La vita e bella - pro und contra

Begonnen von Peter Silie, 18. März 2004, 06:09:43

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Peter Silie

So, jetzt hab ich einfach einen eigenen thread dafuer aufgemacht.

Also...
ZitatAlso, die zweite Hälfte von La Vita é bella ärgert mich. Die erste find ich super schön,aber dann: Haben wir es nötig, uns einen Film anzuschauen, der ein "so stellt sich der kleine Maxi die böse Welt vor-KZ" BENÜTZT, nur damit er eine Geschichte erzählen kann? [...] um herzzerdrückende Pappaliebe zu erzählen und herzige Kinderaugen zu zeigen.

Wie ich den Film zum ersten Mal im Kino gesehen habe, hab ich Rotz und Wasser geheult!
Ich fand es voellig in sich schluessig, dass in dem Film die Grausamkeit und der ganze Horror des KZ eben nicht explizit dargestellt wird, sondern latent vorhanden ist und ab und zu aufblitzt.
Ist es nicht total ergreifend, wenn Giosue seinen Papa fragt, ob es stimmt, dass "sie aus uns Seife machen"?
Ist es nicht schrecklich, wenn Guido seinem Sohn befiehlt, er soll so wie die anderen duschen gehen - aber Giosue widersetzt sich zum Glueck?
Ich glaube, der Film setzt voraus, dass der Zuschauer Bescheid weiss ueber den Holocaust und ueber KZs und was fuer unsagbar entsetzliche Dinge dort geschehen sind.
"La vita e bella" hat, meine ich, nicht den Anspruch, ein komplett realistisches Bild vom Leben im KZ zu zeichnen. Das Grauen spielt sich in den Koepfen der Zuseher ab, in ihren Assoziationen. Jedenfalls ist es mir so gegangen.
Umso staerker fand ich die unglaubliche Liebe und Hingabe mit der Guido versucht, seinen Sohn vor dem Grauen zu bewahren. Ich finde es wahnsinnig traurig-schoen, dass er sich opfert, um die Seele seines Sohnes zu retten.
"It's all a question of love" sagt Benigni, und ich finde wirklich, es ist ein genialer Film ueber Liebe. Und das Drehbuch ist so raffiniert, dass man beim ersten Mal sehen gar nicht alles bewusst erfassen kann, glaube ich.
Es aergert mich bis heute noch, dass La vita nicht den Drehbuch-Oscar bekommen hat - sondern Tom Stoppard fuer "Shakespeare in Love", ein script das ich fuer weitaus seichter und bestimmt nicht besser halte.

Natuerlich, wenn man als Zuseher keine Ahnung hat von KZs und Holocaust, dann lasse ich mir einreden, dass der Film eventuell verharmlosend oder verfaelschend wirken koennte.
Vom Europaeischen Publikum sollte man jedenfalls annehmen koennen, dass es diesbezueglich gebildet ist.
Beim Amerikanischen bin ich mir nicht so sicher - siehe Nase's letzter Eintrag im "Filmtipp"-thread.[/color]

Sandra

Ich fand den ersten Teil bezaubernd. Liebe wird hier wunderschön gezeigt und der Film hat eine Leichtigkeit, die ihm dann inm zweiten Teil zum Verhängnis wird - Wie du richtig sagst, erzählt der Film die Geschichte einer Liebe - und der Holocaust wird zum Hintergrund, vor dem die Hauptgeschichte spielt. Und mir persönlich ist das Thema zu heikel, um als Hintergrund genommen zu werden. Das ganze spielt natürlich in der italienischen Variante von "KZ" - und DIE ist noch verharmlost.  Das halte ich für rücksichtslos, und latent gefährlich, da es verharmlost. Eine Liebe die Widerständen trotzt und die beschützt kann man vor anderen Hintergründen auch erzählen. Der Film BENÜTZT den Holocaust, und das nehme ich ihm übel. Gerade die Leichtigkeit, die der ersten Hälfte so eine heitere Melancholie gibt, ist in der zweiten Hälfte für mich persönlich eher verletzend - denn auch da hat der Film diese heitere Melancholie. Ganz abgesehen davon, dass man sich zwar vielleicht denken kann, dass alles etwas schlimmer ist - aber nicht eine Sekunde lässt der Film aufblitzen, WIE schlimm es ist. Die Figuren, die mitspielen, bleiben im Schatten, nur Vater, Mutter Kind sind die Hauptpersonen - alle anderen, alles andere, was passiert, ist Staffage. Und das bei einem Thema, das bei weitem noch nicht jedem klar ist.
Es wird ein trauriger Nazi gezeigt, und alle anderen Figuren bleiben blass - ausser den Hauptfiguren. Das sit bei jedem anderen Film okay und meinetwegen. Aber wenn etwas im KZ spielt, finde ich, sollte das KZ auch eine Rolle spielen, die mehr bewirkt, als dass man sich nachher denkt: Ach, was für ein entzückender Vater.

Choirgirl

Ich kann mich wie gesagt nicht mehr an viel erinnern. Aber ich weiß noch, dass ich an der Stelle, wo er sich als Frau verkleidet, um seine Frau zu treffen und dann mit diesen Scheinwerfern entdeckt wurde, etwas gelacht habe. Es sah eben komisch aus. Kurze Zeit später wurde er erschossen und ich habe mich natürlich für mein Lachen geschämt.

Das war glaube ich bewusst so konstruiert (auch an anderen Stellen), damit es mehr schockt.

ZitatDer Film BENÜTZT den Holocaust, und das nehme ich ihm übel.

Dieses Gefühl hatte ich bei "Meschugge". Hast du den gesehen?
Computer says no.

Sandra

Nö, leider (oder G+ttseidank?) nicht. Aber ich möchte jedem hier aller-allerwärmstens den "zug des lebens" ans Herz

Choirgirl

Den hab ich gesehen und fand ihn blöd. Ich weiß aber nicht mehr genau warum, ist schon ne Weile her. Vielleicht sollte ich ihn mir noch mal ansehen.
Computer says no.

Peter Silie

Zitatmir persönlich ist das Thema zu heikel, um als Hintergrund genommen zu werden. Das ganze spielt natürlich in der italienischen Variante von "KZ" - und DIE ist noch verharmlost.  Das halte ich für rücksichtslos, und latent gefährlich, da es verharmlost. Eine Liebe die Widerständen trotzt und die beschützt kann man vor anderen Hintergründen auch erzählen.
Ich glaube das war ja die Idee hinter dem Drehbuch, die Protagonisten in eine ganz schreckliche Umgebung und eine aussichtslose Lage zu bringen und zu zeigen, dass trotzdem die Liebe immer noch maechtiger ist, als alles andere.
Und was koennte schrecklicher und auswegloser sein als das KZ?
Zitataber nicht eine Sekunde lässt der Film aufblitzen, WIE schlimm es ist
Na es gibt schon einige Sekunden, die ganz schoen heavy sind. Aber du hast recht,  sie sind stilisiert - so wie alles im Film.
Wenn ich so darueber nachdenke - in gewisser Weise zeigt der Film das KZ weitgehend so, wie der kleine Giosue es wahrnimmt - das aergste Grauen bleibt ihm erspart, seine kindliche Seele wird nicht zerstoert.
Ich meine - der Film wuerde nicht funktionieren, wenn wir aufeinmal dauernd explizit sehen wuerden, wie Menschen gedemuetigt, gequaelt, getoetet werden.
Das spielt sich eher im Hintergrund ab. Aber es ist bedrueckend wahrnehmbar. So habe ich es jedenfalls empfunden.
Und wahrscheinlich lebt ein Zuschauer, der selber Papa ist, auch besonders mit Guido mit  :) :'( :'(
Es ist halt ein schoenes Maerchen fuer Erwachsene - und ich finds genial.
Und die Musik erst! Der Grossteil des scores besteht aus 2 (zwei!) ganz einfachen Melodien, einem 8- und einem 16-Takter, und die sind irrsinige Ohrwuermer und tragen den ganzen Film. Oscar fuer Piovani redlich verdient, finde ich. Sooo schoen![/color]

Bastian

Sandra schrieb:
ZitatDie Figuren, die mitspielen, bleiben im Schatten, nur Vater, Mutter Kind sind die Hauptpersonen - alle anderen, alles andere, was passiert, ist Staffage.
Das ist auch mein Hauptproblem mit diesem Film. Ich habe nicht mehr alles so deutlich in Erinnerung, aber die eine Szene, wo der Vater das Gebrüll des Aufsehers "übersetzt" und die ganze Baracke voller Männer dazu schweigt... Das ist Slapstick vor einer grauenhaften Kulisse. Da sitzten erwachsene Männer auf ihren Pritschen und hören dem Vater zu, wie er seinem Sohn beibringt, dass alles nur ein Spiel sei. Und sie wissen es besser. Seltsamerweise scheint aber keiner von ihnen damit ein Problem zu haben.

Vielleicht ist dieser "Effekt" gewollt. Ich wüsste aber nicht, warum man das wollen sollte!! Wahrscheinlich hätte es aber nur den Film gestört, wenn man sich um die anderen auch noch hätte kümmern müssen. So hat man sie einfach weiter als Staffage benutzt. Weil's sonst zu kompliziert geworden wäre. Und dieser Umgang mit den anderen Figuren passt mir überhaupt nicht. Das macht mir den Film kaputt. Und verhöhnt- wenn auch ungewollt- die Realitäten.

Der Anfang ist schön, der Schluss: ("Mama!") ist herzergreifend, aber dazwischen stört mich einiges.

Nase

Ich glaube als Außenstehendem wird einem die Stimmung in den KZs nie ganz klar erscheinen. Das ständige Leben zwischen sicherer und eventueller Ermordung erzeugt aber bestimmt eine ganz eigene Lebenseinstellung.
Und gerade diese hat erstaunlicher Weise sehr viel mit Humor zu tun - man betrachte beispielsweise gewisse jiddische Witze etwas genauer.
In dieser "Tradition" haben sich eine ganze Menge verschollener oder inzwischen umgeeichter Gags entwickelt, bspw. über die Gefängniswärter oder natürlich den Nationalsozialismus im allgemeinen.
Und Humor ist in dieser Beziehung, so glaube ich, kein Verdrängen sondern ein bewusstes künstlerisches und geistiges Aufarbeiten der Geschehnisse. Es gibt genug alte Menschen, ehemalige KZ-Insassen, die so zu einem normalen Leben zurückgefunden haben - durch den Witz.
Ich liebe "La vita è bella" und ich habe kein schlechtes Gefühl, wenn ich ihn mir ansehe. Denn ich weíß, dass es genug betroffene Menschen gibt, die vielleicht genau wie ich über diesen Film von Herzen lachen und weinen können.
Und ich glaube, Begnini ist es gelungen nicht nur ein Stück Hollywoodgeschichte zu schreiben sondern vor allem neue Maßstäbe im Bereich Qualitätsfilm & gehobene Unterhaltung zu setzen.
Nur eins, mein Bester; in der Welt ist es selten mit einem Entweder-Oder getan; die Empfindungen und Handlungsweisen schattieren sich so mannigfaltiglich, als Abfälle zwischen einer Habichts- und eine

Nilepile

Also ich finde "La vita è bella" einen der besten Filme aller Zeiten - ein geniales Gesamtkunstwerk. Wer den tausendsten Dokumentarfilm über Konzentrationslager erwartet, wird natürlich enttäuscht. Das isser nicht und soller auch gar nicht sein.