacht haben.
Ich dachte weniger an das "geistige Eigentum", sondern welche Intention er mit und welchen Bezug er zu dem Lied hat(te). Mit anderen Worten: ich finde es deshalb nicht so wichtig, ob es in der modernen und schwarzhumorigen Fassung von Lehrer oder Kreisler stammt, da GK - zumindest im deutschen Sprachraum - damit identifiziert wurde, wie dies auch Maexl prägnant beschrieb.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: whoknows am 13. Januar 2006, 10:47:27
na, aber womit wer identifiziert wird, liegt nur selten in der eigenen Hand, oder? Wenn GK sich gedacht hätte, dass das Lied ein Leben lang an ihm kleben wird, hätte er's wohl nicht rausgebracht....

Und dass er über topsy herzieht, hat andere Ursachen. Da sucht jeder der Beiden, was den Anderen am Meisten verletzen kann - das ist Privat. Nur leben sie es leider nicht so ::) :-?
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: angel am 15. Januar 2006, 15:01:26
I've got it!  :)
Ich nehme an, daß er mit dem Buchtitel der Liedersammlung, die ja parallel der Biografie erschienen ist, darum bittet, daß sein Gesamtwerk berücksichtigt wird und er nun nicht mehr auf die "schwarzhumorigen" Lieder, insbesondere die "Tauben" reduziert wird. Dies scheint ihm imo auch gelückt zu sein.

Ich hoffe, daß irgendwann auch mal der Streit mit TK beendet sein, der ja auch Schatten in dieses Forum wirft.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Andrea am 15. Januar 2006, 20:05:26
Die Geschichte dauert doch schon Jahrzehnte. Da können wir als außenstehende gar nicht "mitreden". Warum sollten wir uns also ernsthaft weiter darüber Gedanken machen? Es ist privat und geht uns nix an.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Bastian am 01. März 2006, 22:44:21
So, ich hab sie auch gelesen. Die interessanten Passagen sind in meinen Augen die Beschreibungen der Vorkriegsjahre, die Zeit des "Anschlusses" von Österreich, und der Flucht nach Amerika.

Es ist auch schön, über die Arbeit mit Charles Chaplin zu erfahren: Beispielsweise wie Kreisler in der Pause Klavier übt, und Chaplin die anderen ermahnt still zu bleiben bis er fertig ist...usw. Und dass Chaplin allen Beteiligten auch in den ausfallbedingten tagelangen Drehpausen die Gehälter weiterzahlte. Es ist, wie immer in Biographien: Es fallen Namen anderer, über die man sich ein wenig mehr Information wünschen würde. Aber es ist, wie immer in Biographien: Es geht immer nur um einen. Hab übrigens in Chaplins Bio Georg Kreislers Name nicht gefunden. Hab ihn dann hinter "Korda, Sir Alexander" in die Leerzeile hineingeschrieben, aber es hilft nix...

Was es mit Topsy Küppers' Jüdischsein auf sich hat, ist mir schleierschwanz. Darf es aber auch bleiben- ich finde es unerheblich. Ebensowenig werde ich aus den Urheberrechtsstreitigkeiten schlau. Aber auch das darf ich bleiben.

Die CD hat in meinen Ohren eher anekdotischen Wert, das einzige Lied, das mir neu und zugleich amüsant war, ist "Frikastasny". Die anderen Lieder gibts auf den offiziellen Platten.

Alles in allem ein Buch mit CD.
... und Bildern:
Kreisler in Badehose am Flügel.

Sehr elegant.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Dagmar am 02. März 2006, 13:03:02
Ich bin halb durch das Buch durch - und es fällt mir schwer, es zuenede zu lesen. Mich stört das extreme name-dropping. Es wird Name an Name gereiht, ohne das ich wirklich etwas erfahre über die Geschehnisse. Wenn ein Buch mich dazu bringt, dass ich schnell Seiten vorblättere, um zu gucken, wann denn endlich wieder etwas Interessantes kommt, ist das Buch langweilig geschrieben.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: angel am 07. März 2006, 07:07:18
Hier möchte ich noch die einleitenden Worte von Dr. Wolfgang Trautwein zur Lesung mit GK in der Akadamie der Künste, Berlin am 8.11.2005 publizieren:

Guten Abend, meine Damen und Herrn,

die Einsicht, dass es wichtiger ist, den Künstler selbst zu Wort kommen zu lassen als über ihn zu sprechen, verkürzt so eine Begrüßung beträchtlich. Nur zwei Bemerkungen zum kulturgeschichtlichen Zusammenhang, in dem die Biographie ,,Georg Kreisler – gibt es gar nicht" steht, möchte ich der Lesung voranstellen. Sie entstammen meiner Perspektive als Direktor des Akademie-Archivs, eines Archivs, das zum Kabarett und zur Unterhaltungskunst insgesamt die wohl bedeutendsten Bestände für die Zeit vor Machtantritt der Nationalsozialisten betreut.

Zum einen: Die erzwungene Emigration der jüdischen Künstler zerstörte definitiv auch eine reiche Unterhaltungskunst, an die nach 1945 nicht mehr angeknüpft werden konnte. Diese Einsicht stimmt im allgemeinen, doch gibt es eine Ausnahme. Als Georg Kreisler 16jährig mit seiner Familie aus Wien emigrierte, hat er den literarischen und musikalischen Geist jener Zeit auf- und mitgenommen und dieser  hat über die Zeit des zweiten Weltkriegs hinweg weiter in ihm gearbeitet. So entstand seit den fünfziger Jahren ein singuläres Werk, in dem sich literarische und musikalische Qualität die Waage halten, während das Kabarett rundum seine eigenständige musikalische Dimension und einen Großteil seiner darstellerischen Qualität verloren hatte.

Zum andern war jedoch auch für Kreisler ein Charakteristikum der zwanziger und dreißiger Jahre unwiederbringlich. Hatte es damals einen kulturellen Gesamtzusammenhang gegeben, in dem  Komponisten, Autoren und Schauspieler - beinahe selbstverständlich und ohne Schaden - zwischen Theater, Kabarett, Film und Operette, somit auch zwischen der sog. ernsten und der Unterhaltungskunst wechseln konnten, wurden sie nach dem zweiten Weltkrieg auf ihr Genre festgelegt. Ein Kabarettist, der auch als Theaterautor oder Komponist musikalischer Bühnenwerke anerkannt würde - kaum vorstellbar. Ein Künstler aber, dessen Talente und Ambitionen nicht an der Rampe der Kleinkunstbühne endeten und der sich allen Festlegungen entzog, musste zwangsläufig darunter leiden. Dennoch hat sich Georg Kreisler gegen diese Widerstände auch als Schriftsteller und Komponist behauptet.

Im Saal begrüße ich seine Frau, Barbara Peters, und auf der Bühne: Georg Kreisler
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: whoknows am 07. März 2006, 11:02:18
Das finde ich sehr interessant und sehr richtig, was der Dr Trautwein da sagt. Danke Dir, dass du es hier reinstellst!!!

Vor allem das:
Zitatin dem  Komponisten, Autoren und Schauspieler - beinahe selbstverständlich und ohne Schaden - zwischen Theater, Kabarett, Film und Operette, somit auch zwischen der sog. ernsten und der Unterhaltungskunst wechseln konnten, wurden sie nach dem zweiten Weltkrieg auf ihr Genre festgelegt. Ein Kabarettist, der auch als Theaterautor oder Komponist musikalischer Bühnenwerke anerkannt würde - kaum vorstellbar.

Das genau ist es, das ich so bedauere, und genau diesem Manko versucht Wortfront nun die Stirn zu bieten. :D
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Alexander am 16. März 2006, 10:07:48
Aus dem aktuellen Newsletter des österreichischen Musikproduzenten Günther Wildner:

(2) Georg Kreisler gibt es gar nicht - Die Biografie
Aufgeschrieben von Hans-Juergen Fink und Michael Seufert
Scherz, ISBN 3-502-15021-4, 320 Seiten, gebunden, ? 24,90

Immer wieder stößt man in Biografierezensionen auf das gerne bemühte Klischee bzw. das in diesem Fall positiv gemeinte Urteil der Kriminalromanspannung, das der Leser  im Nachvollzug der jeweiligen Lebensgeschichte verspürt. Die seit Herbst 2005 vorliegende Kreisler-Bio darf getrost auch diesen Anspruch erheben. Da es bisher keine derartige Publikation gab, war sie schlicht überfällig. Denn wer von Kreislers vielfältigem Schaffen angezündet und begeistert ist, möchte mehr und genaueres über den virtuosen kritischen Geist mit dem so reichlichen musikalischen Füllhorn erfahren, ganz besonders auch wegen der vielen kolportierten und nur teilweise zu verifizierenden Geschichten aus Beruf und Privatleben des unbequemen und deshalb so sympathischen Klang- und Theaterpoeten.
Wie die ?Aufschreiber" Fink und Seufert berichten, hat sich Georg Kreisler umfangreich und detailgenau erinnert, was dem entstandenen Werk natürlich äußerst zuträglich ist. Was die Autoren darüber hinaus aber leisten ist eine sehr genaue, bestens recherchierte und in Ausführlichkeit und Sprache ausbalancierte Analyse der Kultur- und Geisteswelt rund um Georg Kreisler, seine Lebensorte und -stationen. Man erfährt nicht nur, was Kreisler getan und geschaffen hat, sondern man spürt Bedrohung, Unrecht und Ohnmacht des Jahres 1938 in Wien, man ist in Hollwood mit dabei, und tingelt durch die New Yorker Theater und Music-Clubs und inhaliert die muffigen Nachkriegs- und Wirtschaftswunderaufbauzeiten des ab 1955 neutralen Österreich.
Ein Buch zum Lachen und Weinen, und das beides zugleich!
Die beiliegende CD mit sechs englischsprachigen Songs, aufgenommen 1947 in New York, zeigt den jungen Kreisler schon mit allen beißenden Pointen und raffinierten Klavierbegleitungen, die Markenzeichen seines ?Kabarettschaffens" werden sollten.

http://kreislerbuch.notlong.com
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: angel+ am 21. April 2006, 01:18:59
ZitatIch bin halb durch das Buch durch - und es fällt mir schwer, es zuenede zu lesen. Mich stört das extreme name-dropping. Es wird Name an Name gereiht, ohne das ich wirklich etwas erfahre über die Geschehnisse. Wenn ein Buch mich dazu bringt, dass ich schnell Seiten vorblättere, um zu gucken, wann denn endlich wieder etwas Interessantes kommt, ist das Buch langweilig geschrieben.

Ich habe das Buch immer noch nicht gelesen. Aber ich habe jemanden gefragt, der sich das Buch gekauft und es gelesen hat, ob GK darin "name-dropping" betreibt. Dieser Mensch darauf hin geantwortet: "Die Beschreibung und Erwähnung von Menschen, die Einfluss auf das eigene Leben hatten, gehört halt nun einmal zu einer Biografie dazu, da sich ja der Mensch als gesellschaftliches Wesen entfaltet. Wenn jemand dies als 'name-dropping' bezeichnet, so projeziert diese Person wahrscheinlich eigene Verhaltensweisen auf das Buch bzw. Georg Kreisler."
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Dagmar am 21. April 2006, 01:43:06
Aha  ::)
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: angel+ am 21. April 2006, 08:26:52
Gefunden in gkif:

Georg Kreisler liest aus "Georg Kreisler gibt es gar nicht".

Davor singend, sprechend am Piano Sebastian Krämer.

Am 14.5.06 um 11:00 Uhr in Karlsruhe beim Karlsruher Lesefrühstück im Stephansaal.

http://www.konzertkarten-online.com/georg_kreisler_sebastian_kraemer_karlsruher_lesefruehstueck_tickets.html
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: whoknows am 22. April 2006, 00:15:01
Sebastian Krämer ist definitv sehenswert.
Und das Namedropping machen natürlich die Autoren, weil sie (nicht ganz unberechtigt) annehmen, dass ein Publikum derartiges gern liest. Die Leute wollen auf das Umfeld und Leben von Promis gucken, sogar Affen haben mal in einem Test vor allem auf die Affenbilder geschaut, die mehr Bananen bei sich hatten oder Weibchen. Wenn Dein Freund das nicht abstrakt sehen kann, so wie das Business läuft, ist er ein eindimensionaler Denker, um nicht zu sagen. ein bissel schlicht.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: whoknows am 23. Mai 2007, 09:43:34
Vielleicht passt das am Besten hier in diesen Thread.
Sandra  gestattet  ausnahmsweise in diesem Forum die Vorabveröffentlichung diese Textes, der in der ö1 Programmzeitschrift "gehört" erscheinen wird.

ZitatMein Vater wird nie mit mir über das sprechen, was ich hier sage. Ich fürchte, er wird überhaupt nie mehr mit mir sprechen. Denn er spricht schon seit Jahren nicht mit mir, und nichts, was ich bisher tat oder noch tue, kann das ändern.
Trotzdem ist er ein wichtiger Mensch, nicht nur für mich, und trotzdem ist er ein guter Mensch, nicht nur für mich. Vor allem aber: Es wäre ein Fehler, von den Familiengeschichten, von dem Menschen Georg Kreisler auf den Künstler zu schließen. Der Künstler ist das Eine – der Mensch das Andere.
So ähnlich würden sicherlich auch Verwandte von Brecht, Rousseau und vielen anderen Genies sprechen – und ein Genie ist er zweifellos, der Georg Kreisler, mein Vater.

Auch einem genialen Menschen purzeln die Ideen und Gedanken nicht einfach aus dem Hirn – man muss sie zwingen, sich quälen, und hat ergo (so vermute ich) wenig Platz in der Seele für die richtige Welt.
Jeder nimmt die Welt durch seinen eigenen Filter wahr, das gilt für Künstler ebenso wie für Künstlerkinder. Und wenn die Künstlerkinder dann auch noch selber Künstler werden, wird's erst richtig kompliziert.

Mein Vater war ein paternalistischer Vater. Immer ein bisschen von oben herab, so habe ich ihn zumindest empfunden. Er war auch warmherzig und verantwortungsvoll – ganz sicher, aber ich hatte immer das unbestimmte Gefühl, das sei mehr  Pflicht als Interesse. Seine späteren Worte geben mir da irgendwie Recht. Er schreibt zum Beispiel im Beiblatt zu einer CD: ,,Was sollen uns die Kinder, wenn sie keine Kinder mehr sind? Was haben unsere Kinder mit uns zu tun, außer, dass sie durch uns zur Welt kamen und von uns mehrere Jahre lang abhängig waren?"
Folgerichtig hat er seit Jahrzehnten zu seinen immerhin drei Kindern absolut keinen Kontakt.
Trotzdem kann man ihn nicht als ,,Rabenvater" bezeichnen, denn solange zumindest seine beiden Kinder aus dritter Ehe – also mein Bruder und ich – klein waren, hat er sich gekümmert, wie man das von einem Vater erwartet. Als wir dann in die Pubertät kamen, wurden wir schwierig, akzeptierten nicht mehr so leicht die Autorität eines Mannes, der uns immer gepredigt hatte, sich gegen Autoritäten aufzulehnen – und das wurde ihm dann zu anstrengend. Er hätte sich auf andere komplizierte Seelen einlassen müssen; zumindest die Möglichkeit einräumen, sich auch mal zu irren. Es gab Kämpfe wie in vielen Familien, denn Kinder nabeln sich ab und Eltern müssen sie neu kennen lernen. Das Problem in unserer Familie ist nur: Wir alle – mein Vater, meine Mutter, mein Bruder und auch ich, wurden mit einem Rechthabe-Gen geboren.  Es fällt uns sehr schwer, die Tatsache, dass es mehrere Wahrheiten nebeneinander geben kann, zu erkennen oder gar zuzugeben.
An diesem Rechthabe-Gen ist die Familie zerbrochen.
An diesem Rechthabe-Gen sind auch, wie es scheint, die anderen Ehen und Familien meines Vaters zerbrochen. Vielleicht sind deshalb auch alle langjährigen Freundschaften- zB die mit Erwin Ringel  - letztlich gescheitert.
Georg Kreisler hat heute im Alter von immerhin 85 Jahren keine einzige Freundschaft, die älter ist als seine jetzige Ehe. Doch er scheint absolut glücklich zu sein.
Ich gönne ihm das von Herzen.
Ich persönlich halte zwar nicht besonders viel von seiner jetzigen Frau, aber vielleicht ist das für Töchter normal – und vor allem: es ist völlig gleichgültig.
Wichtig ist, dass er sich in seinem Leben wohl fühlt, denn er ist – und damit sind wir beim Künstler – ganz unbestritten  eine wesentliche Figur der künstlerischen und politischen Geschichte des deutschsprachigen Raumes.
Im gesamten deutschsprachigen Raum muss bis heute jeder Chansonnier, jeder musikalische Kabarettist Lieder von Georg Kreisler in seinem Repertoire haben – einfach weil: es geht nicht ohne. Niemand ist bisher aufgetaucht, der auch nur annähernd handwerklich so perfekt und inhaltlich so blitzgescheit und wahrhaftig Lieder bauen kann.
Es sind gefährlich gute Lieder.
In den späten 80er Jahren habe ich mal nach den Platten von Georg Kreisler im Wiener Funkhausarchiv gestöbert. Es war fast alles da. Und neben den Titeln stand jedes Mal ,,Vorsicht Text" oder ,,Nicht einsetzen" mit drei Rufzeichen. Das wird bis heute so gehandhabt.
Folgerichtig ist Georg Kreisler heute in Deutschland wesentlich anerkannter als in Österreich.
Und folgerichtig wird er wohl in Österreich erst dann so richtig ,,berühmt" werden, wenn er  - G'tt behüte - gestorben ist.
In Österreich wird nicht geschätzt, wer zu Recht kritisiert. Und wenn man noch dazu kritisierender Jude ist, werden einem alle Türen, die einen beruflich weiter führen könnten, aus fadenscheinigen Gründen vor der Nase zugeknallt. (Auch menschlich wird man missachtet, zum Beispiel ist in den letzten 60 Jahren noch nicht einmal jemand auf die Idee gekommen, dem Emigranten Kreisler ehrenhalber seine österreichische Staatsbürgerschaft zurück zu geben.)
Kreisler hat das immer wieder betont, und lange Jahre fand ich: Er übertreibt. Aber seit ich  in Berlin lebe weiss ich: er hat völlig Recht.
Abgesehen davon, dass der politische Diskurs in Deutschland ein Anderer ist, merke ich ganz persönlich: In kürzester Zeit wird meine Arbeit allgemein wahrgenommen, findet Anklang und Würdigung - in Österreich bin ich auch nach Jahrzehnten nichts anderes als Mietstimme, darüber hinaus gehendes Interesse ist nicht in Sicht.

Es ist so traurig wie typisch, dass Georg Kreisler in Österreich nicht ,,Autor, Komponist und Intellektueller" ist,  sondern der ,,schwarzhumorige Kabarettist".
Auch so kann man Inhalte marginalisieren.
Natürlich, er ist - ganz dem Rechthabe-Gen entsprechend - kein Diplomat, vielleicht hätte er, wäre er in Manchem etwas konzilianter gewesen, auch mehr erreichen können. Aber: Ihm ging es immer um eine Aussage, eine Haltung. Das mag zwar Hürden geradezu generieren – es ist trotzdem ein Lebenselixier, und zwar: nicht nur für den, der diese Haltung hat!

Aber – um wieder auf die familiäre Seite zu kommen: diese Art der Unbeugsamkeit ist zweischneidig.
Wenn ein Mensch in erster Linie Genie ist, so kann er nur in zweiter Linie Vater sein.
Wir waren auch Vorzeige-Kinder, so sehe ich das im Rückblick. Wenn Journalisten kamen, wurden wir vorgeführt, durften stolz Farkas-Doppelconferencen auswendig zum Besten geben und mussten dann in unser Zimmer. Wir hatten ständig wechselnde Kindermädchen, und das Wort, das mir am Meisten aus meiner Kindheit in Erinnerung blieb, ist das Wort ,,Rücksicht" – die mussten wir immer nehmen, zB auf den im Arbeitszimmer verschwundenen Vater.  
Heute weiss ich, dass es sehr kompliziert sein muss, Kinder im hochdisziplinierten  und zugleich chaotischen Ablauf künstlerischer Arbeit unterzubringen – und mein Vater hatte damals noch dazu das Ideal einer ,,antiautoritären Erziehung". Leider war er aber nicht nur paternalistisch sondern auch von Natur aus eher autoritär – und das kann zu einem ziemlichen Wechselbad führen.
Trotzdem: ich möchte eigentlich keine andere Kindheit haben, sie war aufregend und lehrreich, und ich könnte tausende Anekdoten erzählen, wie Georg Kreisler uns in der Volksschule gegen bornierte Lehrer unterstützte, wie wir auf langen Autofahrten Reim- und Wortspiele spielten, wie er meinem Bruder zeigte, wie man am Besten Mädchen anbaggert und so fort.

Doch bis heute kann er weder meinem Bruder noch mir das Erwachsen-werden verzeihen, und vor allem: bis heute – immerhin fast 30 Jahre später! -  setzt er voraus, dass er weiss, was wir für Menschen geworden sind. Ich hingegen bin überzeugt: er weiss nicht mal, was wir für Kinder waren – und er ahnt nicht, wie viel er von uns Kindern heute profitieren könnte.

Es ist für die ältere Generation von Vorteil, von den Kindern zu lernen, auch wenn es mit den Jahren immer mehr Kraft kostet, die Gegenwart zu begreifen. Wenn man allerdings ein unbeugsamer Charakter ist, dann fällt es schwer, zuzugeben, dass man doch noch manchmal umdenken könnte – Ausserdem ist es das Wesen der Menschen, Andersdenkenden ungern zuzuhören.
Mir bleibt also nur, mich zu bemühen, meinem Vater in Manchem eben nicht gleich zu werden. Ich möchte offen und warmherzig sein, nicht es spielen, und wenn ich etwas von einer  Bühne singe, dann meine ich es auch so.


© Sandra Kreisler
Preis der deutschen Schallplattenkritik 03/06
Lale Andersen Preisträgerin 06 -07

Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Burkhard Ihme am 25. Mai 2007, 03:07:00
Hast du deine Freundin Sandra mal gefragt, ob sie ihrem Vater mal im öffentlichen Raum "versehentlich" über den Weg gelaufen ist? Rennt der dann weg?
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: whoknows am 25. Mai 2007, 08:56:27
na, das konkret hab ich sie nicht gefragt, aber dass er ihr über den Weg rennt, ist eher unwahrscheinlich: Berlin und Basel sind nicht gleich nebenan.
Aber sie hat mir mal nen Brief gezeigt, da wohnte sie noch in Wien, und GK war zur Vorbereitung und Uraufführung seiner Oper da. Und von den Mitwirkenden der Oper kannte sie von Regisseur abwärts ungefähr die Hälfte der Mitwürgenden. Also hat sie ihm einen Brief geschrieben, dass sie sicherlich zur Premiere eingeladen werden wird, und was sie denn in dem Falle tun solle - hingehen und ihn ignorieren, hingehen und ihn grüssen, nicht hingehen. Und da kam ein Brief zurück, mit allen Daten, wann er bei den Proben sei und in der Nähe und all das, und dass er sie bitte, sich da fern zu halten, sonst "kämen ja doch wieder Schwierigkeiten".
Also, Vater-sein ist nicht gerade sein Metier....
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Dagmar am 27. Mai 2007, 00:05:26
Der Text von Sandra Kreisler ist für mich ein wahrhaft ehrlicher und schöner, ein tiefgründiger und warmherziger Einblick in diese spezielle Vater-Tochter-Beziehung. Dankeschön für's lesen dürfen, wenngleich ich leise Schwierigkeiten mit der Einleitung habe. Trotzdem: Es rührt mich immer wieder neu an. Und immer wieder neu frage ich mich, ob dieses Genie, der doch auch Vater ist, solche Bekenntnisse seiner Kinder zur Kenntnis und zu Herzen nimmt. Bekenntnisse, die zwischen den Zeilen mehr aussagen als vielleicht bewusst beabsichtigt war.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: whoknows am 27. Mai 2007, 01:28:22
Nö, glaub ich eher nicht. Weisst Du, ich denke, ab einem gewissen Alter und ab einer gewissen Dauer von Dingen, die andere Leute als Fehler sehen, fällt es einem nicht einfach "schwer, es zuzugeben" - sondern es wird zunehmend unmöglich, die eigenen Fehler zu erkennen. Unser Hirn hat sich da herrliche Schlupflöcher geschaffen, wie man sich selbst quasi "in's Recht setzen kann", bevor man an einer Wahrheit zerbrechen könnte.  (Siehe zB auch sehr viele ältere Leute, die ihr Leben lang an die DDR geglaubt haben - etliche sind einfach nicht zu überzeugen, und ich glaube: nciht wegen "ich muss was zugeben" sondern viel mehr, weil sie ausserstande sind, etwas zu erkennen.
GK  müsste ihr auf der Herzensebene entgegenkommen - und das hiesse, dass er dort auch viel zu verletzlich wäre, also findet er unbewusst immer wieder neue Gründe, um vor sich selbst als "Richtig" und "gut" dazustehen. Ich glaube, irgendwann mal sind solche Mechanismen auch gar keine Frage von "Schuld" mehr.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Dagmar am 27. Mai 2007, 01:41:09
Da hast Du leider ziemlich sehr Recht. Schade, sehr schade eigentlich. es ginge nämlich eben genau nicht mehr um "Schuld haben" und "Recht haben", sondern um Begegnungen mit den eigenen Kindern, die man ja immerhin mal erstens gezeugt hat, dann winzig klein auf der Welt hat liegen sehen und dann hat aufwachsen sehen, begleitet hat, usw. (was der Text von Sandra ja sehr liebevoll beschreibt). Und es könnte um die Frage gehen, was man mit 85 noch regeln will, weil man wissen wird, dass man wahrscheinlich wohl nicht 115 werden wird, sondern nur noch wenig Zeit für das Wesentliche hat.

Da ginge es dann um das Schließen von Kreisen des eigenen Lebens - unbegreiflich für mich, dass so jemand Geniales wie GK nicht mit solchen Überlegungen beschäftigt sein könnte.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: whoknows am 27. Mai 2007, 10:19:06
Oh, das denke ich schon. Aber erstens wird er das wohl so "regeln" wie es seiner jetzigen Stimmung entspricht, und da haben die Vergangenheiten mit drei Exfrauen und Kindern eben keinen Platz sondern nur BP, und zweitens habe ich irgendwie das Gefühl, es werden wohl auch Trotzreaktionen kommen - "warum wird Dieter Hildebrandt rauf und runter geehrt, kriegt den Grimmepreis, und ich nicht? Ist das antisemitismus? Liegt das an MIR - nein, die Anderen sind die Arschlöcher, ich verweigere mich dem". Ich denke, er ist hin und hergerissen zwischen "rechtzeitig selbst an der eigenen Legende stricken" und "sich komplett dem verweigern, denn es is eh wurscht" - aber wohlgemerkt: Ich rate hier nur.

Gerade heute habe ich in der Zeit einen grossen Artikel gelesen, wie die Nachlassverwalter das Bild von Fassbinder bewusst verändern und verschleiern und radikal wichtige Personen (Freunde& Mitarbeiter) aus seinem Leben und Werk ausradieren - ich denke, sowas in der art wird hier wohl auch passieren, weil niemand geneigt ist, sich dem entgegen zu stellen. Aber vielleicht bin ich hier auch -  infiziert durch den Artikel  - Opfer meiner eigenen Vorstellungskraft.... 8-)
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Burkhard Ihme am 28. Mai 2007, 03:55:15
Aus der Biographie:

Zu Hause in Berlin haben sich die Dinge inzwischen dramatisch entwickelt. Sandra, nun sechzehn Jahre alt, hat Kontakt mit der Drogenszene bekommen. Der Vater versucht, ihr zu helfen, sie dort herauszuholen. Es wird ein Horrortrip. Sandra verlässt Berlin in Richtung Wien, aber wann immer es zu einem Treffen zwischen Vater und Tochter kommt, gibt es schreckliche Szenen. Mehr als zehn Jahre lang dauert dieser Kampf. 1993, Sandra ist inzwischen 31 Jahre alt, bricht der Vater den Kontakt zu ihr ab. Auch zu seinem Sohn »Sascha« Alexander hat Kreisler keinen Kontakt mehr. »Es tut mir unendlich Leid, dass mir meine Kinder entglitten sind. Ich verstehe nicht, wie es so weit kommen konnte, aber jetzt ist es nicht mehr rückgängig zu machen, denn es gibt Dinge, über die kein Gras wächst. Jch musste einsehen, dass man Liebe nicht erzwingen kann.«

Das klingt für den unbefangenen Leser verständlich. Der Kontakt mit schwerst Drogenabhängigen ist kompliziert. Allerdings hat Sandra hier im Forum nur von exzessiver Kifferei berichtet. Und die einseitige Liebe läßt sich aus ihrem Beitrag wirklich nicht rauslesen (zumindest nicht in der von Kreisler angedeutenen Richtung).

Ich hab übrigens grad die Autobiographie von Bob Dylan gelesen.
Die ist zwar auf drei Teile angelegt, trotzdem ist es seltsam, daß man im bisher erschienen ersten Teil kaum 10 Prozent von dem erfährt, was bei Wikipedia nachzulesen ist.
So hab ich erst dort mitgekriegt, daß die nicht benannte liebevolle Ehefrau in den Kapiteln zu den Jahren nach dem Motorradunfall und 1987-1989 zwei verschiedene Personen sind.
Und trotz großem Namedropping in der Schilderung seiner New Yorker Jahre fällt kein einziges Mal der Name Phil Ochs.
Was Kreisler wohl kaum hätte passieren können: Dylan behauptet, extra schlechte Lieder aufgenommen zu haben, um die nervigen Fans loszuwerden.

Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: whoknows am 28. Mai 2007, 10:55:22
Selbst wenn das mit der angeblichen Drogensucht so stimmen würde (vor allem der Teil von "versucht, ihr da herauszuhelfen" ist, wenn man Sandras Seite  kennt, nachgerade lachhaft), dazu kommt: Drogensucht von 16 bis über 30 Jahre, und trotzdem offenbar nicht lebensunfähig? Alles sehr zweifelhaft, finde ich und es ist auch für einen unbefangenen Leser irgendwie sonderbar, dass er zu drei Kindern aus unterschiedlichen Gründen keinen Kontakt mehr hat - und trotzdem klingt es, als würde ER gar keine Schuld  daran tragen. Gleich drei Mal hintereinander die grosse Tragik? Also, ich würde das bezweifeln.

Es ist aber extrem klug  und vorsichtig abgefasst - Sandra hat überlegt zu klagen, weil er ihr Drogensucht vorwirft, aber "der Kontakt in die Drogenszene" das heisst genau garnichts, da hätte sie ausser Kosten und vielleicht sogar ein Aufbauschen der Vorwürfe in der presse nix erreichen können. Was sie aber besonders perfide an dieser Sache findet, ist, dass der Satz mit "Ich musste einsehen, dass man Liebe nicht erzwingen kann" aus einem Brief von IHR an ihn stammt - das hat sie wirklcih sehr verletzt.

Aber wie Du auch bei Dylan siehst - und x anderen prominenten Menschen: Das Stricken an der eigenen Biografie-Legende ist wichtig, und wird von klugen Männern beizeiten angegangen, denn es verselbständigt sich sowieso, und man tut gut daran, wenigstens die ungefähre Richtung selbst festzulegen.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Volker2 am 28. Mai 2007, 16:56:37
Und genau das ist der Biografie vorzuwerfen: Neben den vielen offenen Fragen die total einseitige Sicht auf die Dinge, die fehlende Distanz der Autoren zu Kreisler. Der Leser hat doch ein Recht auf die Wahrheit oder eine Wahrheitsnähe.
Und wenn man dann die andere Seite, Sandras Seite hört, müsste man das letzte Drittel der Biografie eigentlich in den Mülleimer treten.

GK konnte wohl nicht über seinen Schatten springen und den Journalisten gestatten, auch mit der Gegenseite zu sprechen. (Kann ich irgendwie verstehen: das Buch war eine einmalige Chance, das Leben einer Legende mit deren Mithilfe niederzuschreiben).

Was ich mich die ganze Zeit frage: Was hat wirklich zu diesem Zerwürfnis geführt, und warum nimmt GK die Hand, die ihm gereicht wird, nicht an? Das ist sicherlich Privatsache, aber die Biografie wirft diese Fragen nun einmal auf.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: whoknows am 28. Mai 2007, 17:07:47
Also, soweit ich informiert bin (der Bronner hat mir das erzählt) hätten die Journalisten wohl angefragt, bei ihm und anderen, aber alle hätten sich geweigert. Ob sie bei Küppers und dem Sohn angefragt haben, weiss ich allerdings nicht.

Mir scheint es deutlich, was zu dem Zerwürfnis geführt hat: die ganze Familie hat sich durch die Scheidung  im Streit entzweit, Sandra schreibt ja auch was von Pubertät - Kinder sind da normalerweise nicht gerade pflegeleicht - und er wollte niemals wieder daran erinnert werden. Die Zeit blieb quasi dort stehen, und alles, was danach kam, war ein neuer Zeitanfang, wenn Du so willst.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Kulturenkarneval am 28. Mai 2007, 18:47:07
Volker Du fragst nach der Wahrheit. Was glaubst Du wird mal in der Biographie oder sonstigem Nachruf zu Sandra Kreisler stehen im Zusammenhang mit diesem Internetforum? Ich habe übrigens nicht das Geringste gegen Sandra Kreisler. Die Privatperson ist mir unbekannt und die Künstlerin schätze ich hoch ein. Besonders nachdem Sandra Kreisler inzwischen überwiegend die eigenen Lieder vorträgt, hat sie sehr an Akzeptanz und Anerkennung beim Publikum gewonnen. Unverständlich ist für mich, dass hier eine gewichtige Selbstdarstellung vorgenommen wird unter einem Pseudonym, das Glauben machen könnte, jemand anderes schreibt über Sandra so. Anscheinend macht dieses Forum das komplett mit. Pseudonym ist im Prinzip o.k., das tun viele Personen und ich hier ebenfalls. Unter Pseudonym die eigen Person zu thematisieren ist eher fragwürdig. Was ich aber absolut unangemessen empfinde ist, das auch mein hauptsächlicher Grund der Wortmeldung war, andere hochqualifizierte Künstler als Kreisler-Klons zu betiteln und deren Arbeit mit hübschen, sauberen Liedeln zu qualifizieren.  (Rainer z.B. textet gar nicht bzw. kaum. Das überlässt er seinen Freunden, die das besser können). - Im Grunde ist mir das alles egal. Ich muss und will hier keinem seine eigen Identität geben. Muss keinem Künstler die Stange halten. Ich liebe ein wenig die Gerechtigkeit und will mich nach dem Motiv leiten lassen, die Handlung soll positiv begründet sein. So mag ich mich zu der Biografie erst gar nicht äußern. Für knapp 85 Jahre leben, wird das Buch stets zu dünn ausfallen und nie jedem gefallen. Ist es nicht wunderbar, wie lange Georg Kreisler in vermutlich glücklicher Verbundenheit mit Barbara Peters zusammen lebt. Herzliche Grüße in das Forum und das meine ich so, wie geschrieben.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: whoknows am 28. Mai 2007, 20:13:55
Lieber Kulturenkarneval,
erstens - ich habe im anderen Thread expressis verbis gesagt, dass Bielfeld kein Autor ist - und auf Deine Angabe, ich sei die Tochter von GK reagiert. Dass Du da jetzt in diesem Thread nicht nur darauf herumreitest, sondern immer noch behauptest, ich hätte Bielfeld für einen Autor gehalten, zeigt, wie genau Du auf Texte eingehst, wenn sie nicht von Dir sind.
Insofern kannst Du gerne weiter behaupten, ich sei Sandra Kreisler - reflektiertere Menschen als Du werden wohl wissen, was davon zu halten ist.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: niels am 28. Mai 2007, 21:42:11
In einem Punkt möchte ich Kulturkarneval aber rechtgeben: Sebastian Krämer (die andern kenn ich zu wenig) wirst du mit der Bezeichnung "Kreisler-Klon" schon nicht ganz gerecht, oder? Er begeht sicher einen von Kreisler geebneten Weg, aber er hat doch in manchen Dingen einen ganz anderen Ansatz als Kreisler. Er ist zum Beispiel viel salopper als der distinguierte Kreisler, was ich zuweilen auch ganz angenehm finde. Was ihn und die meisten anderen zeitgenössischen Musikkabarettisten auch von Kreisler unterscheidet, ist seine komödiantische Seichtheit. Das nervt mich auch etwas an Krämer, Wartke und Co., das ewig Comedyhafte, dieser Mangel an Subversivität.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: whoknows am 28. Mai 2007, 23:36:27
Vielleicht ist "kreisler-Klon" auch ein zu missverständlicher Ausdruck, da gebe ich Dir durchaus Recht. ich finde Sebastian Krämer exzellent, keine Frage. Und nicht zuletzt finde ich ihn deshalb exzellent (und besser als beispielsweise den Österreicher Alexander Kuchinka, und stellenweise auch Wartke - stellenweise!!! - ) gerade weil er das, was er quasi von Kreisler "gelernt" hat, übernommen hat, weitergeführt hat, sich hat inspirieren lassen whatever - in HEUTIGE Zeit und SEINE Art übersetzt hat. Kuchinka fängt damit inzwischen auch langsam an - aber seine älteren Sachen sind so eins zu eins, und damit auch so altbacken - Krämer, Wartke und Co haben zwar nicht das zeitkritische, nicht halb so ausgeprägt wie bei GK, weder die scharfe Zunge noch die feine Klinge, noch den analytischen Blick - aber stilistisch ist einfach merkbar, dass sie extrem viel von ihm übernommen haben - wie gesagt, bis hin zu tonfolgen, Reimfolgen und machmal auch inhaltlich. (Was sie beide mE ein bissel zu wenig beachten, ist, dass sie immer wieder dazu neigen, die Genialität der eigenen Einfälle über die Wirkung für das Publikum zu stellen - bei einem Gitarristen, der zeigt, wie schnell und wie toll er spielen kann, aber dafür nicht berührt nennt man das "Wichserei". Aber sie machen es natürlich nicht als 85-jährige, sondern als junge Menschen, haben definitiv auch was eigenes dazugetan und wie gesagt: Ich schätze sie ja auch. Bielfeld weniger, aber aus anderen Gründen - ich hab allerdings nur einen Abend von ihm gesehen, und den fand ich einfach sowohl musikalisch als auch  im Ausdruck  stinklangweilig, ausserdem fand ich die Texte nicht so besonders - seine Auswahl notabene, nicht seine Schreibe. Auch Mascha Kaleko  - zu der habe ich auch ein zwiespältiges Verhältnis. Vieles finde ich extrem schön, aber alles in allem ist es mir zu deutlich auf Publikumswirksamkeit angelegt - wirkt (auf mich zumindest) nicht wie "aus einem herausgebrochen, entstanden"  sondern kalkulierter. Aber sie hat schöne Sachen geschrieben, und das eine Lied, das ich gehört habe, das Bielfeld komponiert hat, hat mir auch gefallen.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Volker2 am 30. Mai 2007, 00:21:37
Wie jemand im Internetforum auftritt, bleibt jedem selbst überlassen. Das Medium bietet aber ja auch Raum, mit demjenigen darüber zu diskutieren. Auch über unterschiedliche Meinungen zu Künstlern, Klonen oder Mutationen. Deshalb ist es ja auch richtig, dass du, Kulturenkarneval, dich einmischt, denn dir irgendwas gegen die Hutschnur geht – vor allem dann, wenn man offensichtlich nahe dran ist an den Künstlern (weißt du Näheres darüber, was Tim Fischer demnächst vor hat?).

Ich möchte nicht, dass der Eindruck entsteht, ich hielte die Kreisler-Biografie für schlecht. Als Leser fand ich das Buch spannend, gut und unterhaltsam geschrieben. Nur am Ende bleiben eben ein paar Fragen, die man gerne beantwortet wissen möchte, und Aspekte, zu denen man gerne die Meinung der Gegenseite gewusst hätte. Wie gesagt, ich verstehe, dass man sich die Chance, ein Buch über und mit einer Legende zu schreiben, nicht entgehen lässt. Ein bisschen mehr Objektivität hätte dem Buch und auch GK sicher nicht geschadet.

Natürlich ist die Beziehung GK-BP eine außerordentliche Geschichte, so ein Glück ist selten. Der familiäre Rest aber ist verbrennte Erde. Für mich ist es schade ansehen zu müssen, dass zwei Künstler, die ich mag, Vater und Tochter, nicht mehr miteinander sprechen.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Volker2 am 31. Mai 2007, 00:10:02
KK: So schade es ist, manche Dinge muss man wohl so akzeptieren, wie sie sind. Man steckt ja nicht drin. Danke und alles Gute.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Anke am 18. Juli 2007, 17:57:39
ZitatDer Text von Sandra Kreisler ist für mich ein wahrhaft ehrlicher und schöner, ein tiefgründiger und warmherziger Einblick in diese spezielle Vater-Tochter-Beziehung. Dankeschön für's lesen dürfen, wenngleich ich leise Schwierigkeiten mit der Einleitung habe. Trotzdem: Es rührt mich immer wieder neu an. Und immer wieder neu frage ich mich, ob dieses Genie, der doch auch Vater ist, solche Bekenntnisse seiner Kinder zur Kenntnis und zu Herzen nimmt. Bekenntnisse, die zwischen den Zeilen mehr aussagen als vielleicht bewusst beabsichtigt war.

Nachdem ich mir diesen Thread und speziell die Stellungnahme von GKs Tochter Sandra durchgelesen habe, stehen mir die Tränen in den Augen.

Mir wurde als Kind und Jugendliche gleich von drei (3) besonders geliebten Personen, eine davon mein Vater, ab einem gewissen Zeitpunkt (jeweils unterschiedlich bei diesen drei Personen) jegliche Kommunikation verweigert.  :'( Es geschah jeweils aus ganz unterschiedlichen Gründen, auf die ich aber keinen Einfluss hatte.  :-[  Und ich schaffte es trotz aller geradezu verzweifelten Bemühungen bis zu ihrem jeweiligen Lebensende nicht, sie mir wieder zugewandt zu machen, also irgendeine Kommunikation wieder herzustellen.

Zwei dieser Kommunikationsabbrüche waren für mich die schlimmsten und anhaltendsten Traumata meines Lebens. Und sind es im Grunde heute noch - denn die Möglichkeit, dass sich gerade ein geliebter und geschätzter Mensch plötzlich komplett von mir abwenden könnte, hatte und hat Einfluss auf mein ganzes Leben.  :-[

Ich konnte auch nicht verstehen, wie ein erwachsener Mensch (einer davon mit pädagogischem Beruf!) gegenüber einem Kind dermaßen gekränkt reagieren kann, dass er/sie niemals mehr bereit ist, mit diesem Kind bzw. Jugendlichen zu sprechen, nicht einmal nach vielen Jahren, wenn sie beide erwachsen sind.  :(

Und ich habe mir vorgenommen, dass ich als Erwachsene niemals so handeln würde.

Jetzt, als seit langem Erwachsene, bin ich in einer ganz ähnlichen Lage wie meine "pädagogische Person" damals mir gegenüber. Und jetzt merke ich, wie wahnsinnig verletzt man sich sogar durch ein unreifes Gör  fühlen kann, und wie fast unüberwindbar sich die eigene innere emotionale Wand anfühlt, während der Verstand einem eigentlich sagt: "Das kannst du doch nicht machen, du kannst doch diesen um so viel jüngeren Menschen, mit dem dich mal so viel gegenseitige Zuneigung verbunden hat, nicht einfach fallen lassen!  >:(  Auch nicht, wenn er/sie dich gekränkt hat!  :o Das kann doch wohl nicht wahr sein - du wolltest doch niemals so werden!!"

Trotz dieser wiederholten kopfschüttelnden Ansprachen an mich selbst habe ich es monatelang nicht geschafft.
ABER: Eines Tages habe ich mich hingesetzt, habe meinen inneren Schweinehund einen Schweinehund genannt und habe ohne groß nachzudenken eine kurze E-Mail geschrieben. In der nicht ganz unrealistischen Erwartung, dass daraufhin entweder nichts oder Beschimpfungen zurückkommen würden.
Aber was kam zurück: Postwendend eine liebevoll-sehnsüchtige E-Mail.  :)

Mein Vater starb leider, bevor er mir auf meinen ersten und letzten sehr ausdrücklichen Versuch antworten konnte. Ich vermute sogar, er starb aus Angst vor seinen eigenen positiven, aber wohl auch schmerzhaften Gefühlen, einschließlich seiner Schuldgefühle wegen seiner vorgehenden Abweisung.

Aber ich denke, das kann ganz anders laufen. Man kann es überwinden, frisch an die Sache herangehen und neu anfangen.

"Jeder Held, den du verehrtest und in Liedern besangst,
ist ein Held - so wie ich - nur aus Angst." (GK)

Ich denke auch, man kann in jedem Alter noch über seinen Schatten springen. Es lohnt sich wirklich.  :'( :)


"Wenn du dann kämpfst, geschieht's aus lauter Sorgen,
und wenn du siegst und kriegst was du verlangst,
denkst du schon: O Gott, mit wem kämpf ich morgen
und hast Angst, nichts wie Angst." (GK)


Ich drücke beiden Seiten die Daumen.  




Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: whoknows am 21. Juli 2007, 21:52:48
ZitatTrotz dieser wiederholten kopfschüttelnden Ansprachen an mich selbst habe ich es monatelang nicht geschafft.  
ABER: Eines Tages habe ich mich hingesetzt, habe meinen inneren Schweinehund einen Schweinehund genannt und habe ohne groß nachzudenken eine kurze E-Mail geschrieben. In der nicht ganz unrealistischen Erwartung, dass daraufhin entweder nichts oder Beschimpfungen zurückkommen würden.  
Aber was kam zurück: Postwendend eine liebevoll-sehnsüchtige E-Mail.  

Hallo Anke! (War eine Zeitlang nicht online - daher hier ein verspäteter Willkommensgruss auch von mir)
Das ist sehr schön und sehr sensibel geschrieben! Soweit ich allerdings informiert bin, hat Sandra ihrem Vater schon x Briefe geschrieben (sie hat ihm sogar ihre erste CD gewidmet) und trotzdem.
Ich denke, es gibt die verschiedensten Menschen auf dieser Welt, und die verschiedensten Arten, mit "Famile" umzugehen. Ich hatte gestern ein Gespräch mit einer Freundin, die steif und fest der Meinung war, das Eltern ihre Kinder genetisch lieben MÜSSEN. Ich glaube das nicht - denn es gibt auch immer wieder Tiere, die ihre Kinder verstossen. Ich glaube, dass das wohl umgekehrt der Fall ist - aber auch da nicht "genetisch" in dem Sinn, das auch Adoptiv-Eltern von ihren Adoptiv-Kindern geliebt werden - ich glaube, Kinder MÜSSEN die Menschen, mit denen sie aufwachsen, lieben - aber umgekehrt? Ich weiss nicht.
So überaus SEHR ich GK als Künstler schätze - ich habe doch auch von anderen Menschen, die ihn persönlich kennen, so einiges gehört, das mich glauben lässt, dass er Persönlich doch eher kühl gehalten ist.  WISSEN kann ich das natürlich nicht - man kann in Menschen eben leider nicht hineinschauen.
Aber ich denke, vielleicht braucht er gerade das, UM eben so tolle Lieder zu schreiben: denn so kann man Emotionen genügend abstrahieren, um sie so stringent zu formulieren. Könnte das sein?

Jedenfalls ist es ja nicht nur seine Tochter, zu der er keinen Kontakt will - er hat ja auch zwei Söhne, und den einen davon hat er zuletzt gesehen, da war der gerade ein paar Jahre alt, (ich glaube drei oder vier) also zu jung, um jemanden verletzen zu können.
ich glaube aber - ähnlich wie in dem Thread über "Tauben vergiften" - auch das ist ein Thema, das letztlich müssig ist. Denn es geht hier erstens um den Künstler, und insofern stimmt es: man sollte Künstler und Mensch nicht unter eine Glocke geben - sonst könnte man niemals mehr unbeeinflusst Karajan hören, oder hunderttausend andere grossartige Künstler geniessen.
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Anke am 22. Juli 2007, 22:44:41
Hallo whoknows,

danke für die nette Begrüßung!

Zum "Fall Vater Kreisler" möchte ich ergänzen: Natürlich, da die Tochter bereits mehrere Versuche gemacht hat, wäre natürlich der Vater dran, über seinen Schatten zu springen.

Ich habe mir das Interview von 2003 mit GK am vergangenen Mittwoch im TV sehr genau angeguckt, weil ich gerne etwas von seiner Gefühlslage erfassen wollte. Nach meinem Gefühl speist(e) er seine - soweit ich sie kenne überwiegend giftig-hintergründig-bitterbösen - Werke aus einer tiefen Verbitterung, unter der sehr viel unterdrückter Schmerz sitzt. Sein eigener Vater war ihm gegenüber - habe ich irgendwo gelesen, ich glaube hier-  wohl sehr streng, zumindest sehr konservativ, daher ziemlich sicher kein Vorbild an liebevoll-ausdrucksvoller Zuneigung, sondern an sich schon eine Quelle von unterdrücktem Kummer für den Sohn;

und dass GKs Erlebnisse des generellen österreichischen Antisemitismus und der nationalsozialistischen grauenvollen Verfolgung seiner ehemals großen Familie - und aller Juden - erheblich zur Schwärze seines - trotzdem immer noch vorhandenen! - Humors beigetragen haben, halte ich für sicher.

Ich glaube, die Mischung dieser beiden Faktoren macht es ihm sehr schwer, Menschen zu vertrauen UND vor allem, weiche, verletzliche Gefühle klar zu fühlen und zu zeigen. Ich bin aber sicher, dass diese unter seinen innerlich - ein wenig ja auch äußerlich  - zusammengebissenen Zähnen liegen.  :-X Denn ich empfand ihn in dem Interview eigentlich als sehr verletzlich. Er machte dann immer rechtzeitig zu, und der Interviewer war (zum Glück) jeweils zu sehr mit seiner nächsten Frage beschäftigt, um unter die Oberfläche zu kommen. Was GK wohl auch verhindert hätte, denn er möchte sicher nicht vor einer Kamera in Tränen ausbrechen. Welcher Mann möchte das?  :-[

------

Nein, natürlich hat der kleine Sohn keinerlei Schuld daran, dass der Vater keinen Kontakt mehr möchte. Ich vermute, das hängt eher mit der Mutter/Ehefrau zusammen, zuzüglich der allgemeinen Gefühlsproblematik, s.o.

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Aber ich vermute, GK hat keine wirkliche Ahnung, bzw. möchte das nicht an sich heranlassen, was er mit seiner Verweigerung seinen Kindern antut.  :'( Oder er wägt die Gefühle seiner Kinder gegen seine eigenen schmerzlichen Gefühle ab, die er hätte, wenn er sich auf die Liebe seiner Kinder und seine Liebe zu seinen Kindern einlassen würde. Ich kann nicht glauben, dass er seine Kinder "nicht liebt". (Dass es das gibt, dass Eltern ihre Kinder nicht lieben, ist mir völlig klar, das ist nicht der Grund.) Das passt m.E. nicht zu GK, nicht zu dem, was sonst aus seinen Werken und Worten herausklingt.  :-*

Aber das mag eine hoffnungsvolle Einbildung von mir sein. Ich weiß es nicht.


Ich wünsche aber ihnen allen, dass sie noch zueinander finden. Ich weiß, wie das ist, wenn es nicht mehr möglich ist ...  :'( :'( :'( :'( :'( :'(

Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: h-j-urmel am 21. Februar 2022, 14:31:32
Zitat von: whoknows am 14. Dezember 2005, 10:30:32
ZitatUnd zum Punkt "Kinder" sind Aussagen zum ersten Sohn enthalten, die auf eine tiefe Verletzung schliessen lassen.

Hm. Inwieweit in Kind, das noch keine vier Jahre alt ist, als er es verlassen hat, "Tiefe Verletzungen" zufügen kann, sei allerdings dahingestellt. :-/

Wobei es hier eine interessante Wiederholung gibt: seinen ersten Sohn hat Kreisler auch "entführt", um ihn der Ehefrau zu entziehen, sie hat ihn sich dann mit Hilfe der Gerichte zurückgeholt. (GK war eine Zeitlang als Kindesentführer von den amerikanischen Behörden gesucht ::)) Die beiden anderen Kinder hat er ebenfalls nach der Trennung mitgenommen - die waren schon alt genug, um selbst zu entscheiden. Beide Söhne haben heute überhaupt keinen Kontakt mehr zu ihm, auch nicht via Dritte.  Aber: der erste Sohn hatte  immer Kontakt zu GKs Vater (bis zu dessen Tod) - wobei ich durch diese Tatsache eher das Gefühl habe (weiss es aber nicht) , das der mangelnde Kontakt mit GK eher auf GKs Wunsch zurückzuführen ist.  Der zweite Sohn, das weiss ich, wünscht keinen Kontakt mit seinem Vater.

Der obige Text, geschrieben von whoknows, es ist bekannt, wer sich hinter whoknows verbirgt, zeigt deutlich, welche Märchen, gar Lügen über Georg Kreisler verbreitet wurden. Georg Kreisler war als Soldat in Europa stantioniert. Seine Ehehfrau Philine hatte in dieser Zeit eine Liaison mit einem anderen Mann. Georg Kreislers Sohn war bei Kreislers Vater. Nach Kreislers Rückkehr hatte dieser andere Mann Philine verlassen. Philine trat in eine neue Beziehung ein, zog nach New York, ohne Sohn, war dort wiederholt verheiratet, nachdem Georg Kreisler von Philine geschieden war. Der Sohn lebte bei seinem Großvater, dann bei Georg Kreisler und seiner 2, Frau und erst als der Sohn 7 Jahre alt war hatte Philine Sehnsucht nach dem Sohn und wollte ihn zurück. Nach langem Rechtsstreit kam der Sohn wieder zu seiner Mutter, durfte aber nach Gerichtsauflagen niemals mehr als 25 Meilen von New York (Kreislers Wohnort) sein.Das Gericht ordnete an, der Sohn muss in vorgegebenen Abständen bei seinem Vater wohnen. Bekanntlich entführte dann  die Mutter den Sohn  und reiste zusammen mit Ehemann nach Europa. Dort wurde sie verhaftet und zurück nach Amerika gebracht.

Georg Kreisler hatte niemals seinen Sohn entführt. Wurde niemals von amerikanischen Behörden gesucht. Georg Kreisler hat sich liebevoll um seinen Sohn gekümmert. Die Umstände der Entführung durch Philine gingen durch die Presse und fand inder Öffentlichkeit große Aufmerksamkeit. Original Pressematerial hierzu liegt mir vor.

Es stellt sich die Frage, aus welchen Gründen wird hier eine erfundene Geschichte geschrieben und aus welchen Gründen soll Georg Kreisler hiermit geschadet werden. Gerade jetzt, wo Georg Kreisler aufgrund seines 100. Geburtstag besondere Würdigung erfahren wird, ist Anlass. über solche Geschehnisse nachzudenken. 

[Edit: Zitat auf Wunsch des Mitglieds kenntlich gemacht]
Titel: Re: Georg Kreisler Biografie
Beitrag von: Bastian am 04. März 2022, 17:09:03
Danke für die Korrektur, h-j-urmel,
for the records: sucht man im Netz der englischen Schreibweise entprechend nach "Philene Kirkwood" kann man die Fotos von Philine, Ihrem Mann und Georg Kreisler finden. Und einen Thread des Kreislerforums :)

https://www.georgkreisler.net/georg-kreisler-allgemeines/pressefoto-1951/ (https://www.georgkreisler.net/georg-kreisler-allgemeines/pressefoto-1951/)

Grüße
Bastian