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Tsunami

Begonnen von Dagmar, 30. Dezember 2004, 02:57:46

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Bastian

#50
Hab ich mich jetzt unklar ausgedrückt? Man kann sich auch selbst informieren, wenn es einem wirklich darum geht und nicht nur um Medienkritik. Auch wenn diese völlig berechtigt ist. Hier ein paar kleine Gedanken, die mir dazu durch den Kopf gehen:

"Wir haben nichts gewusst."

"Denn es kam nur EIN mal in der Tagesschau. Ich erinner mich!"

"Doch jetzt, wo alles von der Flut redet, weiß ich plötzlich, dass aber vor zwei Jahren in Bam auch über 30 000 Menschen ums Leben gekommen sind."

"das war genau so schlimm, aber keiner hat gespendet." (was, nebenbei gesagt, nicht stimmen würde, denn es kamen viele den Spendenaufrufen nach)

"Aber ich habs schon immer gewusst."

"Hab aber nicht gespendet, weil n24 nicht drei Wochen lang über Bam berichtet hat."

"Die schlachten es aber wiederum zu sehr aus, und berichten mir zu wenig über Bim und Bum"

"Also bleibe ich hier sitzen bis jemand mich umfassend informiert."

Wie gesagt: Ich nehme mich nicht aus, ich "werfe den ersten Stein" im vollen Bewusstsein, das er mir selbst auf die Rübe fällt.

Andrea

#51
Also abgesehen davon, dass ich mich eher hörend als lesend informiere..., hilft es uns zwar, dass wir uns selbst übers Netzt informieren, da geb ich dir recht, und man ist auch selber schuld, wenn man's nicht tut, aber mir ging's in der Diskussion hauptsächlich um die Wirkung auf die breite Masse - ich mein nicht die BREITE Masse, die Masse, die sich zusäuft..., sondern die Masse, die mehr bewirken kann, wenn sie mehr informiert wird. So würden Spendengelder vielleicht öfter locker gemacht - und nicht nur die des Einzelnen, sondern auch die der verschiedenen Länder. - Wenn wir paar Maxeln aus diesem Forum für die Flutopfer  in XY spenden, dann ist das für die Menschen, denen wir helfen, auch wenn wir's noch so gut meinen, ein Tropfen auf den heißen Stein. Darum geht's doch.
Ich glaub aber, so wie du formulierst, willst du mich ein Bisschen herausfordern und schau'n, wie lang ich so weiter diskutiere. :-)
Zum Licht gehört der Schatten, zum Tag die Nacht. Das musst du dir so oft sagen, bis du es weißt und für selbstverständlich hältst. Dann kannst du nicht enttäuscht darüber sein. Denn leben heißt: Das

kampmann

Zitat
Wie gesagt: Ich nehme mich nicht aus, ich "werfe den ersten Stein" im vollen Bewusstsein, das er mir selbst auf die Rübe fällt.

Besser: Wer im Glaushaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen! --
Doch: damit er rauskommt!!!
Ein Außenseiter, der sehr neugierig ist!

Sandra

ZitatJEDER Mensch, der stirbt in Folge solcher Ereignisse, JEDER - ist EINER zuviel. Zu sagen, "Tja, aber da und da, da sind ja auch schon welche gestorben, und das hat keinen interessiert, und überhaupt neunzehnhundertirgendwann sind auch schon soundsoviele verreckt, und da hat sich ja auch der und der nicht drum gekümmert."

Sorry, aber das interessiert mich so gut wie gar nicht!

Auch sorry, aber Du vergleichst hier Äpfel mit Birnen.
Es hat nichts damit zu tun, dass JETZT die Menschen dort unsere Hilfe brauchen - es ändert nichts, es schmälert nichts. Es ist einfach eine andere diskussion.

und @ Basti: Nicht alles was hinkt, ist ein Vergleich.
eher würde passen, wenn der Fahrer der Ambulanz zu dem Verletzten sagt: ich helfe dir mit Deinem Bein, aber ich muss aufpassen, dass ich rechtzeitig tanke, damit ich beim nächsten Verletzten nciht im Strassenrand liegenbleibe.
Denn genau deshalb ist diese Diskussion  sehr wohl wichtig, damit wir das nächste Mal, wenn ein Bam oder sonstwas passiert (zB der grosse Brand in Nigerien) nicht achtlos daran vorübergehen.
alle Zeitungen, die ihre eigene nation jetzt bedauern, und ihre eigene Hilfsleistung jetzt so unglaublich loben (und nebenbei gerne die der anderen Länder schmälern) schreiben eines unisono: die Welt ist seit der Tsunami kleiner geworden, die Menschen erkennen, dass ein Unglücksfall in Asien auch mit ihnen in Europa zu tun hat.
Ja, diesesmal, weil europäer betroffen sind.
Aber diese Diskussion - dass man aber so viele andere katastrophen übersehen hat in der Vergangenheit, könnte dazu beitragen, dass man eben bei der Nächsten, auch wenn keine europäer betroffen sind, doch ein bissel mehr fühlt, ein bissel aufmerksamer ist. Ich glaube es zwar nciht, weil ich ein Pessimist bin, und den Menschen  diesbezüglich vorwiegend angenehme Vergesslichkeit attestiere - aber das heisst nicht, dass man nicht aufhören sollte, es zu versuchen, darauf hinzuweisen, wo was schief lief, damit es nicht weiter schief läuft. Und das hat nichts, aber schon garnichts damit zu tun, das Leid der Menschen jetzt zu schmälern.

allerdings, Dein nachbar, Basti,  der sagt: den Deutschen geht's auch schlecht - DER schmälert durch diesen Vergleich sehr wohl das Leid der Menschen dort - oder besser: er kann es sich vermutlich garnicht vorstellen. Die Zeitungen, die über die touristen schreiben, sie hätten "alles verloren" - DIE sind schamlos. Aber wenn man sagt: Bei dieser Katastrophe gehts ja, wieso ging's bei den anderen nicht, dass wir uns kümmern? Der weist darauf hin, dass wir uns bei den nächsten ebenso effizient kümmern sollten.

Und dass man nicht alles rundherum vergessen sollte, , alle Fehler der Vergangenheit einfach wegsperren, weil es jetzt etwas gibt, das enorm wichtig ist, ist ja wohl klar.  Man muss Prioriäten setzen, sowieso. jetzt ist wichtig, dass man kompetent hilft. und genauso wichtig ist es, zu erkennen, was es für wahnsinnige Fehler in der Hilfsleistung gibt, wo wochenlang keine Hilfe hinkommt, aus blöden logistischen Gründen zum Beispiel. Und genauso wichtig ist es zu erkennen, wo man in der vergangenheit Fehler gemacht hat - man muss verlgeichen, was war, was lief schief. Bei der Hilfslogistik ebenso wie bei der Rezeption die die Menschen für die verschiedensten Unglücke und Katastophen haben.

Übrigens: Bis jetzt war es offenbar immer so, dass bei Spendaktionen für Katastrophen, bei Hilfe von Staaten für andere Staaten immer höhere Summen genannt wurden, als dann tatsächlich in Bar locker gemacht wurden. Diese Summen werden oft gegengerechnet, mit Schuldenerlässen zum Beispiel - die helfen aber im Akutfall wenig.

Andrea

Zum Licht gehört der Schatten, zum Tag die Nacht. Das musst du dir so oft sagen, bis du es weißt und für selbstverständlich hältst. Dann kannst du nicht enttäuscht darüber sein. Denn leben heißt: Das

Bastian

#55
Ich habe halt mal versucht von "ich" und "uns" zu sprechen, statt von "man" und "die".

Da bin ich in einer Diskussion in der es allein um Medienkritik geht wohl falsch (Zumindest, hat mir Andrea dies drei Mal angedeutet. ;) :-*).

Noch etwas zu einem Artikel, der hier zu lesen ist:
Wenn man schreibt/zitiert:
Zitat...Noch zerstörerischer waren die Atombomben, die von den USA auf die
japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden. Auch wenn Annan
sich hier mit Berichten und Bildern begnügen müßte, so zeigen sich hier doch
unvorstellbare Zerstörungen.
Und kritisiert, Annan habe Scheuklappen, sollte begründen, wieso er das sagt. Und er sollte überlegen, ob es redlich ist, vom heutigen UN- Generalsekretär zu verlangen, dass er vor Tsunami- Geschädigten über Hiroshima referiert.

Wer dann weiter schreibt:
ZitatAuch ein Besuch der durch die anscheinend immer noch andauernde
US-Großoffensive gegen die irakische Stadt Fallujah, die hierbei und durch
das
vorangegangene, wochenlange Bombardement offenbar größtenteils zerstört
worden,
könnte Annan sicherlich neue Blickwinkel geben, wie auch der Tod von 100.000
Zivilisten seit Beginn der US-Besetzung des Landes oder auch die
flächendeckende Verseuchung des Iraks durch uranhaltige Munition.
Der liefert die Begründung gleich mit. Es ist Krieg! Und Kofi Annan hat sich von Beginn an gegen diesen Krieg ausgesprochen, ihn verurteilt. Dass er nicht durch eine Stadt geht, in der noch gekämpft wird, kann ich sehr gut nachvollziehen. Wer dies aber von ihm fordert, sollte nochmal drüber denken.
ZitatEbenso geeignet wären ohne Zweifel Bilder der von deutschen Bombern
zerstörten spanischen Stadt Guernica oder von britischen Bombern zerstörten
deutschen Stadt Dresden.
Was hat das mit Kofi Annan zu tun? Leugnet er etwa diese Schäden. Das wäre mir nicht bekannt. Wieso insinuiert der Autor dieses Artikels, dass Annan diese Bilder nicht gesehen bzw. kommentiert hat? Und vor Ort wird er nicht gewesen sein, Annan wurde gerade eingeschult. Oder soll er in Asien über Dresden sprechen?
ZitatAuch das Massaker auf dem Tian'anmen-Platz in China
im
Jahr 1989, bei dem Schätzungen zufolge 3.000 Demonstranten getötet wurden,
sollte hier nicht unerwähnt bleiben.
Es soll auch nicht unerwähnt bleiben, nur ist das keine mit dem Tsunami vergleichbare Katastrophe. Wieso der Autor dies anbringt, schreibt er wenigstens dazu: Er wollte es halt "auch noch erwähnen".

ZitatAll diese natürlichen und im Rahmen von Kriegen und anderweitig
mutwillig herbeigeführten Katastrophen konnte Annan aber dank seiner
Betroffenheitsklappen ausblenden.
Wer sagt das? Wer kritisiert, dass Kofi Annan in Asien nicht gesagt hat: "Das sieht schrecklich aus, ähnlich wie- sagen wir- vierzig Massaker auf dem Platz des himmlichen Friedens plus Häuser kaputt, bzw Hiroshima ohne Bombe..." Oder: "Ich habe schon ähnliche Schäden gesehen, nämlich auf Bildern von Dresden."

Ich halte diesen Artikel für äusserst tendenziös. Ich frage mich, wieso jemand einen solchen Artikel schreibt. Ich sehe keinen anderen Zweck, als Annan zu diskreditieren und dabei selbst "auf der richtigen Seite" zu stehen. Weil er Unmögliches, Unsinniges und Unnötiges fordert.

Warum schreibe ich das alles? Weil dieser Artikel hier instinktiv beklatscht worden ist.
Sandra:
ZitatArtikel grossartig! Danke schön!
darauf Andrea:
ZitatDie Einleitung mit den Pferden und den Scheuklappen allein ist schon großartig.
Und ich gebe zu, ich hätte beinahe auch losgeklatscht, habe aber recht bald ein seltsames Gefühl bekommen. Und ich habe überlegt, wieso jemand einen solchen Artikel schreibt. Alles nur, weil Annan gesagt haben soll: "Ich muß
zugeben, daß ich noch niemals eine solche vollständige Zerstörung, Meile für
Meile, gesehen habe. Man fragt sich, wo die Menschen sind."

Ist das wirklich derart kritikabel, dass man ihm vorwerfen muss, er habe Scheuklappen?

Es ist leicht, jemand anderem vorzuwerfen, er habe sich nicht gekümmert. Vor allem, wenn dieser UNO- Mann zum Zeitpunkt einiger Katastrophen nicht im Amt, sondern ein kleines Kind gewesen ist. Es ist ungleich schwieriger sich selbst das selbe vorzuwerfen. Darum hab ich versucht, auch mal wenigstens eine leichte Selbstkritik über den eigenen Umgang mit solchen Katastrophen zu üben, weil ich es seltsam finde, dass wir hier mit Katastrophen um uns werfen, über die wir vorher ehrlicherweise nicht gesprochen haben. Weil mir "die Finger stocken", wenn ich allein über die Versäumnisse anderer wüte, und- nahe an der Scheinheiligkeit- vergangene Katastrophen ergoogle, nur um etwas zu schreiben. Weil mir dabei recht unwohl ist. Ich schreibe das alles allein über mich und meine Empfindungen, andere können und sollen anders empfinden. Bitte versteht mich nicht falsch wir kritisieren die Medien für ihren selektiven Umgang völlig zu Recht. Das ist richtig und notwendig, nur: was ist mit uns?

Guntram

Gratulation zu dieser Analyse. Noch folgende Anmerkungen:

ZitatSo hätte er auch im Jahr 1976, als er schon 14 Jahre für die Vereinten
Nationen tätig war, die chinesische Stadt Tangshan besuchen können, die
durch ein Erdbeben am 28. Juli des Jahres praktisch vollständig zerstört
wurde.
Schätzungsweise 655.000 Menschen wurden dabei getötet.

Auszug aus der Biografie von Kofi Annan

"... Seine Karriere bei den Vereinten Nation begann Kofi Annan 1962 als Mitarbeiter der WHO in Genf. Nur 1974 unterbrach er seine Arbeit bei der UNO, damals leitete er bis 1976 die Gesellschaft für Tourismus in Ghana. Bis 1992 bekleidete er in der UNO verschiedene Ämter, unter anderem war er beim UN-Flüchtlingswerk UNHCR in Genf und in der Finanzverwaltung in New York. Von 1993 bis 1996 war er dann Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen, er hatte die Verantwortung für die Friedensmissionen der UNO.
1996 wurde Kofi Annan Generalsekretär der Vereinten Nationen. ..."

Peinlicherweise war Annan 1976 gar nicht bei der UNO.

Die Website www.Freace.de wird von Norman Griebel betrieben. google wirft 211 Links zu diesem Namen aus. Unter anderem folgendes Interview:
http://www.muslim-markt.de/interview/freace.htm
Das Interview ist nicht willkürlich ausgewählt, sonderen der erste Link bei google und das einzige Interview.

Jetzt kann sich jeder selbst ein Bild machen.
Träume sind nicht Schäume, sind nicht Schall und Rauch,
sondern unser Leben so wie wache Stunden auch.
Wirklichkeit heißt Spesen, Träume sind Ertrag. Träume sind uns sicher schwarz auf weiß wie Nac

Sandra

ZitatBevor sich die Vereinten Nationen in Genf der Flutkatastrophe widmen, wird routinemäßig über die wegen der Flutwelle "vergessenen Krisen" in anderen Regionen der Welt beraten.

Dazu wird es einen Spendenaufruf in Höhe von 1,7 Milliarden Dollar (1,297 Mrd. Euro) für die UNO-Hilfe für 26 Millionen Menschen in diesem Jahr geben. Dazu kommen 1,5 Milliarden Dollar für den Sudan.
Quelle: orf.online

Und deswegen finde ich den Artikel nach wie vor gut. Klar, er hat als "anlass" einen Ausspruch, der nicht SOO schrecklich ist - obwohl " solche Schäden noch nie gesehen"  ist schon etwas anderes, als zum Beispiel "unvorstellbar" - aber klar, man muss nicht IMMER Worte auf die Goldwaage legen.
Aber trotzdem ist es wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen, dass wir einen ganzen Stapel an genauso wichtigen Dingen ignorieren, weil wir gerade jetzt sooo betroffen sind. Und zwar NUR, weil Europäer betroffen waren, weil viele von uns manche der betroffenen Länder kennen. Das ist zutiefst ungerecht, und darauf hinzuweisen - notabene mit ähnlichen Mitteln wie jene, mit denen allerorten operiert wird, wenn man etwas erreichen will - ist richtig.  Und deshalb ist der Artikel gut.


ZitatPeinlicherweise war Annan 1976 gar nicht bei der UNO

Echt? bist du sicher? Vielleicht hat er im Februar 76 den Job beim Reisebüro aufgegeben, und die Geschichte war aber im Oktober 76??? Weisst du denn die Daten?

Und zum Schreiber des Artikels: Auch der von mir innigst geliebte Jörg Haider sagt manchmal sachen, die ärgerlicherweise einfach RICHTIG sind - oder zumindest zur genau richtigen Zeit das richtige bewirken. Und es macht zwar keine Freude, dass ausgerechnet der Arsch das dann sagt - aber nur weil er ein Arsch ist, heisst nicht, dass alles was er sagt deswegen verdammt werden muss.
ich will damit sagen: Aussagen von jemanden zu diskreditieren, weil der Sprecher an ganz anderen Plätzen Fehler gemacht hat, ist billig.

Noch einmal: Für mich zeigt der Artikel (auf zugegebenerweise recht populistische Art) nichts anderes, als dass wir uns jetzt  letztlich alle einen Heiligenschein erwerben wollen, und das ist nicht gerechtfertigt.


Guntram

Theoretisch richtig, aber leider steht weder im Artikel (das Erbeben war 28. Juli 1976), noch in den Biografien ein genaues Datum. Außerdem - um jetzt alle Korinthen auszukacken - bleibt die Frage was war Annan inm den 70ern bei der UNO und war er überhaupt in der Position eigenständig über Dienstreisen in solchen Fällen zu entscheiden. Und ob China damals überhaupt ausländische Beobachter/Helfer ins Land gelassen hat.

Also abgesehen von diesen kleine Datails gebe ich dir Recht.
Träume sind nicht Schäume, sind nicht Schall und Rauch,
sondern unser Leben so wie wache Stunden auch.
Wirklichkeit heißt Spesen, Träume sind Ertrag. Träume sind uns sicher schwarz auf weiß wie Nac

Bastian

#59
Und mir gings nicht darum wer den Artikel geschrieben hat, sondern um das was drin steht. Und das ist bei näherer Betrachtung höchst fragwürdig.

ZitatAber trotzdem ist es wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen, dass wir einen ganzen Stapel an genauso wichtigen Dingen ignorieren, weil wir gerade jetzt sooo betroffen sind
Eben das halte ich für nicht ganz richtig. Und das versuche ich schon die ganze Zeit deutlich zu machen. Wir ignorieren die anderen Dinge nicht deswegen, weil im Moment eine Flut in Asien ist, sondern haben die selben Dinge auch schon VOR dieser Flut ignoriert! Das versuche ich die ganze Zeit zu sagen. Nur diese Flut gibt uns jetzt die Möglichkeit dazu, diese Ignoranz zu verpacken und sie von uns wegzuschieben.

Sandra

Ja, und ich finde eben nciht, dass es ein verpacken und wegschieben ist. Ich finde, dass eben genau Artikel wie diese dazu beitragen könn(t)en, dass wir uns dieser ignoranz bewusster werden können, und sie fortan vermeiden.
Wäre doch schön, wenn diese Tsunami dazu beiträgt, dass wir fürderhin auch andere katastrophen anders wahrnehmen  - auch wenn wir nicht direkt betroffen sind. Dass wir dieses Gefühl "wir sind in jedem Fall irgendwie betroffen" weiter tragen.

Sandra


Alexander

Aus dem Tagebuch von Konstantin Wecker im Internet:

Dienstag, der 12. Januar 2005
 
Liebe Freunde!

Ich möchte Euch den Text, den ich vor dem gestrigen Benefizkonzert für die Flutopfer geschrieben und im "Zenith" teilweise auch gelesen habe, nicht vorenthalten:

Der Anlass des heutigen Konzertes ist eine Katastrophe geradezu apokalyptischen Ausmaßes. Was da innerhalb weniger Stunden geschehen ist, ist erschreckend, traurig und, gerade für uns, die wir in der Mitte eines festen, soliden Kontinents sitzen, schwer zu begreifen.
Während wir ein paar überflutete Keller oder durch Hagel verbeulte Autodächer bereits für nationale Katastrophen halten, wird uns angesichts der Verwüstungen in Südostasien vielleicht einmal bewusst, was es wert ist, nicht ständig von Vulkanausbrüchen und Erdbeben bedroht zu sein.
Jede Katastrophe birgt eben auch eine Chance - zumindest für die, die noch am Leben sind. Für sie ergibt sich die Chance, aber auch die Notwendigkeit, festgefrorene Meinungen über Bord zu werfen, neue Gedanken zu wagen, das eigene Leben und die eigene Position in der Welt zu überdenken.
Diese Naturkatastrophe hat sich in einer Zeit ereignet, in der wir, in den westlichen Industrienationen, uns einbilden, technisch alles im Griff zu haben - ein Irrglaube, der übrigens in den betroffenen Ländern, die der Natur durch ihre geographische Lage seit jeher stärker ausgesetzt, dadurch aber auch mehr mit ihr verbunden sind, zu keiner Zeit geteilt wurde. (Es ist bezeichnend, dass die meisten in der Katastrophenregion lebenden Stämme von Ureinwohnern sich spontan richtig verhalten und gemeinsam in Sicherheit gebracht haben.)
Wir aber, reich und gebildet, verschont von Tsunamis und Erdbeben, leisten uns als Dank für diese Segnungen Militärausgaben, die die Zahlungen für Entwicklungshilfe um mehr als das Zehnfache übersteigen. Dabei würde ein Zwanzigstel der Rüstungsausgaben reichen, um die schlimmste Armut zu beseitigen, weltweit. Und einige, die sich angesichts der Toten in Asien, vor laufenden Kameras, versteht sich, als großzügige Helfer gerieren, haben im Irak eine vergleichbare Anzahl von zivilen Toten verursacht, ganz ohne Tsunami: Menschenwerk!
Nur zur Information: Wir müssen uns vor Augen führen, dass "die US-Regierung bislang 350 Millionen Dollar den Opfern des Tsunamis zugesichert hat, die britische Regierung 50 Millionen Pfund (96 Millionen Dollar). Die USA haben für den Irak Krieg 148 Milliarden Dollar ausgegeben, die Briten 6 Milliarden Pfund (11,5 Milliarden Dollar). Bislang läuft dieser Krieg über 656 Tage. Das bedeutet, dass die den Tsumani-Opfern zugesicherten Gelder der Vereinigten Staaten den Ausgaben von 1,5 Kriegstagen im Irak entsprechen. Die von den Briten versprochene Summe entspricht der von 5,5 Tagen unseres Kriegseinsatzes." Zitiert nach George Monbiot, Die Opfer des Tsunamis bezahlen den Preis des Irak-Kriegs (The Victims Of The Tsunami Pay The Price Of War On Iraq). Und George Monbiot fährt fort: "Wenn unsere führenden Politiker im Helfen der Menschen genauso freizügig wären wie in deren Morden, dann müsste niemals jemand Hunger leiden."

Im Gegensatz zu westlichen Wahrnehmung gehört übrigens nicht ganz Asien zur Dritten Welt. Thailand und Indonesien sind keine reinen Agrarländer mehr. Das Meer hat einige jener Traumstrände verwüstet, die wir kennen und lieben. Die Tigerstaaten aber boomen seit Jahren, und werden sicher auch weiterhin boomen, nur: was wissen wir von den Zuständen im Landesinneren, wo eine milliardenstarke Bevölkerung unter manchesterkapitalistischen Bedingungen durch Arbeit zugrunde gerichtet wird, in den Fabriken des globalisierten Profitwahnsinns?
Die Globalisierung ist eine Tatsache, wir leben in einer gemeinsamen Welt. Das heißt aber auch, dass uns das Elend der ganzen Welt angeht, jeden einzelnen von uns. Das Elend nach der Flut, aber eben auch das alltägliche Elend von Ausbeutung und menschenunwürdigen Lebensbedingungen, nicht selten für westliche Multis.
Wird in Hinblick darauf die ständige Hetze gegen ein paar Tausend sogenannte oder von mir aus auch tatsächliche Wirtschaftsflüchtlinge nicht zu einer beschämenden Farce? Wer bei den Armen dieser Welt Urlaub machen will, darf nicht nationale Mauern gegen die Armen dieser Welt aufzubauen. Wer wirklich dauerhaft helfen will, muss der brutalen Politik der Multis einen Riegel vorschieben!
Und ein weiteres: Moslems, Buddhisten, Hindus und Christen haben sich nach der Flut auf selbstlose, aufopfernde Weise, obwohl sie selbst betroffen waren, füreinander eingesetzt. Wir leben in einer Welt! Hat uns diese Katastrophe nicht noch einmal überdeutlich gemacht, wie sinnlos, borniert und dumm es ist, die vermeintliche Reinheit einer nationalen Leitkultur hochzuhalten und Integration und Deutschunterricht zum ideologischen Knüppel zu machen?
Multikulti ist nicht gescheitert, wie uns das einige Demagogen gerne einreden würden. Multikulti ist eine Tatsache. Gescheitert ist die Politik der Ausgrenzung von andersgläubigen Mitmenschen.
Meine Damen und Herren Politiker, spenden Sie Ihr Geld. Wir alle haben genug davon, immer noch. Spenden sie deshalb und darüber hinaus auch ihren Einsatz - für eine andere, eine neue und menschenfreundliche, gerechte Politik, bei der nicht die Maximierung von Profiten das Maß aller Dinge ist, sondern der einzelne Mensch.

 
,,Die Kunst ist eben keine hübsche Zuwaage – sie ist die Nabelschnur, die uns mit dem Göttlichen verbindet, sie garantiert unser Mensch-Sein." (Nikolaus Harnoncourt)

Sandra

Schöne 'Rede, und ich bin ja eh ein Wecker fan. Trotzdem komm ich nicht umhin, aufzuzeigen, dass zwar Moslems genannt werden (die jetzt zB in Indonesien den Helfern ein Ultimatum zur Ausreise stellen, oder die wie gesagt in Sri Lanka manche Helfer einfach nicht reingelassen haben, oder bei denen wie auch gesagt, die Ölfördernden Staaten nix gemacht haben) Aber Juden werden ausgelassen - die, siehe anderer Thread sehr wohl sehr viel getan haben.
ich glaube nciht, dass das beim Wecker "böses Gedankengut" ist - aber es fällt mir auf, dass sogar bei einem doch recht reflektierenden menschen wie ihm die diesbezügliche Propaganda so fruchtet, dass er garnicht MERKT, was der da sagt...

Alexander

Absolut pervers!
Soeben zufällig in RTL gesehen, im Werbeblock.
Ein total tränendrüsenfördernder Spendenaufruf mit sanft-forcierender Popmusik im Hintergrund, Schreckens-Flut-Bildern, einer Frauenstimme, die die Schrecksekunde schildert, mit der Stimme des betroffenen sprechenden deutschen Bundeskanzlers, mit Kindergesichtern, mit dem RTL-Nachrichtensprecher, der zum Spenden auffordert, mit eingeblendeter Nummer und Spendenkonto.
Sofort der nächste Spot: "Wer wird Millionär" jetzt fürs Handy! Greifen Sie jetzt zu!
Ja wo samma denn?
,,Die Kunst ist eben keine hübsche Zuwaage – sie ist die Nabelschnur, die uns mit dem Göttlichen verbindet, sie garantiert unser Mensch-Sein." (Nikolaus Harnoncourt)

Andrea

Jaja, das war der Spot, der natürlich auch beim Partnersender NTV läuft. Die Frau: "Das Wasser stieg und stieg... und ich hab die Tür nicht auf gekriegt...". Dann kommt Schröder. Das ist der Spot, den ich hier schon mal erwähnt habe. RTL hat das Lied von Künstlern einspielen lassen. Die Kohle, die für die CD rein kommt, geht an die Flutopfer. Ich weiß jetzt nicht mehr, ob nur 1,-- Euro davon oder die ganze Kohle? Das Lied hat so einen Pop-Choral im Refrain.
Der abrupte Change zum Spot von WWM ist natürlich hart. Aber das wird ja immer und auf jedem Sender so gehandhabt, denke ich.
Zum Licht gehört der Schatten, zum Tag die Nacht. Das musst du dir so oft sagen, bis du es weißt und für selbstverständlich hältst. Dann kannst du nicht enttäuscht darüber sein. Denn leben heißt: Das

Alexander

#66
Zitat Andrea:
Aber das wird ja immer und auf jedem Sender so gehandhabt, denke ich.

Genau das finde ich pervers!

Diese "Gleichmacherei", diese "Austauschbarkeit" im Fernsehen, dieses spotartige Aufeinanderfolgen von Momentaufnahmen, immer eher am Effekt als am wirklichen Interesse daran.
Ich weiß, altes und abgedroschenes Thema. Und sinnlos, weil nicht änderbar (für die Masse). Aber ich will es mir nicht nehmen lassen, es noch festzustellen.
Weiter Nischen suchen: ARTE, 3sat, Kultursendungen in Dritten Programmen, über den Rest staunen bis sich entsetzen (diese x Shoppingkanäle, dieses Neun live - o Graus ...)
,,Die Kunst ist eben keine hübsche Zuwaage – sie ist die Nabelschnur, die uns mit dem Göttlichen verbindet, sie garantiert unser Mensch-Sein." (Nikolaus Harnoncourt)

Andrea

Ich auch - perverse Realität. -
Zum Licht gehört der Schatten, zum Tag die Nacht. Das musst du dir so oft sagen, bis du es weißt und für selbstverständlich hältst. Dann kannst du nicht enttäuscht darüber sein. Denn leben heißt: Das

Sandra

Ich stolpere auch immer über diese aprupten Wechsel - aber manchmal denke ich, sind sie SO dermassen krass, dass sie jedem auffallen müssen - und dann diskreditieren sich die Medien damit selbst. Das KANN doch nicht an den Leuten so spurlos vorübergehen, oder ?

Ich habe mir heute den Scheibenwischer angeschaut, und der letzte (ich weiss nicht, wie der heisst, so einer, der optisch aus Spiessbürger macht, mit einer kaputten Hand in Schwarz, die er immer vor den Bauch hält) der hat was sehr kluges gesagt: Er meinte, es geht bei der Spendenwut der Deutschen nicht nur darum, dass sie alle so betroffen sind, und das so viele die Länder kennen oder dass es auch tote Europäer gab - es geht darum, dass sich die Europäer ihre letzten paradiese erhalten möchten, wo sie "heile Welt " spielen können - und wie's den Leuten dort wirklich geht, ist nebensache. Sie wollen, dass sie bald wieder ihre Resorts und Hotels und Palmenstrände haben.  Ihre "kleinen Fluchten" von der bösen bösen Realität hier. Kein ganz schlechter Gedanke, oder?

Bastian

Verdammt! Immer verpasse ich den Scheibenwischer! Bin ich eigentlich der einzige, dem das so geht? Schramm, heißt der, glaube ich. Ja: Georg Schramm. Sowieso ein sehr pointierter Kerl.

Äh, nur, dass wahrscheinlich die meisten, die gespendet haben nie in Thailand gewesen sind. Vermute ich. Aber trotzdem denke ich, da ist was dran. Ich bin mir sehr sicher, dass die beiden, die ich kenne, die im Moment in Thailand sind, sich tatsächlich einen Sch**ß um die Leute scheren. Letztes Jahr kamen die auch mosernd aus ihrem Jahresurlaub zurück, weil nicht alles annehmlich war. Am Flughafen gabs Gedrängel und so. Und DAS IN IHREM URLAUB!!

Bastian

#70
(Verzeihung: Schramm)

Sandra

Yep. das isser. Hat mir gefallen. Ich hatte den Eindruck, dass er dieses Mal anders war, als sonst. Und zwar hatte ich diesen Eindruck, obwohl ich ihn sonst nicht kenne. ( ::)) Denn as Kostüm passte irgendwie nicht ganz zu der Art, wie er alles sagte: Da war so eine ganz ehrliche wut dahinter. hat mir SEHR gefallen.


Ich weiss natürlich nicht, wieviele Leute, die spenden, je in diesen Ländern waren - aber IHR seid doch die Rechenkinschtler: Wenn wir annehmen, dass dieses Jahr zwischen 5 und 6 Tausend Deutsche allein in Thailand waren, und wenn wir weiter annehmen, dass davon sagen wir ein Drittel öfter als einmal kommt - wieviele Deutsche waren in den letzten sagen wir 6 Jahren wohl schon dort?
Abgesehen davon, ist es ja auch die IDEE der paradiese - also, auch diejenigen, die lieber in die Karibik fahren kennen den "Urlaub unter Palmen", und glauben zu wissen, wie es in SOAsien ist...

Maexl

#72
das ist mathematisch nicht zu lösen....
du musst ein weiteres parameter angeben:
die durchschnittliche frequentierungsanzahl der widerholungstäter in einem zeitabstand delta-t  ;)
oder nen gescheiden touristen-schnitt?

Sandra

#73
Zitatoder nen gescheiden touristen-schnitt?

öh...zwischen den Ohren durch?


Auf orf.online schreiben sie, dass so viele der "vermissten" erst jetzt wieder auftauchen, liegt auch daran, dass sie Sextouristen waren, und inkognito bleiben wollten *häme* ;D

Sandra

Hä?? So verkürzt und missversteht man aber meine Häme über die Arschlöcher, finde ich.