Freut Euch, Ihr Liedersänger....

Begonnen von Sandra, 02. Mai 2004, 22:34:04

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Bassmeister

#25
ZitatEigentlich könnte ich sogar das erstere sagen - ich darf mich nur nicht wundern, wenn das dann die längste Zeit meine Freundin war.

Das ist es! Es gehören nämlich immer zwei dazu, einer der verletzt und einer, der sich verletzen läßt.

Ein uraltes Gesetz von Ursache und Wirkung: Wie ich in den Wald hineinrufe, so schallt es zurück.
Es gibt nichts, was ich nicht darf, vorausgesetzt, ich kann mit den Konsequenzen (dem Echo) leben.

So ähnlich drückt sich auch die Bibel aus: Da steht nicht "du darfst nicht...", sondern (sinngemäß) "du sollst nicht..., auf daß es dir wohl gehe und du lange lebest auf Erden."

Und : ein alter Schwertkämpferspruch sagt "Was sehrt, das lehrt." - wenn ich mich verletzt fühle, guck ich meistens erst mal nach, warum, was ich eventuell getan oder gesagt habe, daß mir dies nun widerfährt. Oft geschieht das auch aufgrund der Art, wie ich bin - in Konstellation zu meinem Gegenüber
[size=9]Nicht alles, was zwei Backen hat, ist ein Gesicht...[/size]

Dagmar

#26
Zu allem gehören immer zwei, das ist ja klar. Aber für mich ist es schon in diesem Zusammenhang eine wesentliche Frage, wer am Ende die Verantwortung für die Verletzung zu übernehmen hat. Wenn ich z.B. im Bus stehe, es ist voll, alles stehen da so rum und plötzlich hole ich aus und knalle dem neben mir Stehenden eine runter. Dann kann ich natürlich sagen: Tja da gehören halt immer zwei dazu: Einer der eine runter knallt und einer der sich eine runter knallen läßt. Am Ende würde sowas wahrscheinlich in einer wüsten Keilerei im Bus enden.

Na ja - ist jetzt ein bißchen weit her geholt, was ich eigentlich sagen will: Ich muß mir doch darüber klar sein, dass wenn ich - nur mal als Beispiel - mit meiner erzkatholischen Schwiegermutter Tee trinke und dann plötzlich sage: Sach' mal, wieso hängt eigentlich die angenagelte Leiche da über Deiner Tür, die Frau tief verletze. So naiv kann ja niemand tun.

Um nochmal zu unserem Ausgangspunkt zurück zu kehren: Meinetwegen kann irgendwer irgendwo ein Stück auf die Bühne bringen und es 'die angenagelte Leiche' oder sonstwie nennen. Es steht jedem frei, diesen Ort zu meiden, wenn er meint das sei unzumutbar.

In einem Dialog mit anderen aber, von denen ich u.U. sogar weiß, dass sie sehr religiös sind, mitten im Satz "angenagelte Leiche" zu sagen, läßt meinem Gegenüber ja gar keine Wahl mehr zu sagen "das will ich nicht hören, das ist für mich unzumutbar, da gehe ich nicht hin", weil er ist ja schon da, und es ist ja schon ausgesprochen (das meinte ich mit dem Bus). Und DA finde ich eben eine etwas sorgfältigere Wortwahl angesagt. Es sei denn, ich will halt unbedingt provozieren. Nur warum?
Je fester dir einer die Wahrheit verspricht, in Programmen und Predigten, glaube ihm nicht. Und geh' zu den Gauklern, den Clowns und den Narr'n: Dort wirst du zwar nix, doch das in Wahrheit erfahr'n.

Sandra

ZitatSo ähnlich drückt sich auch die Bibel aus: Da steht nicht "du darfst nicht...", sondern (sinngemäß) "du sollst nicht..., auf daß es dir wohl gehe und du lange lebest auf Erden."

Genau. timscha steht im Original. Und das heisst etwa: Du mögest nicht/Du möchtest nicht

Und @ Dagmar: Klar, wenn ich mit jemandem rede, von dem ich weiss er ist erzkonservativ und/oder superfundamentalistisch, muss ich mich vorher entscheiden, warum ich was sagen oder nicht sagen möchte.
Aber wenn ich mein Kind in eine Schule schicke, möchte ich nicht, dass ihm dann ständig im Klassenzimmer die halbnackte Leiche vor der Nase rumhängt - und DANACH fragt keiner.
Es ist immer Ermessenssache, und man muss den Leuten nicht unbedingt immer mit dem Arsch ins Gesicht fahen - ausser, es ist einem wichtig aus irgendwelchen Gründen. Dann muss man aber, siehe oben, auch bereit sein, die Konsequenzen zu tragen.
Aber Rücksichtnahme hat auch immer zwei Seiten, und nicht immer ist just der, der etwas in Frage stellt, auch der Böse, weil er jene, die etwas "immer schon so hatten" mit diesem in Frage stellen verletzt.
Oder so.
Ist natürlicih ein schwieriges Thema, um es abstrakt abzuhandeln, denn es ist ja von Fall zu Fall verschieden. Aber im Zweifelsfalle trete ich persönlich für die Freiheit der Rede ein.

Bastian

#28
an Dagmar: Nun ja, ich würde Dir recht geben, wenn in dem Begriff "angenagelte Leiche" eine Wertung enthalten wäre. Die sehe ich hier nicht, und ich habe auch Wert darauf gelegt, keine Wertung hineinzuschreiben. Wenn es jemanden schockiert hat, dass ich diesen Begriff benutzt habe, dann doch am meisten deswegen, weil es ein grausamer Vorgang ist, Menschen an ein Kreuz zu nageln. Dafür lasse ich mich nicht verantwortlich machen.

Jesus, so es ihn gegeben hat, ist am Kreuz gestorben. Folglich war er knappe drei Tage lang eine Leiche. Den ersten Tag auch angenagelt. Und auch das habe nicht ich mir ausgedacht, es wird in jeder Kirche erzählt. Auch dass er "für uns" gestorben sei, wird dort gesagt, und das möchte ich nicht mehr hören. Für mich musste niemand sterben! Und ich hoffe, dass das so bleibt.

Ich verstehe die Kritik an meinen Äußerungen, ich teile sie aber nicht. Auch ertrage ich, dass ich verglichen werde mit einem Schläger in einem Bus, der anderen unangekündigt eine runterknallt. Auch nicht gerade verschämt, oder? Dieses Bild verwendest Du im Zusammenhang mit "meiner" "angenagelten Leiche", also muss ich es auf mich beziehen. Ich könnte mich darüber auch aufregen, aber es ist mir egal.
ZitatUnd DA finde ich eben eine etwas sorgfältigere Wortwahl angesagt

Wie geht das zusammen, Dagmar?

Wie dem auch sei, das einzige, wo ich zugebe, dass ich so etwas ähnliches wie "persönlich" geworden bin, war die Passage mit den Sandristen... und Dagmen. Wirklich nicht sehr gelungen, aber keineswegs bös gemeint. (ber auch erst nachdem man mich dogmatisch und fanatisch genannt hat) Weil ich behauptet hatte, es gebe Gott nicht. Tja...

Dagmar

#29
Holla die Waldfee, nu geht's aber zur Sache! Da siehste mal, wie emotional dieses Thema sofort wird - nichts anderes wollte ich ausdrücken.

ZitatNun ja, ich würde Dir recht geben, wenn in dem Begriff "angenagelte Leiche" eine Wertung enthalten wäre. Die sehe ich hier nicht

@Bastian:
Also hör' mal - nee wirklich, also weißte... Das kannst Du mir doch nicht im Ernst erzählen wollen, dass Du Dir nun gar nicht vorstellen kannst, dass der Begriff 'angenagelte Leiche' bei 9 von 10 Leuten, für die Christus das Größte ist, Verletzung mindestens Empörung auslöst. Ich hab' mal 'nen Spruch gelesen, den fand' ich klasse: Nicht die gute Absicht zählt, sondern die Wirkung.

ZitatAuch ertrage ich, dass ich verglichen werde mit einem Schläger in einem Bus, der anderen unangekündigt eine runterknallt. Auch nicht gerade verschämt, oder? Dieses Bild verwendest Du im Zusammenhang mit "meiner" "angenagelten Leiche", also muss ich es auf mich beziehen. Ich könnte mich darüber auch aufregen, aber es ist mir egal.

Nichts davon habe ich sagen wollen, und es tut mir sehr leid, wenn ich mich so unglücklich ausgedrückt habe, dass Du da einen Vergleich zwischen Schlägern im Bus und Dir ziehst. Darüber bin ich reichlich schockiert. Es war nicht meine Absicht, diesen Vergleich zu ziehen, ich habe ihn nicht mal gedacht. Sorry  :-/

Ich hab' Dich nicht dogmatisch und fanatisch genannt, weil Du behauptet hast, Gott gibt's nicht. In keiner Weise denke ich das! Ich verstand nur Deinen scharfen, mindestens sehr ironischen Unterton nicht:

ZitatWie plump von mir das zu behaupten, wo ich es doch gar nicht beweisen kann. Wie unwissenschaftlich, und doch blasphemisch...  

Ich hätte ein wenig rücksichtsvoller sein können.

Es geht mir um die Art und Weise. Warum diese Ironie? Was ist die eigentliche Zielrichtung? Was sagst Du denn mit diesen ironischen Sätzen eigentlich aus? An wen richtet sich die Ironie und warum? Nur darum ging's mir. Und nur das meine ich, wenn ich von sorgfältiger Wortwahl bei einem derart hoch emotional besetzten Thema rede.

Du reagierst arg angepiekt auf meine postings - das hat ja einen Grund: Deshalb nochmal:

Es war weder meine Absicht, Dich zu verletzen und auch nicht, Dich zu provozieren. Ich bedau're sehr, wenn das anscheinend trotzdem passiert ist.
Je fester dir einer die Wahrheit verspricht, in Programmen und Predigten, glaube ihm nicht. Und geh' zu den Gauklern, den Clowns und den Narr'n: Dort wirst du zwar nix, doch das in Wahrheit erfahr'n.

Bastian

#30
 :-*Ich bin doch nicht wirklich angepiekst :-*. Ich wollte nur einmal verdeutlichen, wie leicht es ist Gründe zu finden, wenn man sich selbst verletzt fühlen will. Darum gings mir.

Zur Ironie:
Ich finde es sehr interessant, ich hätte im selben Brustton der Überzeugung sagen können: "Ich glaube an Gott" und nix wäre passiert. Ich darf auch an ihm zweifeln, das gehört zum guten Ton. Hauptache das Schaf rennt voraussichtlich irgendwann zur Herde zurück. Auch hätte ich die Frage offen lassen können, ob es ihn gibt oder nicht. Das machen viele so, weil "man nie wissen kann". Und weil es sehr intelligent wirkt. Ausserdem muss man sich nicht rechtfertigen.

Wenn ich aber sage "es gibt ihn nicht" dann klingt es banal und zugegebenermaßen weniger intelligent (warum eigentlich?), aber plötzlich muss ich Rücksicht nehmen, weil viele andere andrer Auffassung sind. Dabei ist es doch eine von vielen möglichen Einstellungen. Aber dann rennt das mutige Rehlein "Solidarität" sofort in die Gruppe zurück. Weil es nach Mission klingt, wenn jemand Gott "leugnet". Denn man muss ihn "leugnen", er ist ja vielleicht doch da...Und alle sind sich einig: so darf man das nicht. Nur mit "vielleicht" und "wenn" und "andererseits".

Ich will auch niemanden verletzen, es ist nicht meine Absicht. Nur wieso verletze ich damit jemanden? Liegt das denn wirklich nur an mir? Ich spüre im Gegenteil einen doch recht hohen Druck, der aus schlechtem Gewissen und Gruppendynamik zusammengedampft wird. Sei doch kein Polemiker, es tut weh, du bist so rücksichtslos... bis hin zu: ...ich hab ja kein Problem damit, aber vielleicht ein anderer... ...beleuchte es doch mal von zwei Seiten, oder dreien... Dabei ging es mir nur um meine Auffassung. Als eine unter vielen.

Und da messen wir alle mit zweierlei Maß. "Dein Reich komme, dein Wille geschehe...  ...gib uns Brot, vergib uns unsere Schuld... erlöse uns von dem Bösen...

Wer hat mich damals geschont? Niemand, und das ist auch völlig legitim. Jeder soll das glauben, was er für richtig hält. Jeder. Und die Bissigkeit, tja, ich reg mich eben noch auf über das Hineinpfuschen in anderer Leute Dinge. In Italien sollten die Theorien Darwins aus den Schulbüchern genommen werden. In Madrid werden vorlaute Künstler vermöbelt, In den USA soll der Kreationismus als eine unter vielen möglichen Theorien gelehrt werden, wie eben auch die real existierende Evolution... usw. Da bekomme ich eine Wut. Es war gegen niemanden hier im Forum gerichtet, wenn sich jemand angegriffen gefühlt hat tut es mir leid.

Wenn jemand z.B. behauptet: "es gibt keine Pantoffeltierchen" oder "die Erde ist eine konkave Linse und drüber ein Deckel mit kleinen Löchern drin" fühle ich mich auch nicht persönlich angegriffen. Aber wenn er dann näher kommt, und mich zwingt es auch zu sagen, dann hörts auf. Aber seine Meinung darfs ruhig sein... mich verletzt das nicht, es beleidigt mich nicht.

Also, jeder soll wie er woll.
Lieben Gruß an alle, mir ist soeben das "H" aus der Tastatur gehüpft. Das kommt davon...

Sandra

#31
Ähm, sorry, Dagmar, aber auch wenn manche Menschen den Begriff "angenagelte Leiche" als despektierlich empfinden: es IST eine angenagelte leiche, die da überall herumhängt. Man sagt halt den Namen der Leiche nicht. Aber es ist eine, da fährt die Eisenbahn drüber.
Wenn Andrea (sorry, dass ich Dich jetzt da reinzieh) wo reinkommt, und jemand sagt: Da kommt eine Blinde - dann sagt er auch eine Tatsache. Der Unterton macht die Musik. Ich, die ich Andrea kenne und mag, sage: Da kommt Andrea. Aber sie IST eine Blinde. Das an sich sagt noch garnichts aus. Auch "angenagelte Leiche" würde an sich nichts aussagen - nur ist der allgemeine Konsens gebrochen worden, diese Leiche beim Namen zu nennen - und DAS ist es, was so viele stört.

Aber allgemeine Konsense (Konsensae? Konsensen?) zu brechen ist normalerweise eher positiv - eingefahrene Denkmuster auflösen führt immer zu was Neuem - und wird negativ bewertet.

Das ist so wie mit dem Nestbeschmutzer.
einer scheisst mitten in's Zimmer.
DAS ist NICHT der Nestbeschmutzer.
Aber wenn einer reinkommt, und sagt: Da stinkt's! DAS ist dann der Nestbeschmutzer.

Du geisselst Basti (Und er fühlt sich gepiekt) weil er SEINE Wahrheit gesagt hat, und nebenbei EINE Wahrheit, die SO niemand hören will - weil "man hat sowas nicht zu sagen". Das empfinde ich im Übrigen als ziemlich konservativ, nur nebenbei gesagt.
Andererseits ist Basti auch ein kleinbissi blauäugig, wenn er einen allgemeinen Konsens bricht, und dann über die Reaktion erstaunt ist - das, auch nebenbei gesagt, glaub ich Dir denn doch nicht ganz. Dass Du NICHT ein bisschen die Diskussion aufmischen wolltest. (Was hinwiederum MEINER Denkungsart ziemlcih entgegenkommt)

Nochmal Übrigens:
ZitatNicht die gute Absicht zählt, sondern die Wirkung.  

das Gegenteil von "gut" ist "gut gemeint" sagen wir Juden dazu.

Und zum Sarkasmus: Angesichts der Lage in dieser unserer Welt und was die religiösen dogmatiker da allerorten anrichten, empfinde ich Sarkasmus als eine ziemlich sanfte Waffe.
Ich krieg regelmässig den Totalen Wutzappel, wenn irgendwelche Hyperchristen, oder hypermoslems oder hyperjuden wieder Scheisse bauen und alle anderen Missachten - dann aber für sich SELBST die totale Rücksichtnahme einfordern.

Ich bin viel viel milder mit "G*tteslästerern" als Du, Dagmar, weil die G*ttesanbeter so unglaublich un-mild sind mit uns allen.
Sie sollen ruhig lästern, nicht nur in Theaterstücken - die eh nur diejenigen anschauen, die von vornherein dieser Meinung sind.

Das ist wie beim politischen Kabarett. Eulen nach Athen tragen. Oder indischen alten Frauen sagen, dass Witwenverbrennungen schlecht sind.
Man muss letztlich - ob verletzend oder nicht - seine Meinung DORT sagen, wo sie NOCH NICHT vorherrscht, sonst hat es ja keine Sinn.
Und vor allem: DIE tun es ja auch.

Andrea

Äh irgendwie versteh ich nicht,  an welchem Punkt die Diskussion gekippt ist. Als du, Dagmar, dich von Basti angegriffen gefühlt hast, habe ich gar nicht verstanden, warum, als ich das gelesen habe. Ich empfand die Diskussion eigentlich sehr allgemein gehalten, und auf einmal knistert es, und sie wird persönlich.
Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen der Diskussion vorher und dem Schläger im Bus, denn wenn man miteinander spricht oder streitet, haben beide Teile die Möglichkeit zu reagieren, und da frage ich eher nach Ursache und Wirkung als in dem Moment, wo einer dem anderen eine Scheuert. Da ist dann irgendwann völlig unerheblich, wer angefangen hat.
Die  Geschichte mit der angenagelten Leiche habe ich allerdings auch nicht auf Basti bezogen gelesen und mich gewundert, warum du, Basti, so drauf abgegangen bist. Aber vielleicht wolltest du wirklich nur demonstrieren, wie schnell man etwas persönlich nehmen kann.?
Zum Licht gehört der Schatten, zum Tag die Nacht. Das musst du dir so oft sagen, bis du es weißt und für selbstverständlich hältst. Dann kannst du nicht enttäuscht darüber sein. Denn leben heißt: Das

Bastian


Der tut nix, er will nur spielen...

Dagmar

 :'( :'( :'(

Es ist mir offensichtlich gründlich mißlungen, auch nur für ein Wort verständlich zu machen, was ich überhaupt sagen wollte. Schade!

Wenn's noch was nutzt:

Ich habe mich zu keinem Zeitpunkt während dieser Diskussion angegriffen gefühlt, null komma null.

Ich wollte absolut niemanden "geisseln" - versteh' auch gar nicht wieso das so rüber gekommen ist.

Ich hätte absolut genau das Gleiche geschrieben, wenn Bastian gerufen hätte "Hosianna Gott ist groß"

usw. usw.

ich merke gerade, ich hab' jetzt keine Lust mehr. Irgendwie muß ich mich wohl völlig verquer artikuliert haben  ???
Je fester dir einer die Wahrheit verspricht, in Programmen und Predigten, glaube ihm nicht. Und geh' zu den Gauklern, den Clowns und den Narr'n: Dort wirst du zwar nix, doch das in Wahrheit erfahr'n.

Bastian

Mir gehts ähnlich. Komm, wir gehn...

Dagmar

Je fester dir einer die Wahrheit verspricht, in Programmen und Predigten, glaube ihm nicht. Und geh' zu den Gauklern, den Clowns und den Narr'n: Dort wirst du zwar nix, doch das in Wahrheit erfahr'n.

Andrea

Ich analysiere jetzt NICHT mehr. Sandra, ich denke, wir gehen auch :-).
Zum Licht gehört der Schatten, zum Tag die Nacht. Das musst du dir so oft sagen, bis du es weißt und für selbstverständlich hältst. Dann kannst du nicht enttäuscht darüber sein. Denn leben heißt: Das

Sandra

#38
 :-/ Es beruhigt mich, dass sowas nicht nur mir passiert.
Ein "Brief" wird ja schliesslich auch immer in einem anderen Zustand gelesen, als er geschrieben wird. Und mir ist schon irre oft passiert, dass etwas, das ich nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben habe, plötzlich in völlig falsche Kehlen ging....

Und ausserdem muss ich mal anmerken: Die Diskussionskultur hier in diesem Forum hat grosse Klasse!!
Danke an alle!
Und jetzt geh ich mit Andrea auf einen Kaffee nach Berlin. Wir sind nämlich beide urlaubsreif. :D

Dunkelblaue Dille

Geht nur, geht - der gekrümmte Leser bleibt zurück und wirft röchelnd mit Senf um sich:

Wundert Ihr Euch wirklich, dass der Ausdruck "angenagelte Leiche" von Christen als kränkend empfunden wird?

Es ist doch erschreckend (und damit kränkend): Eine "angenagelte Leiche" ist eine Leiche, die angenagelt wurde - also ein Häufchen Mensch, das schon vor! dem Annageln tot war.

Das klingt wie ein perverses Detail aus irgendeinem schwachsinnigen Horrorstreifen und verleugnet komplett das Leiden eines so martialisch hingerichteten Menschen.

Außerdem unterschlägt es die Geschichte, die für Christen dahintersteckt: Der Mensch, der da gekreuzigt wurde, hat grausam gelitten, um die Menschheit zu erlösen.

Egal ob man an "Christus den Erlöser" glaubt oder nicht: Dass Menschen auf brutale Art und Weise gefoltert und getötet wurden und werden, ist die Wahrheit. Und wenn man solche Gewaltopfer nachher auf ein bloßes Häufchen Material reduziert ("Naja, ist halt eine angenagelte Leiche"), dann versagt man ihnen das letzte bißchen Respekt.

Die Formulierung "angenagelte Leiche" ist vom Tonfall ähnlich gleichgültig und verachtend wie "Die ist so dumm, dass sie quiekt." oder "Dem sollte man wirklich mal die Luft rauslassen.".

Dieser "Scheißegal"-Sprachgebrauch ist ein prima Nährboden für Intoleranz und damit für Gewalt: Wenn man sich nicht einmal die Mühe macht, ein Geschehnis, das für andere wichtig ist, korrekt zu beschreiben, zeigt man einfach, dass es einen nicht interessiert: "Lass mich bloß in Ruhe mit deiner 'angenagelten Leiche' du Christ, du blöder. Das ist dein Problem, wenn Du an so einen Schwachsinn glaubst!".

P.S.: Eine etwas präzisere Formulierung wäre z.B. "Christen hängen sich (Ab-)Bilder ihres zu Tode gequälten Heiligen zur Erbauung an die Wand.". Damit kann man auch zum Ausdruck bringen, dass man "den ganzen Rummel um Christus" nicht nachvollziehen kann. Wenn man unbedingt will. Ich persönlich will nicht.

Sandra

Antwort von Radio Eriwan: Im Prinzip ja - aber der Respekt sollte in beide Richtungen funktionieren - tut er aber selten.
Wenn der heilige Bush (neuester T-Shirt Srpuch: the only bush I trust is my own) etwas anständiger mit dem rest der nicht so katholischen Welt umgänge - oder der heilige Gibson, um nur die offensichtlichsten Beispiele zu nennen - hätte die restliche nicht so katholische Welt vielleicht auch mehr Respekt. Aber irgendwann wird's jedem zu dumm.

Unter anderem auch ein Grund, warum ich persönlich Michael Moore trotz allem liebe: Endlich haben wir auch einen Populisten, der über alles drüberbügelt, was nicht seiner Meinung ist.

Guntram

Ich glaube man muß zwei Dinge trennen:

 :o Gott: Ob es ihn gibt oder nicht ist Glaubessache und die ist so finde ich Privatsache. Da muß (soll) jeder mit sich und seinen Erfahrungen selbst für sich zu einem Ergebnis kommen. Das gleich gilt für die Form des Glaubens an Gott, damit meine ich bete ich überhaupt, wenn ja wie und wo, ist Gott ein älterer Herr mit Bart oder ein Baum oder, oder oder ... das muß jeder für sich entscheiden. Darüber zu Lästern oder sich darüber zu mokieren ist eine persönliche Beleidigung eines anderen. Es ist eine Sache des Respekts und der Toleranz einem anderen gegenüber.

Der Glaubende sollte umgekehrt von niemand verlangen es ihm gleichzutun (d. h. missionieren, siehe auch Religion nächsten Punkt).

Wenn mehrere (viele) Leute das gleiche Glauben endet meist die Toleranz Andersgläubigen gegenüber. Der Glaube wird zur Religion.

:-XReligion: Deckmäntelchen für kleine und große Machtapparate die Andersgläube mit mehr oder weniger verdecktem Druck (Gewalt) dazu zwingen wollen an ihre Religion (nicht Gott, der ist nur vorgeschoben) zu glauben. Einzelne Gläubige sind hier oft noch radikaler anderen ihre Meinung aufzuzwingen als die/der Religionsführer (einige gesonders clevere die mit sehr subtilen Mitteln arbeiten sitzen in Rom, aber nicht nur dort).

Darüber kann man sehr wohl lästern, eben nicht Gotteslästerung sondern Religionslästerung (obwohl der erste Begriff meist das zweite meint, wenn er benutzt wird). Darüber muß man sogar Witze machen und wie allen anderen intoleranten Systemen den Kampf ansagen.

Also (geistige) Trennung von Religion (Kirche) und Glaube und es diskutiert sich leichter.

PS: Zur Leiche mit zwei Holzbalken und vier Nägeln, die Urchristen hätten diese Darstellung von Jesus als mehr als gotteslästerlich empfunden. Das Kreuz war ein Mittel zur Vollstreckung der Todesstrafe. Wir würden heute auch keinen Galgen anbeten. (Wäre Jesus ertränkt worden hätten wir dann alle ein Aquarium ???). Deshalb benutzten die Urchristen auch den Fisch als Symbol für Jesus. Das Kreuz kam erste sehr viel später, zuerst auch ohne Leiche, sozusagen als die Schrecken der Kreuzigung allmählich vergessen wurden. Genauso wie das NT so lange umgeschrieben wurde bis den Päpsten paßte.

Interessant auch wie Rabbies das NT und das Leben Jesu interpretieren. War vor vielen Jahren mal im Stern hat eine völlig neue Sicht ermöglicht.

Kleiner Lesetipp: Peter de Rosa "Gottes erster Diener" und "Der Vatikan von Gott verlassen"
Träume sind nicht Schäume, sind nicht Schall und Rauch,
sondern unser Leben so wie wache Stunden auch.
Wirklichkeit heißt Spesen, Träume sind Ertrag. Träume sind uns sicher schwarz auf weiß wie Nac

Bastian

#42
an Dille: Ich hatte mich eigentlich ausklinken wollen, aber:
ZitatDass Menschen auf brutale Art und Weise gefoltert und getötet wurden und werden...
DAS ist die Blasphemie, nicht das man einen Toten eine Leiche nennt. Und dass man noch dazu sagt, er hätte sein Leben FÜR UNS lassen müssen, ist schlicht und ergreifend Mißbrauch eines Toten.

"Du Christ, du blöder" wäre im Übrigen nicht meine Wortwahl. Auch "Dem sollte man wirklich mal die Luft rauslassen." nicht. Das hat eine andere Qualität als die "angenagelte Leiche", und Sätze dieser Art hab ich hier bisher im Thread nicht gelesen.

Sandra

#43
@ Guntram: erstma: *Applaus*
Kann ich nur vollinhaltlich unterschreiben. Für uns Juden ist Jesus eine fussnote, noch ein Meschuggener, den irgendwelche anderen Meschuggenen für den Messias gehalten haben. - Nur, Problem ist, DER hatte eben 12 coole PR-Typen, die seine Promo übernommen haben.

Übrigens, genial, der Sager mit dem Aquarium.
Ich spinne den Gedanken sofort weiter: Was, wenn einer der Selbstmordattentäter heute auch so geniale PR nach seinem Tod (notabene zum Teil HUNDERTE jahre nach seinem Tod - angefangen hat es sowieso erst so an die 30 Jahre danach) also, wenn ein Selbstmordheini nach seinem Tod gute PR hat, und dann ein Heiliger wird - hängt man sich dann die ganze Wand herum rote Stofffetzen auf? oder wie?

Es ist das Konzept, dass man - siehe auch Gibson-Film - mehr den TOD des Helden verherrlicht, als dessen Leben davor, das so viele Menschen dazu bringt, sich doch eher abfällig zu äussern, über die Art der Religionsausübung.
Nun ist das Christentum bekanntlich nie eine Religion des Lebens gewesen - übrigens auch nachzuhören im genialen GK-Sketch "Zweck der Kirche" auf der Platte "Hurra, wir sterben" - sie (Die Religions"inhaber", also die Institution der Kirche) leben von der Angst vor dem tod.
Und die Muslime von der Freude&Erwartung auf den Tod. Die Juden und die Buddhisten sind die Einzigen, die das Leben in den Mittelpunkt stellen - die Buddhisten allerdings erst das nächste  ;), die  Juden jedenfalls reden expressis verbis vom "lebendigen G*tt" - und vor allem: man tut, was man tut, nicht, um im Tod oder im nächsten Leben was davon zu haben, sondern um JETZT "G*ttgefällig" zu sein.

Ich weiss, das ist jetzt sehr pauschalisierend - aber trotzdem - im Kern ist es auffällig, auf welche Weise die verschiedenen religionen mit Tod/Leben umgehen, wo der angebliche und wo der Tatsächliche Wert liegt etc..

(... themawechsel)

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Unterschied zwischen Katholen und Protestanten.
Ist Euch schon mal aufgefallen, dass man die jeweils der einen Form des Christentums zugewandten Länder ziemlich genau charakterisieren kann?

Die eher Evangelischen Länder (USA, Schweiz, Holland, teile Deutschlands und so) neigen eher dazu, nach aussen eine grössere Freiheit zu postulieren, wenn man genau schaut, sind die Leute aber viel "gleicher" in ihrer Art, sie sind cooler aber eben auch angepasster, die Nachbarn/Familie/Schule etc üben einen grösseren (und subtileren) Druck aus, sich "angepasst" zu verhalten,  (in Holland & Amerika zB kannst du von aussen bei den Wohnungen schon Wetten abschliessen, wo das Sofa steht) und es geht mehr um's "Machen" (dort fragt man: Was machst Du - nicht, wie geht's Dir)
Die Katholischen indes ( Italien, Spanien, Österreich, Polen etc) haben nach aussen die strengeren Regeln, wenn Druck, dann sehr offensichtlich, und das erzeugt bekanntlich Gegendruck und so gibt es auch mehr Individualismus, grössere Körperfreiheit, mehr Genusssucht, Essen,Trinken ist gross geschrieben - und es geht mehr um's "sein", wie fühlst du Dich, wie geht's Dir, wird gefragt. (Ausnahme ist England, die verschiedene starke evangelische Religionen haben - die haben, vielleicht durch das Inseldasein, dem Spleen zu Ehren verholfen)
Ich nehme an, das hat mit der Beichte zu tun. Dieses Konzept von: Du sprichst es Dir von der Seele, dann betest Du, und dann ist Dir vergeben. Ich mein, ich weiss es nicht, aber die kulturellen Unterschiede fallen mir auf.
Jedenfalls ist das eine Pauschalierung, die ich oft und oft bestätigt finde. Hie Grossbürgertum, da Gleichheit des Volkes, Hie Genuss und Völlerei, Nackbaden ist normal, da anständig angezogene, höfliche saubere Menschleins, hie aussenbezogenheit, chic, Modediktat, da innenbezogenenheit, arbeit, und extreme Gegenbewegung: Punks.

So.
Und jetzt fallt alle über mich her.

Andrea

So hab ich mir das noch gar nicht überlegt - das mit den Ländern und den beiden christlichen Glaubensrichtungen. -
Köln z.B. ist katholisch, und trotzdem gehen mir die Leute nicht so auf die Nerven wie im katholischen Wien. In Wien sind die Kümmerer zu Hause. Das sind die, die sich um alles kümmert, was sie eigentlich nichts angeht. Das war eine Spontan-Ansage von mir 1997 bei meinem, glaub ich, letzten Konzert in Wien. Davon gibt's noch eine Live-Aufnahme. Deshalb weiß ich die Ansage noch und werde sie immer wieder bringen, weil sie so auf Wien zutrifft. Im katholischen Köln wird man nicht dauernd von Nachbarn, der Hausverwaltung, den Omas im Park... angefeindet, weil man eine Hundepfeife hat, weil eine Matratze vor der Tür steht, weil man laut war, weil man die Treppe nicht gekehrt hat... Weil man existiert. Ob hier eher: "Was machst du?" oder "Wie geht's dir? Wie fühlst du dich?" gefragt wird..., ich glaube eher: "Was machst du." Aber wir sind ja schon fast an der holländischen Grenze. Eine Stunde, und du bist in Mastricht? Fenloh? Wo auch immer. Und ich war eigentlich in den letzten sieben Jahren viel zu selten in Holland, nur letztes Jahr auf Chirmonnikoog. Das war geil. Daher kommt das Bild mit Smokey und den Seehunden auf meiner Homepage. Vielleicht schaff ich's ja diesen Sommer nochmal dorthin...
Österreich , Bayern und die schwäbische Ecke sind, glaub ich, alles katholische Länder bzw. Bundesländer.  Das sind die Gebiete, in denen man immer damit rechnen muss, dass man seine Energie auf den Gegendruck, den man verbreiten muss, lenken wird. Ich glaub, das finde ich nicht gut. Jedenfalls finde ich es nach meinen Erfahrungen in Wien nicht gut, weil ich dort täglich Gegendruckvoll reagieren musste. Das ist verdammt anstrengend.
Berlin ist, glaub ich, evangelisch. Oder?
Zum Licht gehört der Schatten, zum Tag die Nacht. Das musst du dir so oft sagen, bis du es weißt und für selbstverständlich hältst. Dann kannst du nicht enttäuscht darüber sein. Denn leben heißt: Das

Sandra

Ich glaube, dass Deine Erfahrungen in Wien aber auch einiges mit der Person zu tun haben, die Du damals warst, meinst du nciht? Ich hab jedenfalls all diese Schwierigkeiten nie.

 
ZitatOb hier eher: "Was machst du?" oder "Wie geht's dir? Wie fühlst du dich?" gefragt wird..., ich glaube eher: "Was machst du."

öh..ich dachte, auf überall in Deutschland sagt man immer noch: Hallo, wie geht's.  - Oder nicht?
Auf english sagt man "How do you do?"  In der Schweiz sagt man: "Was Machsch?"
ja, ich glaube auch, dass Berlin mehrheitlich evangelisch ist - aber ich weiss es nicht genau.

Andrea

Nein, die Erfahrungen, die ich in diesem Thread angesprochen habe, würde ich in derselben Umgebung nochmal machen. Die Nazi-Hausverwaltung... Ich habe schon vor Jahren angefangen, ein Buch zu schreiben, und das Kapitel "Unerwünschte Mieterin" poste ich jetzt einfach mal hier rein.
UNERWÜNSCHTE MIETERIN
Die meisten Durchschnittsbürger laufen mit Scheuklappen durchs Leben, und wenn sie auf jemanden gestoßen werden, der für sie etwas Fremdes an sich hat, wehren sie sich, indem sie krampfhaft versuchen, dieser Person oder der Personengruppe Unzulänglichkeiten anzudichten, um sie zu vertreiben. Dadurch gerät ihre eigene Intoleranz für sie selbst und ihresgleichen niemals an die Oberfläche, und sie laufen nicht Gefahr, zu bemerken, daß sie jemandem unrecht tun. Deshalb stehen Kommunikationszentren für Behinderte und große Konzerthallen für junge Leute meistens am Stadtrand, und nicht selten wird eine Gruppe Blinder beim Betreten eines Speiselokals sofort in einen extra Raum verbannt.
Als ich 1988 den Entschluss fasste, die Wohnung, die ich derzeit bewohne, von meinem verstorbenen Großvater zu übernehmen, ahnte ich noch nicht, welche Intrigenspiele auf mich zukommen würden. Als mein Onkel und ich die eingezäunte Residenz der Hausbesitzer betraten, trat ich diesen Menschen vorurteilslos gegenüber. Sie fragten mich, wie ich es denn schaffte, mit allem, was in einer Wohnung anfällt, allein zurechtzukommen, und ich erklärte ihnen, dass ich eine Mitbewohnerin haben werde und mich eine Bodenkosmetikerin tatkräftig unterstützen werde. ,,Ihr Vater wird sich um sie kümmern", erläuterte mein Onkel, dem die misstrauischen Blicke der Hausbesitzerin und deren Mutter zwar nicht entgangen waren, aber selbstverständlich erschienen. Ich empfand die Damen als schleimig, aber ich stufte sie in meiner Gutgläubigkeit als friedfertige Dummköpfe ein. ,,Wenn sie etwas brauchen", erklärte Frau Steiner, ,,können sie zu mir kommen."     Ihr Mann, der spätere Hausbesitzer war nicht anwesend. Damals gehörte das Haus noch der alten Frau, aber die saß nur da und verhielt sich so, wie alte Omas das eben tun, wenn ihnen jemand begegnet, der blind ist und von dem sie annehmen, er sei ärmer dran als sie selbst. Ihre Nichte hatte jetzt schon das Sagen, denn die Alte würde ohnehin bald den Löffel abgeben.
Kaum wohnte ich in meinem neuen Domizil, erhielt ich einen Anruf von meinem Onkel, der sich verhielt, als wäre ich eine Pubertierende, die man noch kontrollieren musste. Was mir denn einfiele, Kisten aus dem Fenster zu werfen und wie ich mich denn benähme? fragte er. Ich war wütend wie immer, wenn ich mich respektlos behandelt fühle, denn abgesehen davon, daß niemand einfach so Kisten aus dem Fenster wirft, ist es eine Unverschämtheit, sich meiner Blindheit wegen nicht mit mir, sondern mit einer Person, die diese Unstimmigkeiten nicht betreffen, auseinanderzusetzen. Darauf machte ich die Mitarbeiter der Hausverwaltung Vest erst einmal aufmerksam. Anfangs musste ich zu viel Miete bezahlen, doch kurz bevor die Schlichtungsstelle eingriff, wurden meine Mietkosten gesenkt.
Nun hatte ich mir fürs Erste Respekt verschafft, trotzdem wurde mein Leben immer mehr durch Kleinkriege im Haus beeinträchtigt, denn es konnte jederzeit passieren, dass der Hausbesitzer oder ein Mitarbeiter der Hausverwaltung bei mir klingelte. Diese Leute verdarben einem garantiert, meistens morgens, mit irgendwelchen Lappalien die Laune. Aus dem Schlaf gerissen gelang es mir am Wenigsten, richtig zu kontern.
An der Außenseite meiner Wohnungstüre klebten beispielsweise anfangs Aufkleber mit dem Bild von Claudia K., von Supervamp, einem Tonstudio ect. und ein Klebeetikett das mir eines Nachmittags zum Verhängnis wurde, denn ein Mitarbeiter der Hausverwaltung tauchte unvermutet an meiner Tür auf, der mich verbal attackierte und mir befahl, die Aufkleber abzunehmen, weil sich angeblich alle Wohnungstüren außen gleichen mussten. Verächtlich zeigte er auf ein Etikett, worauf: ,,Solidarität mit den Arbeitslosen" stand und fragte: ,,Und das soll schön sein?" Um des verdammten Friedens Willen nahm ich letztendlich blutenden Herzens meine Botschaften von der Tür. Tür Nummer 9 sah nun genauso hässlich aus wie alle anderen Türen von Haus 29. Das hat der Typ erreicht, dessen Job darin zu bestehen schien, sich darum zu kümmern, dass nichts existiert, was nicht exiestieren darf. ,,Vorschrift ist Vorschrift!" und damit basta.
Eines Tages, als Anschi und ich unsere  Zusammenschulung in der Steiermark hatten, stand wieder so ein Kümmerling an der Tür, den Irmgard, meine damalige Mitbewohnerin, ohne es zu müssen, die Wohnung betreten liess. In meinem Zimmer saßen gerade Lui, Michi und Thomas, die freilich optisch nicht der Norm entsprechen, und in der Küche hatten es sich die beiden Blinden Irmgard und Gui gemütlich gemacht. ,,Da gehört der Hitler noch her", soll unser uneingeladener Gast von sich gegeben haben, weil ihm dieses Bild, ein Dorn im Auge war. Schade, dass er das mir gegenüber nicht wiederholt hat, denn nach einer derartigen Äußerung dürfte einer Privatklage wohl nichts im Wege stehen.
Eines schönen Vormittags, meine Hündin Anschi hatte Durchfall und ich zu wenig geschlafen, bekamen wir abermals unerwarteten Besuch. ,,Hier ist Schwester Stumpf von der Gesundheitsbehörde", erklärte der ungebetene Gast vor unserer Wohnungstüre. Ich war gerade damit beschäftigt, die Kacke meines Hundes zu beseitigen, an der ich die Dame nun vorbei, in die Küche geleiten musste. Unsere Ex-Bodenkosmetikerin hatte uns im Stich gelassen, und wir hatten noch keinen Ersatz für sie gefunden. So kam es, dass uns die Hausverwaltung wegen ,,Verunreinigung der Wohnung" angezeigt hatte.
,,Wer gibt ihnen das Recht, sich so in unsere Privatsphäre einzumischen;" fragte Irmgard, hörbar an ihrer Toleranzgrenze angelangt. Sie war zweifellos im Recht, und dennoch erstaunte sie mich, denn so hatte ich sie noch nie zuvor erlebt. Ich war ihr an diesem Tag wirklich dankbar dafür, dass sie diesen Part der Konfrontation übernommen hatte, denn so gern ich meine Stimme auch erhoben hätte, ich war zu perplex und zu müde, um mich zu wehren.
Von nun an stellte uns das Soziale Hilfswerk einmal im Monat kostenlos eine Putzfrau zur Verfügung, auf die wir bald dankend verzichteten, weil sie zu selten da war und oberflächlich arbeitete.
Während der Dreharbeiten für den Film ,,ZUM SEHEN GEBOREN" klingelte eines Morgens die Hausmeisterin und bat uns, angebliche Hundescheiße auf der Treppe zu beseitigen. Das, worüber sie sich mächtig aufregte, war nichts als etwas Dreck, den jemand mit den Schuhen von der Straße hereingetragen hatte. Evi mußte, um den Fußabdruck durch die Kamera erkennen zu können, richtig danach suchen. Während wir dann von der Hausbesorgerin in einem Interview erfahren wollten, welche Probleme die Hausbewohner mit mir hätten, rief eine Oma vom oberen Stockwerk völlig entrüstet: ,,Die ist ja gar ned blind, die hat doch no an Schein (Schimmer!)" Für diese Szene hätte man für einen Österreichischen Heimatfilm keine Schauspieler engagieren müssen, so gekonnt lief sie ab. Und um dem Ereignis noch den richtigen Kick zu geben, wollten wir zu guter Letzt die Hausbesitzer nach ihrer Meinung fragen. Leider trafen wir sie zu Hause nicht an. Entweder waren sie nicht da, oder sie verwehrten uns den Zutritt zu ihrer Residenz, weil sie ihren Hass, den sie mich immer wieder unterschwellig spüren ließen, nicht offen zum Ausdruck bringen wollten.
Jedenfalls packte mich ein paar Tage später auf dem Weg zur Straßenbahn jemand am Handgelenk und sagte: ,,Lassen sie in Zukunft ihre terroristischen Maßnahmen, und filmen Sie nicht unsere Tür!" Der Hausbesitzer wollte sich mit der Erklärung, daß jemand von der Filmakademie gefilmt hatte, nicht zufrieden geben und stellte sich mir in den Weg, bis ich ihm mit dem Rechtsanwalt drohte.
Als ich öfter in Hamburg verweilte, erreichten mich zwei Schreiben von der Hausverwaltung:
Im ersten Brief wurde ich gebeten, mein Tandem aus dem Hof zu entfernen, weil es sonst auf meine Kosten entrümpelt würde. Ich werde den Moment nie vergessen, als Hanne und ich das Fahrrad aus dem Gebüsch hervor zogen und Hanne plötzlich in heller Begeisterung: ,,Kuck mal! Dein Fahrrad hat ein Junges!" rief, weil nebenan noch ein zweites heimatloses Fahrrad stand.
Ein paar Monate später, wurden die Tage, an welchen ich angeblich meine Wohnung nicht betreten haben soll, genau aufgelistet, dem ich über die Rechtsschutzversicherung mit einem netten Antwortschreiben entgegenwirken konnte. Kurz nachdem ich die Wohnung sanieren ließ, stand dieses ätzende, besoffene Oberarschloch von der Hausverwaltung Vest wieder mal da, um die Wohnung zu besichtigen. Ich hätte ihn nicht rein lassen müssen, aber er war mir körperlich so nah, dass ich Angst davor hatte, er könnte rabiat werden. Ich geleitete ihn also klopfenden Herzens bis zur Dusche und wieder zurück, und als er am selben Tag ein zweites Mal auftauchte, verwehrte ihm Yeli, meine damalige Mitbewohnerin, den Zutritt, während ich tief und fest geschlafen hatte.
Dann begegnete ich wieder mal meinem speziellen Freund, Herrn Steiner, dem Hausbesitzer, und weil ich ihm antwortete, wie es ihm nicht in den Kram passte, beschimpfte er mich – mehr zu sich selbst, doch so, dass ich es noch hören konnte: ,,Geh in Arsch!" ,,Das wird Folgen haben", erwiderte ich, um durchsickern zu lassen, dass ich diese Bemerkung durchaus verstanden hatte.
1997, nachdem ich Wien verlassen und nach Köln gezogen war, erzählte mir eine ehemalige Nachbarin, dass der Hausmeister im Haus erzählt hatte, ich sei aus Wien geflüchtet, weil ich als stadtbekannte Drogendealerin gesucht würde. Aus der Entfernung konnte ich darüber, dass die Phantasie derer, die mit dem für sie Fremden nicht klar kommen, keine Grenzen gesetzt sind, endlich wieder lachen.
Ich hatte die alte Wohnung in dem alten Haus sanieren lassen, weil in Österreich der Mieter selbst und nicht der Vermieter dafür zuständig ist. Als ich auszog, hätte die Hausverwaltung den von mir dafür aufgenommenen Altbausanierungskredit übernehmen müssen, was in diesem Fall, wie erwartet, nicht passierte. Später führte mein Vater in meinem Namen einen langen Prozess gegen die Hauswerwaltung Vest, den er verlor, weil Installatör und Elektriker fehlerhaft gearbeitet hatten. Also prozessierten wir danach gegen die beiden Firmen. Ich zahle noch immer, denn sowohl die Firma des Installateurs als auch die des Elektrikers wurden irgendwann aufgelöst, und beide gründeten eine neue Firma, die nicht mehr für die ,,Schulden" der anderen belangt werden kann.
Die Geschichte steht nur als Beispiel da. Ich brauchte meistens nicht einmal "Piep!" machen, und schon hat sich irgendwer über irgendwas aufgeregt.
Das ist hier in Köln anders. Hier wird man leben gelassen.
Zum Licht gehört der Schatten, zum Tag die Nacht. Das musst du dir so oft sagen, bis du es weißt und für selbstverständlich hältst. Dann kannst du nicht enttäuscht darüber sein. Denn leben heißt: Das

joelli

Da muss ich als Niederösterreicher doch glatt die Wiener verteidigen: Die sind doch auch nicht alle böse.
Schlechte Erfahrungen kann man wohl in jeder Stadt machen.
Wenn GK in Köln geboren worden wäre, hätte er wohl "Köln ohne Kölner" geschrieben. (Oder Castrop-Rauxel ohne Castrop-Rauxelner.)

Andrea

Hab ich gesagt, dass alle Wiener oder alle Österreicher böse sind? Es ging gerade nur um die schlechten Eigenschaften. Und dass sich die Wiener oder die Österreicher um alles kümmern, das ist nicht von der Hand zu weisen. Das fällt euch vielleicht einfach nicht auf. Ich meine damit aber nicht, dass ALLE so sind...
Wäre GK in Köln geboren, würde er kölsch singen :-). Dann würde Sandra auch kölsch singen - das kann ich mir gerade überhaupt nicht vorstellen ;-). Dagmar, wie sär's mit einer GK-Song-Übersetzung auf kölsch? Die würden wir nicht verstehen, aber amüsieren würde uns das schon...
Zum Licht gehört der Schatten, zum Tag die Nacht. Das musst du dir so oft sagen, bis du es weißt und für selbstverständlich hältst. Dann kannst du nicht enttäuscht darüber sein. Denn leben heißt: Das

Bastian

#49
Kreisler als Kölsche Jung?? Er würde im Millowitsch Theater auftreten... oder im Senftöpfchen. Statt Wieeen ... nur du allein... würde er ... Kölle, du uns Stadt am Rhing... dudeln. Und er würde den Karneval kritisieren, wie banal...

Un dat Sandra? Unser Sandra wör dat Funkemariechen, nee wat wör dat schöön...