Ist Georg Kreisler ein Genie.

Begonnen von Lanie, 20. Juli 2003, 13:29:22

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Lanie

Hallo.

Es gibt viele Leute die sagen er sei es, und andere die sagen halt das andere. Wo genau liegt das Genie bei Kreisler? Ist es überhaupt eine Kunst solche Texte zu schreiben oder nur eine komische Mischung aus Redegewandheit, Wissen, Komik und Kabarett.

Peter Silie

Ich hoffe dieser Thread ist eine rhetorische Frage.

Sandra

öh? wieso? Ich finde, das ist eine berechtigte Frage - bzw. eine solide Art, eine Diskussion zu beginnen. Was genau ist ein Genie, und wer hat das zu beurteilen?

Ich persönlich denke, GK kommt schon ungefähr hin - mit einer derartigen Gedankenvielfalt. Das Reimen selbst ist sicher irgendwann auch stark Übungssache, denke ich - aber trotzdem müssen einem ja die Ideen für die Inhalte kommen, und die Musik ist auch oft nachgerade genial. Dann gleichzeitig spielen und singen ist auch nciht das Einfachste auf der Welt - und mit anderen Genies der Weltgeschichte hat er noch einen, sagen wir mal, sehr spezifischen Zugang zur privaten Nähe gemein,  (Stichwort Asperger-Autismus) da kommt schon einiges zusammen, dass man ihn als Genie bezeichnen darf...
Andererseits werden ihm (zum Teil gerechtfertigt) auch viele Plagiate vorgeworfen - jaja, Brecht und Tucholsky und hundert anderen auch - und wenn man ihn als Genie bezeichnet, müsste das auch für Hollaender und Wedekind und Bronner gelten - sagen wieder andere, denn nur gut texten und komponieren und vortragen ist noch nicht genial, es ist halt einfach sehr sehr gut..... Man kann darüber streiten, nicht?

Lanie

1. ... Wir gehen einmal davon das Einstein und Leonardo da V. Genies waren.
2. ... Der Begriff Genie ist erst bei den Stürmern und Drängern endstanden, sie definierten Genie nicht unbedingt allumfassend sondern waren eher der Meinung ein Genie ist eine Spezialisierung von Können und Denken das Einzigartig in seinem Fach und seinem Stil ist. (Einseitig) Man war damals auch der Meinung Goethe sei ein Genie.
3. ... Nach jener Definition ist G.K. eins, aber ich glaube die Vorstellung von einem Genie geht in unserer Gesellschaft sowieso zu weit.  Man sucht mehr nach einem allumfassenden Genie. So scheint es jedenfalls.  

Martin

#4
ZitatDas Reimen selbst ist sicher irgendwann auch stark Übungssache, denke ich
Auf jeden Fall. Handwerk ist das Wichtigste. ("Es gibt nichts schlimmeres als Talent ohne Handwerk." GK in einem Interview.) Und bei einigen Liedern hört man auch, dass er sich die Reime nicht ewig lang überlegt hat, sondern einfach mal drauflos geschrieben und nur an wichtigen Stellen nachgebessert hat (zumindest habe ich oft diesen Eindruck).
Bei seiner Erfahrung ist GK sicher in der Lage, Stücke hoher Qualität mal so eben nebenbei zu schreiben und der Großteil - auch seines - Publikums wäre davon schon hell auf begeistert. Und es besteht ja sehr schnell die Gefahr, wenn man dieses Handwerk (das des Liederschreibens) einmal beherrscht, sich zurückzulehnen und nach dem selben Schema Lied um Lied zu produzieren (wie es leider viel zu oft passiert). Das - und das ist für mich ein ganz wichtiger Aspekt am Erfolg von Georg Kreisler - hat er (über seine gesamte Karriere betrachtet) nicht getan, sondern sich merklich immer und immer wieder weiterentwickelt.

Zitatund wenn man ihn als Genie bezeichnet, müsste das auch für Hollaender und Wedekind und Bronner gelten - sagen wieder andere
Bronner, ich weiß nicht. Vielleicht kenne ich nur zu wenig von ihm, aber er scheint mir doch nicht die Vielfaltigkeit von Kreisler zu haben. Was hat der Bronner eigentlich außer und nach seinen Kabarettstücken gemacht. Vielleicht hab ich da eine große Lücke, aber viel fällt mir nicht ein.

Und - um vielleicht auch einmal zum Thema zu kommen - für mich ist das geniale (ich versuch jetzt erst gar nicht das Wort zu definieren) an GK das Zusammenspiel von Musik und Text. Die Texte allein sind schon von hoher Qualität, die Musik, die viel zu oft unterschätzt wird, auf jeden Fall auch, aber die Vereinigung von beidem hab ich selten so ..., na ja "genial" gehört, wie bei GK.

*schwärm* ;-)

Sandra

Ja, ich persönlich finde auch nciht, dass Bronner ein Genie ist - er ist einfach hochprofessionell - aber ich finde auch, dass eine der genialen Seiten von GK ist, dass er sich eben ständig weiterentwickelt, oder es zumindest versucht. Das kostet nämlich (und ich weiss, wovon ich rede) je älter man wird, umso mehr Kraft - das neugierig bleiben.
Und ich gebe Dir ebenfalls Recht: ich glaube auch, dass ein Grossteil der Genialität darin liegt, dass man Text und Musik nicht voneinander trennen kann. Also, KÖNNEN vielleicht, aber man kann nicht sagen, was zuerst da war - es gehört zueinander, ist irgendwie nicht anders denkbar. Das ist selten, meistens wird der Text an eine Musik angepasst - oder andersum, und meistens hört man das auch irgendwie.
Aber ich gebe auch Ignatz recht - unser Begriff von Genialität ist oft etwas zu niedrig gefasst - vielleicht ein Zeichen des von GK bedauerten "Niedergang des Denkens"  ;) ?

Peter Silie

Zitatwer hat das zu beurteilen?
Hast recht.
Ich wollte jetzt nicht lang herumanalysieren, für mich kommt die Genie-Bezeichnung aus dem Bauch heraus und aus künstlerischer Bewunderung/Ehrfurcht.
Der Begriff "Genie" oder "genial" wird halt heute, kommt mir vor, inflationär verwendet.
Ich hatte in meinem Leben bisher einige wenige Male das Glück, auf richtige Genies zu treffen, und GK gehört für mich da eindeutig dazu.
Um zu beschreiben, warum ich die Musik und die Texte so einmalig finde, müßte ich eigentlich eine umfassende Dissertation anfangen, aber das haben andere schon vor mir gemacht  :)
mfg
Peter_Silie

Georg

Also so das mit dem Text-Genie stimmt sicher auch, aber was mich so an Georg Kreisler fastiniert, ist dass er manches mit so einer Leichtigkeit macht wie z.B.: Er spielt Klavier und schaut vielleicht einmal auf die Tasten, aber manchmal spielt er und schaut gar nicht auf die Tasten. Gut man kann so was üben aber er spielt manchmal Melodien, wo ich hinschauen muss und dann verspiele ich mich trotzdem. Das ist eine Sache, wofür ich sagen würde, dass GK für mich schon ein Genie ist. Ich würde sowieso sagen, man kann gar nicht allgemein sagen, ob jemand ein Genie ist. Das muss jeder für sich selber entscheiden.

 :)
Georg

Martin

#8
Das hat jetzt für mich nichts mit großartiger Genialität zu tun. OK, am Anfang fragt man sich natürlich wie er singen und mit dem Publikum interagieren kann ohne ein einziges Mal auf die Tasten zu schauen, aber wenn du ein Stück immer und immer wieder spielst, wirst du bald eine Idee dafür bekommen, dass es zwar schwierig ist, aber eigentlich nur eine Frage der Übung/Routine. Und für jemanden, für den das Klavierspielen zum Beruf gehört ist so etwas bald kein Problem mehr. Und Georg Kreisler ist einfach ein guter Pianist, ganz ohne Frage. Was die Sache auch erleichtert ist, dass er großteils seine eigenen Kompositionen spielt. Wenn du dir all die komischen Akkorde (die ja teilweise vorkommen ;-)) und sonstigen Feinheiten selbst so zusammengestellt hast, tust du dir natürlich leichter sie zu spielen. Stell ich mir zumindest so vor.
Und was man auch nicht vergessen darf: Kreisler spielt seit ... na ja auf jeden Fall schon sehr lange Klavier. Da bekommt man irgendwann einfach Routine.
Beeindruckend ist es also allemal, aber "genial" wäre meiner Meinung nach ein wenig zu hoch gegriffen, zumal ich - rein subjektiv gesehen - zum Schluss noch anmerken möchte, dass klaviertechnisch gesehen z. B. der Bronner noch ein wenig mehr draufhat. Kommt mir zumindest so vor, allein von dem was man auf den Platten/Konzerten hört.

Georg

Mag sein, aber ich bin immer noch der Meinung, dass jeder selbst entscheiden muss, wer für ihn ein Genie ist.

 :)
Georg

Martin


Sandra

Zitatzum Schluss noch anmerken möchte, dass klaviertechnisch gesehen z. B. der Bronner noch ein wenig mehr draufhat.

Na, da muss ich aber widersprechen! Mal ganz abgesehen davon, dass der Bronner Autodidakt ist - was zweifellos eine irre Leistung ist! - Kreisler hat das ja alles studiert, auch Komposition und Kontrapunkt und Harmonielehre und so. Aber der Bronner ist  immerhin sicherlich ein GENIALER Begleiter.
Kreisler kann indes auch schwierigste E-Musik, und ist überhaupt pianistisch viel vielseitiger -der Bronner verbleibt in einem Stil, den Übelmeinende sogar mit "Barmusiker" umschreiben. Soweit möchte ich nciht gehen, aber jedenfalls kann er rein technisch nciht so gut spielen wie der Kreisler - das habe ich oft und oft gehört - nur: Beide spielen bei ihren Abenden nicht ihr ganzes Können aus - denn da ist das Klavier nur als "Beiwerk" gedacht.

Martin

#12
ZitatBeide spielen bei ihren Abenden nicht ihr ganzes Können aus - denn da ist das Klavier nur als "Beiwerk" gedacht.

Das ist klar, ich hatte nur das Gefühl (und das ist eines dieser Gefühle, von dem man nicht so recht weiß wo es her kommt), dass dieses nicht ausgespielte Können beim Bronner größer ist. Hab mich da wohl ein bisschen davon täuschen lassen, dass er die Art von Begleitungen spielt, die sich einfach gut und vor allem auch virtuos und schwierig anhören (ohne letzteres wirklich zu sein). Der Kreisler hat Ähnliches einmal über den Opernboogie gesagt: Die Klavierbegleitung täusche großes technische Können vor (oder so ähnlich).
Ich muss auch zugeben, dass ich eigentlich nur sagen wollte, dass der Kreisler zwar ein sehr guter Pianist ist, aber das es durchaus noch Bessere gibt (was erstens völlig klar ist, wenn man bedenkt, dass es Konzertpianisten gibt, die ihr Leben lang kaum etwas anderes tun und zweitens nichts macht, da - wie du gesagt hast - das Klavierspielen nur "Beiwerk" ist - obwohl auch nicht immer...). Dass ich da den Bronner als Beispiel gewählt habe (auch nicht ganz ohne Grund  ;)), war vielleicht nicht ganz glücklich.
 ;)

Sandra

 8) Nagut, ich geb's ja zu: Du hast mich an einer Art "wundem Punkt" erwischt. Aber eines muss ich noch anmerken: Ich mache den Opernboogie in einer Tonlage, wo man den Boogie über schwarze und weisse Tasten laufen lassen muss - und ausserdem gut 5 mal so schnell wie das Original. Und DAS spielt kaum jemand...  ;D (ich übrigens auch nciht - aber mein Pianist, und der muss zumindest nicht dazu singen ;))

Martin

#14
OK, deine Highspeed-Version (habs zwar noch nicht in voller Länge gehört, gefällt mir aber sehr gut, ganz im Gegensatz zur 9 Minuten ichschlafgleichein-Fassung, die es auf einer der späteren GK-Platten gibt) verschärft das ganze für den Pianisten natürlich (Habs grad wieder gehört. Respekt!)
Ganz easy ist es natürlich nicht. Ich kanns übrigens auch noch nicht in akzeptablen Tempo, was aber eher daran liegt, dass ich zu faul bin die Zeit in dieses Lied zu investieren anstatt mir vier, fünf andere anzueignen. Trotzdem bleib ich dabei, dass es (vor allem für den nicht Klavier spielenden Zuhörer) nach mehr klingt als dahinter steckt (auch wenn dein Pianist noch ein paar Glissandoläufe einbaut und in einem wirklich "flotten" Tempo spielt). Das mit der Tonlange kann ich vom Hören schwer beurteilen, aber wird wohl so sein. Faule Leute auf E-Pianos manipulieren da schon mal ein wenig (zähle mich da Gott sei Dank nicht dazu, aber auch nur, weil ich - wenn ich es mir und anderen denn antue - in der Originalstimmlage singe).

Martin

#15
OK, OK, es ist sch**** schwer  :'( ;)

Bassmeister

ZitatIch mache den Opernboogie ... gut 5 mal so schnell wie das Original.  ;))
Wow! Wie kriegst Du denn da die Stelle "...Na, ist das nicht besser als Liszt und Puccini, Copin, Schostakovich, Ravel, Paganini..." aus dem Mund raus? Das will ich gerne mal sehen!
[size=9]Nicht alles, was zwei Backen hat, ist ein Gesicht...[/size]

Sandra

#17
Mach ich bei meinen shows als Zugabe - inzwischen simma sogar noch schneller, weil's mehr Spass macht  ;)

Und @ martin: klar, alle Pianisten schummeln irgendwann,  solln sie ja auch, aber lass dir sagen - ohne klassische ausbildung gehts nicht - jazzer haben eine zu schwache linke Hand, ist jedenfalls meine Erfahrung.

Martin

Zitatjazzer haben eine zu schwache linke Hand
Dann muss ich meinem Klavierlehrer wohl mal mitteilen, dass ich unter die Jazzer gegangen bin.

Guntram

Zurück zum Genie.

Andre Heller sagt auf dem Album "Bei lebendigem Leib":

Gott denkt in den Genies,
träumt in den Künstlern
und schläft in den übrigen Menschen.


Es kann sein das ich nicht wörtlich zitiere, da ich das Album schon ewig nicht mehr gehört habe. Aber ich halte den Ausspruch für nachdenkenswert.

Im übrigen schließe ich mich der Meinung an, daß jeder selbst entscheiden sollte wen er für ein Genie hält.
Träume sind nicht Schäume, sind nicht Schall und Rauch,
sondern unser Leben so wie wache Stunden auch.
Wirklichkeit heißt Spesen, Träume sind Ertrag. Träume sind uns sicher schwarz auf weiß wie Nac

Sandra

Stimmt, ist ein hübscher Ausspruch (ich bin mir übrigens nicht sicher, ob der wirklcih original vom Heller ist?) aber wissend, dass sich Heller für einen genialen Künstler hält, wird der Spruch ein bissi schal.... ;)

Guntram

Naja, ich kenne Heller zu wenig, aber ich finde insbesondere das genannte Album ist absolut hörenswert.

Bemerkenswert finde an Heller wie er immer wieder mit sich selber gebrochen hat. Für ein Genie halte ich ihn nicht unbedingt aber wenn er sich selbst dafür hält, bitte. Die Grenze zwischen Genie und (Größen-)Wahnsinn soll ja auch fließend sein.
Träume sind nicht Schäume, sind nicht Schall und Rauch,
sondern unser Leben so wie wache Stunden auch.
Wirklichkeit heißt Spesen, Träume sind Ertrag. Träume sind uns sicher schwarz auf weiß wie Nac

Sandra

Du hast ja so recht. Wie sonst könnte ich wissen, dass es bei mir sicher nicht der Grössenwahn ist... ;) ;D
Nein, aber ernsthaft: Heller hat ein paar wirklich sehr feine Chansons geschrieben - ich bin nur sauer auf ihn, weil er in der letzten Zeit immer mehr andere für sich "genial" sein lässt, und selbst die Lorbeeren einstreift... Sowas mag ich nicht....

Guntram

Was Heller aktuell macht weiß ich nicht, da ich schon lange nichts mehr von ihm gehört habe. Es ist aber auch eine Kunst andere für sich arbeiten zu lassen und (fast) keiner  ;) merkt es.
Träume sind nicht Schäume, sind nicht Schall und Rauch,
sondern unser Leben so wie wache Stunden auch.
Wirklichkeit heißt Spesen, Träume sind Ertrag. Träume sind uns sicher schwarz auf weiß wie Nac

Sandra

Gerade hat er in Berlin einen überdimensionalen erleuchteten Fussball enthüllt, anlässlich irgendeiner Meisterschaft. Der Architekt des Fussballs wurde zwar irgendwo im Kleingedruckten sogar erwähnt, aber ich hab ihn vergessen.