Hauptmenü

Ostalgie

Begonnen von Sandra, 06. August 2003, 11:34:58

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Sandra

Lanie hat, glaube ich, irgendwo geschrieben, dass er die "Ostalgie" so blöd findet - und dazu habe ich gerade gelernt, dass das doch weiter zu gehen scheint, als ich dachte.
Ich las Folgendes:

Nach dem Filmerfolg von "Good Bye, Lenin!" ist in Deutschland jetzt vollends das "Ostfieber" ausgebrochen.
DDR-Marken wie "Mocca Fix Gold", "Kathi Kuchenmehl" und "Nudossi" überflügeln in den Einkaufs-Hitlisten ihre westliche Konkurrenz, die Lebensmittelkette "Delikat" wird wieder belebt, und in Berlin bastelt man an einem "DDR-Funpark". Das find ich ja nu wirklich herb!!

Kein Wunder, dass auch das Fernsehen an dem neuen alten Trend mitnaschen will. Katarina Witt und Oliver Geißen berichten ab September in der "DDR-Show" auf RTL vier Folgen lang über den Alltag zwischen Ampelmännchen und Zentralkomitee.
Witt weiß schon ziemlich genau, wie die "DDR-Show" werden soll: "Oliver Geißen macht die kritischen Sachen, und ich bin der Spaßfaktor", erklärt die ostdeutsche Eisprinzessin.
Ob Bambina-Schokolade, Rotkäppchen-Sekt oder Spreewald-Gurken: Beim Thema DDR leuchten die Augen des ehemaligen DDR-Eislaufstars.
"Es gab da eben auch sehr schöne Zeiten", betont Witt. Da habe es keinen Zweck, übertrieben kritisch zurückzuschauen, meint die Sportlerin Das sieht der Moderator ein bisschen anders: "Wir können nicht so tun, als sei damals alles nur lustig gewesen. Immerhin sind in diesem Staat Menschen zu Tode gekommen", sagt Geißen. (Aber geh! Das erstaunt mich jetzt aber...)

Der Quotenerfolg scheint jedenfalls vorprogrammiert. Schon in der ebenfalls von Geißen moderierten "80er-Show" seien die Berichte von ostdeutschen Prominenten über ihre Kindheit und Jugend extrem gut angekommen, erzählt der Moderator.
"Für Ostdeutsche ist es die Reise in die eigene Vergangenheit, und für Westdeutsche wie mich gibt es dann eher was zu staunen", so Geißen.

Auch der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) hat ein DDR-Projekt in Planung: "Delikat - Das Quiz zum Osten" nennt sich die Ratesendung, deren Titel von einer DDR-Lebensmittelkette stammt. Zu gewinnen gibt es bei dem ab 23. August ausgestrahlten Quiz durchwegs Ostprodukte.

(...)

Ich dachte echt nicht, dass man mit der "kritischen Aufarbeitung" schon fertig ist, und sich direttissima in den "Spassfaktor" schmeissen will....


Katinka Koschka

Meine Tante und mein Onkel aus Süddeutschland sind Exil-Ossis und haben den Film gesehen. Er hat ihnen so ziemlich missfallen, weil dort ihrer Meinung nach eine "Partei-Rike" geschont wird. Ich kann es nicht beurteilen, weil ich nur die Inhaltsangaben aus den Programmunterlagen kenne und könnte zumindestens widersprechen, daß es da eigentlich um eine Mutter-Sohn-Sache geht, weswegen die "Bonzen-Rike" geschützt wird. Blut ist dicker als Wasser.
Aber wie gesagt, den Film hab ich nicht gesehen und Ostalgie finde ich lächerlich, eben weil dort etwas verniedlicht wird wogegen wir noch vor knapp 15 Jahren protestiert haben.
Ich finde es z.B. ziemlich eklig wenn junge Leute mit FDJ-Hemden oder Pioniertüchern rumrennen weil es "kult" sei. Unsereins war froh wenn er diese Dinger nicht anziehen mußte und wir haben ÄRGER gekricht wenn wir zum "FDJ-Nachmittag" in normaler Kleidung kamen. ::)
Rotkäppchen-Sekt und Spreewaldgurken fallen bei mir aber nicht unter Ostalgie. Die gab es nämlich auch kurz nach der Wende schon (noch) und die schmecken auch wirklich gut.
Bambina dagegen fand ich schon zu DDR-Zeiten pervers und auch heute eß ich lieber "Kinderschokolade" oder eine einfache billige "Sarotti-Nougat-Vollmilch"
Und ich werde niemals "Persipan" essen, das Zeug ist und bleibt GRÄSSLICH...würg!
Und ich bin verdammtnochmal FROH daß dieses scheinheilige Gebilde namens "Deutsche Demokratische Republik" zusammengebrochen ist. Denn wenn wir noch so weiter gemacht hätten, wäre die DDR irgendwann SO pleite gewesen, daß wir uns in Sachen Armut mit Polen die Hand reichen könnten...
Apripi -das heißt- apropos, Halli halli hallo

Sandra

Naja, und so lebt das scheinheilige Gebilde Gesamt-Deutschland weiter... ;)

Ich finde vor allem erstaunlich, was die Menschen (eigentlich überall) für Strategien entwickeln, um sich einer verfehlten Vergangenheit möglichst nicht gleich stellen zu müssen...
Kanns aber rigendwie auch verstehen, gerade für die ältere Generation: Es ist vermutlich nicht leicht, sich selbst einzugestehen, dass man ein Leben lang sich selbst in die eigene Tasche gelogen hat.

So ganz kurz nach dem Fall der Mauer hatte ich den Eindruck, die Menschen, die "rüberkommen" teilen sich in zwei Gruppen: Die, die alles umarmen und grossartig finden, und die, die alles unbeschaut ablehnen und "dekadent" finden....
Menschen mit Zwischentönen scheinen überhaupt seltener gebaut zu werden....

Sandra

Apropos Ostalgie....
Man scheint in Deutschland wieder dazu überzugehen, einfach alles zu umarmen, was nur irgendwie Unterhaltung verspricht. Jetzt werden gerade die grössten Deutschen gesucht. Darunter, so höre ich, Rilke (in Prag geboren) Freud (stammt aus Mähren, damals Österreich, lebte in Wien) und Mozart (Salzburger).
 Kafka, der ja auch aus Prag stammt, komischerweise nicht, auch Musil ist nicht dabei...mit einem Wort, die gewerbsmässigen Pessimisten lasst "Ihr"  ;) aus.
Dann ist es auch kein Wunder, dass man sich die DDR "schönbeten" will, und nur die Netten Sachen erinnert....

Katinka Koschka

naja, und den Begriff der "Guten alten Zeit" gab's ja auch schon seit geraumer Zeit...
Apripi -das heißt- apropos, Halli halli hallo

Martin

#5
Ja früher war alles besser. Die gute alte Zeit war nie gut, sie ist es erst geworden durch Leute, die sie pausenlos schönreden, weil sie mit der heutigen Zeit nicht klarkommen, die auf ihre Weise genauso schlecht ist, aber objektiv gesehen um Welten besser. Das wollen viele nur nicht wahrhaben und schwelgen in der Vergangenheit, in der alles ach so wunderbar war. Besonders traurig ist, dass viele auch noch wirklich dran glauben. Wenn das eigene Leben schlecht, ungerecht oder einfach nur fad ist (weil man sich das einredet) flüchtet man eben gerne vor der Realität.
Und weil wir grad bei Realitätsverlusten sind. Die Show auf RTL ist schon gar nicht mehr ernst zu nehmen. Die haben bei der 80er-Show (die ja noch irgendwie zu vertreten war) gemerkt, dass sowas Quoten bringt. Und wo es viel (billige) Quoten gibt, sind gewisse Sender ja meist nicht weit.
Ich finde es äußerst bedenklich, dass Leute, die nie in der DDR gelebt haben und auch die Situation dort nicht kennen es sich aus lauter Fadesse und Mediengeilheit anmaßen, die "gute alte DDR" schönzureden. Wo kommen wir da hin? Der Harald Schmidt hat mal gesagt, er sieht eine Zukunft für die NS-Nostalgie (und Schande über mich, wenn ich da was durcheinander gebracht hab) und wir sind auf dem besten Weg dorthin. Was in den Köpfen einiger Leute vorgeht, ist einfach nur noch krank.
Sorry, dass ich so heftig geworden bin, aber das musste jetzt raus!

Sandra

#6
Aber Du hast Recht. Wobei, die NS-Nostalgie, die hat ja bei viel zu vielen nie wirklich aufgehört....
Es ist schade, dass die Menschen es lieber haben, sich Vergangenes "Schönzureden" als Gegenwärtiges. Klar gibt es genug zu kritisieren, aber es wird ja nicht nur "kritisiert" es wird so getan, als seien die aktuellen Tatsachen noch Dinge, die nicht stattfinden, wenn man nur laut genug klagt....
Dass man mit Dingen wie modernem Kunstverständnis, Migration, Neoliberalisierung, Globalisierung (GATS! Darüber regt sich kein Mensch auf! Die werden alle noch blöd schaun, wenn's dann da ist!) einfach UMGEHEN muss, Strategien finden, wie man es verbessert, was auch immer - so weit geht es nämlich nie. Es wird immer nur gesagt: Das ist ja soooo schlecht, und früher war alles viiiiiel besser.

Katinka Koschka

GK hat doch auch mal ein Lied über verklärte Nostalgie geschrieben, zu der Melodie von einem Mozartklavierstück...
Und wenn dann die Ostalgiker ect. anfangen aufzuzählen was gut war, vergessen sie leider, daß der Rest so übel war, daß es einfach nicht ausreicht.
Sicher, im Osten war keiner (offiziell!!) arbeitslos. Aber ich hab mal eine Arbeit gehabt da mußte ich eine Sache, die vielleicht 1 Stunde dauert auf 8 3/4 Stunden strecken... ::) Man, war das langweilig...
Und wenn ich mir vorstelle, keine Arbeitslosen und trotzdem gab's nichts vernünftiges zu kaufen...es sei denn man kannte den Verkäufer persönlich, dann sprang schon mal ein Bund Bananen oder ein Körbchen Erdbeeren raus...oder ein paar Schallplatten jenseits von Frank Schöbel und Chris Doerk... :P
Komischerweise ist der Satz "Keine Leute!" auch aus DDR-Zeit...da waren nun schon die weißichwieviel Millonen Arbeitslose noch nicht da und trotzdem war ich damals im "Haus der Dienste" (Reparatur und Reinigungsannahme) abends fast immer allein bzw. nur eine Kollegin noch dabei, weil ich gerade erst die Lehre beendet hatte und noch zu unerfahren war. Und die Leute haben angestanden und uns die Hölle heiß gemacht wenn die Schuhe nicht richtig besohlt waren. Die  Herren Schuster waren aber schon im "wohlverdienten" Feierabend...grrr...überhaupt...der ganze Fusch...haltbare Absätze gab's nur für Stammkunden, Absätze beziehen oder etwas nähen lassen dauerte bis zu DREI MONATE... >:(
gute alte zeit...ha... :P
Apripi -das heißt- apropos, Halli halli hallo

Sandra

#8
Mozart Sonate in C.

Wo sind die Zeiten dahin
Als es noch gmiatlich war in Wien
Als noch die herzigen Fiaker durch die Strassen glitten
Als noch die schneidigen Husaren durch die Hofburg ritten
Als noch Maria Antoinette nach Paris kutschierte
Als noch der Schubert komponierte, weil er Hunger spürte
Als noch der guate Kaiser Franz beinahe nix erlaubte
Und das Volk in Kriege lenkte, Manche köpfte, Manche hängte
Nix wie Tod gab's weit und breit wo ist die Zeit?

Manche sind zwar fortgeschritten, and're Länder, and're Sitten
Wien bleibt Wien, das ist grad das Schöne dran
Wien bleibt Wien, dass man sich dran g'wöhnen kann
Hier gibt's kann Lenin, kann Ho Chi Minh, ka Disziplin
Nur Melodien und Harmonien die in Berlin längst nicht mehr ziehn

Weil hier in Wien alle hin und wieder sagen: Nur nix Neich's ! Bleib ma schön beim Alten!

Ändern lasst si gar nix, weil der Wiener das net will
Ändern lasst si gar nix, weil die Arbeit wär zu viel!

Jawoll.
Na!

Ändern lasst si gar nix, weil die Erde si no dreht.
Leb ma nur so weiter, wann ma tot sind ist zu spät.
I sag ja schon seit dreissig Jahr
Wozu denn ein Experiment
Wir lassen alles so wie's war,
wenn man das Neue no net kennt

Ändern lasst si gar nix, weil es steht ja net dafür
Ändern soll'n die Andern, weil die andern san net mir

Solang der Steffl no net fallt
Solang der Prater no net brennt
Solang die Krankenkassa zahlt
Solang mei Wirtin mi no kennt
Solang die Oper zu viel kost
Solang die Ratten si vermehrn
Solang a Madl an no lasst
Solang die Fremden hier verkehrn
Solang der Wein a bissl schmeckt
Solang ist alles mir egal
Solang hab i vor mir Respekt
I werd net international

Komm Alter sauf ma no was, nachher kömma weiter raunzen

Wo sind die Zeiten dahin, als es noch gmiatlich war in Wien
Als noch das grosse alte Kaiserreich zusammenkrachte
Als noch der Dollfuss alle Roten einfach niedermachte
Als noch der guate alte Hitler bei uns einmarschierte
Als man die jüdischen Geschäfte einfach arisierte
Als man die Juden, dort wo's hing'hörn, in die Lager steckte
Als man die Falschheit der Franzosen wieder neu entdeckte
Als sich der Landser an der russischen Riviera sonnte
Als man im letzten Kriegsjahr Widerständler werden konnte
Wenn wir mit die Zigaretten
Net soviel geschoben hätten
Wär'n die Russen diese Lieben
Sicher noch bei uns geblieben
Schad um die Besatzungsleut
Wo ist die Zeit?

Nur die Amis san die Dummen
Weil's jetzt als Touristen kummen
Wien bleibt Wien, weil's soviel zum Neppen gibt
Wien bleibt Wien, weil's genügend Deppen gibt
Wien hat seinen Wein, und seine Fraun, und seinen Wald
Die Medizin, die Schlamperein,
man muss sich traun, dann kriegt man's zahlt

Wir ham den Strauss Josef
Franz Josef
I brauch ka Wasser in der Wohnung, lieber bleib ma schön beim Alten!

Ändern lasst si gar nix, weil sonst hätt ma's ja scho g'macht
Ändern lasst si gar nix also servus gute Nacht
Ändern lasst sie gar nix, weil i sowas net riskier
Ändern lasst si gar nix und am allerletzten wir.
Jawoll!

 

Wobei: für Wien stimmt das noch viel mehr als für alle anderen Plätze auf der Welt: Der Wiener will immer nur das, was er schon kennt... Neue Strömungen fassen hier wenn überhaupt, dann erst sehr spät Fuss. Ausgenommen, witzigerweise, alles was mit Elektronischer Musik (Sofa Surfers, Pulsinger/Tunakan, Kruder/Dorfmeister etc) zu tun hat, und überhaupt elektronische Medien: Wien war die erste Stadt, die Kabel-Internet hatte, (Vernetzungsdichte ist auch enorm) die erste, die Online-gebühren hatte, hier gab's bis vor Kurzem die meisten Handies (jetzt hat uns Italien und Finnland eingeholt)
Komisch. Alles was einen gedanklich wegbringen kann, wird übermässig angenommen - alles, was TATSÄCHLICH offene Veränderung bringt, wird abgelehnt. Naja, das ist ein anderes Thema.

Katinka Koschka

Genau das Lied meinte ich.  :)
Übrigens, das EINZIGE was vielleicht an der Mangelwirtschaft im Osten ganz "gut" war, daß wir uns schon an kleinen Dingen freuen konnten. Heutzutage kann nicht alles teuer und modern genug sein und ich war damals superglücklich, als ich zur Jugendweihe einen gebrauchten Mono-Recorder mit Radio bekam mit dem ich aus dem Radio die Musik mitschneiden konnte die ich auf dem Plattenmarkt nicht finden konnte weil es Bückware war oder überhaupt nur auf dem Schwarzmarkt für horrende Summen gab...aber heutzutage bin ich schon wieder ziemlich frustriert dass mir dadurch soviel durch die Lappen ging...ich hätte z.B. Led Zeppelin live erleben können, wenn diese verdammte Mauer nicht gewesen wäre, denn ich war schon SEHR FRÜH Fan von den ganzen Rockklassikern und mit Hilfe erwachsener Verwandter hätte ich bestimmt statt 10 x "Brust oder Keule" im Kino anzusehen ein heißes Rockkonzert aufgesucht....ich weiß noch...Metallica vor der Wende in Ungarn...Ungarn nannte sich im Volksmund immer "die lustigste Baracke im Ostblock" weil dort etwas mehr Westartikel und Bands durchsickerten...demzufolge war es auch ziemlich bürokratisch, nach Ungarn reisen zu können. Und das legendäre "Peace Festival" 1988 in Moskau konnte ich auch nur im TV verfolgen, weil eine Reise nach Moskau auch vor lauter Bürokratismus nix geworden wäre.... :'(
Apripi -das heißt- apropos, Halli halli hallo

Sandra

Hihi, ja, hier in Wien gibt es das geflügelte Wort vom "Gulasch-Kommunismus" - weil die Ungarn sich immer alles irgendwie "gerichtet" haben.
Aber es stimmt, was Du sagst, heutzutage gilt jemand als "Armutsgefährdet" wenn er sich kein Auto leisten kann, oder keinen Fernseher hat, weil all das so unbedingt zu unserem Leben dazugehört. Dann kommt es natürlich leicht dazu dass man verlernt, sich zu freuen. Ich versuche immer, mir bewusst zu machen, wie schön auch sogenannte "kleine Dinge" sind, und dass habenhabenhaben auch nicht glücklicher macht.
Das ist der grösste Nachteil des Kapitalismus: Dass er die Menschen glauben macht, Konsum wäre der Inhalt und der Sinn des Lebens....

Martin

ZitatWobei, die NS-Nostalgie, die hat ja bei viel zu vielen nie wirklich aufgehört....
Viel bedenklicher als die Leute, die leider wirklich an diese Ideologien glauben, sind aber jene, die diese Zeit schön reden und verharmlosen aber es "ja eigentlich eh" ganz furchtbar finden.

Sandra

Ja, nicht nur das. Ich finde vor allem die Leute gefährlich, die sagen: Es hat dann halt ausgeartet - aber die Zeit DAVOR war doch so toll - denn am Schlimmsten ist, dass so viele Menschen die Mechanismen nicht begreifen, die dazu geführt haben, und folgerichtig auch nciht sehen, was es in heutiger Zeit für Paralellen dazu gibt.


Katinka Koschka

...zum Beispiel, daß Hitler die Autobahn bauen ließ, die Arbeitslosigkeit beseitigt hatte ect. ect...daß er das alles für seinen Welteroberungswahn brauchte, wird natürlich geflissentlich übersehen... >:(

Und die Ostalgiker reagieren höchst beleidigt, wenn man es wagt, Parallelen zur Nazizeit zu ziehen, vielleicht war es ja nicht ganz so extrem, aber unbequeme Leute wurden auch im Osten mal eben aus dem Verkehr gezogen und der Schießbefehl an der Mauer ist ja auch allseits bekannt und berüchtigt...
Es gibt da z.B. folgende Sache, da wurden doch einige "Regimekritiker", z.B. Jürgen Fuchs oder Gerulf Pannach (Gitarrist bei Renft, soviel ich weiß) beim Verhör mit radioaktiven Strahlen beschossen. War nicht nachweisbar aber verdächtigerweise sind neben Pannach und Fuchs viele von jenen an KREBS gestorben... :o
Und selbst wenn das vielleicht Ausnahmen waren, genug Rechtsverbiegungen gab es: einer meiner besten Freunde hatte einen Durchsuchungsbefehl am Hals angeblich wegen "gestohlener Elektronik". Komischerweise wurden bei dieser Durchsuchung nicht etwa irgendwelche elektronischen Bauteile sondern diverse Westschallplatten und Bücher beschlagnahmt und einige davon erschienen nicht mal auf der "beschlagnahmt"-Liste. Und jene Westschallplatten waren nochnichtmal indexierte Bands. Z.B. die "Seconds out" von Genesis war dabei, und von Genesis gab es sogar eine Lizenzveröffentlichung in der DDR...
 >:(
Apripi -das heißt- apropos, Halli halli hallo

Sandra

Naja, die Autobahnen gab es schon VOR Hitler - das ist ja eine der zahlreichen Geschichtslügen. Aber die DDR mit institutionalisiertem Massenmord gleichzusetzen, ist schon ein starkes Stück. Ich glaube, damit tut man der Aufarbeitung enen schlechten Dienst, denn mit diesem Argument hören die Leute sofort weg. Ähnmlich wie das Argument: Haider=Hitler - da ist dann jede vernünftige Diskussion sofort am Ende. Ein totalitäres System, eine diktatur, was ja die DDR zweifellos war, ist schlimm genug, fnde ich. Und wenn man Menschen Macht einräumt, ist es inert, dass sie auch missbraucht wird... Jeder Türsteher zeigt das deutlich: Kaum ist man "wichtig" muss man das auch raushängen lassen.

Dafür haben wir gerade in Österreich ein Gerichtsurteil, das besagt, wenn man jemanden "Scheiss-Neger" nennt, verstösst das nciht gegen die Menschenwürde. (Immerhin haben sie eingeräumt, dass es eine Ehrenbeleidigung ist). Und keiner regt sich auf...
SO funktioniert das, mit dem institutionierten Rassismus...
Ich nehme an, in der DDR war das nicht viel anders: Wenn es "fremd" ist, ist es gefährlich und böse, punktum. Und wenn es einem "zu hoch" ist, dann erst recht.

(Sagte der Kaiser zum Kardinal: "Halte Du sie dumm, ich halte sie arm")

Katinka Koschka

ZitatAber die DDR mit institutionalisiertem Massenmord gleichzusetzen, ist schon ein starkes Stück. Ich glaube, damit tut man der Aufarbeitung enen schlechten Dienst, denn mit diesem Argument hören die Leute sofort weg.
Da hast du allerdings recht, ich geb zu das war jetzt vielleicht wirklich etwas zu harsch.  :-[
Das Traurige ist ebend nur, daß ebend viele Leute vergessen, daß auch in der DDR politische Morde unter dem Deckmantel des Rechts geschahen. Da kommt es dann auch zu solchen Überreaktionen wie dem Help-eV auf die in der Tat etwas sehr makabren Szene in "Sonnenallee", wo ein Junge an der Grenze dem Tod durch Erschießen entgeht, weil seine Stones-LP dazwischenlag, er dann allerdings Rotz und Wasser heult, weil die Platte kaputt ist.
Mein Vater, der die DDR auch von den übelsten Seiten kennt, findet diese Stelle übrigens nicht beleidigend für die Maueropfer. Er meint, als Jugendliche waren viele einfach so, daß ihnen ihr Leben nicht so viel wert war, daß sie gesagt hätten "ohmeingott...die LP hat mir mein Leben gerettet..." Jugendliche denken eben oft noch nicht so weit, das Gefühl für Gefahr kommt ebend erst mit steigendem Alter...(warum sonst gibt es soviele junge Verkehrstote auf den Alleenstraßen...?)
Außerdem soll ja "Sonnenallee" auch etwas abstrakt gemeint gewesen sein, nicht krampfhaft darauf ausgerichtet "die Wahrheit zu sagen"
Die Grenzen sind da wohl fließend. Nicht jeder der lieber Spreewaldgurken isst, ist ein Ostalgiker und manchmal ist mir einer, der seine Gesinnung behalten hat lieber als ein scheinheiliger Wendehals, der vor der Mauer ettliche Privilegien hatte und nach der Maueröffnung den Dissidenten raushängen läßt... :-/
Apripi -das heißt- apropos, Halli halli hallo

Sandra

Zitatmanchmal ist mir einer, der seine Gesinnung behalten hat lieber als ein scheinheiliger Wendehals, der vor der Mauer ettliche Privilegien hatte und nach der Maueröffnung den Dissidenten raushängen läßt...
Du hast Recht, es kommt immer sehr auf den Einzelfall an, ob es  nämlich reine Sturheit ist oder ehrliche Überzeugung. Bei den Meisten ist es leider mehr Sturheit oder Unfähigkeit zur Selbstkritik, wobei ich glaube, dass das auch sehr schwierig sein kann - wenn man eine ÜBERZEUGUNG hat (Wendehälse haben sowas ja nicht, daher ist es für sie einfach, opportunistisch zu sein), sich einzugestehen, dass man falsch lag.
Ich habe hier einen Freund, den ich unter anderem deswegen sehr schätze, weil er mit ungefähr 30 Jahren seine bisherigen Überzeugungen komplett über Bord beworfen hat. Zuerst war er ein hochrangiger Polizeioffizier - dann hat er angefangen, nachzudenken, und dann hat er im Fernsehen zugegeben, dass es "Prügelpolizisten" gibt, hat sich mit der rechtslastigen Seite der Polizei (auf der er bisher voll Überzeugung selbst war) öffentlich auseinandergesetzt, und wurde liberal und nachgerade linkslastig.(Natürlich mehr zu seinem beruflichen Schaden, das ist ja klar. Jetzt macht er was ganz anderes - besser, inzwischen, aber er hatte eine SEHR harte Zeit.)
 Das hat mir irren Respekt abgerungen, denn das war sicher nicht ein "Wendehals-sein" sondern er hat sich selbst ehrlich hinterfragt, und dann seine Ansichten geändert - auch nach aussen. Ich halte das für eine SEHR grosse Leistung, die meisten finden immer wieder Mittel und Wege ihre bisherigen Überzeugungen weiter zu verteidigen, nur um nicht vor sich selbst als Fehlerhaft dazustehen.... (oder aus Angst vor der öffentlichen Meinung)

Georg

#17
Heute am Sonntag um 21.45Uhr kommt eine Ostalgie-Sendung im ZDF.
Mal schauen.

 :)
Georg

Georg

Hat jemand die Sendung gesehen?
Ich habe verpennt. :-[  :(

 :)
Georg

Sandra

Nö, gesehen hab ich sie auch nicht  - aber es gibt eine Kritik dazu, die ich hier wiedergeben kann. Aus dem ORF-online.

 
 DDR-Shows erobern deutsche Mattscheiben. Politiker und Politologen bleiben skeptisch.
   "Ob Spreewaldgurken, Ampelmännchen oder Rennpappe: Der Osten war und ist Kult!" zeigte sich das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) nach der Sendung "Die Ostalgie-Show" überzeugt.

Prominente aus dem Osten Deutschlands stellten sich zahlreichen Lifestyle-Fragen, das ZDF wollte schließlich "eine Revival-Party der besonderen Art" zelebrieren.

Andrea Kiewel und Marco Schreyl, selbst zwischen Ostseestrand und Erzgebirge groß geworden, präsentierten dazu Ausschnitte aus den "Klassikern" des DDR-Fernsehens, Anekdoten, "Sprachtests" und ließen Original-DDR-Lebensmittel im nachgebauten HO-Laden verkosten.

"Was war angesagt bei den DDR-Bürgern? Welche Modetrends waren 'in'? Welche Platten hörten sie? Gab es noch etwas anderes außer FDJ-Ferienlager, Mai-Paraden und FKK-Urlaube? Welche Produkte favorisierten sie?" wurden Sportler, Schauspieler, Journalisten und Künstler gefragt.

Das ZDF kam mit der "Ostalgie-Show" den privaten TV-Sendern SAT.1 und RTL zuvor. SAT.1 zeigt in zwei Teilen, am 23. und 30. August, "Meyer und Schulz - die ultimative Ost-Show". RTL startet im September die "DDR Show" mit Oliver Geißen und Eisläuferin Katarina Witt. ProSieben will mit einem weiteren Format folgen.

Die Erinnerung an die DDR soll für Quote sorgen. Die ZDF-Show, die nach Senderangaben als Einzelstück geplant war, verfolgte jeder dritte Ost- und jeder fünfte Westdeutsche.

Todesschüsse, Stacheldraht und Stasi-Gefängnis - in einer losen Reihe beschäftigt sich das MDR-Magazin "Fakt" vom 18. August an mit der DDR. "'Fakt' dokumentiert die Grausamkeiten der SED-Diktatur über dramatische Einzelschicksale", so der Sender aus Leipzig.

Der MDR plant zugleich eine DDR-Ratesendung. Der Titel von "Delikat - Das Quiz zum Osten" wurde einer Lebensmittelkette entlehnt. Zu gewinnen gibt es bei dem ab 23. August ausgestrahlten Quiz durchwegs Ostprodukte.

Bei der deutschen Politik stoßen die "Ostalgie"-Shows und Filme auf Skepsis. Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) warnte vor falscher DDR-Nostalgie.

"Der Blick zurück darf nicht nostalgisch erfolgen, sondern er muss die reale DDR-Wirklichkeit widerspiegeln", sagte er der "Leipziger Volkszeitung" (Samstag-Ausgabe).

"Wir müssen aufpassen, dass durch Spielfilme nicht ein falsches DDR-Bild entsteht und konserviert wird", mahnte Althaus ein.

Kritik an den Fernsehshows übte auch der ehemalige DDR-Bürgerrechtler Günter Nooke. Er wolle "eine brutale Frage stellen: Was wäre denn in diesem Land für ein Geschrei, wenn nicht Kati Witt eine DDR-Show, sondern zum Beispiel Johannes Heesters eine Dritte-Reich-Show moderieren würde?" fragte der medienpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag-Ausgabe).

Ein Alltagsleben habe es "auch in der braunen Diktatur" gegeben. DDR-Shows dürfe es geben, meinte der CDU-Politiker. Aber der entscheidende Punkt sei, dass der Alltag in einer Diktatur nicht so dargestellt werde, als hätte es nur das Alltagsleben und nichts anderes gegeben.

"Die DDR war eine Diktatur, die Macht hatte das Politbüro", sagte Nooke. Eine DDR-Show sei auf jeden Fall eine Gratwanderung. "Wenn die Sender nur tolle Quoten wollen, dann habe ich arge Bedenken."

Mit "aufgeschlossener Skepsis" beobachtet den DDR-Fernsehboom der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger. "Die ideologischen Interpretationen haben in den letzten ein, zwei Jahren praktisch ihre Kraft verloren."

Mit den massenmedialen Formaten bestehe nun die Chance, sich unvoreingenommen mit der DDR zu beschäftigen. Gleichzeitig sei die Gefahr der Boulevardisierung jedoch groß, sagte Krüger.

Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) warnte zum 42. Jahrestag des Mauerbaus am vergangenen Mittwoch vor einer Verklärung der DDR. "Wir müssen aufpassen, dass die DDR nicht Kult wird."

Menschen hätten die Tendenz, sich in der Rückschau nur an das Positive zu erinnern. Dagegen helfe nur Aufklärung, so Wowereit.

 

Lanie

#20
Ich freue mich riesig das dieser Topic so gut geworden ist, allerdings ist er so gut, das ich nichts mehr dazu sagen kann. Manchmal ist halt das beste schon gesagt. ...


Danke für euren IQ.

Bassmeister

Auch Negativ-Werbung ist Werbung und die braucht der Osten (leider) immer noch dringend. Eigentlich bin ich strikt gegen dieses gespaltene Denken (14 Jahre danach!!!), aber wenn es jetzt schon in aller Munde ist - wer intelligent ist, der hinterfragt es und sucht die Wahrheit (was steckt dahinter) und wer dumm ist, läuft eh nur mit und dann isses auch egal.
[size=9]Nicht alles, was zwei Backen hat, ist ein Gesicht...[/size]

Sandra

#22
Zitatwer intelligent ist, der hinterfragt es und sucht die Wahrheit (was steckt dahinter) und wer dumm ist, läuft eh nur mit und dann isses auch egal
Naja, das halte ich aber für bedenklich - wer "dumm ist" läuft nicht nur mit - sondern ist ein Mitläufer - und gerade in Deutschland sollte man doch inzwischen gelernt haben, wie gefährlcih die sind - viel schlimmer, als die Vorne-weg-läufer, in vielen Fällen!
Aber Du hast  Recht, wenn du sagst, Werbung tut not - nur die Frage ist, ob es DIESE Art von Werbung ist, denn die verherrlicht nur Vergangenes, anstatt Gegenwärtiges.

Bassmeister

Völlig klar, nur finde ich das eben wie es jetzt läuft - zumal es wahrscheinlich nur eine Mode-Phase ist - eben besser, als nur in DDR-grauen Depressionen zu versinken. Zugegeben, das ist jetzt auch übertrieben, aber ein bißchen ist das schon so.

Bisher war es so, daß die Ost-Erzeugnisse in den Supermärkten eher ein Schattendasein führten oder sogar versteckt(!) wurden. Daß dies mal ein wenig aufgemischt wird, finde ich ganz prima!

Das mit dem Mitläufern ist völlig richtig, aber die gibts immer und überall. Das wollte ich damit sagen. "Ist egal" nehme ich zurück, aber das tangiert unser Ostalgie-Thema nicht, das muß auf einer anderen Ebene diskutiert und bekämpft werden.

Beides - der "Ossi-Wahn" und der "Mitläufer" sind doch wahre Fundgruben für neue Chansons, oder?

(ich wünschte ich wäre schon soweit, selber welche schreiben zu können!)
[size=9]Nicht alles, was zwei Backen hat, ist ein Gesicht...[/size]

Sandra

Stimmt, da hast du Recht. Ausserdem habe ich mir gerade gedacht, beim Durchlesen, dass es vielleicht auch ein Merkmal unserer Zeit ist (oder rede ich jetzt wie eine alte Oma?) dass so viele Dinge zum Hype stilisiert werden, die letztlich überhaupt keine Bedeutung haben - es wirklcih NUR Mode - ohne, dass dadurch etwas langfristig verändert wird. Ich meine - nur zB -  als die "Mode" des "Frauen tragen Hosen " aufkam, wurde es hitzigst diskutiert, und letztlich hat es etwas zur Befreiung der Frau beigetragen - die Gesellschaft wurde längerfristig gesehen durch diesen "Hype" - wenn es denn einer war - auch mitverändert. Aber inzwischen gibt es eben Hypes, wie die Ostalgie oder die FlashMobs, die zwar einen Keim zur Veränderung in sich tragen würden - der aber nicht wahrgenommen wird, weil der Hype eben enorm oberflächlich abgehandelt wird.
Andererseits fällt mir gerade ein, dass die Military-Kleidung (oder, in Berlin die Knast-Kleidung) zwar Mode ist - aber nicht so  offensiv gehyped wird - und möglicherweise doch etwas beiträgt zur Veränderung: Kriegshandwerk wird dadurch banalisiert, es wird  der Abscheu davor genommen -  auch die "Kleidung für arme Leute" ist "in" - bedenklich, bedenklich. Durch die Banalisierung bekäpft man die Brisanz. (Eigentlich eine Binse, oder?)
Ich mein, ich weiss nicht, ob das stimmt - aber es fiel mir gerade auf, dass das sein könnte. Vielleicht sind Hypes weniger gefährlich als Modeerscheinungen - wenn man das so gegeneinander abgrenzen kann. Und wenn das stimmt, dann ist die Ostalgie wirklcih nur noch eine Seifenblase...

Öh...ich merke gerade, dass ich laut gedacht habe - man sollte leise denken und kürzer schreiben... :-[ :-X